Nordlichter
Kopf
Samstag, 21. April 2007
Freitag der 13. und andere Katastrophen
Ich hatte allen Grund mich vor diesem Freitag am 13. April 2007 zu fürchten. Mein Arzt hatte mir am Dienstag davor zwar bescheinigt, dass bei der Untersuchung alles in Ordnung wäre, aber ich hatte noch einen weiteren Test offen. Darüber verlor ich in der onkologischen Sprechstunde kein Wort. Es war erstmal mein Problem und nicht das meines mich betreuenden Doktors. Solange ich selbst nichts genaues wusste, wollte ich keinen Wellen schlagen. Die einzige, die ich eingeweiht hatte, war Beate. Als ich das Krankenhaus verließ, fuhr gerade der Kombi des Bestattungsunternehmens von gegenüber vor, ganz schlechtes Karma.

Der Brief war vor Ostern gekommen mitten in die Querelen mit der Agentur für Arbeit um mein Arbeitslosengeld I. Beate sagte mir, ich sähe aus, als hätte ich eine weitaus schlimmere Nachricht erhalten. Ich schob ihr das Schreiben zu. Im März hatte ich am Mammographiescreening teilgenommen. Nun sollte ich nach Greifswald kommen. Angeblich hätten meine Aufnahmen einen technischen Defekt erlitten. Diese Erklärung sollte mich wohl beruhigen, aber ich war misstrauisch. In diesem Fall hätte ich erneut in Demmin geröntgt werden können und müsste nicht nach Greifswald. Vor mehr als einem Jahr sollte ich auch zu einem früheren Termin als vereinbart zu meinem Onkologen. Die Schwester begründete das damals am Telefon mit, der Doktor hätte dann Urlaub. Aber ich hörte an ihrem Tonfall, dass etwas nicht stimmte. Diesmal nahm ich darum an, dass beim Screening etwas gefunden wurde. So war ich Ostern zusätzlich in Panik. Auch meiner Großfamilie in Berlin verschwieg ich dieses neue Problem. Sie haben meinetwegen schon genug Sorgen. Beate erklärte sich zu meiner Erleichterung bereit, mich nach Greifswald zu fahren.

Mein Termin war am Freitagvormittag. Beate kam etwas später als vereinbart. Sie sagte, ihr Auto gäbe so merkwürdige Geräusche von sich. Der Übeltäter schien der Keilriemen zu sein. Statt nach Greifswald fuhren wir zur nächsten Werkstatt. Der Mechaniker vermutete mehr Mängel als den Riemen. Die entsprechenden Teile hatte er natürlich nicht auf Lager, sondern musste sie erst ordern. Ob Beates Auto noch am Freitag repariert werden konnte, stand nicht fest. Ich war drauf und dran mein Date in Greifswald abzusagen. Wenn ein Tag schon so anfängt, geht gewöhnlich alles schief, was nur schief gehen kann und dann noch Freitag der dreizehnte. Am besten man geht nach Hause und legt sich ins Bett.

Beate ließ das nicht zu. Der Leihwagen, mit dem wir verspätet in Richtung Greifswald starteten, war ein kleiner roter Honda. Ich rief von unterwegs in der Klinik an und meldete Verspätung wegen Autopanne. Das wäre kein Problem, meinte die Schwester, ich würde auf jeden Fall untersucht werden. Eine halbe Stunde nach meinem Termin parkten wir vor der Uniklinik. Das Klinikum von außen ein Quadersammelsurium gleicht im Innern dem Labyrinth des Minotaurus. Die Frau, die wir nach dem Weg fragten, sagte uns, hier würden jede Woche die Schilder gewechselt werden. Sie begleitete uns aber trotzdem via Fahrstuhl bis zum Vorraum beim Screening. Ich war dort die einzige Patientin, die erwartet wurde.

Klinikum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Im Web halten sich Pro und Kontra zur Mammographie die Waage. Viele würden geröntgt, aber nur wenige wären von Brustkrebs betroffen. Sicher wäre man auf keinen Fall. Der Befund könnte richtig, falsch positiv oder falsch negativ sein. Das half mir aber nicht weiter. Ich bin in einem Dilemma, denn ich hatte schon mal Krebs. Soll ich nun teilnehmen oder es lassen? Um die garantiert richtige Bewertung zu treffen, müsste ich hellsehen können. So konnte ich mich eigentlich nur falsch entscheiden.

Die Oberärztin bestätigte meinen Verdacht, oberhalb der rechten Brust war eine Unregelmäßigkeit entdeckt worden. Diese Seite wurde noch einmal gescreent. Dabei wurde meine Brust zwischen zwei Plexiglasplatten gequetscht, während ich mich davor verrenkte. Ich äußerte spontan, falls das bösartig wäre, dann wäre es das wohl gewesen angesichts meiner Vorerkrankung. Die Ärztin widersprach, das dürfte ich nicht einmal denken! Sie stellte mir vollständige Heilung in Aussicht. Heilung von was? Anschließend musste ich mich auf die Pritsche legen, und die Oberärztin ulltrabeschallte meine Brust und die Achselhöhlen. Links, wo auch der Port sitzt, war alles in Ordnung. Rechts jedoch entdeckte sie nahe der Brustwarze eine weitere Stelle, die sie untersuchen wollte. Beide Auffälligkeiten waren nicht tastbar. Die eine lokalisierte die Oberärztin bei neun die andere bei elf Uhr. Das klang weniger nach Brustkrebs sondern mehr nach Luftkrieg, feindliche Bomber im Anflug.

Die Ärztin erklärte mir, wie sie die Gewebeproben aus meiner Brust entnehmen wollte, bevor ich unterschrieb. Die Gerätschaften mir gegenüber auf dem grünen Tuch erweckten nicht gerade mein Vertrauen. Die Biopsiestanze sah aus wie ein überdimensioniertes giftgrünes Feuerzeug mit einer elend langen Nadel. Ich hatte einige Tage zuvor den Bericht einer Patientin gelesen, die von einem Arzt bei der Biopsie malträtiert wurde. Aber mir gegenüber saß eine Frau, die wusste, wie schmerzempfindlich die weibliche Brust ist. Zuerst verpasste die Oberärztin mir vorsichtig eine Spritze. Als der Bereich dann lokal betäubt war, hatte sie in der einen Hand den Ultraschallkopf. Gleichzeitig stach sie mir eine Kanüle in die Brust. In dieser führte sie das Biopsiegerät. Damit stanzte sie Proben aus meiner Brust, während sie per Sonographie die richtige Stelle ortete. Nach jedem Knall hatte ich Schmerzen, obwohl ich mehr als eine Betäubungsspritze erhalten hatte. Bei der nächsten Biopsie nah der Brustwarze war ich schon so betäubt, dass ich nichts mehr spürte. Ich fror nur noch fürchterlich und klapperte mit den Zähnen. Nach alldem erhielt ich einen Druckverband um die Brust, den ich 24 Stunden tragen sollte. Ich beschwerte mich bei der Ärztin und den Schwestern, dass sie meine Vorderseite nun ganz platt gewickelt hätten.

Beate wartete geduldig im Vorraum. Ich war heilfroh, dass sie mitgekommen war. Ihr gegenüber saß die nächste Patientin allein, und sie erschien mir sehr nervös. Zu Beate gewandt sagte ich, jetzt könne ich nicht gleich wieder nach Hause. Also fuhren wir zu einem der größeren Märkte. Inzwischen war es später Mittag, und ich hatte trotz der seelischen Belastung Hunger. Wir aßen nur eine Kleinigkeit, Beate, weil sie auf ihr Gewicht achtet, und ich, weil ich nicht mehr konnte. In der Apotheke erstand ich eine Gelkompresse zum Kühlen. Die Ärztin hatte mir einen hübschen Bluterguss prophezeit. Meine Brust würde sich bestimmt grün und blau verfärben. Wir bummelten durch die Geschäfte. So richtige Ablenkung bot der Einkauf nicht. Die Betäubung ließ langsam nach, und meine Brust begann zu schmerzen. Wir waren erst abends wieder in Demmin. Beates Auto war zum Glück repariert.

Ich hatte ein nicht so schönes Wochenende vor mir. Außer Beate, die mich beim Abschied umärmelte, wollte ich diese Last niemanden weiter aufbürden, auch meiner anderen Freundin nicht. Ihr habe ich es erst heute erzählt, sie weinte. Was mich immer neu wundert, wir sind total verschieden, uns trennt ein großer Altersunterschied, und trotzdem sind wir uns nahe. Für meine Sippe wird meine Erkrankung, je länger sie dauert, zu einer großen Bürde. Eigentlich wollte ich meinen Clan darum außen vorlassen, aber mein Bruder rief am Wochenende an. Es blubberte einfach aus mir heraus, wie aus einem Teekessel der unter zuviel Dampf steht. Meinen Bruder traf meine mögliche neue Erkrankung schwer. Ich wollte ihn nicht verletzen und tat es doch, indem ich es ihm erzählte. Diese Krankheit verwundet nicht nur mich sondern auch alle die, die mir nahe stehen.

