Nordlichter
Kopf
Abschied
31.03.2008

Am 07.02.2008 ist Marion im Hospiz gestorben.

Eine Woche vor Ihrem Tod hat sie mir noch einen Eintrag für Ihren Blog diktiert. In den letzten Monaten Ihres Lebens war dieser Blog mit das Wichtigste in Ihrem Leben gewesen und sie hat sich so sehr gewünscht, noch weiter leben zu können um noch mehr zu schreiben. Marion hat alle Ihre Einträge immer Korrektur gelesen und noch verbessert und so lange gefeilt, bis ihr alles in den richtigen Worten verfasst schien. Erst dann hat sie das Ganze im Netz veröffentlicht. Diesen letzten Eintrag konnte sie nicht mehr überarbeiten und ich stelle ihn auf Marions Wunsch hin jetzt in Rohform ins Netz. Er ist nicht fertig geworden, denn es ging ihr körperlich zu schlecht um noch weiter diktieren zu können.


Ti 29.01.2008

Mein Einzug in die Greifswalder Klinik für Inneres verlief chaotisch. Organisiert hatte meinen Krankenhausaufenthalt ein anderer Arzt im Demminer Krankenhaus und nicht mein Onkologe. Und jeder dachte vom anderen, daß er mich über den Zeitpunkt informieren würde. Also erhielt ich gar keine Information. Es war ein bisschen wie zu DDR-Zeiten - keiner weiß Bescheid, aber alle machen mit. Als ich am Montag dort ankam, war kein Bett für mich frei. Da ich aber nicht wieder nach Hause wollte, weil ich schon mal da war, wurde für mich ein Bett in den Stationsflur geschoben. Und ich musste warten. Während ich da auf dem Flur hockte setzte sich der Stationsarzt auf meine Bettkante und plauderte mit mir. Ich erklärte ihm, daß ich 2 Dinge völlig ablehnen würde: eine harte Chemo und eine Darmspiegelung. Weil ich sicher war, beides körperlich nicht mehr durchstehen zu können. Patientenbetten auf dem Flur kannte ich eigentlich nur aus Berichten über Dritte-Welt-Länder oder aus Großbritannien. Aber am Ende wurde doch noch alles gut und ich wurde samt Bett in ein 3er-Zimmer geschoben. Hier gab es sogar ein eigenes Bad mit Toilette. Während ich in Greifswald Klinikum lag wurde ich in 3 verschiedene Zimmer verlegt. In ein 6er-Zimmer mit Toilette und in ein 3er-Zimmer ohne Toilette. Ich wartete wenn auch nicht auf den Weihnachtsmann sondern auf eine gute Fee, die mir einen Wunsch erfüllen würde. Leider kam es nicht dazu. Die Strahlenärztin sagte mir, daß das Gewächs in Schulter und Rücken 10x bestrahlt werden müsste. Und sie stimmte mir zu, als ich erklärte, ich glaube für mich wäre keine Heilung möglich sondern nur ein Hinauszögern der Krankheit. Inzwischen war der Oberarzt in der Inneren Klinik voller Eifer dabei, sich meines Darmproblems anzunehmen. Mit Hilfe von Kapseln mit dem Wirkstoff Loperamid gelang es ihm, die Darmtätigkeit in meinem Bauch vollständig zum Erliegen zu bringen. Statt Durchfall musste ich mich jetzt mehrfach übergeben. Und erst jetzt wurde durch einige Untersuchungen wie CT, Röntgen usw. nach der Ursache geforscht. Die Frauen (Mitpatientinnen) in meinem Zimmer ertrugen meine Brechorgien relativ gelassen. Bei all diesen Untersuchungen konnte keine organische Ursache für das Brechen gefunden werden. Ich bekam während meines Aufenthalts dort mehrfach Besuch. Jemand vom ambulanten Hospizdienst in Greifswald, Renate tauchte plötzlich mit Tochter und Enkelin auf, eine Schwester vom evangelischen Kloster Verchen und natürlich meine Freundin Beate. Diese Besuche machten es für mich erträglicher, es in Greifswald auszuhalten. Im Krankenhaus grassierte der Norovirus und die Station, auf der ich lag, war die einzige, die nicht geschlossen wurde. Trotzdem stieg der Krankenstand unter dem Personal und die Stimmung näherte sich dem Gefrierpunkt, weil noch weniger Schwestern und Pfleger sich die Arbeit teilen mussten. Eines Nachts verschluckte ich mich am Tee. Während ich so vor mich hin röchelte war die Schwester gerade mit einer anderen Patientin im Zimmer beschäftigt. Sie sagte mir, daß man da nichts machen könne. Aber dafür klopfte mir meine Bettnachbarin heftig auf den Rücken, bis ich wieder Luft bekam. Eines Abends setzte sich einer der Ärzte zu mir ans Bett und sagte zu mir, ich solle mal raten, was beim CT herausgekommen wär. Ich antwortete, wenn er schon so anfing, wüsste ich schon Bescheid. Man kann schlechte Nachrichten auch anders rüberbringen. Ich fand das Verhalten des Arztes sehr taktlos. Um sensibel so schlechte Nachrichten zu übermitteln braucht es keine spezielle Schulung – dafür reicht eine Ausbildung als Mensch. Fakt war, daß der Krebs wieder gekommen ist und auch andere Organe mit Metastasen befallen sind.


Hier endet Marions letzter Eintrag und in Ihrem Sinne sage ich Euch allen „Lebt wohl Ihr Lieben“

Beate (Freundin)