Freitag, 27. Januar 2006
Zwei in einem
Freitag, 27. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Der Stationsarzt hatte mir gesagt, dass ich morgens gleich die erste im OP sein würde. Mir war das nur recht. So hatte ich wenigstens keine Zeit, mir im Kopf irgendwelche schauerlichen Horrorszenarien auszumalen. Ich erhielt die Beruhigungspille und wurde dann im Bett via Fahrstuhl in den Operationssaal befördert.
Der Anästhesist war genauso nett wie der in Demmin. Er plauderte mit mir, wobei er mich abwechselnd mit Marion, Mädchen und Frau T. ansprach. Er deutete auf die fantastische Ansicht der vorpommerschen Landschaft vor dem Klinikum. Dieses Bild sollte ich mit in die Narkose nehmen. Ich habe den größten Teil meines Lebens in Vorpommern verbracht und nur einen kleinen in Mecklenburg und Sachsen. Diese Landschaft ist neben den Menschen eine der Gründe, warum ich gern hier lebe. Gewiss, man arbeitet hier länger und für deutlich weniger Geld als z.B. in den alten Bundesländern. Aber man kann nicht alles nur in Geld abwiegen. Die andere Seite der Medaille heißt Lebensqualität. Ich habe eine Arbeit, die mir Spaß macht, und die ich gern tue. Gerade jetzt während meiner schweren Krankheit habe ich viel Hilfe und Unterstützung durch die Menschen in meinem Umfeld erfahren. Sie stehen mir bei, nicht weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen. Der Verlust all dessen ließe sich für mich mit keinem Geld der Welt ausgleichen. Dies ist für mich Heimat, und ohne Not würde ich die nicht verlassen.
Der Anästhesist hatte einige Mühe an meinem mageren Rückgrat die richtige Stelle für den Schmerzkatheter zu finden. Eine der Schwestern fragte mich, ob ich Angst hätte. Nein, eigentlich hatte ich keine. Ich musste bei der Operation zwar körperlich anwesend sein, war aber wenigstens vom Zuschauen befreit. Dann schickten sie mich in die Dunkelheit. Bei der Operation wurde nicht nur die 3-4 cm große Lebermetastase entfernt, sondern weil die Gelegenheit günstig und sie gerade in der Nähe waren, kassierten die Chirurgen auch gleich meine Galle ein. Das erspart mir eine weitere Operation. Dafür bin ich nun nicht mehr steinreich.
Ich kam wieder zu mir durch die Frage, ob ich frei atmen könne. Ich schüttelte benommen den Kopf. Irgendwas schien meine Luftröhre zu verkleben. Ich wurde gefragt, was mich am Atmen hindere. Mühsam brachte ich, "Schleim.", hervor. Der wurde abgesaugt, der Nebel lichtete sich, und ich sah den Anästhesisten, der freundlich auf mich herunterblickte. Aus mir unerfindlichen Gründen begann er mich zu loben. Dabei hatte ich zum Gelingen der Operation mit seiner Hilfe nur dadurch beigetragen, dass ich ruhig dalag.
Normalerweise hätte jetzt jemand aus der Wachstation kommen müssen, um mich abzuholen. Aber dort war kein Bett frei, und so erschien auch niemand. Der Anästhesist wurde zusehens ungeduldiger. Erbost packte er mein Bett und schob mich höchstpersönlich erst in den Fahrstuhl und dann in den Flur zwischen Wach-und Intensivstation. Dort tönte er, sie sollen sich gefälligst einigen, wo sie mich unterbringen. Er habe eine OP vorzubereiten. Sprach's und verschwand. In der Wachstation war noch immer kein Bett frei. So wurde ich erst einmal in der Intensivstation aufgenommen, obwohl ich dafür, wie ein Arzt erklärte, viel zu fidel war. Aber auf dem Flur wollten sie mich auch nicht stehen lassen.
In dem großen Zimmer der Intensivstation war ich allein. Die Schmerzmittel wirkten gut. Am Abend konnte ich das erste Mal sitzen und mich auch schon in der Waschschüssel allein waschen. Nur beim Rücken benötigte ich Hilfe. Zur Abwechslung sah ich ein wenig fern.
Nach Mitternacht schoben die Sanitäter einen Mann von etwa Mitte dreißig ins Zimmer. Er war an einem Tumor am Gehirn operiert worden. Das einzige, was er von sich gab, war, „Och, nö.“ Womit er seinen Unwillen kundtat. Dabei konnte er alles verstehen, was ihm gesagt wurde. Ihm fehlten aber offensichtlich die Worte, um sich ausdrücken zu können. Ich kenne das. Die Nachbarin meiner Tante und meines Onkels hat nach einem Schlaganfall das gleiche Problem. Sie kann die Bilder, die sie im Kopf hat, nicht in Worte fassen. Wir exerzieren bei jedem Zusammensein lustige Ratespiele. Inzwischen haben wir darin Übung. Es passiert äußerst selten, dass einmal keiner auf das kommt, was sie uns mitteilen möchte. Der Mann mir gegenüber hatte sein Bett geflutet. Er erhielt ein neues Nachthemd und das Bett wurde neu bezogen. Ich hörte die Schwester sagen, dass sie ihm einen Blasenkatheter anlegen wollten. Den hatte ich schon längst und neben dem Schmerzkatheter eine handvoll klappernder Rastalocken, den zentralen Venenkatheter, am Hals. Damit war ich wieder genauso verkabelt wie schon bei meiner ersten Operation.
Der Anästhesist war genauso nett wie der in Demmin. Er plauderte mit mir, wobei er mich abwechselnd mit Marion, Mädchen und Frau T. ansprach. Er deutete auf die fantastische Ansicht der vorpommerschen Landschaft vor dem Klinikum. Dieses Bild sollte ich mit in die Narkose nehmen. Ich habe den größten Teil meines Lebens in Vorpommern verbracht und nur einen kleinen in Mecklenburg und Sachsen. Diese Landschaft ist neben den Menschen eine der Gründe, warum ich gern hier lebe. Gewiss, man arbeitet hier länger und für deutlich weniger Geld als z.B. in den alten Bundesländern. Aber man kann nicht alles nur in Geld abwiegen. Die andere Seite der Medaille heißt Lebensqualität. Ich habe eine Arbeit, die mir Spaß macht, und die ich gern tue. Gerade jetzt während meiner schweren Krankheit habe ich viel Hilfe und Unterstützung durch die Menschen in meinem Umfeld erfahren. Sie stehen mir bei, nicht weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen. Der Verlust all dessen ließe sich für mich mit keinem Geld der Welt ausgleichen. Dies ist für mich Heimat, und ohne Not würde ich die nicht verlassen.