Am Montag sollte das Ergebnis der Biopsie feststehen. Weil mein Telefon stumm blieb, rief ich in Greifswald an. Ich erfuhr nur, dass die Befunde grenzwertig wären, und in der Pathologie noch niemand zu einer klaren Aussage fähig. Es müßte weiter untersucht werden, kein Ergebnis am Dienstag, kein Ergebnis am Mittwoch. Am Donnerstagvormittag rief mich die Oberärztin, wie versprochen, an. Der Pathologe könnte noch immer keinen eindeutigen Befund erstellen. Am Montag findet in Greifswald die Krebskonferenz statt, bei der auch mein Fall diskutiert wird. Dienstag würde sie wieder mit mir telefonieren. Ich müßte nach Greifswald kommen, und an mir würde rumgeschnippelt werden für einen neuen Befund. Meinem Vater sagte ich gestern morgen, die Krebse würden bei mir schon Schlange stehen, so langsam müßte ich Nummern vergeben. Was ich jetzt fühle? Eine große Leere und eine große Hilflosigkeit. Dieses Warten zermürbt und lähmt mich. Ich hatte so gehofft wieder halbwegs in ein normales Leben zurückzukönnen. Kaum habe ich mich aufgerappelt, kriege ich schon das nächste Ding vorgeworfen, das mir die Beine weghaut. Nun stehe ich wieder draußen vor der Tür, und alles steht in Frage. Was soll jetzt werden?

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Donnerstag, 12. April 2007
Ostereierei
An einem der ersten schönen Frühlingstage spazierte ich los um die Kollegen zu besuchen, die ich vor meiner Erkrankung betreut hatte. Ich ging dahin durch den Stadtwald. Dort war alles in Aufbruchsstimmung. Die Vögel zwitscherten, und es roch so richtig nach Frühling. Im Rucksack hatte ich ein Buch über optische Täuschungen und Illusionen. Ich bin ein Fan des niederländischen Grafikers M. C. Escher. Nichts ist in seinen Werken so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Der Kollege, der mir das Buch geliehen hatte, arbeitet jedoch verkürzt. Freitags ist er nie da, was ich nicht wusste. Er nutzt diesen Tag, um Besorgungen zu erledigen und den Menschen nahe zu sein, die ihm wichtig sind. So legte ich das Buch auf seinen Schreibtisch und begrüßte die anderen Kollegen. Sie versicherten mir, ich würde gut aussehen, nicht mehr so krank. Diese Jahreszeit ist bestens geeignet zum Genesen und für einen neuen Anfang.

Primel

Es wird Frühling, aber bis jetzt konnte ich mich noch nicht daran erfreuen. Als ich vor über einem Jahr in der Greifswalder Uniklinik auf der Wachstation lag, hatte irgendjemand vergessen mich zu melden. Ich bekam meinen Brei nicht. Der Arzt, den ich fragte, sagte mir, man müsse sparen. Natürlich wollte ich wissen, warum ausgerechnet an mir. Ich würde im Sparbett liegen, war die Antwort. Selbstverständlich war das nur Spaß! Der Doktor versicherte mir, dass man die Patienten in der Wachstation ordentlich versorgen würde. Noch müsse an ihnen nicht gespart werden. Ich bekam meinen Brei.

Jetzt schien ich wieder im Sparbett zu liegen, diesmal bei der Agentur für Arbeit, und Spaß war das auch keiner. Wer wie ich einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt hat, der bekommt, nachdem das Krankengeld abgelaufen ist, Leistungen der Agentur für Arbeit, bis er seinen Rentenbescheid in den Händen hält. Für mich hieße das, ich erhalte AlG I, bis die Rente entschieden ist. Als Kunde wurde ich per Brief zu einem Gespräch über meine Angelegenheiten bestellt. Die Schreiben der Agentur, nie ohne ihre Rechtsfolgenbelehrungen und Aufzählung der Paragrafen nach Sozialgesetzbuch, haben ein gewisses Einschüchterungspotenzial. Bin ich denn wirklich so eine Plage, dass man mir drohen muss? Mein einziges Verbrechen besteht darin, unplanmäßig an Krebs erkrankt gewesen zu sein und infolge dessen noch nicht arbeiten zu können. Die Mitarbeiterin eröffnete mir, sie hätte ein Dokument vom ärztlichen Dienst ihrer Agentur erhalten. Gemäß diesem Gutachten nach Aktenlage könne ich täglich wieder volle sechs und mehr Stunden arbeiten. Zwar wäre mein Leistungsvermögen auf Dauer eingeschränkt, aber nicht auf unter 15 Wochenstunden gemindert. Mit dieser Einschätzung würde mein Bezug des ALG I erlöschen. Dieses Gutachten verschlug mir die Sprache. Sechs und mehr Stunden arbeiten zu können wäre das, was ich mir wünsche. Leider bin ich dazu noch nicht in der Lage und immer noch krank.

Also protestierte ich, das könne nicht stimmen, und wedelte mit einer Akte. Zwei Tage vorher hatte ich ein Schreiben vom Rentenversicherer erhalten. Dort wurde ich für voll erwerbsgemindert erklärt, der Zeitpunkt und die Höhe der Rente standen nur noch nicht fest. Wie die zuständige Mitarbeiterin mir telefonisch erklärte, könnte die Berechnung meiner Rente etwas dauern. Wer die volle Erwerbsminderungsrente erhält, kann täglich nicht mehr als zwei Stunden arbeiten. Ich fühlte mich auch nicht besser, als ich nebenbei erfuhr, ich wäre nicht die einzige, bei der der Agenturarzt so offensichtlich zuungunsten des Kranken entschieden hatte. Gut, die Agentur für Arbeit muss sparen, aber warum ausgerechnet an mir? Ich hoffe, der ärztliche Gutachter, der mich als voll arbeitsfähig einstufte, konnte wenigstens ruhig schlafen. Ich konnte es jedenfalls nicht mehr, denn der Verlust des Arbeitslosengeldes bringt einige gravierende Nachteile mit sich.

Ich machte mit diesem Problem nicht nur mich wild, sondern versetzte meine Sippe und die Freunde in Aufregung. Mein Hausarzt sagte mir, für ihn wäre ich krank, bis mein Rentenbescheid käme. Diese Krebserkrankung mit allen Nebenwirkungen allein zu verkraften täte mir nicht gut, meinten die Schwestern in der Praxis. Sie wollten mich unbedingt verkuppeln, nur hatten sie keinen geeigneten Kandidaten auf Lager. Mich an den Mann zu bringen ist wohl ein aussichtsloses Unterfangen. Es spricht zuviel gegen mich. Wer reißt sich freiwillig eine kranke Frau an den Leib? Was spräche für mich?

Mein Osterfest, das ich in Berlin bei meiner Großfamilie verbrachte, war kein entspanntes. Sie versuchten mich, so gut es ging, abzulenken. Mein kleiner Neffe stellte liebenswürdigerweise fest, ich wäre sein Freund. Der kleine Zwerg wächst von allen geliebt und umsorgt auf, und wird den allerbesten Start in sein Leben haben. Von der Agentur für Arbeit und ihren ärztlichen Gutachtern weiß er nichts, und das sei auch genauso fern von ihm wie jede schlimme Erkrankung. Es reicht, wenn ich sie habe.

Aufregung ist natürlich Gift für meinen Hintern. Aber mir hatte es ja auch den Appetit verhagelt. So spüre ich die Auswirkungen auf meine Rückseite erst jetzt. Inzwischen bin ich dazu übergegangen nicht gleich zu rennen, wenn es hinten rummurt. Dank Beckenbodengymnastik klappt das immer öfter. Nur Stress kann ich keinen gebrauchen. Nach Ostern lag ein großer Umschlag im Briefkasten, der lang erwartete Rentenbescheid. Ich bin jetzt Erwerbsminderungsrentnerin bis zum Juni 2008. Somit gibt es erstmal Entwarnung, und ich kann mich um meine Gesundung kümmern.

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Sonntag, 4. März 2007
Schäfchen zählen
Gibt es eine Steigerungsform von krank? Nun habe ich endlich doch geschafft, was ich die vergangenen zwanzig Monate strickt vermeiden konnte, ich habe mich erkältet. Ich muss nicht mehr nur meine Rückseite wischen, sondern auch meine Nase, die zwischendurch ETs Glühfinger glich. Der Wechsel zwischen Hitze und Schüttelfrost am letzten Wochenende ließ schon nichts Gutes erahnen. Der Kopf düselte nur ganz leise an der Stirn. Kein Vergleich zu sonstigen meist linksseitigen Anfällen mit Empfindlichkeit gegen Licht, Geräusche, Gerüche und Erschütterungen, die in Übelkeit und Erbrechen gipfelten. Mit meinem Darmkrebs wurde ich auch diese Art von Kopfschmerzen los. Beate, die an Migräne leidet, findet meine Heilmethode zu rabiat. Während sich das Stirndüseln immer weiter verflüchtigte, wurde der Rachen rauh und rauher. Das Zahnfleisch entzündete sich aus Sympathie gleich mit. Der Appetit fiel wieder gegen Null, es schmeckte sowieso alles gleich. Außer schlafen und trinken wollte ich eigentlich nichts.

Am regnerischen Montagmorgen habe ich mich nur deshalb aus dem Haus gequält, weil meine Chefin Geburtstag und mich persönlich eingeladen hatte. Sonst hätte ich keinen Fuß vor die Tür gesetzt. Das Wetter war diesem Jubiläum nicht angemessen. Immerhin gelang es mir zwischen zwei Regenschauern mit nassen Zehen aber sonst trocken nach Hause zurückzukommen. Für mich erfreulich, ich musste an dem Montag nur fünfmal auf den Top. Sonst sind mindestens zehnmal die Norm, aber fünfundzwanzigmal sind auch manchmal drin. Damit konnte ich meine Aufmerksamkeit an diesem Tag voll meiner tropfenden Nase widmen. Ich hatte trotzdem noch genug zu wischen.

