Nordlichter
Kopf
Donnerstag, 21. Juli 2005
Kommen und Gehen
Heute morgen wurde die nette alte Dame von ihrem Mann abgeholt, die beiden haben sich herzlich von mir verabschiedet.

Allein war ich aber nur bis zum Mittag. Dann kam die Sozialarbeiterin. Sie hat sich eine Weile mit mir unterhalten. Ich bekomme die Adresse der Selbsthilfegruppe in Demmin. An Bestrahlungs- und Chemotherapie wird sich die Rehamaßnahme anschließen. Ich muss einen Antrag auf Behindertenausweis stellen. Wenn ich Probleme habe, kann ich mich jederzeit an die Sozialarbeiterin wenden.

Nachdem die Sozialarbeiterin gegangen war, wurde eine Frau auf dem Patientenstuhl in mein Zimmer geschoben. Offenbar eine Patientin, die eine Chemotherapie erhält. Eingeliefert wurde sie wegen hohem Fieber. Kam war diese Frau medizinisch versorgt und in ihrem Bett, kam die Mitarbeiterin des Sanitätshauses. Diesmal lautete das Programm der Übungsstunde "Beutel abnehmen, neuen Beutel anbringen". Für mich selbst erstaunlich, kann ich das allein. Mit diesem System komme ich gut zurecht. Die Mitarbeiterin sagte, der Rhythmus zum Wechsel wäre jeden Tag einen neuen Beutel und alle 2-3 Tage eine neue Platte. Morgen wird weitergeübt.

Ich habe nochmal eine Runde richtig schön geschlafen. Dann wurde ich zur Kolloskopie gefahren, diesmal nicht im Bett, sondern im Patientenstuhl. Das ist eine völlig neue Perspektive. Ich hatte die Gelegenheit unter den Häusern der Stadt meine Arbeitsstätte zu erspähen. Da wäre ich im Augenblick viel lieber als hier im Krankenhaus, bei meinen Kollegen.

Die Darmspiegelung war diesmal nicht so unangenehm, wie befürchtet. Ich konnte auf der linken Seite liegend alles am Monitor mitverfolgen. Die Ärztin erklärte mir zum Schluss, dass ich morgen noch geröntgt werden müsse.

Ich hatte den richtigen Riecher, meine neue Zimmernachbarin hatte auch Darmkrebs und jetzt einen künstlichen Darmausgang so wie ich. Ihre Operation liegt allerdings schon länger zurück. Sie wurde im Mai in Neubrandenburg operiert. Ihre Chemotherapie erhält sie im Demminer Kreiskrankenhaus, so wie es auch bei mir sein wird.

Meine Arbeitskollegin Doro hat mich angerufen. Wir haben ein wenig über Schwiegermütter aber viel mehr über ihre neue Zimmeraralie und über Reiki gesprochen. Sobald es mir möglich ist, will ich Reiki zur Unterstützung des Heilungsprozesses betreiben. Doro erzählte mir, dass sie ein neues Buch über Reiki hätte, das ich auch lesen sollte. Dann kam mein Abendbrot, und im Hintergrund hörte ich den vierjährigen Sohn meiner Arbeitskollegin rufen. Er wollte sich bei seiner Mutti entschuldigen für das böse Wort, das er gesagt hatte. Sie meinte, er kenne die Bedeutung gar nicht und habe es irgendwo aufgeschnappt.

In den Nachrichten brachten sie einen Bericht über neue Terroranschläge in London. Diesmal waren zum Glück keine Toten zu beklagen. Tony Blair behauptete, es gäbe keinen Zusammenhang zwischen der britischen Beteiligung am Irakkrieg und den Anschlägen. Jeder weiß, dass das nicht stimmt. Warum sonst ist die britische Botschaft in Berlin festungsartig verbarrikadiert?

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