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Montag, 22. Mai 2006
Ligurien und die kleinen Freuden
Montag, 22. Mai 2006, Kategorie: 'unterwegs'
Dass ich mich nun doch noch aufgerafft habe, den längst fälligen Artikel über Ligurien die drittkleinste Region Italiens zu schreiben, verdankt Ihr, meine Freunde, dem stillen Herrn Alphons. Don Alphonso hatte sich in seiner gewohnt zurückhaltenden Art in mehreren Artikel über seinen Italienurlaub ausgelassen. Der schönste ist für mich der Lobgesang auf das italienische Essen. Die Therapie hat mir ja nicht nur den Appetit verhagelt, sondern mir auch die Lust am Kochen vergällt. Don Alphonso gedenkt seine letzten Tage in Italien zu verbringen und sich dort begraben zu lassen.
Recht so, wenn schon sterben, dann in Italien! Allerdings würde ich dafür Ligurien der Gegend um den Gardasee vorziehen. Ich wurde in einer Stadt am Meer geboren, da sollte mein Ende auch etwas mit dem Meer zu tun haben. Die Cinque Terre halten ebenfalls Weinberge bereit, an deren Klippen ich gern verbuddelt werden würde mit Blick auf das Ligurische Meer, versteht sich. An diesen steilen Hängen trampeln nicht so viele Touristen herum, vor allen Dingen kaum deutsche. Zum Gedenken an die teuren Verblichenen keine Reden zu schwingen sondern ein wundervolles Essen zu genießen, finde ich eine schöne Idee. Mir zu Ehren solltet Ihr Euch dann mit Spaghetti und Meeresfrüchten vollstopfen. Pasta mit Frutti di Mare, das ist meine Auffassung vom Paradies.
Ich hatte in meinem Rezeptblock beschrieben, dass ich als Geschädigte des sozialistischen Kantinenessens mein Aha-Erlebnis in Sachen Kochkunst in Ligurien hatte. Dort habe ich unverhofft wiedergefunden, was ich schon lange verloren glaubte, die Freude am Essen. Nebenbei bemerkt, das kapitalistische Fastfood ist auch keinen Deut besser. Wer dessen besondere Genüsse erleben will, sollte sich ins Universitätsklinikum Greifswald einweisen lassen, aber das nur als Randnotiz.
Nach Ligurien ging meine zweite Italienreise. Diese Region, durch die sich die Gebirgszüge bis ans Meer ziehen, unterscheidet sich landschaftlich so völlig von den lieblichen Hügeln der Toskana. Auch die Pflanzenwelt ist eine ganz andere. Während in der Toskana den Reisenden lange weiße Sandstrände erfreuen, badet man in Ligurien auf meist steinigem Untergrund, eingerahmt von steilen Klippen. Doch auch das hat seinen Reiz. Durch das Gebirge geschützt, ist das Klima sehr mild. Deshalb ist neben dem Tourismus auch die Blumenzucht eine Haupteinnahmequelle. Das ligurische Nationalgericht ist etwas ganz feines und einfaches, Nudeln mit Pesto. Die grüne Soße stellt man am besten selbst her aus Basilikum, Knoblauch, Pinienkerne, Olivenöl, Parmesan und Salz.
Untergebracht war die Reisegruppe in einem kleinen Hotel an der Italienischen Riviera. Ich bestaunte begeistert die Alleebäume, es waren Oleander mit dicken Stämmen. Den Namen des Ortes habe ich inzwischen ebenso vergessen wie den des Hotels. Ich weiß nur noch, dass auf dem Platz neben der Cafeteria, in der ich immer meinen Espresso trank ein großer Zitronenbaum stand. Die anderen Reisenden waren für Espresso nicht so zu begeistern. Der Fingerhut voll der schwarzen Brühe erschien ihnen schlicht zu wenig. Seit wann ist Masse ein Zeichen für Qualität? Cafeteria und Hotel waren nicht weit voneinander entfernt. Es war eines der üblichen Touristenhotels. In der Lobby saß jeden Abend die Mutter des Patrone gemeinsam mit einer ebenso alten Dame. Das Maskottchen des Hotels war ein Zwergdackel. Ein winziger Hund mit mutigem Herzen, der die Eingangstür furchtlos gegen jeden noch so großen Kläffer verteidigte.