Meine Physiotherapeutin, der ich am Dienstag während der Lymphdrainage was hustete, erklärte mir, das würde fest sitzen und wäre noch entwicklungsfähig. Auf dem Weg zwischen Praxis und Bäcker kam mir wieder ein alter Bekannter entgegen. Irgendwie wird das langsam verdächtig. Treffe ich jetzt alle Männer, die ich mal gekannt und lange nicht gesehen habe, auf dieser kurzen Strecke? Immer noch Charmeur wie früher und um kein Kompliment verlegen meinte er, ich würde knackig aussehen. Wenn die Nase schon im Dunkeln zu leuchten beginnt, ist es genau das, was man hören möchte. Knackig, wie ich war, schaffte ich es zu Hause gerade mich ins Bett zu packen um zu frieren, zu schlafen und ein wenig vor mich hin zu husten.

Die Hausarbeit hatte ich wieder auf das notwendigste reduziert, aber Einkaufen musste ich am Mittwoch trotzdem. Nach dem Mittag war ich so müde, dass ich ins Bett kletterte, um eine Runde zu schlafen. Das Fieberthermometer zeigte 39,1 °C und so fühlte ich mich auch. Also blieb ich erstmal liegen. Mein Hausarzt hat an diesem Nachmittag eh keine Sprechstunde. Mittwoch ist der einzige Tag, an dem ich sonst mehr als nur den Wetterbericht im Fernsehen schaue. Ich wollte nur ein bisschen ruhen bis "The Closer" anfing, kam dann aber doch nicht mehr aus dem Bett heraus. Als "Boston Legal" lief, schlief ich schon längst.

Bei meinem Hausarzt war ich auch am darauffolgenden Morgen nicht. Seitdem die Chemotherapie zu Ende ist, muss ich wieder bei den anderen Patienten im Wartezimmer sitzen und darf mit ihnen Krankheitskeime tauschen. In Erkältungshochzeiten so wie dieser ist das Wartezimmer früh brechend voll. Ich habe einfach keine Lust mich von anderen Patienten zwei Stunden lang behusten oder beniesen zu lasse noch auf gleiche Art zurückzuschlagen. Deshalb wollte ich am Nachmittag zur Sprechstunde. Vorher legte ich mich aufs Bett um Fieber zu messen. Aus dem Arztbesuch wurde nichts. Natürlich bin ich mit dem Fieberthermometer unterm Arm eingeschlafen.

Inzwischen ist das Fieber gefallen. Der Schnupfen hat seinen Aggregatzustand gewechselt und verklebt mir die Nase. Ein paar Herpesviren nutzen die günstige Gelegenheit und bauen zwischen Oberlippe und Nase ihr neues Dorf. Mir wächst ein Entenschnabel. Meine Hustenanfälle, bei denen ich dem Ersticken nahe über dem Waschbecken hänge und an deren Ende es mich immer würgt, sind ein akustischer Genuss für die gesamte Nachbarschaft. Die liebste Todesart wäre mir noch immer mich tot zu lachen oder tot zu lieben aber auf keinen Fall mich tot zu husten. Wenn sich der Husten nicht löst, muss ich doch noch zum Arzt.

Diese Erkältung wirft mich gleich wieder um Jahrhunderte zurück. Nur gut, dass ich am Donnerstag vor einer Woche Beate angerufen hatte, um ihr zu sagen, sie könne mich abholen. Sie brachte mich und meine Kamera, diesmal sogar mit Speicherchip, nach Sommersdorf. Am Montag hatte eins ihrer dunklen Schafe drei Lämmer geworfen, und Beate war sozusagen die Hebamme. Der Vater ist der weiße Schafbock Max. So haben einige der schwarzen Lämmchen in Sommersdorf auch einen lustigen weißen Püschel auf dem Kopf. Wie schon beim Fotografieren meines kleinen Neffens stellte ich wieder fest, ich bin zu langsam. Auf einigen Bildern sind entweder nur Hufe oder auch nur Stroh zu sehen. Die Fotos werden dann im neuen Online-Album zu sehen sein.

Gerne hätte ich auch Bilder von der totalen Mondfinsternis letzte Nacht gemacht. Aber der Erdtrabant zog es ja vor die Angelegenheit in Demmin unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuziehen.

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Montag, 19. Februar 2007
Mein Freund der Baum
Er fiel nicht im frühen Morgenrot sondern Dienstag am späten Mittag. Aber tot ist er nun auch.

Ich wohne seit einigen Jahren in dieser Wohnung. Jeden Morgen blickte ich aus dem Wohnzimmerfenster auf die beiden Pappeln vorm Haus. In der schöneren Jahreszeit, wenn die Pappeln und die kleinen Ahornbäume, die den Parkplatz verstecken, belaubt waren, hatte ich immer den Eindruck mitten in einem Park zu sitzen. Ich hatte mich schon gefreut, mit dem im letzten Herbst neugebauten Balkon an meiner Wohnung dem Baum ein Stückchen näher gerückt zu sein. Wenn ich die Fenster am Vorbau beiseite schob, konnte ich die Blätter der Pappel rauschen hören. Mein Blick aus dem Wohnzimmer wurde an einer grünen Blätterwand gebremst. Im Sommer lugte die Sonne nur kurz am Block hervor, um gleich darauf hinter dem dicken Dach aus Pappelblättern zu verschwinden. Wenn sie ihren Weg an den Bäumen vorbei geschafft hatte, stand sie schon zu hoch am Himmel, um mein Wohnzimmer noch wesentlich aufheizen zu können.

Diesen Sommer wird das anders sein, wenn die Sonne dann hinter dem Block hervorscheint, erhalte ich hier die volle Breitseite. Mein Glaskasten von Balkonzimmer wird sich aufheizen wie eine finnische Sauna. Gewiss, da die beiden Bäume jetzt verschwunden sind, ist es heller im Zimmer. Es werden sicher auch einige Leute hocherfreut sein, denen die Bäume zuviel Dreck machten. Nun müssen im Herbst keine Blätter von der Straße und den Gehwegen gefegt werden. Im Mai werden die Anwohner von den weißen Kätzchen, die wie dicke Schneeflocken von den Bäumen trieben, verschont bleiben. Nun wird alles schön sauber sein. Genauso hübsch ordentlich und steril, wie die Grundstücke ehemaliger Städter in den Dörfern Vorpommerns.

Das letzte Foto von beiden Pappeln knipste ich gegen zehn, bevor ich zur Lymphdrainage ging. Ja, die letzte Woche konnte ich wieder zur Physiotherapie. Mein Hintern erlaubte es mir. Zwar musste ich, nachdem ich die Wohnung abgeschlossen und die halbe Treppe schon hinunter war, wieder zurück und mich aus den Sachen pellen. Kaum in der Physiotherapie angelangt, konnte ich auch gleich hinter der gewissen Tür verschwinden. Aber ich habe die Behandlung durchgehalten. Eine Lymphdrainage für die Beine dauert eine Stunde.

Mir fehlen die Lymphknoten, die mir mein Arzt aus dem Bauch räumen musste, um mein Leben zu bewahren. Wenn ich mich recht entsinne, waren nur zwei Lymphknoten nicht befallen. Mein Mastdarmkrebs hatte schon fröhlich begonnen an meinem Fettgewebe herumzuknabbern, wie mir die Stationsärztin damals berichtete. Sie sagte mir, das Ergebnis der Gewebeuntersuchung war für die Ärzte ein Schock und für mich? Ich musste mit meiner Angst fertig werden. Die Kompressionsstrümpfe und die wöchentliche Lympfdrainage sind dagegen nur ein geringer Preis um nicht Wurzeln begucken zu müssen. Auf der Erde ist es doch erheblich interessanter als darunter.

Die Beinkleidung kombiniert mit der Massage hat die Lymphödeme abschwellen lassen. Der Spannungsschmerz in den Füßen ist dagegen geblieben. Es ist ein Gefühl, als steckten meine Hufe in einem Schraubstock, und jemand zöge die Backen fest an. Die Therapeutin hat mir versichert im Laufe der Zeit würden die Schmerzen verschwinden. Die Behandlung selber, ist recht angenehm. Es ist kein Kneten sondern mehr ein Streichen, beginnt am Hals und endet an den Füßen. Ich liege nur mit BH und Slip bekleidet auf der Pritsche. Weil an mir ja nicht viel dran ist, und ich wie ein Schneider friere, wenn ich da so ausharre, deckt die Therapeutin mich teilweise mit einem Laken zu. Die Dame bringt einiges mehr als ich auf die Waage, und falls ich mich mit ihr auf einen Ringkampf einlassen würde, hätte ich die denkbar schlechtesten Karten. Also bin ich ein braves Mädchen und rekel die Glieder entsprechend ihren Anweisungen.

Dem Masseur in der Plauener Kurklinik bin ich regelmäßig auf dem Behandlungstisch eingeschlafen. Hier nun kann ich nicht schlafen, weil wir beide pausenlos sabbeln. Unser Themenbereich ist weitgefächert und umfasst neben der Therapie, Psyche, Mode, Kochtips, und Haustieren den Mann im allgemeinen. Als besonderen Problemfall haben wir den erkrankten Mann ausgemacht, für Frauen natürlich eine schlichte Katastrophe. Ich bin nicht gerade ein Ausbund an Beredsamkeit. Nur, durch meine Krankheit bedingt, leide ich oft unter unfreiwilligem Hausarrest. Das Schwätzchen mit der Nachbarin oder der Blumenfrau, das Gespräch mit meiner Freundin am Freitagnachmittag bleiben oft die einzigen vis-à-vis geführten. Seit meiner Erkrankung ist meine Telefonrechnung dramatisch gestiegen. Ein Plausch mit der Therapeutin kommt da gerade recht.

An diesem Wochenende hatte ich noch jemand zum Erzählen, mein Bruder war aus Berlin gekommen. Nebenbei hat er den Vorhang an der Balkontür angebracht, ein wenig gemalert, den Abenteuerspielplatz für die Sittiche zusammengebaut und mir eine neue Arecapalme angeschleppt. Am Wochenende ging es mir richtig gut.