Der Anästhesist hatte einige Mühe an meinem mageren Rückgrat die richtige Stelle für den Schmerzkatheter zu finden. Eine der Schwestern fragte mich, ob ich Angst hätte. Nein, eigentlich hatte ich keine. Ich musste bei der Operation zwar körperlich anwesend sein, war aber wenigstens vom Zuschauen befreit. Dann schickten sie mich in die Dunkelheit. Bei der Operation wurde nicht nur die 3-4 cm große Lebermetastase entfernt, sondern weil die Gelegenheit günstig und sie gerade in der Nähe waren, kassierten die Chirurgen auch gleich meine Galle ein. Das erspart mir eine weitere Operation. Dafür bin ich nun nicht mehr steinreich.
Ich kam wieder zu mir durch die Frage, ob ich frei atmen könne. Ich schüttelte benommen den Kopf. Irgendwas schien meine Luftröhre zu verkleben. Ich wurde gefragt, was mich am Atmen hindere. Mühsam brachte ich, "Schleim.", hervor. Der wurde abgesaugt, der Nebel lichtete sich, und ich sah den Anästhesisten, der freundlich auf mich herunterblickte. Aus mir unerfindlichen Gründen begann er mich zu loben. Dabei hatte ich zum Gelingen der Operation mit seiner Hilfe nur dadurch beigetragen, dass ich ruhig dalag.
Normalerweise hätte jetzt jemand aus der Wachstation kommen müssen, um mich abzuholen. Aber dort war kein Bett frei, und so erschien auch niemand. Der Anästhesist wurde zusehens ungeduldiger. Erbost packte er mein Bett und schob mich höchstpersönlich erst in den Fahrstuhl und dann in den Flur zwischen Wach-und Intensivstation. Dort tönte er, sie sollen sich gefälligst einigen, wo sie mich unterbringen. Er habe eine OP vorzubereiten. Sprach's und verschwand. In der Wachstation war noch immer kein Bett frei. So wurde ich erst einmal in der Intensivstation aufgenommen, obwohl ich dafür, wie ein Arzt erklärte, viel zu fidel war. Aber auf dem Flur wollten sie mich auch nicht stehen lassen.
In dem großen Zimmer der Intensivstation war ich allein. Die Schmerzmittel wirkten gut. Am Abend konnte ich das erste Mal sitzen und mich auch schon in der Waschschüssel allein waschen. Nur beim Rücken benötigte ich Hilfe. Zur Abwechslung sah ich ein wenig fern.
Nach Mitternacht schoben die Sanitäter einen Mann von etwa Mitte dreißig ins Zimmer. Er war an einem Tumor am Gehirn operiert worden. Das einzige, was er von sich gab, war, „Och, nö.“ Womit er seinen Unwillen kundtat. Dabei konnte er alles verstehen, was ihm gesagt wurde. Ihm fehlten aber offensichtlich die Worte, um sich ausdrücken zu können. Ich kenne das. Die Nachbarin meiner Tante und meines Onkels hat nach einem Schlaganfall das gleiche Problem. Sie kann die Bilder, die sie im Kopf hat, nicht in Worte fassen. Wir exerzieren bei jedem Zusammensein lustige Ratespiele. Inzwischen haben wir darin Übung. Es passiert äußerst selten, dass einmal keiner auf das kommt, was sie uns mitteilen möchte. Der Mann mir gegenüber hatte sein Bett geflutet. Er erhielt ein neues Nachthemd und das Bett wurde neu bezogen. Ich hörte die Schwester sagen, dass sie ihm einen Blasenkatheter anlegen wollten. Den hatte ich schon längst und neben dem Schmerzkatheter eine handvoll klappernder Rastalocken, den zentralen Venenkatheter, am Hals. Damit war ich wieder genauso verkabelt wie schon bei meiner ersten Operation.
Donnerstag, 26. Januar 2006
Vor der OP
Donnerstag, 26. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Am nächsten Tag war Chefarztvisite und ich hatte Gelegenheit, den Professor in natura zu sehen. Er sah genauso aus wie auf dem Foto im Internet, und war der einzige Weißhaarige unter den Weißbekittelten. Er sagte, mein Auftritt in seiner Vorlesung würde höchstens 2-3 Minuten dauern.
Zum Frühstück gab es leckere rosafarbene Mehlspeise, igitt. Ich hätte doch lieber darauf verzichten sollen. Denn durch den rosa Brei schien meine Zunge mit dem Gaumen zu verkleben. Eine Studentin holte mich ab, und ich trabte neben ihr her die Gänge entlang zum Hörsaal. Der glich einem halben Bombentrichter. Wenn man sitzt und geradeaus schaut, kann man gerade die ersten drei Reihen erblicken. Um alle Studenten sehen zu können, hätte ich mich auf den Rücken legen müssen. Dazu bestand allerdings keine Veranlassung. Der Professor bat mich, mit meinem Stuhl in die Mitte zu rücken, damit mich alle sehen konnten. Ich erzählte, wie sich meine Krankheit bemerkbar gemacht hatte und von den Schwierigkeiten mit der Doppelbelastung von Bestrahlung und Chemotherapie fertig zu werden. Nachdem sich meine Zunge endlich vom Gaumen gelöst hatte, ging das auch ganz gut. Interessant für mich war der kurze Flug durch meine Leber inklusiv Metastase, den ich während der Vorlesung sah. Der Professor sagte dann, operiert werden würde ich entweder am Ende dieser Woche oder am Anfang der nächsten. Dann war ich entlassen.
