Nordlichter
Kopf
Montag, 18. Dezember 2006
Alter ego
Meinen Pinguin aus der Kunsttherapie in Plau hatte ich nicht heil nach Hause geschafft. Ich habe ihm den linken Flügel abgebrochen. Da der Ton aber noch feucht war, konnte ich es reparieren. Ich hatte mir beim Modellieren keinen Plan gemacht und einfach mit meinen gefühllosen Fingern munter am Tonklumpen herumgeknetet. Heraus kam dieser merkwürdige Vogel. Die Therapeutin deutete ihn betrachtend, gut vorankommen würde er nicht. Aber trotzdem würde das Tier schon mal schwankend lostapsen. Die Ähnlichkeit mit mir und meiner jetzigen Situation ist unverkennbar. Richtig laufen kann auch ich nicht. Ich mag Pinguine. Meine liebsten Filmhelden gehören zur frechen Pinguingang aus dem Trickfilm "Madagaskar". Da stehe ich nun, schlage wie wild mit den Flügeln und hebe keinen Zentimeter vom Boden ab. Pinguine können gar nicht fliegen! Warum hat mir das keiner gesagt?

Tonpinguin als alter ego

Also muss ich mich weiter mit meinen dicken Füßen durch die Gegend quälen. Mit geschwollenen bandagierten Beinen zu laufen fällt mir sehr schwer. Dabei habe ich neben den üblichen Gängen zu Arzt und Physiotherapie auch solche zu verschiedenen Ämtern zu absolvieren. Mein Krankengeld läuft Ende Dezember aus. Dann sind die 78 Wochen um. Die nette Mitarbeiterin meiner Krankenkasse erklärte mir am Telefon, dass ich Anspruch auf Arbeitslosengeld I hätte, obwohl ich dann beschäftigungs- und nicht arbeitslos bin. Ich erhalte das Arbeitslosengeld auch nur, wenn ich einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stelle. Genauso habe ich es im Stoma-Forum gelesen. Konkret steht das im SGB III im § 142, falls Ihr es nachlesen müsst.

Beim Rentenversicherer hatte ich letzte Woche einen Termin. BfA und LVA firmieren seit diesem Jahr unter dem Namen "Deutsche Rentenversicherung". Im Amt selbst ist man aber nach wie vor hübsch getrennt. Die Kollegin der LVA darf die Kunden der BfA nicht bedienen und umgekehrt. Mit seinen Formularen geht man immer noch zur entsprechenden Rentenanstalt. Beim Ausfüllen derselben hatte ich so meine Plage. Die Folgen der Chemotherapie bewirken, dass ich mehr schlecht als recht schreiben kann. Auf der Tastatur meines Notebooks rumzuhacken, fällt mir bedeutend leichter. Dessen ungeachtet, kam ich gut vorbereitet mit meinen Unterlagen dort an. Dennoch hat es eine Stunde gedauert, ehe die hilfsbereite und freundliche Mitarbeiterin mich entlassen konnte.

Den Termin bei der Bundesanstalt für Arbeit habe ich am Donnerstag. Die Formulare sind ausgefüllt. Ich habe deswegen meine Krankenkasse und meinen Arbeitgeber besucht. Solange ich keine Erwerbsminderungsrente beziehe, erhalte ich Arbeitslosengeld. Sie verrechnen es dann untereinander. Ich habe noch keine Ahnung, wie sich meine finanzielle Lage dann darstellt. Ein Absturz vom Gehalt über Kranken- und Arbeitslosengeld bis hin zur Erwerbsminderungsrente ist es allemal.

Hinzukommt, dass einer durchgestandenen Krebserkrankung nicht nur körperliche Einschränkungen folgen und sich Mehltau auf die Seele legt. Nein, eine chronische Krankheit ist auch dem Ausmaß des Portemonnaies sehr abträglich. Die Krankenkasse sponsert nur Fahrten zur Strahlen- und Chemotherapie. Wenn ich wegen meiner Lymphödeme zu einem Arzt am anderen Ende der Stadt muss oder zur Nachsorge nach Greifswald, dann ist das allein mein Problem. Diese Fahrten zahle ich selbst, genauso wie Unmengen von Vorlagen oder Einmalwaschlappen, den erhöhten Verbrauch an zartem Klopapier, das vielfache Betätigen der Spültaste, und was das Leben nach überstandenem Darmkrebs noch so Aufregendes für mich bereithält. Die Krankenkasse versteht sich aber immerhin als Mäzen für meine Windelhosen. Aber die trage ich nur auf großer Fahrt. Es ist so umständlich sich da wieder rauszuschälen. Außerdem sehen meine Jeans über den Dingern aus, als trüge ich Ballonhosen. In der Wohnung tun es auch Vorlagen. Die gibt es im Sanitätshaus für 2 Euronen die Packung mit 15 Stück.

Außerhalb meiner Wohnung brauche ich etwas mehr Schutz für meine Wäsche. Ich verwende ganz normale Windeln für 11-25 kg schwere Kleinkinder. Bei mir sind das natürlich keine Windel sondern Vorlagen. Den Tip habe ich vom Psychologen der Plauer Rehaklinik, und der hat ihn von einem seiner Patienten. Im Billigmarkt gibt es 54 Windeln für etwa 10 Euronen. Diese Packung hat meine Freundin gekauft, weil der Weg zum Supermarkt für mich einfach zu weit ist. Ich hätte aber auch keine Probleme sie selbst zu kaufen. Wenn mich jemand fragen sollte, ob ich die Windeln für ein Kind kaufe, würde ich antworten, nein, für mich selbst. Sie würden das für einen Witz halten. Mit diesen Windelvorlagen fühle ich mich bei meinen Unternehmungen sicher.

An meinen vielen Toilettengängen das, was man in Plau als Stuhlinkontinenz feststellte, hat sich immer noch nichts geändert. Am Vormittag geht es, und so sehe ich zu, dass ich meine Termine außer Haus in diese Zeit lege. Nach dem Mittag geht der Spaß erst so richtig los. Ich muss bis in den Abend hinein rennen. Nachts habe ich zum Glück meine Ruhe. Wenn ich schlafe, schläft auch mein Darm. Die Nacht kann ich sogar ohne Vorlagen überstehen. Ich habe genau drei Möglichkeiten den Toilettengängen und einem blutigen Hintern zu entgehen: 1. Ich esse nichts. 2. Ich schlafe. 3. Ich stopfe mich mit Lopedium voll. Eine Lösung stellt keine dieser drei Mittel dar. Die Familienpackung mit dem Lopedium, die ich in der Onkologie erhielt, ist inzwischen auch fast alle.

Im Moment erscheint mir, als müsste ich Winterruhe halten. Ich könnte nur noch schlafen. Nach dem Mittag muss ich mich wieder hinlegen, auch weil dann die Füße weh tun. Wenn ich mich nach kurzem Schlaf erhebe, habe ich Mühe in Gang zu kommen. Die Beine sind schwer wie Blei, und die Knie schmerzen. Die Hände sind dann wieder steif wie am Morgen nach dem Erwachen, und ich kann die Finger nicht krümmen. Ich brauche mehrere Versuche, bis ich wieder greifen kann. Meine steifen Finger ängstigen mich jedes Mal aufs neue. Im Augenblick komme ich mit den Folgen meiner Erkrankung nicht besonders gut klar. Der Psychologe in Plau hatte mir geraten Entspannungsübungen durchzuführen.

Ich hatte noch einen Bücherscheck und entschloss mich, den einzulösen. Die Buchhandlung in Demmin betrat ich wieder nach über 1 ½ Jahren. Inzwischen ist der Verkaufsraum verkleinert worden. Ich bestellte „Gesund bleiben nach Krebs“ von Josef Beuth und „Den Krebs abwehren – die Selbstheilung fördern“ von Dr. Christine Centurioni. Dr. Centurioni ist Psychoonkologin in einem österreichischen Krankenhaus. Ihr Buch enthält zwei Audio-CDs. Ich werde beide Bücher hier in diesem Blog besprechen.

Nach dem Besuch der Buchhandlung ging ich um die Ecke in den Dessousladen. Durch meine Krankheit bin ich von Oberweite 80B auf 75A degradiert worden. Es ist nicht einfach, für kleine Körbchengrößen die passende Unterwäsche zu ergattern. Aber hier hatte ich Glück. Ich probierte zuerst einen weißen BH. Der Verkäuferin hatte ich nur gesagt, dass ich so sehr abgenommen hätte. Auf ihre Frage, wie ich das denn gemacht hätte, sagte ich nur das Wort krank. Die Verkäuferin hatte daraufhin kein Interesse mehr zu erfahren und ich auch keins mehr zu erzählen. Im Gegensatz zu anderen Läden musste ich mir hier nichts über die Unterwäsche zerren, sondern konnte mit freiem Oberkörper richtig anprobieren. Der feine Strich meiner Narbe von der Leberoperation war deutlich zu sehen. Die Verkäuferin half mir beim Einstellen der Träger. Als nächstes zeigte sie mir ein BH-Hemd mit feinem, schwarzem Rosenstoff. Ich fühlte mich darin gut und kaufte das Ding spontan, obwohl ich niemand habe, vor dem ich in diesem Outfit herumhüpfen könnte. Ich würde auch reichlich bizarr aussehen, schwarzes BH-Hemd kombiniert mit Windelhosen und bandagierten Beinen.