Heute morgen nun war wieder alles anders. Ich bin halb acht aufgestanden, um neun hatte ich immer noch nicht gefrühstückt. Das konnte ich erst, als es mir gelang, einige Pillen gegen Durchfall in meinen Rachen zu werfen. An den Tagen, an denen ich mindestens fünfunzwanzig mal auf die Toilette und viel wischen muss, bin ich echt genervt. Niemand erwarte von mir eine gerechte Beurteilung, wenn ich nicht sitzen kann, und hinten der Flammenwerfer arbeitet. Ich bin nicht erst seit drei Tagen, sondern ich bin nun schon unfassbare zwanzig Monate krank. Ein Ende ist immer noch nicht abzusehen.

Am liebsten würde ich meiner Krankheit davonlaufen, nicht einmal das gelingt mir im Augenblick. Ich komme gerade mal bis zur nächsten großen Ampelkreuzung.

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Montag, 12. Februar 2007
Unfälle
Mir tut die Lippe weh. Ich hatte mir Nudeln mit Meeresfrüchten gekocht, und nicht bemerkt, dass der Esslöffel auf der heißen Platte des Cerankochfeldes lag. Gierig schob ich mir die Nudeln in den Mund. Au! Ich musste meine Oberlippe eine Weile mit kaltem Wasser kühlen, bis der Schmerz nachließ. Zum Glück wuchs mir kein Entenschnabel, gleichwohl eine dicke Lippe kann ich hier nicht riskieren. Der nächste Unfall ereignete sich, als ich die Treppen zum Briefkasten hinunterstolperte. Ich verlor einen Schlappen, knickte mit dem linken Fuß um und war etwas schneller unten, als ich wollte. Mit schmerzendem Huf und der Zeitung unterm Arm schleppte ich mich zurück in meine Wohnung. Die Latschen habe ich aus Satisfaktion gleich im Mülleimer entsorgt. Nun habe ich Filzpantoffel an den Füßen und zwei Wehwehchen mehr. Als hätte ich nicht schon genug Gebrechen.

Die größte Mühsal bereitet mir wieder mal mein Allerwertester. Weil ich am Dienstag seinetwegen auf dem Klo festsaß, musste ich meinen Termin zur Lymphdrainage absagen. Die Therapeutin erklärte mir am Telefon, laufend Kapseln gegen Durchfall zu schlucken, wäre nicht die wahre Lösung. Was soll ich aber machen? Mein Hintern hat erneut die Regierungsgewalt übernommen.

So langsam wird er für mich auch eine teure Angelegenheit. In der Drogerie, zu der ich mich am Samstag eilig zwischen zwei Toilettengängen begab, ließ ich 20 Euronen, nur das Feinste für mein empfindliches Körperteil. Von Müttern und Großmüttern bin ich mit den brauchbarsten Tips versorgt worden. Was für Babys gut ist, kann auch meinem Po nicht schaden. Im Bad, nach dem großen Geschäft, hat sich folgender Ablauf eingespielt: vorwischen mit trockenem Toilettenpapier, wischen mit Feuchttüchern für Babys, nachwischen mit trockenem Toilettenpapier, eincremen. Ich opfere mich und vollführe den harten Dauerwischer-Eignungstest von Toilettenpapier, Babyfeuchttüchern und Cremes höchstselbst an der eigenen entzündeten Rückseite. Der Wettstreit um die beste Paste gegen den Pavianhintern ist bereits entschieden. Der Gewinner ist Bübchen vor Zinksalbe und Penatencreme. Ich habe an dem Produkt vom Werk Ewald Hermes nur eines auszusetzen. Offensichtlich kann man in Soest zwar gute Creme zusammenrühren, aber kein richtiges Deutsch. Wir sind hier nicht in Amerika, und deshalb heißt der Testsieger entweder "Baby-Wundschutz-Creme" oder "Babywundschutzcreme". Liebe Bübchen, das dürft Ihr Euch aussuchen! Ich erwarte Euren Vorschlag!

Die Tests mit den trockenen und feuchten Toilettenpapieren laufen noch. Über den Ausgang werde ich Euch demnächst berichten, meine Lieben. Ich wurde schon gefragt, ob ich mich nicht schämen würde, hier intime Details aus dem Leben einer Stuhlinkontinenten preiszugeben. Nicht die Bohne! Warum sollte ich auch? An Darmkrebs zu erkranken und sich mit den Folgen der Therapie rumzuschlagen, sehe ich nicht als geringsten Grund an, sich demütig zu genieren. Was kann ich dafür, dass mein Hintern unter Amnesie leidet und auf den Stand eines Kleinkindes zurückgefallen ist? Ich habe niemand belogen, weder eine alte Omi noch andere Leute um ihre Ersparnisse betrogen und diese auch nicht dritten Personen zugeschanzt. Ich trinke auch nicht heimlich Wein und predige öffentlich Wasser. Da müssten ganz andere Leute vor Scham in den Boden versinken. Zum Beispiel einige von denen, die angeblich nur ihrem Gewissen verpflichtet sind, wie praktisch, wenn man dann keines hat.

Ich lasse mich hier ja auch nicht bis in die letzten Feinheiten über den abenteuerlichen Alltag mit Stuhlinkontinenz aus. Die gruseligeren Einzelheiten würde ich dann doch lieber meinem Arzt anvertrauen, wenn es ihn denn verstärkt interessieren würde. Während ich innerhalb der akuten Phase meiner Erkrankung Hilfe und Unterstützung erfahren habe, fühle ich mich nun nach dem Krebs mehr oder weniger mit meinen Nöten alleingelassen. Ohne Karzinom und Metastasen scheine ich als Patientin irrelevant zu sein. Die Folgen der Therapie meines Mastdarmkrebses bade ich alleine aus. Der Tumor im Darm und die Lebermetastase sind fort, aber ich habe dafür, bildlich gesprochen, einen hohen Kredit aufgenommen. Ich werde die Zinsen den Rest meines Lebens zurückzahlen müssen. Da brauche ich nur an die Lympfdrainage und die Kompressionsstrümpfe zu denken. Die bleiben mir für immer! Dennoch es gibt Fortschritte, ich habe wieder schmale Füße, und meine Fesseln sind zu sehen. Ich werde mich aber kaum damit abfinden den Rest meiner Tage hauptsächlich auf dem Klo hockend zu verbringen, damit beschäftigt den eigenen Hintern mit trockenen oder feuchten Tüchern zu wischen und einzubalsamieren.

Psychisch geht es mir allen Plagen zum Trotz besser. Ich bin nicht mehr angstgesteuert. Die Furcht ist fort. Die Zeit der Erkrankung erlebte ich als eine Periode gewaltigen seelischen Druckes. Die Angst saß mir ständig im Nacken.
Freilich wünsche ich mir, ich würde endlich einfache Wege finden, um besonders auch meine rückseitigen Probleme lösen zu können.

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Sonntag, 4. Februar 2007
Hausaufgaben
Ich bin ziemlich unleidlich. Vor dem Frühstück hatte ich schon drei Sitzungen, und es scheint ein echt beschissener Tag zu werden, so wie die letzten auch. Allein gestern abend musste ich mich dreimal umziehen. Mein Sprintvermögen läßt doch sehr zu wünschen übrig. Ich bin einfach zu langsam. Wo gibt es Toilettenpapier, dass meine Rückseite einmal nicht zum bluten bringt, wo?

Damit ist auch das Geheimnis meines zweiwöchigen Schweigens hier im Blog gelöst. Um einen neuen Artikel schreiben zu können, muss ich wenigstens für eine Weile sitzen können. Eine Arbeitskollegin hatte schon angerufen. "Erscheint morgen ein neuer Eintrag im Blog?" "Nein!" Podcasten könnte ich ja noch im Stehen, aber Texten nicht. Mein Hintern ist so blutig entzündet, dass ich kaum sitzen kann. Jeder neue Gang aufs Örtchen gleicht einem Martyrium. Wenn ich gase, habe ich das Gefühl an meiner Kehrseite sei ein Flammenwerfer eingebaut. Es brennt höllisch! Optisch könnte ich mit jedem Pascha aus einer Pavianherde kongurieren.

Gegen den entzündeten Hintern hatte mir mein Onkologe ein Mittel verschrieben, von dem ich annahm, es wären Zäpfchen, weil mein Doktor so geheimnisvoll tat. Die Apothekerin überreichte mir dann ein Riesenpaket. Die vermeintlichen Zäpfchen entpuppten sich als Miniklistiere. Mein Arzt war bei der nächsten Sitzung neugierig, ich hätte mir die Dinger doch nicht etwa komplett eingeschoben? Witzbold! Die Anwendung ist etwas für Typen auf einem Selbsterfahrungstrip. Ihr müßt bei meiner Schilderung bedenken, die Feinmotorik meiner Finger ist gestört. Da werden selbst einfache Handhabungen zum Wagnis. Hier folgt die Anleitung um sich eigenhändig einen Einlauf zu verpassen: Man begebe sich dazu mit entblöstem Po ins Bett und nehme stabile Seitenlage rechts liegend ein. Sehr von Vorteil ist eine Unterlage unter der Rückseite. Dann greife man das Klistier mit der linke Hand und ramme sich die Spitze in den Hintern. Ich hatte schon leichte Probleme den Eingang zu treffen. Wenn das geschafft ist, drücke man sich ganz langsam mit Gefühl den Inhalt des Klistieres in den Darm und kneife dann den After zusammen, während man dieses Ding wieder entfernt. Diese Stellung ist krampflos für etwa ½ Stunde zu halten. Habe ich schon erwähnt das der Einlauf unangenehm kalt im Gedärm liegt? Anschließend kann man ins Bad schleichen und den Darminhalt ins Klo plumpsen lassen. Besser ist jedoch man schläft mit zusammengepresstem Anus ein und verschiebt den Toilettengang auf den nächsten Morgen. Bei aller Liebe, das ist mir nicht ein einziges Mal gelungen!