Meinen nächsten Termin hatte ich im Röntgenraum. Mein Darm sollte geröntgt werden. Mein Hintern musste durch die Krankheit geschrumpft sein. Der Röntgenarzt befand ihn zu eng, um seine Apparatur für den Kontrastmitteleinlauf darin unterzubringen. Er entschloss sich, das Kontrastmittel über das Stoma einzuträufeln. So riss ich mir dann den Beutel vom Leib. Aber da zeigte sich, dass auch mein Darm etwas eng gebaut ist. Der Röntgenarzt sagte, er wolle mir nicht in den Darm picken. Für diese Prozedur hätte er doch lieber einen der Chirurgen an seiner Seite. Zu meinem Glück waren die Herren mit verschiedenen Operationen beschäftigt und unabkömmlich.
Während wir warteten, fragte eine der Assistentinnen den Röntgenarzt, woher er stammen würde. Er nannte eine Stadt in den alten Bundesländern. Er habe in Greifswald studiert, seinen Doktor gemacht und sei geblieben. Hier ließe es sich ganz gut aushalten. Sein Bekenntnis steht im krassen Gegensatz zu den Informationen der Mainstreammedien. Dort ist Leben in den neuen Bundesländern, speziell in Meck-Pomm, immer gleichbedeutend mit einem Leben außerhalb zivilisatorischer Errungenschaften. Schlimmer ist es nur noch in Rumänien oder Moldawien.
Nachdem keiner der Chirurgen aufgetaucht war, schickte der Arzt eine der Frauen los, um einen neuen Beutel für mich zu besorgen. Sie kam dann mit einem Beutel, der zwar vom selben Hersteller war aber auch völlig inkompatibel zu meinem System. Also musste sie nochmal los, um meine Notfallausrüstung zu holen. Den neuen Beutel klebte ich mir selbst auf die Platte. Dann konnte ich zurück in mein Zimmer. Die Untersuchung sollte fortgesetzt werden, wenn ein Chirurg Zeit hatte daran teilzunehmen. Aber sie hatten Großkampftag, sogar die Nachmittagsvisite fand erst um 17.30 Uhr statt. Ich kam also um das Röntgen drumrum.
Am nächsten Tag ordnete der Stationsarzt bei der Morgenvisite stattdessen eine Darmspiegelung an. Den Zusatz "Ich weiß ja, wie Sie darauf stehen." konnte er sich dabei nicht verkneifen. Na unbedingt! Bekanntlich stehen Darmspiegelungen auf meiner Folterhitliste an erster Stelle. Außerdem sollte eine Computertomografie der Lunge klären, ob sich dort Metastasen eingenistet hätten. Wenn ein Darmkrebs streut, siedeln sich Metastasen zuerst in der Leber an und befallen dann die Lunge. Als Termin für meine OP wurde der Freitag festgesetzt.
Ich bekam nichts zu essen sondern dafür ein großes Glas einer muffig schmeckenden Zuckerlösung zu trinken zur Darmreinigung wegen der Spiegelung. In Demmin musste ich dazu 3 Liter einer ekelhaften Lösung in mich hineinplumpen. Beim ersten Schluck begann es mich zu würgen, nach 1,5 Liter fing ich an zu brechen. Auf meiner Hitliste ergibt das den zweiten Platz noch vor der Magensonde.
Bei einer der Visiten vor der Operation fragte mich der Stationsarzt nach meinem Appetit, besorgt darum ich könnte ihm noch weiter abklappern. Der sei durchaus vorhanden, war meine Antwort, ich würde hier aber nichts zu essen bekommen. Der Stationsarzt sah die Schwester erstaunt an. Sie erinnerte ihn daraufhin, dass er ja selbst bei mir eine Darmspiegelung angeordnet hatte. "Aber sie hat doch ein Ileostoma.", war sein Einwand. Ab dem Zeitpunkt bekam ich wieder was zu essen. Sie hatten mich ganz umsonst hungern lassen, wie gemein!
Für die Computertomografie der Lunge wurde ich erneut ins neue Klinikum gefahren. Das war wieder mit viel Wartezeit verbunden. Am längsten warten musste ich jedoch beim Vorgespräch zur Operation beim Anästhesisten. Der Warteraum war gerammelt voll, und ich war fast die letzte Patientin. Auch die Darmspiegelung fand erst einen Tag später statt als vorgesehen. Die Ärztin hatte einfach zuviel zu tun. Dem Arzt, der sich dafür bei mir entschuldigte, sagte ich, dass es für mich keine Rolle spiele, ob nun einen Tag früher oder später.
Ich wurde zur Spiegelung in meinem Bett gefahren und durfte auch während der Untersuchung in diesem verbleiben. Der Ärztin hatte ich erzählt, dass Darmspiegelung für mich Folter bedeute, und ich schon deshalb automatisch den Hintern zusammenkneife, wenn ich nur das Wort höre. Sie verpasste mir daraufhin eine höhere Dosis Traumsand und damit die erste schmerzfreie Darmspiegelung meines Lebens. Ich kam erst wieder zu mir, als sie das Endoskop entfernte. Vorher träumte ich von einem orientalischen Basar. Ein Stand erregte meine Aufmerksamkeit. Statt Tücher hing dort mein Darm, fein säuberlich in Stücke geschnitten, das Innerste nach außen gekehrt und rot von der Entzündung. Die Darmstücke bewegten sich sacht im Wind wie Seidentücher. Merkwürdiger Traum.
Der Stationsarzt hatte am Tag vor der Operation eine gute und eine schlechte Nachricht für mich. Die gute, in meiner Lunge ließen sich keine Metastasen entdecken. Ich war erleichtert, denn Metastasen in der Lunge hätte ich nicht so leicht genommen wie die in der Leber. Die schlechte Nachricht war, dass mein Darmausgang nicht zurückverlegt werden konnte, weil das Organ einfach zu entzündet war. Ich war deshalb nicht geknickt, denn diese Option hatte ich noch gar nicht ins Auge gefasst. Nach Greifswald war ich ja gekommen, um meine Lebermetastase loszuwerden.
Die Nacht vor der Operation schlief ich trotz des Geschnarches meiner Mitpatientinnen ruhig und gut. Ich brauchte weder ein Beruhigungsmittel noch Schlaftabletten.