Einkaufen ist aber ehr ein seltenes Vergnügen. Da das Fernsehprogramm mir wenig Interessantes bietet, lese ich wieder mehr. In Telepolis fand ich einen Artikel über Jörg Fauser. Was ich dort las, erschien mir so interessant, dass ich zur Hansebibliothek spazierte. Wie erwartet wurde ich dort nicht fündig, kein Fauser und auch kein Bukowski. Als Trost wählte ich 5 Kriminalhörspiele und Nick Hornbys "High Fidelity", gelesen von Gerd Köster. Außer den beiden Hörbüchern suchte ich mir "Die Tagebücher der Anaïs Nin 1955-1966" und eine Textsammlung von Roger Willemsen als Herausgeber und Kommentator aus. Weil ich es schon immer lesen wollte, nahm ich von Marguerite Duras noch das schmale Büchlein "Der Liebhaber" mit. Bei mir gibt es Liebe nur in Gedanken. Durch meine Krebserkrankung und ihre Folgen wird sich daran kaum etwas ändern.

Nussknacker, Räuchermänchen, Weihnachtskugeln und Jahresendfigur

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Sonntag, 3. Dezember 2006
Ein Schritt vorwärts, zwei zurück
Keine Angst, das wird hier kein Klassiker des Marxismus-Leninismus sondern eine weitere Schilderung meiner Gebrechen, auf die Ihr schon ungeduldig wartet, meine Lieben.

Wie Ihr wisst, hatte ich, weil ich mich nach der AHB richtig gut fühlte, um einen Test an meinem Arbeitsplatz gebeten. Leider gibt es kein Happy End, noch nicht. In der letzten Woche hatte ich einen schlimmen Albtraum. Wie sehr ich es auch versuchte, ich konnte weder Arme noch Beine bewegen. Als ich endlich erwachte, lag die Bettdecke schwer auf mir. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Freitag vor einer Woche war Freddie Mercurys 15. Todestag und der Schockwellenreiter hatte in seinem Artikel auf "Bohemian Rhapsody" bei YouTube verlinkt. Ihr wisst ja, ich bin ein Fan von Queen und Freddie Mercurys toller Stimme genauso wie von Tamara Danz und Silly. Ob man schließlich an den Folgen von Aids oder an Krebs stirbt, spielt am Ende keine große Rolle.

Bohemian Rhapsody vor mich hinsummend spazierte ich meinen mühsamen Weg zur Arbeit. Weil ich hier nicht in London bin sondern in der tiefsten vorpommerschen Provinz, stoppte ich an der Fußgängerampel und wartete auf Grün. Den ersten Schritt auf die Straße hatte ich bereits getan, hielt dann aber inne. Von links hörte ich den Motor eines Pkws. Ich hatte grün und der Fahrer tiefstes dunkelrot, aber er machte trotzdem keine Anstalten, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Wenn ich nicht stehen geblieben wäre, hätte er mich mit seinem Fahrzeug überrollt. Es hätte gepasst, der Friedhof ist gleich gegenüber. Ich sah dem Auto hinterher. Der Fahrer machte eine wegwerfende Handbewegung. Das sah aus wie, Abfall ist überall.

Bei meinen Kollegen ging es mir gut. Ich habe die Stunden, die ich bei ihnen war, überhaupt nicht an die Krankheit gedacht. Trotzdem musste ich meinem Chef Mittwochmorgen sagen, dass ich das ganze abbrechen muss. Meine dicken Beine sind Lymphödeme. Die Therapeutin, die mir am Freitag die Lymphdrainage am linken Huf verpasste, hat mir das verraten. Von den Ärzten weiß ich es nicht, obwohl ich in der Kurklinik gefragt hatte. Die Sache ist chronisch und hat damit zu tun, dass mir der Chirurg die Lymphknoten aus dem Bauch schneiden musste. Die fehlen jetzt, und der Lymphfluss ist gestört. Es ist also keine Folge der Chemotherapie. Die Sache ist nicht trivial und kann bei Nichtbehandlung zu bösen Nebenwirkungen führen. Ich müsste immer Lymphdrainage bekommen und lebenslang Kompressionsstrümpfe tragen, so die Physiotherapeutin.

Abends zu Hause habe ich erst einmal geheult. Am Wochenende ging es mir nicht besser. Unabhängig von den Lymphödemen bin ich im Laufe der Zeit wieder schwächer geworden, wer weiß warum. Nach der Kur war ich in besserer körperlicher Verfassung als jetzt. Zum Glück hatte ich Dienstag einen Nachsorgetermin in Greifswald bei der Strahlenmedizin. Die Ärztin sagte mir, meine Beschwerden, die Lymphödeme und die Stuhlinkontinenz, wären keine Dinge, die nicht in Griff zu bekommen wären. Es bräuchte nur Zeit. Beim Fingerkribbeln müsste man abwarten, ob es verschwindet oder bleibt. Mein Chef hat mich getröstet, bei allem, was ich schon hinter mir hätte, würde ich dies hier auch noch schaffen.

Inzwischen habe ich mich wieder beruhigt. Ich hatte mit Beate und Renate telefoniert. Aus meinem Familienclan kam nicht nur Trost sondern auch Vorwürfe: Ich würde mich nicht genug um meine Gesundung kümmern, nähme alles hin, was mir die Ärzte verordnen würden, und stellte keine eigenen Forderungen. Das ist natürlich Unsinn, deswegen bin ich auch so verletzt. Ohne mein Drängen hätte ich keine Lymphdrainage bekommen. Immer nur her mit weiteren Unterstellungen dieser Art, die kann ich im Moment besonders gut gebrauchen. Das baut mich ungemein auf! Und dann noch die Frage, woran es denn liegen würde, dass ich jetzt das Handtuch werfen musste. An drei Operationen, einer Bestrahlung und zwei Chemotherapien im laufe von nicht einmal 1 ½ Jahren schätze ich. Die letzte Chemo hatte ich in der ersten Septemberwoche. Mein Hausarzt hat die Angelegenheit nur mit, "Ich hab es Ihnen ja gesagt. Es ist einfach noch zu früh," kommentiert. Aber es ist trotzdem ein Schlag ins Kontor. Während meiner Krankheit gab es viele Aufs und Abs. Dies hier ist eines der schlimmeren Tiefs. Wenn es mir schlecht geht, wächst natürlich auch wieder die Angst im Hinterkopf, der Krebs könnte wiederkommen.

Als Rückfalltäterin muss ich also zurück in meine Zelle und erhalte regelmäßig Freigang. Ihr könnt wieder mit Blogbeiträgen und neuen Episoden zum Podcast rechnen. Meine Sittiche und die Zimmerpflanzen werden über Extrapflege entzückt sein. Und dann habe ich ja noch meine Krankheit. Auch wenn mich meine Gebrechen vollauf beschäftigen, absolviere ich nebenbei ein halbes Medizin- und Sozialrechtstudium. Ich habe nicht immer den Eindruck, dass die Ärzte nun mehr wissen als ich. Meine wichtigste aber beileibe nicht die einzige Quelle ist dabei das Internet. Zum Thema Lymphödem zum Beispiel habe ich inzwischen eine hübsche Linkliste beisammen.

Nussknacker auf dem Balkon

Obwohl ich mein neues Zimmer entsprechend geschmückt, alle meine Fensterbilder aufgehängt und die Kerze angezündet habe, will sich bei mir kein Adventsgefühl einstellen. Es wurde mir bloß wieder schmerzlich bewusst, was ich nicht mehr kann. So habe ich die Girlanden nur einfach über die Schränke gelegt ohne die kleinen Weihnachtskugeln, Holzpferdchen, und was ich sonst noch an Schnickschnack habe, einzuflechten. Ich habe diese Sachen gleich im Keller gelassen. Vielleicht geht es ja nächstes Jahr.

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Mittwoch, 22. November 2006
Esst mehr Obst!
Letzte Woche erschien im Nordkurier unter dem Titel " Bereits Vorstufen von Darmkrebs erkennbar " ein Interview mit Dr. Hans-Christof Schober. Er ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin 1 am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg.
Der Genuss von Äpfeln hat nachweislich eine vorbeugende Wirkung.
Stellt der Arzt dort fest. Toll, und warum habe ich dann trotzdem Darmkrebs bekommen, Herr Doktor? Ich vermute mal, dass sich Dr. Schober auf den Versuch französischer Forscher mit Ratten bezieht über den MorgenWelt am 19.10.2004 berichtete. Dort wird ein Dr. Francis Roul vom Französischen Nationalen Forschungsinstitut INSERM in Straßburg zitiert. Ich habe vor meiner Krebserkrankung mindestens zwei Äpfel pro Tag gegessen. Aber ich bin keine Ratte und deshalb trotzdem an Dickdarmkrebs erkrankt. Äpfel essen ist natürlich auch nur ein Aspekt unter vielen. Wie oft werden konventionell erzeugte Äpfel übrigens gespritzt, bis sie beim Verbraucher auf dem Teller landen? 10-mal, 20-mal oder 30-mal? Wie wirkt sich dieser Cocktail auf Rattendärme aus? Hat das auch jemand über längere Zeit untersucht? Ach stimmt, Ratten werden ja erst gar nicht so alt.