Ich verdanke meinem Doktor viele possierliche Erfahrungen, und das Klistier, war ja nicht das letzte Medikament, das er mir verschrieben hat. Erst im Januar erhielt ich als neue Hausaufgabe, die Wirkung eines Medikaments am eigenen Leibe zu testen. Zugelassen ist es als Antiepileptikum und zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen, deshalb bekam ich es. Der Beipackzettel offerierte eine ganze Latte von Nebenwirkungen. Zwei waren mir, klapprig wie ich bin, besonders angenehm, maßloser Appetit und Erhöhung des Körpergewichtes. Essen können, wie eine siebenköpfige Raupe und zunehmen, das wäre es doch. Aber genau diese Folgen stellten sich nicht ein. Statt dessen diagnostizierte ich nach Medikamenteneinnahme, irgendwas stimmt mit meinen Augen nicht. Ich konnte plötzlich in der Ferne glasklar sehen, für den Videotext brauche ich keine Brille mehr. Da sage noch einer Medikamente hätten nur schlechte Nebenwirkungen. Ab sofort werden Möhrchen vom Speiseplan gestrichen!

Sonst kann ich nur eine unangenehme Reaktion auf dieses Medikament verspüren, nach einiger Zeit wird mir schwindlig. Ich beginne durch die Wohnung zu torkeln und habe ein Gefühl, als hätte ich zuviele Gläser Wein intus. Dieser Zustand hält zwei bis drei Stunden an. Ich entgehe ihm am besten in dem ich einfach nach dem Mittag schlafe. Bedüselt ohne ins Glas zu gucken, den Alkohol kann ich mir eigentlich sparen.

"Du trinkst doch nicht etwa?“ Der Liebste meiner Freundin staunte am Freitag vor zwei Wochen. „Allerdings, seit gestern.“ Vor mir stand ein Sherryglas mit Weißwein, den ich zu Ehren des Hähnchens trank, das ich auch in einem Sud aus eben diesem Wein gekocht und gerade gegessen hatte. Den Wein hatte ich im Markt um die Ecke gekauft. Von dieser Sorte war es die einzige Flasche. Den letzten Alkohol habe ich vor genau 19 Monaten getrunken am Geburtstag meines Bruders. Es war ein unerwartet guter Chablis, der mich meine Abstinenz vergessen ließ. Ich habe den Wein gerecht geteilt, zwei Sherrygläser für mich den Rest für den Hahn. Ein Sherryglas mit Weißwein sind drei wönzige Schlöckchen. Das ist dann auch wieder genug für die nächsten 19 Monate. Rückfällig werde ich nur, wenn es im Supermarkt um die Ecke einen ähnlich guten Wein gibt.

Eine Zeit, wie die letzten beiden Wochen, wo ich mehr oder weniger durch meinen Hintern an die Wohnung gekettet bin, erlebe ich als noch belastender und viel einschränkender für mich, als es meine Krankheit so schon ist.

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Sonntag, 21. Januar 2007
Schlafen im Windkanal
Es blieb bei den zwei Terminen in dieser Woche, und so hatte ich ausreichend Zeit mich um meinen Zimmergarten zu kümmern. Einige Orchideen musste ich von Erdkultur auf Seramis bzw. Hydro umsetzen. In einem Blumenladen in der Innenstadt erstand ich dieses tolle Exemplar auf dem Foto, laut der Verkäuferin Oncidium, eine Schmetterlingsorchidee. Ich halte diese Pflanze eher für eine Mehrgattungshybride mit Odontoglossum. Ihren genauen Namen kenne ich leider nicht. Die Einzelblüte, deren Muster einem Leopardenfell gleicht, misst etwa 5 cm. Die gesamte Blütenrispe ist immerhin 95 cm hoch. Bei mir steht sie jetzt auf Hydro. Mehrmals am Tag nebel ich sie mit Wasser ein, genau wie meine anderen Orchideen und Bromelien. Jeden Morgen, wenn ich mein Wohnzimmer betrete, erfreue ich mich neu an dieser Pflanze. Ich habe die Orchidee rechtzeitig vor dem großen Sturm erworben und unbeschadet nach Hause gebracht.

Orchideenblüten

Das Unwetter setzte später als erwartet ein. Richtig ungemütlich wurde es erst, als der Wind am Abend drehte. Der Sturm schien gegen die Rückwand des Hauses wie gegen eine Blockade anzurennen. Mein Schlafzimmer glich, den Geräuschen nach, einem Windkanal. Ich befürchtete, der Orkan könnte das Fenster eindrücken. Dann würde ich am nächsten Morgen mit dem Fensterrahmen als Halskrause erwachen, drapiert von meinen Orchideen. Trotz des Geheuls und meiner Angst schlief ich irgendwann nach Mitternacht ein. Die Orchideen standen am anderen Morgen immer noch auf dem Nachtspeicherofen. Ich hatte keinen aus Holz und Glas bestehenden Kragen um den Hals. Aber den nächsten Orkan verbringe ich doch besser auf der Schlafcouch im Wohnzimmer.

Am Samstag hatte ich wieder eins meiner üblichen Probleme und konnte die Wohnung nicht verlassen. Meine Freundin und ihr Liebster hatten für mich am Vortag den Testsieger im Wettstreit von 27 Toilettenpapieren erworben. Keine Ahnung, was die Damen und Herren Stiftung Warentester da geprüft hatten. Mein Urteil lautet: Für Dauersitzer ungeeignet! Manches Klopapier kommt in der Fernsehwerbung zart daher, erweist sich aber im harten Praxistest als Reibeisen. Die Feinheit des Papieres sollten nur Rückverlegte erproben, die haben die empfindlichsten Hintern. Das Prädikat „Sanft zu Ihrem Po“ erhält dieses Toilettenpapier jedenfalls nicht.

Am Sonntag hatte sich dank Lopedium und Zinksalbe das Feuer an meiner Rückseite gelegt. Vergnügt ging ich daran Äpfel, Bananen, Mango, Papaya und ein winziges Stückchen Ingwer kleinzuhäckseln und meinen größten Kochtopf damit zu füllen. Als Gewürze gab ich Nelken, Zimt, Kurkuma und einen Schuss Rum hinzu und rührte 500 g Gelierzucker unter. Es war mein erster Versuch Marmelade zu kochen. Den besten Aufstrich in unserem Familienclan produziert meine Stiefmutti. Ich darf noch ein wenig üben. Mein exotischer Früchtemix ist soweit gelungen, nur die Äpfel muss ich das nächste Mal noch kleiner schnippeln. Meine erste Eigenproduktion reichte für vier kleine und drei große Marmeladengläser.

Exotische Früchtemixmarmelade

Der Rest eignete sich gut als Füllung für einen Kuchen. Ich hatte noch gefrorenen Blätterteig im Tiefkühlfach. Wenn Beate das nächste Mal kommt, werde ich die nächste Packung auftauen. Beate hat Glück, ihr Mann kann kochen. Den letzten Kuchen hatte er für uns gebacken. Übrigens ich mag Männer, die des Kochens kundig sind. Wer sich experimentierfreudig an Backofen und Herd zeigt, hat meist auch Fantasie. Diese Eigenschaft ist nicht nur in der Küche von Vorteil. Ich jedenfalls machte es mir am Nachmittag richtig gemütlich. Draußen ein grauer verregneter Sonntag, drinnen die Ostfriesenmischung in der Teekanne und zwei Stück selbstgebackene Blätterteigtaschen auf dem Kuchenteller.

Blätterteigtaschen

Der Abwasch an diesem Tage lohnte sich endlich einmal. Während meine Hände dieses absolut stumpfsinnige Abwaschen verrichten, gehen meine Gedanken immer auf Wanderschaft. Agatha Christie hat einmal gesagt, Abwaschen wäre so eine stupide Tätigkeit, da hätte sie immer ihre mörderischsten Einfälle. Ich kann das nur bestätigen. Mit dem scharfen Küchendolch in der Hand kommen einem schon die absonderlichsten Gedanken.

Ich habe alles geschafft, was ich mir fürs Wochenende vorgenommen hatte, obwohl ich Sonntagvormittag fast eine Stunde mit zwei meiner Tanten telefonierte. Die eine fragte gegen zehn zaghaft, ob ich denn schon wach wäre. Was soll die Unterstellung? Ich bin an diesem Sonntag um 7.00 Uhr aufgestanden, am Samstag sogar eine Stunde früher. Wenn ich munter bin, dann quäle ich mich auch aus dem Bett. Die andere Tante wollte wissen, ob ich denn zugenommen hätte. Ich hopste gleich so, wie ich war, samt Telefon auf die Waage. Oh Schiet, 2 kg abgenommen.

Ich wiege wieder unter 60 kg. In Deutschland gibt es Millionen wildentschlossene Frauen, die abnehmen wollen, weil ihre Wahrnehmung gestört ist, und sie sich als zu fett empfinden. Meine Wahrnehmung ist in Ordnung. Ich empfinde mich als entschieden zu mager, so dünne Arme hatte ich vor meiner Krankheit nie. Keiner kann mir erzählen, dass Spinnenärmchen à la Frau Ruge vorteilhaft aussehen. Ich kann mich abmühen, wie ich will, es bleibt einfach nichts hängen. Dabei habe ich in der letzten Woche jeden Tag Kuchen gegessen, an manchen Tagen, ich gesteh es, sogar zwei Stück. Und dann das, einmal an der Strippe gezogen, schon ist alles davongespült. Welch ein Jammer!