Zum Frühstück gab es leckere rosafarbene Mehlspeise, igitt. Ich hätte doch lieber darauf verzichten sollen. Denn durch den rosa Brei schien meine Zunge mit dem Gaumen zu verkleben. Eine Studentin holte mich ab, und ich trabte neben ihr her die Gänge entlang zum Hörsaal. Der glich einem halben Bombentrichter. Wenn man sitzt und geradeaus schaut, kann man gerade die ersten drei Reihen erblicken. Um alle Studenten sehen zu können, hätte ich mich auf den Rücken legen müssen. Dazu bestand allerdings keine Veranlassung. Der Professor bat mich, mit meinem Stuhl in die Mitte zu rücken, damit mich alle sehen konnten. Ich erzählte, wie sich meine Krankheit bemerkbar gemacht hatte und von den Schwierigkeiten mit der Doppelbelastung von Bestrahlung und Chemotherapie fertig zu werden. Nachdem sich meine Zunge endlich vom Gaumen gelöst hatte, ging das auch ganz gut. Interessant für mich war der kurze Flug durch meine Leber inklusiv Metastase, den ich während der Vorlesung sah. Der Professor sagte dann, operiert werden würde ich entweder am Ende dieser Woche oder am Anfang der nächsten. Dann war ich entlassen.
Meinen nächsten Termin hatte ich im Röntgenraum. Mein Darm sollte geröntgt werden. Mein Hintern musste durch die Krankheit geschrumpft sein. Der Röntgenarzt befand ihn zu eng, um seine Apparatur für den Kontrastmitteleinlauf darin unterzubringen. Er entschloss sich, das Kontrastmittel über das Stoma einzuträufeln. So riss ich mir dann den Beutel vom Leib. Aber da zeigte sich, dass auch mein Darm etwas eng gebaut ist. Der Röntgenarzt sagte, er wolle mir nicht in den Darm picken. Für diese Prozedur hätte er doch lieber einen der Chirurgen an seiner Seite. Zu meinem Glück waren die Herren mit verschiedenen Operationen beschäftigt und unabkömmlich.
Während wir warteten, fragte eine der Assistentinnen den Röntgenarzt, woher er stammen würde. Er nannte eine Stadt in den alten Bundesländern. Er habe in Greifswald studiert, seinen Doktor gemacht und sei geblieben. Hier ließe es sich ganz gut aushalten. Sein Bekenntnis steht im krassen Gegensatz zu den Informationen der Mainstreammedien. Dort ist Leben in den neuen Bundesländern, speziell in Meck-Pomm, immer gleichbedeutend mit einem Leben außerhalb zivilisatorischer Errungenschaften. Schlimmer ist es nur noch in Rumänien oder Moldawien.
Nachdem keiner der Chirurgen aufgetaucht war, schickte der Arzt eine der Frauen los, um einen neuen Beutel für mich zu besorgen. Sie kam dann mit einem Beutel, der zwar vom selben Hersteller war aber auch völlig inkompatibel zu meinem System. Also musste sie nochmal los, um meine Notfallausrüstung zu holen. Den neuen Beutel klebte ich mir selbst auf die Platte. Dann konnte ich zurück in mein Zimmer. Die Untersuchung sollte fortgesetzt werden, wenn ein Chirurg Zeit hatte daran teilzunehmen. Aber sie hatten Großkampftag, sogar die Nachmittagsvisite fand erst um 17.30 Uhr statt. Ich kam also um das Röntgen drumrum.
Am nächsten Tag ordnete der Stationsarzt bei der Morgenvisite stattdessen eine Darmspiegelung an. Den Zusatz "Ich weiß ja, wie Sie darauf stehen." konnte er sich dabei nicht verkneifen. Na unbedingt! Bekanntlich stehen Darmspiegelungen auf meiner Folterhitliste an erster Stelle. Außerdem sollte eine Computertomografie der Lunge klären, ob sich dort Metastasen eingenistet hätten. Wenn ein Darmkrebs streut, siedeln sich Metastasen zuerst in der Leber an und befallen dann die Lunge. Als Termin für meine OP wurde der Freitag festgesetzt.
Ich bekam nichts zu essen sondern dafür ein großes Glas einer muffig schmeckenden Zuckerlösung zu trinken zur Darmreinigung wegen der Spiegelung. In Demmin musste ich dazu 3 Liter einer ekelhaften Lösung in mich hineinplumpen. Beim ersten Schluck begann es mich zu würgen, nach 1,5 Liter fing ich an zu brechen. Auf meiner Hitliste ergibt das den zweiten Platz noch vor der Magensonde.
Bei einer der Visiten vor der Operation fragte mich der Stationsarzt nach meinem Appetit, besorgt darum ich könnte ihm noch weiter abklappern. Der sei durchaus vorhanden, war meine Antwort, ich würde hier aber nichts zu essen bekommen. Der Stationsarzt sah die Schwester erstaunt an. Sie erinnerte ihn daraufhin, dass er ja selbst bei mir eine Darmspiegelung angeordnet hatte. "Aber sie hat doch ein Ileostoma.", war sein Einwand. Ab dem Zeitpunkt bekam ich wieder was zu essen. Sie hatten mich ganz umsonst hungern lassen, wie gemein!
Für die Computertomografie der Lunge wurde ich erneut ins neue Klinikum gefahren. Das war wieder mit viel Wartezeit verbunden. Am längsten warten musste ich jedoch beim Vorgespräch zur Operation beim Anästhesisten. Der Warteraum war gerammelt voll, und ich war fast die letzte Patientin. Auch die Darmspiegelung fand erst einen Tag später statt als vorgesehen. Die Ärztin hatte einfach zuviel zu tun. Dem Arzt, der sich dafür bei mir entschuldigte, sagte ich, dass es für mich keine Rolle spiele, ob nun einen Tag früher oder später.
Ich wurde zur Spiegelung in meinem Bett gefahren und durfte auch während der Untersuchung in diesem verbleiben. Der Ärztin hatte ich erzählt, dass Darmspiegelung für mich Folter bedeute, und ich schon deshalb automatisch den Hintern zusammenkneife, wenn ich nur das Wort höre. Sie verpasste mir daraufhin eine höhere Dosis Traumsand und damit die erste schmerzfreie Darmspiegelung meines Lebens. Ich kam erst wieder zu mir, als sie das Endoskop entfernte. Vorher träumte ich von einem orientalischen Basar. Ein Stand erregte meine Aufmerksamkeit. Statt Tücher hing dort mein Darm, fein säuberlich in Stücke geschnitten, das Innerste nach außen gekehrt und rot von der Entzündung. Die Darmstücke bewegten sich sacht im Wind wie Seidentücher. Merkwürdiger Traum.