Als Gast des Hotels musste man auf dem Weg ins Restaurant durch einen engen Flur. Dabei konnte man einen Blick in die Küche und auf die Köstlichkeiten werfen, die ein junger Koch für uns zubereitete. Der Patrone ließ es sich nicht nehmen der Reisegruppe jeden Abend das Menü des nächsten Tages höchstselbst zu verkünden. Als Vorspeise gab es Suppe oder Pasta. Als Hauptgang wurde Fleisch, Fisch oder etwas Vegetarisches gereicht. Von dem Fischgericht, das ich da gegessen habe, schwärme ich noch heute. Dort habe ich auch die Königin aller Nachspeisen verzehrt, Tiramisu. Der junge Koch wollte die Anleitung dazu aber nicht rausrücken. Ich bekam sie von der italienischen Reiseleiterin zusammen mit den Rezepten für Pesto und Safranreis. Das ist schon ein vollständiges Menü, und ich habe es nach der Reise für meine Freunde gekocht. Die Reiseleiterin hat mir auch beigebracht, meine Lieblingsnudeln nur mit einer Gabel zu essen. Seitdem kann ich Spaghetti aufspießen und in den Mund befördern, ohne dass sie mir rechts und links um die Ohren klatschen.
Im Ausland hat man als Deutsche ja reichlich Gelegenheit sich für seine Landsleute zu schämen. Bevor ich in irgendein fremdes Land einfalle, informiere ich mich über die dortigen Gepflogenheiten, um nicht gleich in jedes Fettnäpfchen zu stampfen. Die meisten Deutschen halten derlei für unnötig. Zu Hause verlangen sie, dass sich die Ausländer nach ihnen richten. Im Gegensatz dazu fordern sie, wenn sie im Ausland sind, dass sich die Inländer an ihnen orientieren. Das ist ein fester Bestandteil der deutschen Leitkultur.
In Italien hat sich trotz globaler Welt die Separierung nicht so durchgesetzt wie in Deutschland. Der Gemeinschaftssinn wird immer noch hochgehalten. Deshalb ist es übliche Praxis, dass am Tisch mit einer Gesamtrechnung bezahlt wird und nicht jeder Gast einzeln. An dem Tisch in einem kleinen Restaurant der Cinque Terre, an dem ich saß, war das kein Problem. Die Preise für Essen und Getränke standen in der Karte, Kopfrechnen konnten wir trotz Urlaub auch alle noch. Also legte jeder seinen Obulus in die Mitte des Tisches, und gut war's. An den anderen beiden Tischen, die die Reisegruppe besetzt hatte, erhob sich unterdessen Geschrei. Keiner der anderen Touristen war bereit, es den an meinem Tisch Sitzenden gleich zu tun. Vielleicht hätte dann jemand einen Cent zuviel bezahlt, was weiß ich. Während ich schamviolett anlief, hatten die handelnden Personen ihren Faux pas nicht einmal bemerkt. Ich fragte einen der Einzelzahler später, warum er die Rechnung nicht mit den andern zusammen begleichen konnte. "Was denn, etwa mit völlig Fremden?" erwiderte er empört. Da waren wir schon fast eine Woche gemeinsam unterwegs.
Wenn ich an Deutschland denke, kommt mir immer nur Schopenhauer in den Sinn. Wenn ich an Italien denke aber auch.
Recht so, wenn schon sterben, dann in Italien! Allerdings würde ich dafür Ligurien der Gegend um den Gardasee vorziehen. Ich wurde in einer Stadt am Meer geboren, da sollte mein Ende auch etwas mit dem Meer zu tun haben. Die Cinque Terre halten ebenfalls Weinberge bereit, an deren Klippen ich gern verbuddelt werden würde mit Blick auf das Ligurische Meer, versteht sich. An diesen steilen Hängen trampeln nicht so viele Touristen herum, vor allen Dingen kaum deutsche. Zum Gedenken an die teuren Verblichenen keine Reden zu schwingen sondern ein wundervolles Essen zu genießen, finde ich eine schöne Idee. Mir zu Ehren solltet Ihr Euch dann mit Spaghetti und Meeresfrüchten vollstopfen. Pasta mit Frutti di Mare, das ist meine Auffassung vom Paradies.
Ich hatte in meinem Rezeptblock beschrieben, dass ich als Geschädigte des sozialistischen Kantinenessens mein Aha-Erlebnis in Sachen Kochkunst in Ligurien hatte. Dort habe ich unverhofft wiedergefunden, was ich schon lange verloren glaubte, die Freude am Essen. Nebenbei bemerkt, das kapitalistische Fastfood ist auch keinen Deut besser. Wer dessen besondere Genüsse erleben will, sollte sich ins Universitätsklinikum Greifswald einweisen lassen, aber das nur als Randnotiz.
Nach Ligurien ging meine zweite Italienreise. Diese Region, durch die sich die Gebirgszüge bis ans Meer ziehen, unterscheidet sich landschaftlich so völlig von den lieblichen Hügeln der Toskana. Auch die Pflanzenwelt ist eine ganz andere. Während in der Toskana den Reisenden lange weiße Sandstrände erfreuen, badet man in Ligurien auf meist steinigem Untergrund, eingerahmt von steilen Klippen. Doch auch das hat seinen Reiz. Durch das Gebirge geschützt, ist das Klima sehr mild. Deshalb ist neben dem Tourismus auch die Blumenzucht eine Haupteinnahmequelle. Das ligurische Nationalgericht ist etwas ganz feines und einfaches, Nudeln mit Pesto. Die grüne Soße stellt man am besten selbst her aus Basilikum, Knoblauch, Pinienkerne, Olivenöl, Parmesan und Salz.