Ich kann also weiterhin in meinem Kleiderschrank aussortieren. Bei der letzten Aktion habe ich konsequent alle weißen Blusen und Shirts im Kleidercontainer entsorgt. Obwohl in den Krankenhäusern nicht mehr alles in steriles Weiß getaucht ist, hat sich in meiner Erinnerung meine Krebserkrankung fest mit dieser Farbe verbunden. Auch meine Vorstellung vom Tod ist damit verwoben. Wieviel angenehmer ist da doch ein freundliches Schwarz!

Ich bin nur allergisch gegen die weißen Farbe, nicht gegen Personen. Ansonsten könnte ich mich ja von niemanden mehr behandeln lassen. Mein Onkologe hat mir bei der letzten Sitzung ein Mittel gegen die Nadelstiche in den Fingern verschrieben. Von den vielen Nebenwirkungen, die der Informationszettel verspricht, hätte ich gerne diese zwei: gesteigerten Appetit und Gewichtszunahme. Ich werde am Mittwoch mit der Einnahme dieses Medikaments beginnen. Es ist nicht die einzige Hausaufgabe, die mir für die nächste Zeit bleibt. Der Liebste meiner Freundin hat mir Final Fantasy neben das Notebook gelegt. Er konnte das Spiel nicht zum Laufen bringen, mal sehen, was ich erreiche. Meine Blogsoftware muss ich auf die neuste Version bringen und Linux
will ich ja auch noch installieren. Ich habe hier den Actionfilm „V wie Vendetta“ liegen und noch etliche Bücher auf dem Nachttisch. Ich schulde Euch immer noch die drei Artikel von meiner Kur in Plau.

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Freitag, 12. Januar 2007
Die Woche der Mediziner
Wow, das waren noch Zeiten, als ich außer meinem Hausarzt nur einen Zahn- und den Frauenarzt kannte. Inzwischen gibt es in drei Kliniken Akten über mich, und meine zahlreichen Gebrechen beschäftigen diverse Ärzte. In dieser Woche hatte ich gleich mehrere Termine und nicht nur im medizinischen Bereich.

Den Reigen eröffnete ein Besuch bei meinem Hausarzt am Montagmorgen. Vom Rentenversicherer hatte ich eine Aufforderung erhalten den Gutachter aufzusuchen. Mit dabei war ein Formular für die Übernahme der Fahrkosten. Vorgesehn war das aber nur für den eigenen PKW oder öffentliche Verkehrsmittel. Wegen meiner Beschwerden bin ich nicht in der Lage selber Auto zu fahren und habe auch niemand, der das für mich tun könnte. In die Kleinstadt, in der der Gutachter residiert, kommt man von Demmin aus nur mit dem Bus. Der fährt morgens nach neun los und am Nachmittag gegen dreiviertel drei zurück. Der Termin beim Gutachter war um halb zwölf. Ich rief in der Behörde an und fragte, wie man sich das vorstelle. Ich erfuhr, dass man meine Daten in den Computer eingegeben hätte. Der hätte dann die Adresse des Gutachters ausgespuckt. Über die Fahrerei machte sich der Rechenknecht keine Gedanken und der zuständige Mitarbeiter offensichtlich auch nicht. Ja, er schien noch nicht einmal meinen Rentenantrag gelesen zu haben. Dort hatte ich angegeben, meine Stuhlinkontinenz stünde einem Besuch beim Gutachter im Wege. Ich erhielt jedoch die Auskunft, der Fahrpreis für ein Taxi würde mir erstattet werden, wenn ein Arzt bescheinigt, dass ich keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen kann.

Diese Bescheinigung hätte mir mein Hausarzt auch so erteilt, aber das dürfte er nicht. Die Steuerbehörde wäre da sehr penibel. Es wäre eine Leistung, und diese müsste vergütet werden. Also werde ich die Quittung dafür zusammen mit dem Fahrpreis beim Rentenversicherer einreichen. Wenn sie schon auf so ein Schreiben bestehen, dann sollen sie auch die entstandenen Kosten tragen.

Dienstagvormittag kam der Liebste meiner Freundin vorbei. Falls er Probleme mit seinem PC hat, dann nahe ich als Retter in der Not. Im Gegensatz zu mir, der ein inzwischen zwei Jahre altes Aldi-Notebook für die meisten Belange reicht, ist er ein passionierter Spieler. Das erfordert ein ganz anderes Equipment. Er wollte seinen alten Röhrenmonitor gegen einen schnellen TFT-Schirm tauschen. Ich habe ihm quasi verboten sich so ein Gerät nur nach Werbeangaben zu kaufen, ohne im Internet nach Testberichten zu recherchieren. Er hielt sich daran. Das Bewerten der Tests überließ er dann doch lieber mir. Ich riet ihm von diesem Model ab.

Bei seinem anderen Problem konnte ich helfen. Er hatte das zehn Jahre alte Spiel Final Fantasy VII gekauft, das natürlich nicht kompatibel zu Windows XP ist. Im Netz fand sich ein Patch. Außerdem brannte ich ihm die neuste Version von Microsofts Application Compatibility Toolkit dazu. Insgesamt waren das 25 MB, für mich mit der Flatrate ein Klacks. Meine Freunde haben nur ein analoges Modem, da dauert das Ewigkeiten. Wenn sie große Dateien benötigen, dann lade ich sie ihnen herunter. Das ist nur ein kleines Äquivalent. Die Unterstützung, die sie mir während meiner Krankheit gaben, und noch geben, kann ich sowieso niemals zurückzahlen.

Dienstagnachmittag spazierte ich zum Demminer Kreiskrankenhaus. Früher hatte ich geglaubt, die Onkologie beschäftigt sich mit alten Menschen. Das könnte man leicht annehmen, denn die Patienten im Wartezimmer an diesem Nachmittag waren alle deutlich älter als ich. Ins Krankenhaus ging ich mit recht zwiespältigen Gefühlen. Die Termine in der onkologischen Sprechstunde sind für mich beständig angstbesetzt. Unwillkürlich kommt mir immer meine ganze Krankengeschichte hoch, die Operationen, die Bestrahlung, die Chemotherapien und deren Nachwirkungen sowie die von mir heißgeliebten Darmuntersuchungen. Diesmal packte ich mich auf die Pritsche, damit der Onkologe meinen Bauch sonographieren konnte. Das tut nicht weh. Ich musste nur die Luft anhalten und vermochte dadurch keinen Kommentar abzugeben, als der Doktor feststellte, mein Bauch ließe sich so schön ultrabeschallen. Gefunden hat er zum Glück nichts Verdächtiges. Den nächsten Angsttermin habe ich im April.

Am Mittwochmorgen wollte die Agentur für Arbeit unbedingt meine berufliche Situation mit mir bereden und mich zu ihrem Gutachter schicken. Der bleibt mir jetzt erspart, denn eine andere Behörde war schneller. Ich erhielt zwei Formulare zum Entbindung der Schweigepflicht für Ärzte und Rentenversicherer. Der Platz auf einem der Vordrucke war knapp bemessen. Allein der Name meines Rentenversicheres füllte schon die eine Zeile, in die ich außerdem noch die Adresse quetschen sollte. Blieb noch der Fragebogen zur Gesundheit. Auf diesem wurde ich darauf hingewiesen, dass alle Angaben freiwillig wären. Na, so freiwillig nun wohl auch nicht. Wenn ich die Auskunft verweigere, bekomme ich kein Geld, oder doch? Als erstes sollte ich meine gesundheitlichen Probleme schildern, wie oft denn noch? Die haben sich nicht geändert. Statt meine Ärzte aufzuzählen, schrieb ich nur, siehe Anlage. Schon für die Erwerbsminderungsrente hatte ich eine Liste mit den Krankenhausaufenthalten, den Ärzten und der Anschlussheilbehandlung zusammengestellt. Dieses Verzeichnis habe ich inzwischen vielleicht fünfmal ausgedruckt.

Mittwochmittag hatte ich einen Termin beim Gutachter der Rentenversicherung. Die Fahrt im Taxi führte über Dargun, auch bekannt als Stadt der tausend Gullideckel. Der Fahrspaß war ein wenig getrübt, weil die Deckel inzwischen eingeebnet sind. Zu DDR-Zeiten wurde man tüchtig durchgeschüttelt. Die Reise vom Ortseingangs- zum Ortsausgangsschild legten der Autofahrer und seine Besatzung auf den Sitzen hüpfend zurück. Der Gutachter hatte seine Praxis in einem Eigenheimviertel der nächste Kleinstadt. Gleich neben der Eingangstür hing ein Kalender mit dem fettgedruckten Spruch des Tages:
Die Antwort kann einem die schönste Frage vermiesen.
Wie wahr. Viele Fragen werden aus Furcht vor eben dieser Antwort erst gar nicht gestellt. Die Praxis war gut besucht, und ich musste warten. Ich hatte etwas Bammel, denn über ärztliche Gutachter hatte ich wenig erfreuliche Dinge gehört oder gelesen. Meine Befürchtungen waren aber unbegründet.