Garantiert ökologisch wertvoll und Bio - Äpfel aus Sommersdorf

Seit drei Jahren versuchen Forscher der Universität Jena dem Geheimnis der Äpfel näher zu kommen. Die Studie läuft zur Freude eines gewissen Industriezweiges. Der VdF, der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie ist darin verwickelt. Wenn etwas als besonders gesund ja sogar als Antikrebsmittel gilt, verkauft es sich natürlich besser. Bewahrt einen der Verzehr von Äpfel wirklich vor Darmkrebs?
"Natürlich kann das nicht ein einzelnes Nahrungsmittel leisten", erklärt Prof. Dr. Beatrice L. Pool-Zobel von der Universität Jena. "Das hängt von vielen Faktoren ab, aber der Konsum von faserreicher und ballaststoffreicher Kost kann dazu beitragen", ist sich die Ernährungstoxikologin sicher. "Äpfel und Apfelprodukte bilden darüber hinaus einen wichtigen Bestandteil bei der Krebsprophylaxe, weil sie in Westeuropa ein Hauptlieferant für Flavonoide sind."
Ihre Überzeugung in allen Ehren Frau Professor, aber ein Beweis für die Ballaststoffe ist das mitnichten! Im Dezember 2005 meldete nano in seinen News, dass nach den Erkenntnissen Bostoner Forscher Ballaststoffe in der Nahrung das Krebsrisiko nicht senken. Sie haben dazu internationale Studien ausgewertet.

An apple a day keeps the doctor away, von wegen! Mir halfen nicht mal zwei Äpfel! Einen wirksamen Schutz gegen Darmkrebs gibt es leider nicht. Ich hatte einen Tumor im Gedärm, trotz gesunder Ernährung, obwohl ich Nichtraucher bin und so weiter und so fort. Auch den empfohlenen Stuhltest habe ich jedes Jahr machen lassen, wenngleich dieser Okkultbluttest erst ab dem 50. Lebensjahr empfohlen wird. Mein Hausarzt war deshalb ganz erschüttert, als er von meinem Krebs erfuhr. Die Koloskopie als gesetzliche Vorsorge gegen den Darmkrebs wird ja ab dem 56. Lebensjahr durchgeführt. So alt muss ich erst einmal werden. Meine Oma ist an Magenkrebs gestorben, mein Vati hatte auch Krebs, wenn auch nicht am Darm. Mir war nicht bewusst, dass ich damit ein höheres Risiko habe. Sonst hätte ich schon viel eher eine Darmspiegelung machen lassen, von der Dr. Schober behauptet:
Die Untersuchung ist nicht angenehm, aber bei weitem nicht so schlimm, wie es häufig dargestellt wird.
Diese Untersuchung ist schlimm, jedenfalls bei mir! Die Darmspiegelung hat noch den ersten Platz in meiner Folterhitliste inne. Mein Bedarf nach derartigen Praktiken ist gedeckt. Ich bin dann immer für drei Tage scheintot. Den Tag davor, wenn ich das Darmputzermittel trinken muss, und mich nicht von der Toilette trennen kann. Den Tag der Untersuchung, es sei denn, ich werde so betäubt, dass ich davon nichts mitbekomme. Und schließlich den Tag danach, wenn mir die eingeblasene Luft immer noch durchs Gedärm kollert, und ich mich vor Schmerzen kaum rühren kann. Ich liebe Darmspiegelungen über alles. Darum habe ich auch seit dem Beginn meiner Erkrankung Ende Juni 2005 bis jetzt sieben über mich ergehen lassen. Wenigstens in diesem Jahr droht mir keine Neue, wie erfreulich.

Wenngleich mich die Äpfel nicht vor dem Darmkrebs bewahrt haben, esse ich sie weiterhin und trinke auch den Saft. Besonders jene Produkte, die mir Beate aus eigener Ernte mitbringt. Diese Äpfel sind garantiert ökologisch und manchmal auch bewohnt.

Rattanmöbel, Komode und RosenstämmchenBeate musste unserem dienstäglichen Kaffeeklatsch fernbleiben, weil sie gerade an Kopfschmerzen leidet. Ich verdanke meinem Darmkrebs die Abwesenheit meiner Migräne und die Freundschaft mit Beate. Manchmal kann so ein blöder Krebs doch unverhoffte, gute Dinge bewirken. Schade, nun kann Beate meinen Balkon erst in der nächsten Woche bewundern. Am Samstag sind der Tisch und die Stühle hier eingetroffen. Die beiden Herren, die die Kartons hochschleppten, wollten neugierig wissen, ob ich die Möbel für den Balkon vorgesehen hätte. Na klar! Der jüngere der beiden erzählte mir, dass wir fast Nachbarn wären. Er wohnte einige Aufgänge weiter. Ich unterschrieb den Lieferschein und sollte dann meinen Namen in Druckbuchstaben daruntersetzen. Das könne ich nicht, weil ich ein Problem mit den Fingern hätte, musste ich bekennen. Also machte das der Transporteur für mich. Ich wäre die letzte Kundin. Er würde das Auto jetzt um die Ecke abstellen und Feierabend machen. Wir wünschten uns gegenseitig ein schönes Wochenende und dann konnte ich loslegen.

Die Möbel waren wirklich exzellent verpackt, bewickelt mit Plastefolien sowie Papier und dann noch in Kartons gesteckt. Das Auspacken erwies sich für mich als einer Art Ergotherapie am Samstagnachmittag. Erst den Tisch und die Stühle aus den Kartons heben und dann alles hübsch einzeln auswickeln. Die Packabteilung dieses Möbelherstellers hatte vermutlich einen mehrmonatigen Studienaufenthalt in Ägypten genossen. Die drei zusammengefalteten Kartons konnte ich, so wie sie waren, nicht hinunter zum Papiercontainer schleppen. Ich musste zum Brotmesser greifen, und sie in handliche Stücke zersägen. Um alles Papier und die Pappe loszuwerden, war ich gezwungen fünf mal von meiner Kemenate hinab- und wieder hinaufzusteigen. Für jemand mit meinen Gebrechen ist das eine reife Leistung. Gewöhnlich verlasse ich meine Wohnung im dritten Stock nur einmal am Tag, und krabbel auch nur einmal wieder hinauf. Abends gegen halb sechs saß ich jammernd mit dicken Hufen auf meinem Sofa. In meiner Wohnung sah es immer noch aus wie bei einem Umzug.

Vitrine auf dem BalkonZusätzlich war ich ja dabei die Vitrine und die Komode zu beräumen und etwas Platz in der Küche und der Schrankwand zu schaffen. Meine Wohnung ist klein, im Augenblick ist das von Vorteil. Meine Küche gleicht ja mehr einem begehbaren Wandschrank, wenn sich zwei Personen darin aufhalten, ist wegen Überfüllung geschlossen. Meiner Freude am Kochen tut das aber keinen Abbruch. Weil ich mit meinen Handikaps nicht mehr so rumhüpfen kann wie früher, habe ich Geschirr, Gläser, Vasen und Tischdecken anders verteilt. Ich muss mich nun nicht mehr so viel bücken. Am Sonntagabend war auch die Umräumerei erledigt, und ich saß einmal mehr mit geschwollenen Beinen wehklagend auf dem Sofa. Weitere Aktionen von Möbelrücken sind nicht geplant. Die Maßnahme Auslegeware fürs Wohnzimmer ist auf das Frühjahr verschoben. Auf das warte ich jetzt, denn mein Balkon ist schön und neu.

Neu ist auch eine raffinierte Masche der Telefonspammer: "Für Sie wurde eine liebe Überraschung hinterlegt. Drücken Sie bitte die Eins." Ich drückte auflegen. Bandansagen mag ich nicht.

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Dienstag, 14. November 2006
Fette Qualle am Telefon
Ich hatte meiner Berliner Freundin per E-Mail berichtet, ich hätte durch die Kur 3 kg zugenommen. Mit 61 kg wäre ich nun eine fette Qualle. Es dauerte nicht lange, bis das Telefon klingelte. "Hallo ist da Marion, die fette Qualle?" "Na klar, fette Qualle am Apparat." Meine Freundin erzählte mir, die Firma in der sie arbeitet, wäre nun endlich umgezogen. Sie hat jetzt eine tolle Aussicht auf den Berliner Dom. Ihr Vater hatte sich schon erkundigt, ob ihr wegen des schönen Ausblicks überhaupt Urlaub zustünde.

Auch die Ansicht meines Balkons hat sich verbessert. Am Wochenende startete die Aktion Möblierung. Ich starre nicht mehr auf einen nackten Betonfußboden sondern auf Auslegeware, die mein Bruder ausgesucht, auf den Balkon gezerrt und zurechtgeschnitten hat. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Donnerstagvormittag hatte ich im Internet eine Vitrine und eine Kommode bestellt. Freitag um 9.00 Uhr lagen zwei Pakete mit den Einzelteilen in meinem Wohnzimmer als Bastelarbeiten für meinen Bruder.

Winterstiefel

Ich war beim Kauf der Auslegeware dabei. An den Orchideen im Baumarkt kam ich natürlich nicht einfach so vorüber. Ich nahm drei mit als Lückenfüller für die Blumenbank im Schlafzimmer. Nebenan befand sich ein Schuhgeschäft. Ich war auf der Suche nach Winterschuhen, in die ich trotz meiner dicken Hufe hineinkomme. Beim Versuch meine Halbschuhe auszuziehen, verhedderte ich mich mit den Schnürsenkeln. Mit meinen gefühlslosen Fingern konnte ich den Knoten nicht lösen. Mein Bruder musste mich befreien. Schuhe mit Schnürsenkeln kann ich also vorerst vergessen, ich komme damit nicht zurecht. Mein Bruder fand ein Paar mit Klettverschluss. Die sehen zwar aus wie Gummistiefel, aber mit ihnen werde ich wenigstens den Winter überstehen.

