Nordlichter
Kopf
Harald Schmidt - Warum und wohin?
Ich bin kein Fan von Harald Schmidt, und seine Late Night Show gucke ich auch nicht. Ich kann mich nur erinnern Herrn Schmidt bei einem Musiksender gesehen zu haben, von dem ich nicht weiß, ob der noch existiert. Bei jenem Sender durften Prominente ihre fünf Lieblingshits vorstellen. Ich entsinne mich, dass Harald Schmidt seinen Neid gegenüber Robert Palmer nicht verbergen konnte. Der war in einem seiner Hits von jungen langbeinigen Frauen umschwärmt worden. Herrn Schmidts Abgang, nachdem er seine Lieblingsstücke vorgestellt hatte, fand ich genial. Er öffnete die Tür und fiel mit einem Schrei vom Treppenabsatz.

Harald Schmidt als Kolumnenschreiberling kannte ich noch gar nicht. Bei Frau Kuttner hatte ich nur geschmunzelt. Also nahm ich die Lektüre vertrauensvoll mit in die Onkologiesitzung, ließ mich über den Port an die Infusion anschließen und legte mich in meinen Sessel. Das Buch fängt ganz harmlos an. Herr Schmidt ermutigt als erstes zum Verfassen von Kolumnen.
Sorge Dich nicht, schreibe.
Seine zehn goldenen Regeln sollten gerade auch Blogger beherzigen. Am besten gefällt mir Regel Nummer 11:
11. Kündigen Sie zehn Punkte an und bringen sie elf. Ihre Gegner werden staunen.
Herr Schmidt betätigt sich als „kleinen Millionärsratgeber“ und „ziemlich verwehter“ Reiseberichterstatter. Richtig interessant wurde es aber erst als „Heimwerker Harald“ ein „preisgekröntes 5 m²-Bad“ inspiziert.
Übrigens konnte man beim Duschen tatsächlich bequem aufrecht stehen, vorausgesetzt man kippte das (staatl. geförderte) Dachfenster.
Duschen mit dem Kopf im Freien – Lebensqualität auf 5 m².
Bei der Vorstellung eines intensiv duschenden Harald Schmidts, der dabei vom Dach aus die Gegend betrachtet, bekam ich einen Lachkrampf. Der alte Herr im Sessel mir gegenüber sagte der Schwester, sie solle mir keinen Früchtetee mehr geben. Der hätte auf mich ungeahnte Nebenwirkungen. Aber es kam noch schlimmer.

Herr Schmidt hatte nämlich in seinem Hotelzimmer das Angebot einer Heilpraktikerin gefunden.
Leider ist unsereins fast sklavisch der Schulmedizin verfallen, und wir können mit den meisten Begriffen nichts anfangen. Was bitte ist eine „Beutelbegasung“? Wird einem für achtzig Mark der Beutel begast, oder wird man mit Hilfe eines Beutels begast?
Darauf weiß ich leider auch keine Antwort. Aber wie immer kennen sich Google und die Wikipedia aus, hinter Beutelbegasung verbirgt sich die Ozontherapie. Herr Schmidt hatte aber ein noch viel interessanteres Naturheilverfahren entdeckt, die Ohrenkerzenbehandlung mit Massage. Für ihn eine durchaus erregende Idee:
Ich stecke mir Kerzen in die Ohren und lasse mich massieren!
Ich sah Herrn Schmidt bäuchlings auf einer Pritsche liegen mit weißen Kerzen in den Ohren. Eine Blondine beugte sich über ihn und knetet ihn durch. Ich war nahe dran aus meinem Sessel zu stürzen. Die Entfernung zum Fußboden war nicht sehr groß, aber da ich entsetzlich mager bin, hätte ich mir beim Aufprall ohne Polsterung böse Dellen zuziehen können. Ich glaube nicht, dass auf dieser Krebsstation schon jemand so laut und ausdauernd gelacht hat wie ich.

Übrigens findige Zeitgenossen könnten dem kleinen Millionärsratgeber noch ein Kapitel hinzufügen: Harald Schmidts gesammelte Kolumnen lesen, aus dem Sessel in der Onkologie kippen, sich die Ohren brechen, und dann Herrn Schmidt auf Schmerzensgeld verklagen. Im Buch stand keine Warnung über Risiken und Nebenwirkungen der Lektüre. Das sollte bei der nächsten Auflage unbedingt ergänzt werden!