Der Stationsarzt hatte am Tag vor der Operation eine gute und eine schlechte Nachricht für mich. Die gute, in meiner Lunge ließen sich keine Metastasen entdecken. Ich war erleichtert, denn Metastasen in der Lunge hätte ich nicht so leicht genommen wie die in der Leber. Die schlechte Nachricht war, dass mein Darmausgang nicht zurückverlegt werden konnte, weil das Organ einfach zu entzündet war. Ich war deshalb nicht geknickt, denn diese Option hatte ich noch gar nicht ins Auge gefasst. Nach Greifswald war ich ja gekommen, um meine Lebermetastase loszuwerden.
Die Nacht vor der Operation schlief ich trotz des Geschnarches meiner Mitpatientinnen ruhig und gut. Ich brauchte weder ein Beruhigungsmittel noch Schlaftabletten.
Montag, 23. Januar 2006
In Greifswald
Montag, 23. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Die Klinik und Poliklinik für Chirurgie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Abteilung für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie in der Friedrich-Loeffler-Straße ist ein altes Gemäuer und wirkt bei weitem nicht so einladend wie das moderne Demminer Kreiskrankenhaus. Natürlich ist es reichlich unfair ein neues und kleines Haus einem alten großen gegenüberzustellen, aber in Deutschland werden ja üblicherweise Äpfel mit Birnen verglichen. Warum soll ich da eine Ausnahme machen?
Ich durfte meine Tasche wieder bei der netten Dame am Eingang stehen lassen. Dann schickte sie mich über den Hof zur Patientenaufnahme im Eingang A zum Gebäude gegenüber. Wenn man das Demminer Krankenhaus betritt, dann befindet sich die Aufnahme hinter der Rezeption, die mehr an ein Hotel als ein Krankenhaus denken lässt. Eine einladende Sitzgruppe lädt zum Verweilen ein. Man zieht eine Nummer und wartet, bis man aufgerufen wird. Hier in Greifswald scharren sich einige wenige Stühle um ein winziges Tischchen. Verweilen möchte der Patient hier nicht sondern schnell wieder weg.
Ein Papier am Türfenster der Patientenaufnahme warnt den Besucher vorm Betreten, er wird aufgerufen. Die Frau, die die Aufnahme verließ, sagte mir, ich könne eintreten. Also stolperte ich in den Raum hinter der Tür. Die Patientenaufnahme besteht aus zwei von einer Durchgangstür getrennte Doppelzimmer. In Demmin liegen sich die beiden Zimmer gegenüber, getrennt durch einen Flur und zwei Türen. Im Normalfall bekomme ich gar nicht mit, wer im Raum gegenüber sitzt. Hier nun musste ich den Stuhl rücken, damit die Patienten an mir vorbei ins andere Zimmer konnten. Ich erhielt neben meinen Papieren auch eine Telefonkarte.
Der Automat dazu befindet sich vor der Patientenaufnahme. Den höchsten Schein, den er annimmt, sind 20 Euronen. Wenn man nur einen Schein mit 50 hat, dann hat man ein Problem. Die Frau in der Aufnahme konnte nicht wechseln. Ich erhielt aber den Tip, gegenüber in die Einkaufspassage zu gehen. Dann war ich entlassen. Mit meinen Patientenpapieren bewaffnet ging ich zurück zum anderen Gebäude. Die nette Frau vom Eingang warf einen Blick auf die Papiere und sagte mir danach, ich müsste mich zwei Stockwerke höher begeben und anschließend rechts halten.
In Demmin liegen die Patientenzimmer für Männer und Frauen nebeneinander. Hier in Greifswald ist auch alles hübsch nach Geschlechtern sortiert. Ich gab am Schwesternzimmer meine Papiere ab und wurde gebeten, mich auf einen Stuhl im Flur zu setzen. Dort hockten schon zwei Patientinnen, offensichtlich warteten sie schon etwas länger. In Demmin wurde ich von den Schwestern gleich in mein Zimmer geführt und musste nicht auf dem Flur warten.
Die Wartezeit verkürzten mir zwei Studenten. Sie war 6. Studienjahr, er noch ein blutiger Anfänger, wie er hervorhob. Ich wurde gefragt, ob ich mich als Übungsobjekt für eine Blutentnahme zur Verfügung stellen würde. Wenn ich so nett gebeten werde, kann ich natürlich nicht nein sagen. Die Studentin erläuterte die Vorgehensweise, und der Student machte alles nach ihren Vorgaben nach. Gut, wie ich fand und ihn auch lobte. Das Setzen der Kanüle tat nicht mal weh, und einen blauen Fleck bekam ich auch nicht.
Nachdem ich ausreichend Blut gespendet hatte, kam endlich die Schwester und lotste mich in ein Zimmer. An der Tür war eine blaue Schwertlilie angebracht. Irgendwie schien es aber nicht der richtige Platz gewesen zu sein. Nachdem sie sich kurz umgeschaut hatte, führte mich die Schwester ins Zimmer nebenan. Dessen Tür zierte eine Sonnenblume. Das Patientenzimmer in Greifswald ist etwas größer als meins in Demmin war, deshalb stehen hier auch vier Betten. In Demmin waren es nur drei. Es gibt noch einen weiteren Unterschied. In Demmin teilten sich sechs Patienten eine Dusche und eine Toilette. Das Bad mit Wanne war für alle da. Hier ist Gemeinschaftsleben angesagt. Es gibt drei Toilettenboxen für alle und zwei Duschräume mit Waschbecken. In den Zimmern befindet sich keine Waschgelegenheit, in Demmin war sie vorhanden.