An der Nebenwirkungsfront zur Chemotherapie hat sich nach wie vor leider nichts geändert. Ich habe nicht nur das Empfinden in den Fingerspitzen und die Feinmotorik in den Händen verloren, ich habe auch wenig Kraft zum Greifen. Deshalb fällt mir oft alles aus den Händen. Das letzte war ein Glas mit Aprikosenmarmelade. Natürlich war es offen, ist doch klar. Die Ameisen laufen weiterhin über Hände und Füße. Das Gekrabbel nervt natürlich. Es ist wie Tinnitus in Händen und Füßen. Ich kann es nicht immer ignorieren. Die Schmerzen in den Händen haben gemeinerweise zugenommen und mit denen in den Füßen gleichgezogen. Morgens sind die Finger jetzt immer ein wenig steif, und ich muss sie ein paar mal hin- und herbewegen, ehe ich loslegen kann. Aber das ist insgesamt nur eine leichte Pein, keine schwere. Die Füße sehen am Morgen fast normal aus. Am Abend sind sie dann wieder geschwollen.

Wegen meiner dicken Büffelhufe schickte mich mein Hausarzt zum Phlebologen am Hanseufer. Da war ich nun gestern. Die nette Frau, die mich aufnahm, erzählte mir, auch sie hätte Krebs gehabt, Brustkrebs. Sie sagte mir, da meine Chemotherapie ja erst vor zwei Monaten endete, könne ich noch nicht erwarten, dass schon wieder alles im Lot wäre. Geduld, Geduld! Das weiß ich auch, aber ich bin nun mehr als 1 1/2 Jahre krank. Manchmal wünsche ich mir, alles ginge viel schneller. Die Frau erzählte mir, sie wäre nach der Chemo ein Jahr lang invalidisiert gewesen und würde jetzt wieder einige Stunden arbeiten. Meinen Plan konnte sie nicht so ganz verstehen. Auf keinen Fall will ich noch ein weiteres Jahr nur zu Hause sitzen. Sie sagte mir, ich sollte mich mit Dingen beschäftigen, die ich gern täte. Genau das habe ich auch vor. Aber ich will nicht allein in meiner Wohnung vor dem Computer hocken sondern mit Menschen, die mich mögen, und die ich mag. Ich weiß genau, was ich tue, und was gut für mich ist. Wenn ich jetzt nicht in die Gänge komme, dann werde ich es nie schaffen. Wie sagte Margaret Thatcher so schön: There Is No Alternative!

Der Doktor kam und untersuchte per Ultraschall die Venen in meinen Beinen. Beim linken Bein war er sich nicht ganz sicher. Er murmelte etwas von Altersthrombose. Na, das klang ja wieder ungemein charmant! Ich fühlte mich diskriminiert und einmal mehr wie 87. Das Bein wurde bandagiert, ich erhielt einen Termin für die folgende Woche und eine Überweisung zum nächsten Arzt.

Der hatte seine Praxis im Weißen Krankenhaus gleich um die Ecke. Die Schwester beim Phlebologen sagte mir, der Doktor hätte gerade Sprechstunde und würde mich bestimmt noch rannehmen. Bei neuerlichem Thromboseverdacht will man schließlich wissen, woran man ist. Das Sprechzimmer befand sich in der Etage zusammen mit der Dialyseabteilung. Ich war hier noch nie und hätte diese Anzahl von Patienten, Schwestern und Dialysegeräten nicht erwartet. Im Gegensatz zur Onkologie im Kreiskrankenhaus, wo ich es immer als angenehm ruhig empfand, herrschte in dieser Abteilung ordentliches Gewusel. Die Schwester hier erklärte mir, sie müsse erst den Arzt fragen. Der Doktor meinte dann, es könnte eine Weile dauern. Aber es wäre ihm lieber, wenn ich warten würde. Mir war das auch lieber, also blieb ich. Das Sprechzimmer hatte die Größe eines Tanzsaals. Der Arzt deutete ins schummrige Nebenzimmer. Ich legte Schuhe und Jeans ab und wickelte meine Mumienwade aus. Diesmal wurde nur mein linkes Bein ultrabeschallt mit einem etwas größerem Gerät. "Tut das weh?" "Nein, nur wenn Sie darauf herumdrücken." Anhaltspunkte für eine Thrombose konnte der Doktor genauso wenig finden wie der Röntgenarzt im Demminer Kreiskrankenhaus vor meiner Kur.

Es ist für einen Patienten immer wieder beruhigend, wenn sich ein schlimmer Verdacht nicht bestätigt. Ich erhielt je einen Brief für den Hausarzt und den anderen Phlebologen. Die Schwester bedeckte meine Wade wieder mit den Binden, dann war ich entlassen. Weil ich mich gut fühlte und den englandtauglichen Anorak trug, verzichtete ich darauf das Taxi zu rufen. Ich lief trotz leichtem Regen vom Weißen Krankenhaus nach Hause. Die Treppen zu meiner Wohnung hinauf schaffte ich auch ohne Probleme. Na also, das wird doch!

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Sonntag, 5. November 2006
Wintereinbruch
Seit Dienstag bin ich wieder zu Hause. In Plau am See war noch schöner Spätherbst und hier in Demmin am nächsten Tag schon tiefer Winter. Brr!

Um gleich die brennendste Frage als erstes zu beantworten, nein, ich habe mir keinen Kurschatten zugelegt. Das muss wohl in der Familie liegen. Mein Vater hatte seine Kur ja auch ohne Schatten überstanden. Den größten Teil der Insassen der Plauer Kurklinik bildeten ältere Patienten, die ihre Ehepartner mitgebracht hatten. Schön blöd, stellten die Schwestern meiner Hausarztpraxis fest. Zur nächsten Kur wollten sie mich nur dorthin schicken, wo ein Schatten fest zum Therapieplan gehört.

Unterdessen leide ich an dem, was Herr Heine als Zahnweh im Herzen bezeichnete. Mit der Kur hat das nichts zu tun, ich hatte das schon vorher. Wieder mitgebracht habe ich auch das schmerzhafte Kribbeln in Händen und Füßen, die Missempfindungen in den Fingern, die dicken Büffelhufe und den revoltierenden Darm. Trotzdem war die Kur ein kleiner Erfolg. Ich habe 3 kg zugenommen und bin körperlich ein wenig leistungsfähiger. Um das unter Beweis zu stellen, pilgerte ich am Donnerstag zu meinen Arbeitskollegen, per pedes apostolorum. Vor der Kur wäre ich unterwegs zusammengebrochen. Jetzt brauchte ich gerade mal sieben Minuten mehr als zu gesunden Zeiten. Das Laufbandtraining hat sich ausgezahlt!

Vom 20. November an teste ich mein Durchhaltevermögen am Arbeitsplatz. Dieser Versuch nennt sich Hamburger Model. Ich fange mit zwei Stunden an. Mehr wollte mir mein Hausarzt erstmal nicht genehmigen. Meine Arbeitskollegen richten derweil für mich einen stressfreien Schonarbeitsplatz ein. Das heißt, ich darf mich weder mit Servern noch mit Nutzern rumschlagen, sondern solche Aufgaben übernehmen, zu denen die anderen durch das Tagesgeschäft nicht kommen. Ohne Termindruck werde ich ein wenig mit Makros und VBA programmieren. Wenn es mir sehr gut gänge, könnte ich die tägliche Arbeitszeit auf vier Stunden hochschrauben. Realistischer sind aber drei Stunden schon wegen meines unberechenbaren Hinterns.

Mit den Folgen der Therapie muss ich fertig werden, ob ich nun zu Hause sitze oder arbeiten gehe. Ich habe sie auf jeden Fall. Dem Psychologen hatte ich bei unserem letzten Gespräch erklärt, meine körperlichen Fähigkeiten würde ich mit 3- bewerten die Psyche hingegen mit einer 1. Wenn ich hier in meiner Wohnung hocke, dann kreisen meine Gedanken doch immer nur um die Krankheit. Das hatte ich lange genug. Auf Arbeit wäre ich wenigstens für einige Stunden abgelenkt. Zumal ich sicher sein kann, dass mich meine Kollegen nicht mobben, sondern unterstützen. Den Antrag auf Schwerbehindertenausweis habe ich inzwischen auch abgeschickt. In Plau hat man mir beim Ausfüllen geholfen. Wenn ich den dann habe, stehe ich unter Naturschutz und bekomme fünf Tage Urlaub mehr. Als Ausgleich für die Gebrechen, mit denen ich mich rumschlagen muss, ist das nur ein kleiner Trost.

Die absolute Schwachstelle ist meine unkalkulierbare Rückseite. Mal kann ich mich relativ frei bewegen, dann wieder trennt ich mich nichts von der Toilette, und ich trage vom Dauersitzen einen roten Rand um den Po. Zu meinem Überlebenspack gehören eine Rolle zartestes Toilettenpapier, Vorlagen und Einmalwaschlappen. Ohne diese Ausrüstung gehe ich nicht aus dem Haus. In der Wohnung langen zum Schutz für meine Unterwäsche normale Vorlagen. Wenn ich unterwegs bin, sind solche mit Auslaufschutz besser. Ich teste da noch verschiedene Varianten. Mit Windelhosen mag ich nicht rumrennen, die tragen auf, und im Moment sind Pumphosen nicht modern.

Richtig hinderlich sind auch noch immer die Missempfindungen in den Fingern. Ich habe da einfach kein Gefühl mehr drin. Es ist so, als würdet Ihr Fingerhandschuhe aus dickem Stoff tragen. Versucht damit mal Kartoffeln zu pellen, Äpfel zu schälen, eine Buchseite umzublättern, eine Getränkeflasche mit Drehverschluss zu öffnen oder Euch die Schuhe zuzubinden. Ein Schräubchen einzudrehen oder Garn einzufädeln kann ich glatt vergessen. Ich wäre ja nicht mal in der Lage eine Nadel zwischen den Fingern zu halten.