Ein Mann mit lichtem Haupthaar in Jeans und Troyer fragte mich, ob ich das Gutachten wäre. Das war der Doktor, der so ganz auf die übliche Uniform der Mediziner, den weißen Kittel verzichtete. Eine Uniform erzeugt immer einen gewissen Abstand zu den Nichtuniformträgern. Zwischen Arzt und Patient ergibt sich dadurch schon eine klare Distanz. Der Schauspieler Erol Sanders, Arztimitator in einer Fernsehserie, behauptete in einem Interview einmal, weiße Kittel wären sexy. Keine Ahnung, was Herr Sanders in seiner Freizeit für Doktorspielchen treibt, aber unter Erotik verstehe ich etwas anderes. Ich tue mir auch keine Arztserien im Fernsehen an. Medizin erlebe ich live, das reicht mir völlig. Vor den gestrengen Augen der Schwestern der Demminer Intensivstation fand auch nur eine einzige Sendung Gnade, Emergency Room. Alle anderen hätten mit der Wirklichkeit nichts zu tun.

In dieser Praxis hatte ich wieder die Wirklichkeit, lag mit freiem Oberkörper auf der Liege, und besonders mein Innenleben war beim Gutachter sehr gefragt. Er hatte den Monitor so gedreht, dass ich die Untersuchung verfolgen konnte. Meine Leber, die Nieren und die Aorta im Bauchraum aalten sich in der Gegend herum. Sie wurden per Schnapschuß auf den Monitor gebannt. Nur beim Herzen musste der Doktor mehrfach ansetzen. Er behauptete, ich hätte geschummelt und heimlich geatmet. Ich erwiederte, eine Ausbildung zum Tiefseetaucher sei von mir als Kranke nicht verlangt worden. Und wenn er sich nicht beeilte, hätte er bald eine gefrorene Patientin zu begutachten.

Nach der Ultrabeschallung schickte mich der Arzt zur Schwester für kleinere Untersuchungen wie Urin- und Zuckertest sowie Blutabnahme. In der onkologischen Sprechstunde am Vortag hatte sich die Schwester, weil sie mich lange Zeit nicht quälen durfte, freudig auf meinen linken Arm gestürzt. Hier nun wollte ich für den Vampirtest in den rechten Arm gebissen werden. Anschließend musste ich schon wieder den Oberkörper entblößen und aufs Rad steigen für das Belasungs-EKG. Die Schwester stoppte mein wildes Getrete. Am Monitor wurde nichts angezeigt. Mit einer anderen Schwester versuchte sie vergeblich das Programm zur Mitarbeit zu bewegen. Der Arzt trat hinzu. Mein Geburtsdatum und mein Gewicht wurden von ihm als Störfaktor identifiziert. Ich drohte derweilen diese Praxis nie wieder zu betreten. Als Patient würde man ja erfrieren. Nachdem der Doktor das Zimmer verlassen hatte, brachten die Schwestern ohne ihn ganz leicht das Programm in gang. Wer hier wohl der Störfaktor war? Ich überstand auf dem Rad schon die erste Erhöhung der Belastung nicht, genau wie in der Kurklinik. Durch meine Spaziergänge, hatte ich gehofft, hätte sich das geändert. Leider, nein.

Der Gutachter nahm sich noch die Zeit für ein abschließendes Gespräch. Meine Krankenakte auf CD verblüffte ihn. Da wäre ich die erste, die das in digitaler Form hätte. Ich wies den Arzt ganz sanft auf meinen Beruf hin, den er sich am Anfang des Gesprächs notiert hatte. Er überraschte mich dann seinerseits mit einer Frage. Der Doktor wollte wissen, wie ich die Krankheit seelisch verkrafte. Damit war er der erste Arzt, der sich seit der langen Zeit meiner Erkrankung um meine Psyche sorgte. Ich beschrieb mit der Hand eine Wellenlinie. Es fällt mir nicht immer leicht diese Krankheit zu ertragen und alles andere, was mir sonst noch im Leben passiert, mit dazu. Aber ich glaube, ich habe die für mich geeignete Bewältigungsstrategie gefunden. Bloggen und Podcasten ist ein Teil davon.

Zum Schluß wollte der Doktor eine fachliche Auskunft von mir. Als Systemadministrator ist man ja mit einem Helfersyndrom infiziert und muss sich da immer ein wenig zügeln. Das neue Ultraschallgerät war mit einem Brenner ausgestattet, so dass der Arzt die Bilder auch auf CD verewigen konnte. Er zeigte mir eine Spindel mit den Speichermedien. Ich riet ihm sich wenigstens Papierhüllen oder Kunstoffboxen und einen speziellen Faserstift zu besorgen. Ohne Beschriftung verliert man im Archiv leicht die Übersicht. Ich war erst nach drei Stunden gegen 14.00 Uhr wieder zu Hause. Das Mittagessen an diesem Tag entfiel.

Auch am Donnerstagmorgen hatte ich wieder einen Termin und ein angenehmes Gespräch noch dazu. Eigentlich war es mehr ein Monolog. Ich durfte ein wenig über mich, und was ich viel lieber tue, über Weblog, Podcast sowie die Blogoshäre reden. Dann wurde ich gefragt, was passiert wäre, wenn ich weder bloggen noch podcasten könnte. In dem Fall hätte ich wohl ein beträchtliches psychisches Problem. Eine Krebserkrankung ist immer mit großen Ängsten verbunden. Die schreibe ich mir hier so einfach von der Seele.

Den letzten Termin für diese Woche hatte ich heute, am Freitagmorgen. Der Phlebologe wollte auch im neuen Jahr einen Blick auf meine Hufe werfen. Die Schwester sagte mir, ich bräucht das nächste Mal keine engen Socken anlegen. Sie wollte unbedingt ein weiteres Beweisfoto für ihre Delinquentendatei von meinen Beinen schießen. Dringender Tatverdacht: Abschwellen der Lymphödeme. Als so genannte Erstausstattung erhielt ich noch ein Paar Kompressionsstrümpfe verschrieben. Das ist gut so, dann ist ein Paar in der Wäsche, das andere trage ich am Bein. Das Gewebe ist ja ein wenig dicht. Da kann ich nie sicher sein, ob die Socken auch am anderen Morgen trocken sind, wenn ich sie abends wasche. Dem Arzt, der mir neue Lymphdrainage verordnete, erklärte ich, er könne mir gleich zehn Anwendungen zuteilen. Die Therapeutin hatte mir verraten, dass die Zuzahlung dieselbe ist, ob ich nun sechs Behandlungen erhalte oder zehn. Ich bekam mein Rezept. Die neue Woche verläuft hoffentlich ruhiger als die jetzige. Bisher habe ich nur zwei Termine.

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Samstag, 6. Januar 2007
Wickeln und andere Techniken
Ich hoffe, Ihr habt Euch auch im neuen Jahr wieder zahlreich vor dem Bildschirm versammelt, um meine Artikel zu lesen bzw. zu hören. Wie war Euer Weihnachtsfest? Ich konnte meines, wie gehofft, in Berlin verbringen und viele aus meinem Familienclan umärmeln. Bei jeder Umarmung wurde mir die Brille aufs Auge gedrückt, und ich musste die Gläser säubern. Ich habe an diesem Weihnachtsfest die Brille oft putzen müssen.

Die meiste Zeit war ich bei den Eltern. Gleich nebenan wohnt mein Stiefbruder mit seiner Familie. Wir füllten einen roten Sack mit Geschenken und stellten ihn dort vor die Tür. Dem kleinen Wicht in geringelter Strumpfhose und Bob-der-Baumeister-T-Shirt, der staunend geöffnet hatte, erklärten wir, der Weihnachtsmann hätte den Sack dort hingestellt. Aber er hätte heute so viel zu tun und wäre gleich zum nächsten Kind gegangen. Der Onkel musste helfen den Sack in die Stube zu schleppen. Sieben Erwachsene versammelten sich um die Kaffeetafel und beobachteten ein Kind. Es war ein wenig wie bei Schneewittchen, nur gab es hier einen einzigen Zwerg. Der musste immer wieder ermuntert werden sein Spiel zu unterbrechen und das nächste Päckchen zu öffnen. Schließlich wollte jeder der Großen wissen, ob sein Geschenk auch Anklang fand.

Begeistert spielte der Wicht Memory gegen seinen Vater, wobei er wiederholt gewann. Der Onkel erklärte daraufhin zur Belustigung der Anwesenden, der Vater wäre bei dem Wettstreit an seine Grenze angelangt. Was dieser mit einem grimmigen Blick quittierte. Die Memorykarten wurden erstmal beiseitegelegt, angeblich um das Kind nicht zu überanstrengen. Der Vater deutete auf den Berg zerknülltes Geschenkpapier. Als wir so klein waren, erinnerte er sich, musste das Geschenk vorsichtig vom Papier befreit werden, das anschließend teilweise auch gebügelt und wiederverwendet wurde. Gab es damals irgendeinen Engpass?

Der kleine Wicht jedenfalls war zufrieden. Der Weihnachtsmann hatte ihm seine Wünsche erfüllt. Beweis genug, dass es den Geschenkebringer wirklich gibt. Wenn man noch keine drei Jahre alt ist, dann glaubt man an den Weihnachtsmann und andere illustre Gestalten. Robbie Williams oder Paris Hilton spielen vielleicht bei den Teenie-Cousins und Cousinen eine Rolle. Hier jedoch ist Bob der Baumeister der große Held, denn der werkelt genauso viel wie der Opa in seinem Schuppen. Falls es im heimischen Wohnzimmer beim Spielen zu langweilig wird, und der Papa wieder einmal an seine Grenzen stößt, dann flüchtet man eben kurz zu den Großeltern nach nebenan. Dort ist es natürlich viel interessanter. Oma und Opa reagieren auch gelassener als die eigenen gestressten Eltern.

