Nordlichter
Kopf
Wer kennt schon Demmin?
Demminer StadtwappenDemmin ist beides sowohl eine kleine Stadt als auch ein Landkreis. Zu Zeiten der DDR hatte die Stadt Demmin 18.000 Einwohner, eine Zuckerfabrik, eine Brauerei, ein Elektromotorenwerk, eine Möbelfabrik, ein Instandhaltungswerk für landwirtschaftliche Maschinen und ein Museum. Das Museum existiert noch heute.

Demminer LandkreiswappenDie Einwohnerzahl beträgt nach der letzten Statistik vom 31. Dezember 2001 13.409 Personen in der Stadt und 92.935 Personen im Landkreis, und sie wird sich in den kommenden Jahren weiter verringern. Der Hauptgrund ist die hohe Arbeitslosenrate in der Stadt und im Landkreis. Es gibt keine Hoffnung, dass sich daran etwas ändern wird.

Ich habe es schon immer geahnt, aber nun ist es offiziell. Eine Studie des GfK-Instituts im Jahr 2003 sagt die ärmste Region Deutschlands befindet sich in Mecklenburg-Vorpommern. Es ist der Landkreis Demmin, und ich lebe mittendrin. Das durchschnittliche Prokopfeinkommen beträgt hier 10.503 Euro netto. Die Einwohner meines Landkreises müssen mit 63 % des durchschnittlichen Prokopfeinkommens vom gesamten Deutschland auskommen. Dieses Durchschnittseinkommen liegt bei 16.606 Euro netto. Die Studie des GfK-Instituts erklärt die Einwohner von Grünwald in der Nähe von München als diejenigen mit der stärksten Kaufkraft. Ihr durchschnittliches Prokopfeinkommen macht 36.474 Euro netto aus. Zwischen einem Einkommen von 10.503 Euro und 36.474 Euro liegen Welten. Ich bin kein Volkswirt sondern Diplomingenieur, aber was die geringe Kaufkraft für meinen Landkreis bedeutet, weiß ich gut.

Im September 2004 betrug die Arbeitslosenrate in Demmin 31,2 %. Das ist nicht nur die höchste in Meck-Pomm sondern auch die höchste in einem deutschen Landkreis. Armut und hohe Arbeitslosigkeit gehen Hand in Hand, nicht wirklich überraschend. Das Land Mecklenburg-Vorpommern selbst hat es im selben Monat geschafft die rote Laterne von Sachsen-Anhalt zu übernehmen. Kein anderes Bundesland konnte eine Arbeitslosenrate von 21,8 % überbieten. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 11,1 %. Erstaunlich, erstaunlich nicht einmal statistische Tricks helfen. Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen werden z.B. nicht mehr als arbeitslos gezählt. Meck-Pomms Arbeitsminister Holter versucht auch erst gar nicht Optimismus zu versprühen: "Da gibt es nichts schönzureden, die Aussichten sind trübe." Niemand ist wirklich überrascht, wenn jeder 8. Haushalt in Meck-Pomm Schwierigkeiten hat die Miete, Betriebskosten, Telefongebühren oder Kreditraten zu bezahlen. 1995 war es noch jeder 14. Haushalt. Für 70 % aller Haushalte in Meck-Pomm hat sich das Einkommen vermindert. Ich gehöre zu den anderen 30 %, aber ich bin nicht blind.

Nur das Schlimmste kommt noch. Die Namen sind Agenda 2010 und Gesundheitsreform, Ihr könnt das alles auch GATS nennen. Am Ende wird der Sozialstaat demontiert sein. Kann sein, Ihr haltet nicht viel vom alten Bismarck, aber Ihr werdet den Eisernen Kanzler kaum verdächtigen, er wäre ein Sozialist oder noch schlimmer ein Kommunist gewesen. Bismarck hat den deutschen Sozialstaat erfunden, und er hatte gute Gründe dafür. Er wollte Burgfrieden und keinen Krieg in der Burg, genau wie ich. Die heutigen Politiker tun, als wäre der soziale Frieden plötzlich unwichtig geworden. So wird das, was wir am Ende erhalten, amerikanischen Verhältnissen ähneln, und die Gewalt kriegen wir gratis dazu.

Ich habe besonders Angst, mein schöner Landkreis könnte total in Armseligkeit versinken. Ihr meint, das wäre nur ein lächerlicher Auswuchs meiner Fantasie? Wir werden sehen, das Armenhaus Deutschlands ist der Landkreis Demmin bereits jetzt. Die Politiker antworten mit den üblichen Verdächtigen, mehr Steuern und höhere Gebühren. Wie lautet die Antwort der Einwohner meines Landkreises? Statt wegen der schlechten Aussichten für die Zukunft Selbstmord zu begehen, machen sie lieber Musik. Schließlich gibt es immer einen Grund zum Singen oder zum Trinken oder für beides.

Aber die jungen Leute packen ihre Sachen und verschwinden, trotz Heimweh, denn die Pommern sind ein sehr bodenständiges Völkchen. Wer geht, wird nicht wiederkommen. So wird Demmin bleiben, was es auch schon zu DDR-Zeiten war, die Stadt der Kinder und der Rentner. Mit fortschreitender Zeit bald nur noch die Stadt der Letzteren.

Touristen, die sich in unsere Gegend verirren, beneiden uns immer um die wunderschöne Landschaft und die unberührte Natur, aber leben will keiner von ihnen hier.

Die Sehenswürdigkeiten der Stadt selbst habt Ihr sehr schnell gesehen. Ihr müsst nur einmal dem Kreisverkehr folgen. Am Wochenende geht das etwas schneller, denn an Werktagen gilt eine Geschwindigkeitsbegrenzung.

Demminer Rathaus