Trotz meiner Handikaps geht es mir gut. Der Psychologe sagte mir zum Abschied, ich sollte mich wieder dem Leben aussetzen mit seinen Freuden aber auch mit seinen Enttäuschungen. Ich bin ganz begierig darauf.

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Dienstag, 10. Oktober 2006
Abgesang
Der Koffer ist gepackt. Morgen werde ich abgeholt, und dann geht es in die Kurklinik nach Plau am See zur Anschlussheilbehandlung. Diese AHB sollte ich im Frühjahr haben, aber meine Lebermetastase kam mir dazwischen. Nach drei Operationen, einer Strahlen- und zwei Chemotherapien wird es langsam Zeit für mich wieder auf die Beine zu kommen. In Plau werde ich aufgepäppelt.

Meine Mitpatientin aus dem Zweimannzimmer in der Uniklinik Greifswald ist schon seit letztem Donnerstag in Plau. Wie es ausschaut, scheint sie sich da zu langweilen. Sie hat mich inzwischen schon viermal angerufen. Entrüstet hat sie mir berichtet, die anderen Patienten würden sich nur über ihre Krankheiten unterhalten. Das klingt nach Wartezimmergespräche. Ich fahre dahin um gesund zu werden, nicht um meine Leiden zu kultivieren. Ein Platz am Tisch meiner Mitpatientin ist schon für mich reserviert. Falls sie keine Behandlung hat, wird sie mit Winkelement am Eingang stehen, wenn ich dort ankomme.

Mit meiner Freundin war ich am Montag vorige Woche in Demmins Sportgeschäft. Ich brauchte einen Badeanzug und Sportschuhe für meine aufgequollenen Hufe. Die Auswahl an Badebekleidung war nicht groß, da ich nicht als Werbefigur für eine Sportmarke herumlaufen wollte. Es gab nur zwei Badeanzüge ohne Schriftzug auf Brust oder Rücken. Einen lehnte meine Freundin wegen omamäßigem Design ab, mit dem anderen verzog ich mich in die Umkleidekabine. Der Verkäuferin hatte ich vorher gesagt, ich bräuchte Sportschuhe für meine dicken Füße. Der Badeanzug in Größe 36 passte. Ich monierte nur, dass ich damit vorne etwas platt aussehen würde. Meine Freundin stellte brutal fest, ich wäre vorne platt. Die Verkäuferin hatte derweil ein ganzes Bataillon Schuhe auf dem Tresen aufgebaut. Auch mit Schuhanzieher kam ich in keinen einzigen hinein. Ich schlug vor statt Leder, welche mit Textilanteil zu versuchen. Jetzt habe ich geräumige knallrote Sportschuhe und sehe damit ein bisschen aus wie Clown Ferdinand.

Am Donnerstag hatte ich einen neuen Termin in der onkologischen Sprechstunde. Weil mein Taxiunternehmen zu diesem Zeitpunkt weder Fahrer noch Auto zur Verfügung hatte, holte mich einer meiner Arbeitskollegen zur EDV ab. Von dort lief ich zum Krankenhaus. Mein Onkologe bestätigte mir noch einmal, dass nach CT und Röntgen alles in Ordnung wäre. Er sprach von einer kleinen Zyste in der Leber. Aber das hatte schon die Kernspintomografie in Greifswald ergeben. Ich musste meine angeschwollenen Hufe vorzeigen. Weil der linke deutlich breiter war als der rechte, bekam ich für den nächsten Tag einen Termin zum Röntgen wegen Thromboseverdacht. Die Schwester durfte mir die allseits beliebte Thrombosespritze in den Bauch pieksen. Ich erzählte ihr, ich hätte inzwischen 5 kg zugenommen. Sie meinte das würde man sehen, und ich hätte wieder so eine Andeutung von Hintern. Aber ich sollte ja rechtzeitig mit dem Dickerwerden aufhören. Ähnlich besorgt äußerte sich vor kurzem mein Vati. Kaum nehme ich drei Gramm zu, schon haben alle Angst, ich entwickle mich zur fette Qualle!

Vom Wartebereich der Röntgenabteilung holte mich die mir wohlbekannte Assistentin ab. Während ich in der Intensivstation des Kreiskrankenhauses lag, hatte sie meinen Bauch geröntgt. Ihre Auftritte waren immer sehr erheiternd. Den neugierigen Zivi hatte sie mit dem Schlachtruf "Schwangere und solche, die es werden wollen, raus!" aus dem Zimmer gedrängt, bevor sie mein Innenleben ablichtete. Jetzt schob sie mir eine Schüssel mit brühheißem Wasser neben die Bank, in die ich meinen linken Huf steckte. Nach einer Weile meldete ich, mein Fuß wäre jetzt gar. Ich musste mich auf die Pritsche legen und der Arzt beklopfte mit der Hand meinen Fuß. Endlich schien er etwas gefunden zu haben, denn er verlangte von mir, ich müsse nun ganz tapfer sein. Ich hasse es, wenn Ärzte so was sagen, denn dann wird es für den Patienten mehr als nur unangenehm. Die Assistentin hatte an die Pritsche Haltegriffe anmontiert, die ich jetzt mit den Händen umkrallte. Die Spritze steckte wie ein Pfeil unterhalb des großen Zehs. Aber der Arzt schien glücklich zu sein, die Stelle für das Einfüllen seines Kontrastmittels gefunden zu haben. Nach dem Röntgen sagte er mir auch gleich das Resultat. Er konnte kein Anzeichen für eine Thrombose finden. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich hatte schon befürchtet, nicht zur Kurklinik fahren zu können.

Meine Tante freute sich für mich, dass ich nach Plau fahren würde. Da könnte ich dann viele treffen, denen es so ging wie mir. Sie war etwas pikiert, als ich ihr sagte, ich hätte keinen weiteren Bedarf noch mehr Leute kennenzulernen, die an der gleichen Krankheit litten wie ich. Während der langen Zeit, die ich nun krank bin, habe ich genug Patienten kennengelernt. Einige von ihnen waren weit schlimmer dran, als ich es bin. Aber es reicht nun. Ich will von der Welt der Kranken langsam ins normale Leben zurück. Frei von meinem Krebs werde ich ohnehin nie sein, denn ich spüre die Folgen. Aber ich will mir deshalb nicht den Rest meines Lebens vermiesen. Ich will endlich durchstarten und das Thema Krankheit hinter mir lassen. Ein Leben in der Warteschleife, wie jemand aus dem Stoma-Forum sagte, behagt mir nicht. Ich möchte meine Krebserkrankung nicht als großes Desaster erleben sondern als zweite Chance. Genauso wie ich es der alten Dame mit dem Nierenkrebs vor meiner ersten Operation gesagt habe.

So, meine Lieben, wir müssen ein Weilchen ohne einander auskommen, Ihr ohne mich und ich ohne Euch. Im Blog und im Podcast ist jetzt Sendepause, bis ich wieder zurück bin.

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Montag, 2. Oktober 2006
Krabbeln mit Schmiege
Na endlich! Mein zusätzliches Zimmer ist fertig. Laut Merkblatt von meinem Vermieter darf ich keine Löcher bohren, nicht den Farbpinsel schwingen und nur transportable Wäschetrockner aufstellen, die nicht höher als die Brüstung sind. Aber immerhin darf ich meinen Balkon betreten. Der Bauarbeiter, der den Blumenkasten mittig montierte, sagte mir, ich bräuchte nur die zwei Muttern zu lösen. Dann könnte ich den Kasten an jede von mir gewünschte Stelle schieben. Dazu besteht im Moment aber keine Veranlassung. Ich kann wegen meiner geschwollenen Büffelhufe zwar kaum laufen, aber ich schleppte mich zuerst in den Keller um Pflanzgefäße und Blumenerde hochzuholen. Dann quälte ich mich zur Blumenhändlerin meines Vertrauens.

Balkonkasten mit HerbstbepflanzungMeine bevorzugten Farben für die Balkonbegrünung sind rosa, blau und gelb. Weiß passt immer dazu. Während die ersten drei Farben bei Tageslicht gut zur Geltung kommen, haben weiße Blüten ihren großen Auftritt in der Dämmerung. Meine Freundin hatte mir gesagt, ich dürfte mir für meinen Balkon eine Kübelpflanze aussuchen. Dann möchte ich natürlich ein Rosenhochstämmchen haben, entweder mit rosa, zartgelben oder weißen Blüten, die natürlich auch duften sollten. Für den Balkonkasten suchte ich aber etwas ganz anderes. Der Standort ist extrem und die Pflanzen müssen sowohl Hitze, Kälte, Regen als auch Wind trotzen. Die besten Kandidaten dafür sind Sedumhybriden, bekannt unter ihrem deutschen Namen "Fette Henne". Ich wählte Sedum telphinum "Herbstfreude", eine etwa 50cm hoch werdende Staude, und "Bertram Anderson", einen kriechenden Vertreter der Gattung. Ein Gewächs im Angebot erinnerte mich an eine Kübelpflanze aus südlichen Gefilden. Ich kaufte es wegen meiner Vorliebe für blaue Blüten. Im Internet konnte ich die Pflanze als Chinesischen Bleiwurz, Ceratostigma plumbaginoides, oder mit deutschem Namen Hornnarbe identifizieren. Eine Seite warnte vor mangelnder Frosthärte. Nun das kann ich diesen Winter ja testen. Das graugrüne Heiligenkraut, Santolina chamaecyparissus, und ein kräftig rosafarbenes Heidekraut komplettierten die Besatzung für den Balkonkasten. Natürlich war ich die erste, die ihren Claim bepflanzte. Inzwischen hat die Nachbarin unter mir nachgezogen. Sie hat je zwei weiße und zwei lilafarbene Eriken gesetzt. Pflanzen von nur einer Art kämen mir nicht in den Kasten. Vielleicht spricht sich unter den Wespen und ihren Verwandten, die im Ahorn neben meinem Balkon summen, herum, dass es im dritten Stock wieder was zu naschen gibt.

