Nordlichter
Kopf
Mittwoch, 9. Mai 2007
Die vierte Operation
Die Schwester weckte mich gegen 6.00 Uhr, das Frühstück entfiel. Dafür wurde ich mit einer anderen Patientin zur Strahlenmedizin gefahren. Vor zwei Jahren hatte ich im Haus dahinter 33 Bestrahlungen erhalten. Wir sollten in einem Nebenraum warten. Am liebsten hätte ich mich dort auf die Pritsche gelegt und geschlafen. Nach der Anspannung der letzten Tage klappten mir einfach die Lider zu. Die ältere Dame, die mit mir gekommen war, versuchte mir ein Gespräch aufzuzwingen. Sie nervte mich beunruhigt mit Fragen zur Untersuchung, die im Vorfeld sicher die Ärzte beantwortet hatten. Ich war nicht in der Lage zu meiner eigenen Nervosität auch noch die ihre zu ertragen. Entsprechend einsilbig gerieten meine Antworten. Trotzdem erkundigte sich die Frau, ob ich Krankenschwester wäre, ich wüsste so gut Bescheid. Keineswegs, es ist nur schon meine dritte schwere Erkrankung.

Mich rief die Schwester zuerst ins Behandlungszimmer. Die Ärztin, eine kleine zierliche blonde Person, sprach angesichts meiner Vorerkrankung resolut ein Machtwort. Nun wäre es aber endgültig genug! Sie erklärte mir die Untersuchung. Um den zugehörigen Wächterlymphknoten zu ermitteln, wird eine schwach radioaktive Substanz viermal in die Haut über dem tumorverdächtigen Bereich gespritzt. Da ich davon zwei hatte, hieß das in meinem Fall achtmal gestochen zu werden. Es tat höllisch weh, danke der Nachfrage. Die Ärztin war vom Ergebnis begeistert, sie konnte den Sentinel markieren. Die Schwester fotografierte meine Achselhöhle, falls die Kennzeichnung verwischen sollte. Bevor die ältere Patientin mit ihrer Untersuchung fertig war, wurde ich in die Frauenklinik zurückgefahren.

Bis zur Operation war noch über eine Stunde Zeit. Darum wollte ich noch ein wenig vor die Tür gehen, als eine Schwester erschien. Ich sollte mich sogleich umziehen. Nanu, bis jetzt bin ich noch nie vorzeitig zur OP gezerrt worden. Also schlüpfte ich ins rückenfreie Nachthemd und schluckte die LMAA-Pille. Zwei Schwestern fuhren mich im Bett via Fahrstuhl hinunter in den Operationssaal. Ich wechselte vom Bett auf den OP-Tisch. Ein Mann im Kittel und mit Häubchen auf dem Kopf lächelte mich freundlich an und meinte, er wäre der Anästhesist. Die anderen Herrschaften waren bereits vermummt. Rechts montierte jemand ein Brett an den Tisch, auf das ich meinen Arm ablegte. Ein Mann ergriff meine linke Hand und beklopfte den Handrücken wie der Koch ein Steak. Dann setzte er mir endlich die Flexüle. Hinterrücks drückte mir jemand eine Maske sanft aufs Gesicht. Ich brabbelte noch etwas, und dann wurde es dunkel. Vom Aufwachraum weiß ich nichts. Ich kam erst im Zimmer wieder richtig zu mir, und mir war übel.

Bei meinen vorherigen Operationen war mir nie durch die Narkose so abscheulich schlecht gewesen. Wer weiß, was sie mir diesmal für ein Mittel verabreicht hatten. Sobald ich nur den Kopf hob, fiel mir alles aus dem Gesicht, was ich gar nicht im Magen hatte. Ich musste sogar, als ich im Bad auf der Brille hockte, nach der Schwester klingeln, weil mir so übel war. Am besten ließ sich alles im Bett vor sich hindösend ertragen. Rechts lag eine in ein Kopfkissenbezug gehüllte kleine Sprungschanze, die meinen Arm stützte. Aus dem Nachthemd hingen an dieser Seite zwei durchsichtige Kugeln an langen Schläuchen. Sie fingen das Wundsekret auf, und ich musste sie, in einer Plastetüte vereinigt, überallhin mitschleppen. Dabei war Vorsicht geboten, dass ich mir die Dinger nicht aus dem Leib riss.

Aus weiter Ferne hörte ich meine Bettnachbarin, die eine Schwester bat, mich doch schlafen zu lassen. Die aber wollte nicht hören und weckte mich. Sobald ich die Augen aufschlug, musste ich mich schon übergeben. Die Schwester war hinterher damit beschäftigt mir diverse Pappschalen und Papiertücher zu reichen. Das hatte sie nun davon, Strafe musste sein. Beim Spucken hatte ich den Bettbezug und das Nachthemd mit je einem Fleck verziert. Die Schwester sagte mir, sie würde mich umziehen, wenn das Gewürge aufhöre. Dazu kam es dann nicht mehr. Ich wachte am nächsten Morgen mit gelbem Klecks an Nachthemd und Bettbezug auf.

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