Nordlichter
Kopf
Donnerstag, 11. November 2004
Auf dem Krater des Vesuvs
Unser Reisebegleiter wollte meiner Gruppe etwas Gutes tun, und so fuhr unser Bus zum Fuß des Vesuvs. Der Vulkan stand nicht auf dem Besichtigungsplan, deshalb war die Besteigung auf eigenes Risiko. Was denn sonst?

Der Hauptkegel des Vesuvs ist 1.281 m hoch. Wer sich den Aufstieg nicht zumuten wollte, blieb unten zwischen den Souvenirbuden hocken oder trank einen Kaffee. Für mich kam das nicht in Frage, ich quälte mich hinauf. Der Anstieg war steil genug für jemand, der sich sonst nur auf flachem Gelände bewegt und im dritten Stock wohnt. Zu DDR-Zeiten war ich doch etwas trainierter, 5. Etage und kein Fahrstuhl. Der Pfad auf den Vulkan war zwar mühsam, doch als Entschädigung wurde die Aussicht auf den Golf von Neapel mit jedem Schritt besser. Wenn etwa 2/3 des Weges hinter Euch liegt, dann taucht plötzlich eine Bude auf. Wer weiter will, muss Eintritt entrichten. Natürlich kehrt niemand um, der sein Portemonnaie dabei hat. Wer es bis hier geschafft hat, der will weiter hinauf. Raffiniert ist nur den Wegezoll erst an dieser Stelle einzutreiben. Am Fuße des Berges hätte es sich vielleicht so mancher überlegt. Ihr dürft den Krater etwa zu ¾ umrunden. Um vorwitzige Touristen vor dem Sturz in den Krater zu bewahren, ist ein Geländer installiert.

Oben auf dem Berg befindet sich eine geologische Station. Der Vesuv ist weitaus gefährlicher als der Ätna, der laufend Feuer speit. Unter dem Vesuv befindet sich eine riesige Magmakammer. Niemand weiß, wann sich genug Druck aufgebaut hat, dass der Berg explodiert. Alle wissen nur, dass es passieren wird. Vergleicht Ihr die beiden bekanntesten Vulkane Italiens mit Menschen, dann wäre der Ätna ein Choleriker, leicht erregbar und immer bereit Dampf abzulassen. Der Vesuv jedoch gliche einem potentiellen Amokläufer. Ihr seht ihm seine Gefährlichkeit nicht an, aber wenn er durchdreht, gibt es eine Katastrophe.

Ich hatte ja erwartet in einen gefährlichen rotglühenden Höllenschlund zu sehen, aber der Kraterboden ist nur mit Geröll bedeckt. An den Seitenwänden steigt ab und zu etwas Rauch auf, und es riecht nach Schwefel. Es ist das einzige sichtbare Zeichen, dass der Vulkan noch aktiv ist. Die Vulkanologen in der Station sehen bestimmt mehr von den Aktivitäten des Vesuvs. Ihre Beobachtungen sollen dazu dienen, um die Einwohner rechtzeitig vor einem Ausbruch warnen zu können. Ich halte es für sehr fraglich, dass eine Evakuierung im Ernstfall gelingt. Allein in Neapel leben über eine Million Menschen. Jeder, der Neapel kennt, weiß, dass die Straßen um die Stadt ewig verstopft sind. Wie soll dass erst werden, wenn wegen der Eruption Panik ausbricht?

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