Mittlerweile ist fast eine Woche vergangen. Die Pflanzen scheinen gut angewachsen und zeigen neue Triebe. Nur das Heiligenkraut mückert vor sich hin und hat sogar vertrocknete Ästchen. Als Atheist sollte man auf so ein Gewächs nicht allzu sehr vertrauen. Da ich Jungpflanzen erworben habe, wird die volle Pracht mich erst im nächsten Herbst erfreuen. Die Nächte werden kühl, und morgens ziehen Nebelschwaden vom Fluss herauf. Die Sonne hat einige Mühe die Schleier fortzulecken. Auf den Pflanzen im Balkonkasten glitzern früh die Tautropfen. Die Pappel mir gegenüber zieht langsam ihr gelbes Blätterkleid über. Genauso machen es die vielen Ahornbäume rings ums Haus. Zum Schluss wird die Farbe ihrer Blätter in ein fantastisches Orange umschlagen, so als würden sie in Flammen stehen. Der Herbst ist wegen dieses Farbfeuerwerkes und der vielen reifen Früchte eindeutig meine liebste Jahreszeit.

Normalerweise würde ich mir die Spiegelreflex umhängen und auf Fotosafari gehen. Leider ist das nicht möglich. Inzwischen sind meine Füße und Fesseln dermaßen geschwollen, dass ich mich kaum noch ohne Schmerzen bewegen kann. Ich erwarte, dass meine Hufe irgendwann im laufe der nächsten Woche mit lautem Knall platzen werden. Da ich nicht gehen kann, krabbel ich mit dem Zollstock zwischen den Zähnen durch die Wohnung und mache Pläne. Meine ursprüngliche Version für den Balkon habe ich inzwischen verworfen. In der neuen Variante steht an der rechten Seitenwand eine Vitrine und links eine Komode, beide aus Kiefer und damit passend zu meiner Auslegung des Stils "Landhaus" und meiner übrigen Einrichtung. Dazu kommt ein kleiner Tisch mit Glasplatte und zwei zierliche Sessel aus Metall und Rattan. Damit ist noch Platz für eine schmale Liege. Wegen der Fensterdekoration werde ich meine Tante fragen. Ohne zu bohren, wird es schwer da irgendetwas anzubringen, aber ohne Blendschutz werde ich nicht auskommen. Für den Fußboden brauche ich einen Belag. Ich mag nicht auf dem nackten Beton rumhopsen. Im Wohnzimmer habe ich nun neben Fußbodenbelag und Stores einen neuen runden Esstisch und vier passende Sitzgelegenheiten geplant. Der Tisch soll ausziehbar sein, so dass man zu sechst bequem darum sitzen kann. Soweit meine Vorstellung, mich interessiert dabei herzlich wenig, was gerade angesagt ist. Ich halte es da mit dem französischen Designer Philippe Stark, der in "DuMonts großem Buch vom Einrichten" zitiert wird:
Es ist wichtig, seinen Lebensraum mit Liebe zu erfüllen. Es ist ungesund, seine Wohnung von einem Innenarchitekten gestalten zu lassen, weil es nicht gut ist in den Fantasien eines anderen Menschen zu leben. Die Menschen sollten selbst wählen und einer Wohnung ihre Persönlichkeit aufprägen.
Der Hausmeister kam und händigte mir den Schlüssel für die Fenster aus. Ich war entzückt. Da konnte ich gleich loslegen. Freie Sicht für freie Bürger! Ich bin begeisterter Fensterputzer. Es ist die einzige Hausarbeit, die ich gern tue. Durch meine Krankheit bin ich dazu nur nicht mehr so gut in der Lage. Der Invasion meiner Kusine bin ich ja glücklicherweise entronnen, aber damit blieben meine Fenster auch schmutzig. Mein Bruder hatte mir einen Fensterwischer mit ausziehbarem Stiel besorgt. Damit kann ich zwar meiner Lieblingshausarbeit nicht so ekstatisch frönen wie gewohnt. Aber ich konnte die Fenster im Wohnzimmer und Balkon wenigstens vom Baudreck befreien. Die Glasscheiben auf dem Balkon werden oben und unten verriegelt. Löst man das Schloß, lassen sie sich nach innen drehen. Für den oberen Riegel musste ich aber die Leiter besteigen, bei meinem leichten Höhenkoller nicht ganz unproblematisch. Es ging auch alles gut bis zum letzten Fenster. Beim Versuch das klemmende Schloss zu verriegeln, fiel ich rücklinks von der obersten Sprosse der Aluleiter. Eigentlich hätte ich mit der Rückseite auf den harten Betonfußboden aufschlagen müssen, Zeit zum Überlegen hatte ich keine. Meine Reaktion war aber nicht die einer Schwerkranken. So landete ich wohlbehalten, wie ich die Leiter heraufgestiegen war, auf meinen Füßen und in Socken. Mit dem rechten Arm hatte ich mich aufs Geländer abgestützt. Meine Reflexe scheinen noch genauso in Ordnung zu sein wie zu den Zeiten, als ich zweimal die Woche zum Training fuhr. Der Abflug brachte mir weder eine Delle, blutende Wunden, blaue Flecken noch andere Verletzungen ein. Schön, dass wenigstens was an meinem malträtierten Körper noch funktioniert! Verglaste Loggia mit Baugerüst

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Montag, 25. September 2006
Alles wird besser, aber nichts wird gut.
Zumindest gibt es, was die Untersuchungsergebnisse betrifft, erstmal Entwarnung. Am Dienstag hatte ich einen Termin in der Sprechstunde, allerdings nicht bei dem für mich zuständigen Onkologen, sondern bei dessen Chef. Auf einen Termin bei meinem Arzt hätte ich noch lange warten müssen, was ich natürlich nicht wollte. Ich wollte endlich das Resultat erfahren. Mein Taxi erschien nicht zum vereinbarten Termin, telefonisch konnte ich auch niemanden erreichen. Es blieb mir nichts anderes übrig als im Krankenhaus anzurufen. Der Doktor war bereit mir die Befunde auch am Telefon mitzuteilen. Zu meiner Erleichterung hörte ich, dass das Röntgen nichts Auffälliges ergeben hätte. Ich beklagte mich, dass ich nach der zweiten Chemotherapie viel schwächer wäre, als nach der ersten. Der Arzt meinte, das wäre kein Wunder, schließlich hätten sie mir auch eine höhere Dosis verpasst.

Er erklärte mir, dass sich die Nebenwirkungen der Chemotherapie noch verstärken würden. Das hatte ich inzwischen selbst festgestellt. Ich habe das schmerzhafte Kribbeln nicht mehr nur in den Fingerspitzen, sondern es zieht bis in die Handflächen hinein. Die Feinmotorik ist beeinträchtigt. Um mir die Nägel kurzzufeilen brauche ich jetzt fast den halben Vormittag. Wenn ich die Tasse zu voll gieße, verschütte ich regelmäßig den Inhalt. Einen Schraubenzieher nehme ich im Moment besser nicht in die Hand. Mit Messern hantiere ich sehr vorsichtig. Aber solange ich noch die Tasten meines Notebooks treffe und in der Lage bin mein Headset aufzusetzen, will ich nicht jammern.

Dem Doktor erzählte ich deshalb, dass mich meine schmerzhaft aufgequollenen Füße weit mehr beeinträchtigen würde als meine Hände. Ich erhielt einen neuen Termin. Am 5. Oktober muss ich zur onkologischen Sprechstunde. Neben meinen Büffelhufen und meiner offensichtlichen Schlappheit beeinträchtigen die gehäuft auftretenden Durchfälle mein Wohlbefinden. Dagegen fällt kaum ins Gewicht, dass Mundhöhle und Zunge wie von einem Hammeltalgbelag überzogen scheinen. Ich muss schon kräftig würzen, damit nicht alles gleich schmeckt. Während ich nach dem Ende der ersten Chemotherapie merkte, wie es mir spürbar besser ging, ist jetzt genau das Gegenteil der Fall. Es geht mir schlechter, und ich werde schwächer. Das belastet mich nicht nur körperlich, sondern bedrückt mich vor allem emotional.