Nur die Tante hatte so ihre liebe Not den hüpfenden Wicht aufs Foto zu bannen. Der andere Sippennachwuchs besteht fast ausnahmslos aus Teenies, die beim Knipsen ihre Hände vors Gesicht halten. Gewöhnlich sind sie aber leicht zu überlisten. Wenn ich hier nicht nur blonde Kinderschöpfe in Draufsicht fotografieren wollte, musste ich meinen Apparat anders einstellen. Übrigens ich knipse immer noch auf die altmodischen Art. Ich presse mir die Kamera vors Gesicht und spähe mit dem unbebrillten Auge durch den Sucher. Die neumodische Knipserei mit weitausgestreckten Armen ist einfach nichts für mich. Meine Zwergenfotos durfte ich gleich auf den großelterlichen PC übertragen. Dann erschien die Mutter des Winzlings um ihr Kind einzusammeln. Sie war so gar nicht begeistert als sie hörte, ihr Sohn wolle nur ganz kurz mitkommen und dann gleich wieder zurück. Und Abendbrot wollte er auch lieber bei den Großeltern essen. Schließlich roch es gut in Omas Küche.

Schade, irgendwann ist das harmonischste Weihnachtsfest zu Ende. Mein Bruder fuhr mich zurück nach Demmin. Silvester verbrachte ich allein zu Hause. Das war mir recht angenehm, denn meine Rückseite zeigte, dass es sie auch noch gab. Ich hatte wieder einmal viel zu wischen. So musste ich meinen blutig entzündeten Hintern mit ins neue Jahr nehmen. Zurücklassen ging ja schlecht. Dieses Problem bleibt mir also immer noch.

Leider konnte ich nicht wie versprochen vor dem Jahreswechsel superenge Strümpfe anprobieren. Im Sanitätshaus sagte man mir, sie wären auf einer Rügenrundreise. Irgendjemand hatte meine Socken nach Bergen geschickt. Ich durfte daher meine Rolltechnik weiter vervollkommnen. Morgens einwickeln, abends auswickeln. Zum Glück spielte das Wetter mit. Ich bin sicher, die Klimaerwärmung findet nur meinetwegen statt. Mit den Mumienfüßen kann ich nur Halbschuhe tragen, mir passen keine Stiefel.

Gleich im neuen Jahr hatte ich Lymphdrainage. Von der Physiotherapie hopste ich die Treppe hinunter zum Sanitätshaus. Meine Beinkleidung hatte inzwischen von der Insel nach Demmin gefunden, und ich durfte sie anprobieren. Die Mitarbeiterin, die mir dabei half, streifte sich dazu Gummihandschuhe über. Was mich unwillkürlich an eine Darmcheck denken ließ. Aber es bestand keine Gefahr, dass ich meinen Lieblingsuntersuchung über mich ergehen lassen musste. Die Socken paßten, wie für mich gemacht, und das waren sie ja auch. Da ich mit dem Kassenmodel nicht zufrieden war, durfte ich noch ein wenig dazubezahlen. Beschwingt und in neuen Strümpfen stolzierte ich nach Hause.

Kurz vorm Bäcker kam mir ein Mann mit am Oberkopf deutlich gelichtetem Haaransatz entgegen. Meinen Vornamen rufend stürzte er auf mich zu und ergriff meine Hand. Ein alter Bekannter. Von gemeinsamen Freunden hatte er von meiner Krankheit erfahren. Nun war er erfreut zu hören, dass es mir besser ginge, und ich nur noch mit den Folgen meiner Erkrankung zu tun hätte. Er meinte, ein großes Kreuz in die Luft malend, man hatte mich schon abgeschrieben. Nun, ich hatte ja bereits meiner Freundin erklärt, als sie die Leute aufzählte, die mir für meine Leberoperation Glück wünschten. "Macht euch keine falschen Hoffnungen, so schnell werdet ihr mich nicht los." Und in diesen Strümpfen schon gar nicht, neckisch diese Langschäfter und sehr anhänglich.

Am Abend hatte ich meine liebe Mühe, sie wieder von den Beinen zu bekommen. Es gelang mir nur schweißgebadet und nach etlichen Verrenkungen. Meine Anstrengungen am darauffolgenden Morgen graziös in die Gummischläuche zu schlüpfen blieben leider ohne Folgen. Ich musste wieder wickeln, und begab mich zur Nachhilfe ins Sanitätshaus. Die Mitarbeiterin, die mich dort unterrichtete, trägt selbst Kompressionsstrümpfe. Sie hatte mir, als ich noch mein Stoma hatte, beigebracht, mich allein zu versorgen. Im Gegensatz zum Beipackzettel und der Anleitung im Internet ist ihre Methode viel leichter. Einfach den Gummistrumpf in beide Hände nehmen, den Fuß hineinstecken, und dann das Gewebe Stück für Stück hochziehen. Dazu muss man an den Händen freilich die richtigen griffigen Gummihandschuhe tragen. Die habe ich jetzt. Zwar brauche ich morgens eine Weile, aber zuletzt sitzen die Socken.

So liebe Kinder, falls ich weiterhin in meine Langschäfter komme, Lymphdrainage erhalte, und meine Füße infolgedessen schmal bleiben, passen mir auch wieder die Stiefel. Dann steht einem Kälteeinbruch während Eurer Winterferien am Ende nichts mehr im Wege.

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Mittwoch, 20. Dezember 2006
Ouvertüre ins Leben
Vorhin habe ich den Artikel "Alter ego" noch einmal gelesen. Es klingt alles viel zu pessimistisch und verzweifelt. Im Augenblick scheint die Stimmung ins negative zu kippen, und das ist mir gar nicht recht. Ich möchte nicht, dass Ihr glaubt, ich würde hier im Weltschmerz versinken, weil ich im Moment Probleme habe, mit den Folgen meiner Krebserkrankung zu leben. Wahr ist, ich bin durch meine Krankheit von vielem ausgeschlossen, was für Gesunde normal ist. Ich kann nicht planen. Ob ich etwas unternehme, hängt davon ab, wie ich mich in dem Augenblick fühle. Mit mir kann man also nicht unbedingt rechnen. Dadurch, dass ich weder in den Händen noch den Füßen ein Gefühl habe, erscheint mir selbst Auto fahren momentan zu riskant. Mehr oder weniger, bin ich in meiner Klause eingesperrt. Ich leide schon darunter, dass ich seit zwei Jahren nicht in Urlaub fahren konnte. Das einzige was ich sah, waren verschiedene Kliniken in verschiedenen Orten. Gut, ich war in Plau am See zur Kur. Aber ich habe dort doch eher das eine Gefängnis gegen ein anderes eingetauscht. Denn verlassen konnte ich Plau ja auch nicht.

Im Moment weiß ich nicht weiter. Die Entspannungsübungen, die ich absolviere, helfen mir beim Einschlafen, lösen aber keins meiner Probleme: die Füße, die Hände, der Darm. Dennoch versuche ich zu leben in den Grenzen, die mir meine Krankheit steckt, und die ich akzeptieren muss. Mein großes Ziel ist, nach dem Sommer wieder Arbeiten zu gehen, und sei es auch nur für zwei Stunden. Dann sehen wir weiter. Damit das kein Traum bleibt, gehe ich spazieren, obwohl es mir schwerfällt, obwohl die Füße schmerzen und der Bauch rumort. Treppen versuche ich inzwischen auch zu ersteigen, ohne den Fahrstuhl zu benutzen. Als positiver Nebeneffekt habe ich jetzt wieder so etwas wie einen ordentlichen Hintern. Die Rückseite besteht nicht mehr nur aus Haut und Knochen. Ich kann nun einigermaßen schmerzbefreit sitzen. Trotzdem, die Behinderungen bleiben.

Weihnachtsboot "Hansestadt Demmin"

Meine Genesung nach der zweiten Chemotherapie hatte ich mir weiß Gott anders vorgestellt. Eigentlich bin ich meist sehr fröhlich und optimistisch. Die Kehrseite ist, wenn ich in ein Schwarzes Loch falle, dann ist es dunkler und tiefer als bei anderen. Die Krankheit schlägt mir aufs Gemüt. Zu meinem Glück habe ich aber Menschen um mich, die gar nicht zulassen, dass ich mich in Schwarze-Löcher-Tiefseetauchen übe. Ich wurde mehrfach gekidnappt und auf drei verschiedene Weihnachtsfeiern verschleppt. Ja, ich wurde sogar gezwungen Weihnachtslieder zu singen und dann auch noch alle Strophen. Ich bin immer wieder dankbar, dass ich Euch habe, die richtigen Freunde und die richtigen Arbeitskollegen. Und Ihr steht mir immer noch zur Seite. Womit habe ich Euch bloß verdient?

Weihnachtliche Kaffeetafel

Ihr laßt mir einfach keine Chance in großer Traurigkeit unterzugehen. Ich werde über alles berichten, was ich sonst so treibe, außer krank zu sein. Auf meinem Nachtschrank liegen einige Bücher, die gelesen oder gehört werden wollen. Ich werde Euch verraten, wie man Orchideen in einer ganz normalen Wohnung pflegt. Ihr könnt mit dabei sein, wenn ich Linux auf meinem Notebook installiere. Und ich sehe mir gerne Filme an. Worüber ich rede, werden nicht die allerneusten Hits sein, das machen schon andere. Ich werde einfach über Dinge erzählen, die mir gefallen oder auch nicht. Ihr habt es nicht anders gewollt.

Am Wochenende kommt mein Bruder, und ich werde schon wieder entführt. Diesmal geht es nach Berlin. Weihnachten in der Großfamilie, das hatte ich mir so sehr gewünscht. Nach den Feiertagen bin ich wieder hier. Denn mir wurde versprochen, ich könnte noch im alten Jahr ein Paar tolle, superenge Strümpfe anprobieren. Eine Lymphdrainage habe ich auch gleich am 2. Januar.

Ja es ist Weihnachten. Ein schönes Weihnachtsfest Euch allen!

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