Die Kleiderschränke im Demminer Patientenzimmer fand ich schon recht winzig. In Greifswald zeigt sich nun, dass sich selbst das noch minimalisieren lässt. Es gibt ein gemeinschaftliches Schrankteil, in dem alle vier Patientinnen ihre Jacken und Mäntel hängen können. Daneben hat jede noch eine abschließbare Box, die an ein Bahnhofschließfach denken lässt. In diese passte gerade meine Reisetasche, die Waschtasche und mein Rucksack. Auspacken konnte ich meine Sachen nicht, dafür war kein Platz. Weil ich als letzte kam, war nur noch die oberste Box frei. Sie befindet sich für mich mit 1,68 m Körpergröße über Kopfhöhe. Wirklich sehr günstig angebracht! Wie soll ich nach der Operation, wenn es mir nicht so gut geht, an meine Sachen kommen? Ich werde wegen jedem Pups die Schwester rufen müssen. Wer auch immer der Behelfsknilch war, der diese Schränke ins Patientenzimmer stellen ließ, offensichtlich hat er noch nie nach einer Operation im Krankenhaus gelegen.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, es ist inzwischen schon 10.30 Uhr. Ich wollte gerade meinen Anorak anziehen und zum Besuch der Einkaufspassage starten, da betrat ein Arzt das Zimmer. Der Doktor, ein Ausländer, wollte mich über die Möglichkeiten und Risiken der Kernspintomografie aufklären. Er hatte dabei eine so drollige Art die Wörter falsch zu betonen, dass das Gespräch ganz lustig wurde. Das Wort Herzklappe sprach er so merkwürdig aus, dass ich nachfragen musste, "Was für ein Ding?"
Nach dem Gespräch konnte ich endlich zur Erkundung der Einkaufspassage starte. Ich meldete mich bei der Schwester ab, und versprach ihr wegen der Glätte ganz vorsichtig zu sein. Diese Einkaufspassage in Greifswald gleicht denen, die ich schon in anderen Städten gesehen habe. Es ist der übliche Mix aus Boutiquen, Blumenläden, Supermärkten und Fressständen. Ich steuerte zuerst den Sparmarkt an, denn es gelüstete mich nach Süßigkeiten und Cola. Die Schwestern in der Onkologie hatten mir erklärt, Cola wäre die Geheimwaffe bei Appetitlosigkeit. Ich wählte eine kleine Flasche zu 0,5 l. Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben mit dem Appetit! Anschließend enterte ich den Zeitungsstand. Meine Linux-Zeitschriften waren in großer Auswahl vorhanden. Ich suchte mir zwei aus. Nach einem Rundgang durch die Passage trottete ich langsam zurück ins Krankenhaus.
Inzwischen war es 11.30 Uhr, und nach etlichen Schlucks aus der Colaflasche stellte sich Hunger ein. Das Essen kam kurz nach 12.00 Uhr. Ich erhielt Möhrengemüse in Mehlpampensoße vergraben, Salzkartoffeln und ein undefinierbares, plattes Etwas. Die Möhrenscheiben waren auf die englische Art zubereitet. Das hießt, sie waren wässrig und geschmacklos. Das platte Etwas konnte ich auch noch nicht bestimmen, nachdem ich es aufgegessen hatte. Es war völlig geschmacksleer. Nach dem Speiseplan sollte es Geflügelfrikadelle sein. Nun ja, für eine Frikadelle war es platt genug. An diesem Essen war nichts gelungen, nicht einmal die Kartoffeln. Außen hatten die eine leichte harte Schale, und im Innern waren sie noch roh. Ich mag nur meine Nudeln „al dente“ und das Gemüse, wenn ich asiatisch koche, noch bissfest. Aber Kartoffeln esse ich am liebsten, wenn sie gar sind. Diese Art der Kartoffelzubereitung und die Mehlpampe weckten in mir unangenehme Erinnerungen an das sozialistische Betriebskantinenessen. Die Scheußlichkeiten, die ich im Warteraum der chirurgischen Sprechstunde über das Essen im Greifswalder Klinikum gehört hatte, waren also nicht übertrieben. Ich sehnte mich nach dem Essen im Demminer Kreiskrankenhaus. Dort kocht man noch selbst und beauftragt keinen Cateringservice. In Demmin hatte ich mich immer auf das Essen gefreut. Hier werde ich es mir wohl abgewöhnen müssen.
Es gibt einen Bereich, indem sich das Krankenhaus hier und das in Demmin gleichen, das betrifft die Betreuung der Patienten. Hier gibt es genauso nette Schwestern, und auch mit den Ärzten komme ich gut klar. Ich fühle mich hier wohl, soweit man das von einem Krankenhaus sagen kann. Die Eingangsuntersuchung nahm eine nette, dunkelhaarige Studentin aus dem 6. Studienjahr vor. Beim EKG wurde sie durch ein klapperndes Geräusch abgelenkt. Es waren aber nicht die Elektroden sondern meine Zähne. „Mein Gott, Sie frieren ja!“, rief sie erstaunt aus. Sie beeilte sich, damit ich wenigstens das dünne Nachthemd wieder überstreifen konnte. Nach der Untersuchung fragte mich einer der Ärzte, ob ich kurz an der Vorlesung des Professors am nächsten Tag mitwirken würde. Die Greifswalder Klinik ist ja immer auch Ausbildungsstätte, und meine Erkrankung schien gut ins Lehrprogramm zu passen. Ich sagte zu, die drei Minuten im Hörsaal würde ich schon überstehen.
Dann wurde ich mit drei anderen Patienten ins neue Klinikum gefahren. Bei mir war eine Kernspintomografie der Leber angeordnet. Aber zuerst hieß es warten. Das ist übrigens die Haupttätigkeit des Patienten in medizinischen Einrichtungen, das Warten auf Untersuchungen, Behandlungen, Ärzte, Schwestern, Operationen, das Essen oder was auch immer. Dann lag ich endlich in der Röhre mit Gewichten auf dem Bauch und Kopfhörern an den Ohren. Aus diesen drangen unaufhörlich lang vermisste Oldies. „I wanna love sombody like you …” Am liebsten hätte ich in der Röhre getanzt, aber ich musste ja ganz still liegen. Da es mir zu blöd war, den blauen Strich über mir anzustarren, schloss ich ganz einfach die Augen. So ließ es sich gut aushalten. Ab und zu erhielt ich Kommandos zum Ein- und Ausatmen und zum Luftanhalten. Dann setzte ein Höllenlärm an. Ich wartete sehnlichst auf das Kommando zum Weiteratmen und auf ein Ende des Krawalls. Nach einer Weile wurde ich ein Stückchen aus der Röhre gefahren. Die Assistenten ergriff meinen rechten Fuß und fragte, ob ich noch lebig wäre. Das Audiosystem funktionierte nicht richtig. Ich konnte sie zwar hören aber sie mich nicht. Nach einer letzten Untersuchung konnte ich die Röhre endlich verlassen. Inzwischen war ich wieder mal ausgelaufen. Ich nehme an durch die Gewichte auf meinem Bauch. Mein Unterhemd, das ein riesiger brauner Fleck zierte, musste ich ausziehen. Im Röntgenraum half man mir mit einem großen Packen Zellstoff aus. Der Röntgenarzt sagte mir, außer der einen bekannten Metastase hätte er nur eine kleine Zyste gefunden. Aber das sei nichts Gefährliches. Ich war erleichtert.