In meinem Artikel "Durchhänger" hatte ich noch über soziale Euthanasie spekuliert. Ich konnte nicht ahnen, dass die Wirklichkeit meine schlimmsten Befürchtungen bei weitem übertrifft. Am späten Dienstagabend lief auf Phoenix die Dokumentation Todkrank und abgeschrieben über die Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland von Jan Schmitt und Marcel Kolvenbach. Ich sah sie mir aber erst um 14.00 Uhr am nächsten Tag an. Weise Entscheidung, ich glaube nicht, dass ich danach hätte schlafen können. Der Film berichtet über drei Patienten der Gesetzlichen Krankenkasse. Eine von ihnen, Julia Längsfeld, hatte Leberzirrhose. Ihre statistische Überlebenschance betrug 30 Prozent für die nächsten zwölf Monate. Helfen könnte ihr die MARS-Therapie. Das ist eine Art Blutwäsche für die Leber. Ihr Hausarzt hat so eine MARS-Maschine in seiner Praxis. Die Patientin erhielt fünf Therapien, es ging ihr spürbar besser. Dann musste der Hausarzt die Behandlung abbrechen, weil die Krankenkasse die Behandlungskosten nicht übernehmen wollte. Im Film zu sehen sind Privatpatienten, die die Therapie erhalten, die Julia Längsfeld verweigert wurde.
Seit Jahren behandeln wir jetzt Patienten mit dem Verfahren, meist Privatpatienten, denen die Therapie in aller Regel anstandslos bezahlt wird. Die chronisch erkrankten Patienten, die wir hier mit der Leberdialyse behandeln, dürften nach der Statistik eigentlich gar nicht mehr leben. Tatsächlich erfreuen sich aber alle bester Gesundheit. So könnte es auch Julia Längsfeld gehen.
Dr. Mandelartz, Hausarzt von Julia Längsfeld

Die Ehefrau des Arztes ist Rechtsanwältin, sie vertrat die Interessen von Julia Längsfeld. Sie meinte:
Hinzu kommt, dass jede Krankheit individuell verläuft. Beim einen hilft eine Therapie, beim anderen nicht. Die Krankenkassen können jedoch im Einzelfall außergewöhnliche Therapien bezahlen, wenn sie helfen. Für solche Fälle unterhalten die gesetzlichen Kassen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK): Er soll feststellen, ob eine Therapie bei einem Patienten anschlägt oder nicht. Doch Ulrike Mandelartz macht eine andere Erfahrung: "Ich habe noch nie erlebt, dass der MDK eine Therapie befürwortet, die nicht im Leistungskatalog steht.
Der MDK lehnte die Therapie ab. Das Bayerische Sozialgericht entschied jedoch Julia Längsfeld soll ihre Therapie erhalten, aber in einem Krankenhaus. Sie kam in die Uniklinik München. Dort attestierte man ihr chronisches Leberversagen im Stadium 'Child C'. Das ist die Endstufe. Trotzdem wurde sie ohne Therapie nach Hause geschickt. Einer der verantwortlichen Ärzte erklärte im Radiointerview:
Ein Verfahren, "das 3000 Euro kostet, damit sich ein Patient etwas besser fühlt - ich meine nicht, dass die Gesellschaft das tragen kann ... Wir sind nicht dazu da, die Wünsche von Patienten zu erfüllen."
Mich hat diese Kaltschnäuzigkeit einfach nur entsetzt. Ich hoffe, dass ich niemals in meinem Leben in die Hände eines solchen "Doktors" falle. Zwar gibt es einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005, der besagt dass keinem todkranken Patienten eine Behandlung verweigert werden darf, die Genesung oder Verbesserung verspricht, auch wenn die Methode noch nicht anerkannt sein sollte. Doch was nützt das, wenn in der Praxis nicht danach verfahren wird. Julia Längsfeld starb am 18. Mai 2006 in der Uniklinik Rostock.

Weder die Verantwortlichen von MDK noch der Krankenkasse wollten zum Fall Julia Längsfeld Stellung nehmen. Für mich ist das, was hier passiert ist, ganz einfach soziale Euthanasie und nichts anderes. Angesichts der Ungeheuerlichkeit dieses Geschehens muss eine Frage erlaubt sein. Jäger hängen ihre Trophäen an die Wände. Gibt es Bildergalerien mit den durch soziale Euthanasie zur Strecke gebrachten Patienten der Gesetzlichen Krankenkassen? Ich bin mir sicher, dass sie keine Statistik erfasst. Und nun verhandeln die Politiker über die neue "Gesundheitsreform", ich befürchte das allerschlimmste. Conny37 aus dem rheuma-online-Forum zog das drastische Fazit:
Nur ein toter Patient ist für die Krankenkassen ein guter Patient.
Wie Ihr wisst, bin ich krebskrank. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass ich, nachdem ich diesen Film gesehen habe, nur geheult habe. Es fällt mir schwer, jetzt einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen.

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Sonntag, 17. September 2006
Ein- und Aussichten
Am Montag habe ich die notwendigen Untersuchungen hinter mich gebracht. Der Röntgenarzt hat sich auch nicht lange bei der Vorrede aufgehalten. Er meinte, ich würde das alles ja kennen. Ihn interessierte, ob es ein Dickdarmkrebs gewesen ist, und er ermahnte mich nach der Computertomografie viel zu trinken. Die Damen, die die Untersuchung dann vornahmen, verlangten von mir meine Hose auszuziehen. Ich antwortete, nö, das würde ich nicht tun. Schließlich hatte ich meine CT-Patientenbekleidung angelegt. Das heißt, ich trug eine Jogginghose ohne Reißverschluss oder andere Metallteile. Ich konnte mich dann doch auf die Pritsche legen, ohne mich weiter entblößen zu müssen. Wie diese Untersuchung und das Lungenröntgen verlaufen ist, erfahre ich erst in der nächsten Woche in der Sprechstunde. Das einzige, was ich inzwischen weiß, ist, dass der Tumormarkertest für mich gut ausgegangen ist. Es ist natürlich psychisch belastend über eine Woche auf die Untersuchungsergebnisse warten zu müssen.

Hockeyspielerin TaraDamit ich nicht ganz durchdrehe, wurde ich am Mittwochnachmittag nach Sommersdorf verschleppt. Es war während meiner nun 1 ¼ Jahr dauernde Erkrankung erst das zweite Mal, dass ich Demmin verließ und nicht in einem Krankenhaus landete. Sommersdorf ist ein kleiner Ort unweit des Kummerower Sees. Familienhund Tara umkreiste mich einige Male bellend. Angst hatte ich keine. Es gibt ja Leute, die schwarze Hunde, schwarze Katzen oder sonstige schwarze Tiere nicht mögen. Ich gehöre nicht dazu. Die Hündin stellte fest, dass von mir wohl keine Gefahr ausging, denn sie legte mir ihren kleinen Lederball vor die Füße. Den Ball, den ich ihr zuschoss, schickte sie mit einer Art Knochen zurück. Bis dahin hatte ich noch mit keinem Hund Hockey gespielt. Vor dem Rundgang über den Hof und der Besichtigung der anderen Tiere gab es eine kleine Stärkung. Meine Gastgeber versicherten mir, der Pflaumenkuchen würde sonst anders ausfallen. Jedenfalls hatten wir drei viel Spaß dabei den harten Kuchenboden zu zerteilen, kleines Training für meine Hände. Am Geschmack gab es nichts auszusetzen.

Anschließend stolperte ich in Gummistiefeln über die Wiese zu den Hühnern. Der schwarze Hahn, dessen Gefieder metallischgrün schimmerte, wäre ein echter Gentleman, erfuhr ich. Er würde die besten Bissen seinen Damen zukommenlassen. Wie das bei echten Gentlemen so ist, tat er es natürlich nicht ohne Hintergedanken. Dann war ich plötzlich von weißen und braunen Schafen umringt, die ihre Köpfe gegen meine Oberschenkel stupsten. Sie wollten unbedingt gekrault werden. Auch der Trageriemen meiner Kamera wurde interessiert beknabbert. Ich kannte Schafe bis jetzt nur als dumm blökende graue Masse. Hier nun hatte jedes Schaf ein anderes Gesicht und offensichtlich auch einen anderen Charakter. Es war sehr angenehm die Tiere zu streicheln. Nur Schafbock Max, der neugierig von seinem Gehege herüberschaute, war mir nicht geheuer.

Schafbock Max

Im Treibhaus durfte ich Tomaten direkt vom Strauch naschen. Sie waren klein und etwas schorfig, hatten aber gegenüber Supermarkttomaten einen entscheidenden Vorteil, ihren Geschmack. Auf dem Gelände standen auch recht alte Obstbäume, einer sogar mit einem hohlen Stamm. Auf einem Stück Acker soll demnächst eine Streuobstwiese entstehen. Bei meinen Fahrten zum Strahlungszentrum Greifswald durch Vorpommerns Dörfer hatte ich ja mit Bedauern festgestellt, dass die Bauerngärten und Streuobstwiesen am Verschwinden sind. In die Dörfer ziehen Städter, die ihre Vorgärten mit Rasen und Koniferen bepflanzen, um wenig Arbeit zu haben. So gleichen die Dörfer immer mehr Vorstädten. Für Schmetterlinge und andere Insekten ist so was Wüste. Aber es ging noch schlimmer! Der Vorgarten des Grauens umgab eine Villa. Weiße Betonfiguren bewachten den Eingang, im Garten waren Outdoorbonsais verteilt und die Erde mit Rindenmulch abgedeckt. Das mochte ja alles sehr teuer gewesen sein, aber es zeugte weder von Verständnis für die Natur noch von gutem Geschmack. Mich überkam jedes Mal ein Gruseln, wenn ich dort vorbeigefahren wurde. Hier auf dem Gehöft am Kummerower See inmitten der Obstbäume mit den Tieren und natürlich den Bewohnern habe ich mich sehr wohl gefühlt.

Der Gentleman und eine seiner Damen

Der Ausflug nach Sommersdorf sollte auch der einzige in dieser Woche bleiben. Damit ist schon klar, ich bin am Freitag nicht zu meiner großen Fahrt ins Sachsenland gestartet. Ich war zwar dafür aber mein Hintern entschieden dagegen. Die zeitweise nicht zu stoppenden Durchfälle sind ein großes Problem für mich. Die Sache mit der Rückverlegung scheint immer noch nicht ausgestanden zu sein. Im nachhinein war es die richtige Entscheidung, die Reise abzusagen. Natürlich war ich sehr traurig. Aber ich wäre gerade mal bis Neubrandenburg gekommen und hätte dann schon einen blutigen Hintern gehabt. Da ich selbst nicht unterwegs sein konnte, war mein Bruder dieses Wochenende zu Besuch hier. Dadurch war es wenigstens nicht ganz so schlimm, und ich hatte Ablenkung.