Untergebracht war die Reisegruppe in einem kleinen Hotel an der Italienischen Riviera. Ich bestaunte begeistert die Alleebäume, es waren Oleander mit dicken Stämmen. Den Namen des Ortes habe ich inzwischen ebenso vergessen wie den des Hotels. Ich weiß nur noch, dass auf dem Platz neben der Cafeteria, in der ich immer meinen Espresso trank ein großer Zitronenbaum stand. Die anderen Reisenden waren für Espresso nicht so zu begeistern. Der Fingerhut voll der schwarzen Brühe erschien ihnen schlicht zu wenig. Seit wann ist Masse ein Zeichen für Qualität? Cafeteria und Hotel waren nicht weit voneinander entfernt. Es war eines der üblichen Touristenhotels. In der Lobby saß jeden Abend die Mutter des Patrone gemeinsam mit einer ebenso alten Dame. Das Maskottchen des Hotels war ein Zwergdackel. Ein winziger Hund mit mutigem Herzen, der die Eingangstür furchtlos gegen jeden noch so großen Kläffer verteidigte.
Als Gast des Hotels musste man auf dem Weg ins Restaurant durch einen engen Flur. Dabei konnte man einen Blick in die Küche und auf die Köstlichkeiten werfen, die ein junger Koch für uns zubereitete. Der Patrone ließ es sich nicht nehmen der Reisegruppe jeden Abend das Menü des nächsten Tages höchstselbst zu verkünden. Als Vorspeise gab es Suppe oder Pasta. Als Hauptgang wurde Fleisch, Fisch oder etwas Vegetarisches gereicht. Von dem Fischgericht, das ich da gegessen habe, schwärme ich noch heute. Dort habe ich auch die Königin aller Nachspeisen verzehrt, Tiramisu. Der junge Koch wollte die Anleitung dazu aber nicht rausrücken. Ich bekam sie von der italienischen Reiseleiterin zusammen mit den Rezepten für Pesto und Safranreis. Das ist schon ein vollständiges Menü, und ich habe es nach der Reise für meine Freunde gekocht. Die Reiseleiterin hat mir auch beigebracht, meine Lieblingsnudeln nur mit einer Gabel zu essen. Seitdem kann ich Spaghetti aufspießen und in den Mund befördern, ohne dass sie mir rechts und links um die Ohren klatschen.
Im Ausland hat man als Deutsche ja reichlich Gelegenheit sich für seine Landsleute zu schämen. Bevor ich in irgendein fremdes Land einfalle, informiere ich mich über die dortigen Gepflogenheiten, um nicht gleich in jedes Fettnäpfchen zu stampfen. Die meisten Deutschen halten derlei für unnötig. Zu Hause verlangen sie, dass sich die Ausländer nach ihnen richten. Im Gegensatz dazu fordern sie, wenn sie im Ausland sind, dass sich die Inländer an ihnen orientieren. Das ist ein fester Bestandteil der deutschen Leitkultur.
In Italien hat sich trotz globaler Welt die Separierung nicht so durchgesetzt wie in Deutschland. Der Gemeinschaftssinn wird immer noch hochgehalten. Deshalb ist es übliche Praxis, dass am Tisch mit einer Gesamtrechnung bezahlt wird und nicht jeder Gast einzeln. An dem Tisch in einem kleinen Restaurant der Cinque Terre, an dem ich saß, war das kein Problem. Die Preise für Essen und Getränke standen in der Karte, Kopfrechnen konnten wir trotz Urlaub auch alle noch. Also legte jeder seinen Obulus in die Mitte des Tisches, und gut war's. An den anderen beiden Tischen, die die Reisegruppe besetzt hatte, erhob sich unterdessen Geschrei. Keiner der anderen Touristen war bereit, es den an meinem Tisch Sitzenden gleich zu tun. Vielleicht hätte dann jemand einen Cent zuviel bezahlt, was weiß ich. Während ich schamviolett anlief, hatten die handelnden Personen ihren Faux pas nicht einmal bemerkt. Ich fragte einen der Einzelzahler später, warum er die Rechnung nicht mit den andern zusammen begleichen konnte. "Was denn, etwa mit völlig Fremden?" erwiderte er empört. Da waren wir schon fast eine Woche gemeinsam unterwegs.
Wenn ich an Deutschland denke, kommt mir immer nur Schopenhauer in den Sinn. Wenn ich an Italien denke aber auch.
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