Im Krankenhaus hatten meine Mitpatientinnen inzwischen dafür gesorgt, dass mein Abendbrot nicht abgetragen wurde. Ich musste mir erst ein neues System aufkleben und mich umziehen, ehe ich meinen Hunger stillen konnte. Am Abend setzte sich dann der Stationsarzt, schon fertig für den Heimweg umgezogen, an mein Bett. Er behauptete, wir hätten uns schon kurz auf dem Flur gesehen. Beim besten Willen, ich konnte mich nicht daran erinnern. Er sagte, er hätte da einen weißen Kittel angehabt, und ich hätte ihn wohl übersehen. Das hatte ich in der Tat. Der Doktor sah übrigens in Zivil vorteilhafter aus als im weißen Kittel, wie vermutlich die meisten Menschen. Er wollte mich für einen Auftritt in der Vorlesung des Professors werben und war erfreut, dass ich schon zugesagt hatte. Solange ich nicht im Fernsehen auftreten soll oder von Bild interviewt werde, bin ich für jeden Spaß zu haben.
Ich durfte meine Tasche wieder bei der netten Dame am Eingang stehen lassen. Dann schickte sie mich über den Hof zur Patientenaufnahme im Eingang A zum Gebäude gegenüber. Wenn man das Demminer Krankenhaus betritt, dann befindet sich die Aufnahme hinter der Rezeption, die mehr an ein Hotel als ein Krankenhaus denken lässt. Eine einladende Sitzgruppe lädt zum Verweilen ein. Man zieht eine Nummer und wartet, bis man aufgerufen wird. Hier in Greifswald scharren sich einige wenige Stühle um ein winziges Tischchen. Verweilen möchte der Patient hier nicht sondern schnell wieder weg.
Ein Papier am Türfenster der Patientenaufnahme warnt den Besucher vorm Betreten, er wird aufgerufen. Die Frau, die die Aufnahme verließ, sagte mir, ich könne eintreten. Also stolperte ich in den Raum hinter der Tür. Die Patientenaufnahme besteht aus zwei von einer Durchgangstür getrennte Doppelzimmer. In Demmin liegen sich die beiden Zimmer gegenüber, getrennt durch einen Flur und zwei Türen. Im Normalfall bekomme ich gar nicht mit, wer im Raum gegenüber sitzt. Hier nun musste ich den Stuhl rücken, damit die Patienten an mir vorbei ins andere Zimmer konnten. Ich erhielt neben meinen Papieren auch eine Telefonkarte.
Der Automat dazu befindet sich vor der Patientenaufnahme. Den höchsten Schein, den er annimmt, sind 20 Euronen. Wenn man nur einen Schein mit 50 hat, dann hat man ein Problem. Die Frau in der Aufnahme konnte nicht wechseln. Ich erhielt aber den Tip, gegenüber in die Einkaufspassage zu gehen. Dann war ich entlassen. Mit meinen Patientenpapieren bewaffnet ging ich zurück zum anderen Gebäude. Die nette Frau vom Eingang warf einen Blick auf die Papiere und sagte mir danach, ich müsste mich zwei Stockwerke höher begeben und anschließend rechts halten.
In Demmin liegen die Patientenzimmer für Männer und Frauen nebeneinander. Hier in Greifswald ist auch alles hübsch nach Geschlechtern sortiert. Ich gab am Schwesternzimmer meine Papiere ab und wurde gebeten, mich auf einen Stuhl im Flur zu setzen. Dort hockten schon zwei Patientinnen, offensichtlich warteten sie schon etwas länger. In Demmin wurde ich von den Schwestern gleich in mein Zimmer geführt und musste nicht auf dem Flur warten.
Die Wartezeit verkürzten mir zwei Studenten. Sie war 6. Studienjahr, er noch ein blutiger Anfänger, wie er hervorhob. Ich wurde gefragt, ob ich mich als Übungsobjekt für eine Blutentnahme zur Verfügung stellen würde. Wenn ich so nett gebeten werde, kann ich natürlich nicht nein sagen. Die Studentin erläuterte die Vorgehensweise, und der Student machte alles nach ihren Vorgaben nach. Gut, wie ich fand und ihn auch lobte. Das Setzen der Kanüle tat nicht mal weh, und einen blauen Fleck bekam ich auch nicht.
Nachdem ich ausreichend Blut gespendet hatte, kam endlich die Schwester und lotste mich in ein Zimmer. An der Tür war eine blaue Schwertlilie angebracht. Irgendwie schien es aber nicht der richtige Platz gewesen zu sein. Nachdem sie sich kurz umgeschaut hatte, führte mich die Schwester ins Zimmer nebenan. Dessen Tür zierte eine Sonnenblume. Das Patientenzimmer in Greifswald ist etwas größer als meins in Demmin war, deshalb stehen hier auch vier Betten. In Demmin waren es nur drei. Es gibt noch einen weiteren Unterschied. In Demmin teilten sich sechs Patienten eine Dusche und eine Toilette. Das Bad mit Wanne war für alle da. Hier ist Gemeinschaftsleben angesagt. Es gibt drei Toilettenboxen für alle und zwei Duschräume mit Waschbecken. In den Zimmern befindet sich keine Waschgelegenheit, in Demmin war sie vorhanden.