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Donnerstag, 7. September 2006
Empfindsamkeiten
Am Freitag traf ich, als ich meine Post holte, meine Nachbarin und deren Tochter. Die Briefkästen sind so was wie der Marktplatz in unserem Aufgang. Der rechte Ort für ein Schwätzchen. Meine Nachbarin war noch vor mir ins Krankenhaus gegangen, dann wurde ich operiert. Seitdem hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen. Jeder hatte genug mit seiner eigenen Krankheit zu schaffen. Vor einigen Wochen war ihr Mann bei einem Verkehrsunfall gestorben. Obwohl ich wusste, dass ich sie damit zum Weinen bringen würde, sagte ich ihr, wie sehr ich
das bedauere, und auch dass sie jetzt alleine sei. Inzwischen bin ich über ein Jahr krank, und habe davon 2 ½ Monate in Krankenhäusern verbracht. Mein eigenes Leid und das der anderen kann ich gut aushalten. Ich fürchte mich auch nicht davor, mich dem auszusetzen. Meine Nachbarin erzählte mir, dass sie zweimal am Kopf operiert wurde. Es fällt ihr deshalb schwer zu sprechen. Bei dem Verkehrsunfall, den ihr Mann nicht überlebte, zog sie sich mehrere Knochenbrüche zu. Sie fragte mich nach meiner Krankheit. Meine übergroße Magerkeit lässt sich schlecht kaschieren. Ich berichtete ihr von dem Darmkrebs. Meine alte Nachbarin legte mir die Hand tröstend auf die Schulter. Sie sagte, dass es ihr sehr leid täte, dass ich Krebs hätte. Ja, mir auch.

Es erschwert das Leben in jeder Beziehung. Inzwischen habe ich die 2. Chemotherapie hinter mich gebracht. Dienstagnacht durfte ich mich vorerst das letzte Mal an die Flasche mit dem Zytostatika anschmiegen, Kuschelfaktor 10- auf der nach oben und nach unten offenen Kuschelskala. Am Dienstagabend war mir auch so übel, dass ich grandios gereihert habe wie zu den Zeiten meiner schönsten Brechorgien während der ersten Chemotherapie. Nur diesmal schmerzte dabei nicht nur der Bauch sondern auch die Augäpfel. Ich hätte gut noch ein Paar Hände gebrauchen können. So presste ich das eine Paar, das ich habe, abwechselnd gegen den Bauch und die Augen, was das Spucken nicht gerade zu einer leichten Übung machte. Meine Mahlzeit besteht im Moment aus einem Brötchen morgens und einem Stück Apfelstreuselkuchen nachmittags. Ich kriege einfach nicht mehr runter. Zumal ich auch auf einen neuerlichen Brechanfall nicht scharf bin. Es tut einfach zu weh.

Am Montag muss ich zum Bauch-CT und meine Lunge röntgen lassen. Blut für die Untersuchung hat mir die Schwester schon abgezapft. Seitdem schlafe ich nicht mehr besonders gut. Das wird sich auch, bis die nächsten Woche vergangen ist, nicht ändern. Ich bin nicht nur mit der Therapie am Ende sondern auch mit meinen Kräften. Bildlich gesprochen krieche ich auf dem Zahnfleisch herum. Während ich die erste Chemo psychisch allein gemeistert habe, merke ich nun, wie meine Haut fühlbar dünner geworden ist. Eugen Roth hatte dazu folgende
Erkenntnis
Zwei Dinge trüben sich beim Kranken
a) der Urin, b) die Gedanken.
Eine neuerliche Chemo würde ich nicht durchstehen. Für psychische Problem bei Krebspatienten gibt es Spezialisten, Psychoonkologen. Ich hatte vor einiger Zeit Google deshalb bemüht. Aber weder bei den Unikliniken in Greifswald und Rostock noch bei der Klinik in Neubrandenburg konnte ich ein entsprechendes Angebot entdecken. Den nächsten Psychoonkologe gibt es in Berlin, das ist zu weit weg. Noch komme ich ganz gut klar, es fragt sich nur für wie lange. Ich hoffe, dass ich während der Reha einen guten Psychologen oder Psychotherapeuten finde. In der Onkologie hatte ich durch die Gespräche mit anderen Patienten so eine Art Gruppentherapie. Ich würde jetzt ein Einzelgespräch vorziehen. Meine größten Ängste möchte ich nicht in der Gruppe diskutieren. Meine Mitpatientin aus Greifswald sagte mir, sie würde an so was nicht teilnehmen, sie wäre nicht verrückt. Das bin ich auch nicht, jedenfalls nicht über das bei Systemadministratoren übliche Maß hinaus. Aber ich kann einschätzen, wann der richtige Zeitpunkt ist sich professionelle Hilfe zu holen, und der wäre jetzt.

Ansonsten bin ich immer noch schlapp. Die Nebenwirkungen der Chemotherapie lassen bis auf die Kieferkrämpfe überhaupt nicht mehr nach. Mittlerweile gehe ich mit meinen Füßen wie über das Nagelbrett eines Fakirs. Außerdem schwellen meine Beine den Tage über an. Zum Laufen sind sie nicht mehr gut zu gebrauchen. Im Märchen wurden die Finsterlinge immer langsam von den Füßen bis zum Kopf versteinert. Ich komme mir vor, als würde ich absterben. Bis kurz über den Hintern ist alles taub. Die Fliegen kreisen schon. Als Krebskranke und behindert bin ich natürlich kein Leistungsträger der bundesdeutschen Gesellschaft und gehöre damit keiner schützenswerten Spezies an.

Zumindest nicht beim Nordkurier, um die Schwächsten macht sich dessen Chefredakteur, Dr. Uzulis, wie stets in seinen Kommentaren keine Gedanken. Stattdessen schwafelte er am 30. August mal wieder etwas von Reformstau. Das Arbeitnehmerrecht würde Arbeitsplätze verhindern. Wie immer bleibt er den Beweis für seine Thesen schuldig. Dafür will Dr. Uzulis das Gesundheitssystem vom Kopf auf die Füße stellen. Wie soll das denn bitte aussehen? So wie ich es in meinen Artikeln "Doppelmarathon kurz vorm Ziel" und "Durchhänger" beschrieben habe? Wie die Bildung à la Uzulis aussieht, wissen wir ja inzwischen: Schulen und Unis privatisiert, Wissensvermittlung nur gegen harte Währung. Wer nicht über die notwendigen Finanzen verfügt, hat zumindest ein Privileg, er darf hübsch dumm bleiben. Als nächstes wettert der Herr Chefredakteur gegen das Antidiskriminierungsgesetz, das angeblich Bürokratien schaffen würde. Gemeint ist das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das am 18. August in Kraft trat. Diese Gesetz setzt EU-Richtlinien um, die in anderen EU-Ländern längst gelten. Über ausufernde Bürokratie in diesen Ländern ist nichts bekannt. Das AGG ist kein Gesetz, das Priviligierten wie Herrn Uzulis nutzen soll, sondern es soll Minderheiten schützen, so jemand wie mich etwa, krebskrank und behindert. Um das zu begreifen, müsste man aber eine Charaktereigenschaft wie Empathie sein eigen nennen. Was Dr. Uzulis so von sich gibt, ist das übliche neoliberale Gewäsch, getreu dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein. Der Herr Chefredakteur hatte mir verraten, dass ich mit meiner Internetrecherche zu den Ausnahmen unter den Nordkurierlesern gehöre. Die meisten würden sich mit der Lokalzeitung und dem Fernsehprogramm begnügen.

Eine recht einseitige mediale Kost, die manchen so auf den Brägen schlägt, dass ihre Birne davon aufweicht. Sie halten dann eine dunkelbraune Götterdämmerung für den Silberstreif am Horizont. Was machen Politiker, wenn sie sich aus wahltaktischen Gründen in solch eine von allen guten Geistern verlassene Gegend verirren? Claudia Roth etwa, nomen est omen, rot gewandet und mit farblich abgestimmter Haarpracht war in Anklam um den Standort Deutschland bedacht. Dass sich Frau Roth etwa um das Wohl ihrer nordöstlichen Mitbürger sorgen würde, ist nicht überliefert.

Ständige Hörer meines Podcast Nachtgedanken werden bemerkt haben, an dieser Folge ist etwas anders. Es gibt jetzt am Anfang eine kleine Begrüßung und zum Schluss habe ich einen Musiktitel für Euch. Bis jetzt könnte sich bei Euch der falsche Eindruck festsetzen, ich stehe nur auf Musik alter und toter Rocklegenden. Queen das war meine Sturm-und-Drang-Zeit, und die liegt schon ein Weilchen zurück. Mein Tantchen erwartet ja immer noch mit steigendem Alter würde sich mein Musikgeschack grundlegend ändern. Da hofft sie aber vergebens! Wer in seiner Jugend auf Hardrock stand wird nicht plötzlich zum Fan der Volksmusik im Stil von Stefanie Hertel mutieren. Ich biete Euch mit der Schilderung meiner Krebserkrankung doch teilweise recht harte Kost an. Im Moment weiß ich auch nicht, wie es mit mir weitergeht. Es ist alles in der Schwebe. Musik, denke ich, schafft den notwendigen Abstand. Ihr könnt mir ja Eure Meinung dazu unter „ti Unterstrich Nordlicht ät web Punkt de“ mailen.

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