Die Kleiderschränke im Demminer Patientenzimmer fand ich schon recht winzig. In Greifswald zeigt sich nun, dass sich selbst das noch minimalisieren lässt. Es gibt ein gemeinschaftliches Schrankteil, in dem alle vier Patientinnen ihre Jacken und Mäntel hängen können. Daneben hat jede noch eine abschließbare Box, die an ein Bahnhofschließfach denken lässt. In diese passte gerade meine Reisetasche, die Waschtasche und mein Rucksack. Auspacken konnte ich meine Sachen nicht, dafür war kein Platz. Weil ich als letzte kam, war nur noch die oberste Box frei. Sie befindet sich für mich mit 1,68 m Körpergröße über Kopfhöhe. Wirklich sehr günstig angebracht! Wie soll ich nach der Operation, wenn es mir nicht so gut geht, an meine Sachen kommen? Ich werde wegen jedem Pups die Schwester rufen müssen. Wer auch immer der Behelfsknilch war, der diese Schränke ins Patientenzimmer stellen ließ, offensichtlich hat er noch nie nach einer Operation im Krankenhaus gelegen.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, es ist inzwischen schon 10.30 Uhr. Ich wollte gerade meinen Anorak anziehen und zum Besuch der Einkaufspassage starten, da betrat ein Arzt das Zimmer. Der Doktor, ein Ausländer, wollte mich über die Möglichkeiten und Risiken der Kernspintomografie aufklären. Er hatte dabei eine so drollige Art die Wörter falsch zu betonen, dass das Gespräch ganz lustig wurde. Das Wort Herzklappe sprach er so merkwürdig aus, dass ich nachfragen musste, "Was für ein Ding?"
Nach dem Gespräch konnte ich endlich zur Erkundung der Einkaufspassage starte. Ich meldete mich bei der Schwester ab, und versprach ihr wegen der Glätte ganz vorsichtig zu sein. Diese Einkaufspassage in Greifswald gleicht denen, die ich schon in anderen Städten gesehen habe. Es ist der übliche Mix aus Boutiquen, Blumenläden, Supermärkten und Fressständen. Ich steuerte zuerst den Sparmarkt an, denn es gelüstete mich nach Süßigkeiten und Cola. Die Schwestern in der Onkologie hatten mir erklärt, Cola wäre die Geheimwaffe bei Appetitlosigkeit. Ich wählte eine kleine Flasche zu 0,5 l. Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben mit dem Appetit! Anschließend enterte ich den Zeitungsstand. Meine Linux-Zeitschriften waren in großer Auswahl vorhanden. Ich suchte mir zwei aus. Nach einem Rundgang durch die Passage trottete ich langsam zurück ins Krankenhaus.
Inzwischen war es 11.30 Uhr, und nach etlichen Schlucks aus der Colaflasche stellte sich Hunger ein. Das Essen kam kurz nach 12.00 Uhr. Ich erhielt Möhrengemüse in Mehlpampensoße vergraben, Salzkartoffeln und ein undefinierbares, plattes Etwas. Die Möhrenscheiben waren auf die englische Art zubereitet. Das hießt, sie waren wässrig und geschmacklos. Das platte Etwas konnte ich auch noch nicht bestimmen, nachdem ich es aufgegessen hatte. Es war völlig geschmacksleer. Nach dem Speiseplan sollte es Geflügelfrikadelle sein. Nun ja, für eine Frikadelle war es platt genug. An diesem Essen war nichts gelungen, nicht einmal die Kartoffeln. Außen hatten die eine leichte harte Schale, und im Innern waren sie noch roh. Ich mag nur meine Nudeln „al dente“ und das Gemüse, wenn ich asiatisch koche, noch bissfest. Aber Kartoffeln esse ich am liebsten, wenn sie gar sind. Diese Art der Kartoffelzubereitung und die Mehlpampe weckten in mir unangenehme Erinnerungen an das sozialistische Betriebskantinenessen. Die Scheußlichkeiten, die ich im Warteraum der chirurgischen Sprechstunde über das Essen im Greifswalder Klinikum gehört hatte, waren also nicht übertrieben. Ich sehnte mich nach dem Essen im Demminer Kreiskrankenhaus. Dort kocht man noch selbst und beauftragt keinen Cateringservice. In Demmin hatte ich mich immer auf das Essen gefreut. Hier werde ich es mir wohl abgewöhnen müssen.
Es gibt einen Bereich, indem sich das Krankenhaus hier und das in Demmin gleichen, das betrifft die Betreuung der Patienten. Hier gibt es genauso nette Schwestern, und auch mit den Ärzten komme ich gut klar. Ich fühle mich hier wohl, soweit man das von einem Krankenhaus sagen kann. Die Eingangsuntersuchung nahm eine nette, dunkelhaarige Studentin aus dem 6. Studienjahr vor. Beim EKG wurde sie durch ein klapperndes Geräusch abgelenkt. Es waren aber nicht die Elektroden sondern meine Zähne. „Mein Gott, Sie frieren ja!“, rief sie erstaunt aus. Sie beeilte sich, damit ich wenigstens das dünne Nachthemd wieder überstreifen konnte. Nach der Untersuchung fragte mich einer der Ärzte, ob ich kurz an der Vorlesung des Professors am nächsten Tag mitwirken würde. Die Greifswalder Klinik ist ja immer auch Ausbildungsstätte, und meine Erkrankung schien gut ins Lehrprogramm zu passen. Ich sagte zu, die drei Minuten im Hörsaal würde ich schon überstehen.
Dann wurde ich mit drei anderen Patienten ins neue Klinikum gefahren. Bei mir war eine Kernspintomografie der Leber angeordnet. Aber zuerst hieß es warten. Das ist übrigens die Haupttätigkeit des Patienten in medizinischen Einrichtungen, das Warten auf Untersuchungen, Behandlungen, Ärzte, Schwestern, Operationen, das Essen oder was auch immer. Dann lag ich endlich in der Röhre mit Gewichten auf dem Bauch und Kopfhörern an den Ohren. Aus diesen drangen unaufhörlich lang vermisste Oldies. „I wanna love sombody like you …” Am liebsten hätte ich in der Röhre getanzt, aber ich musste ja ganz still liegen. Da es mir zu blöd war, den blauen Strich über mir anzustarren, schloss ich ganz einfach die Augen. So ließ es sich gut aushalten. Ab und zu erhielt ich Kommandos zum Ein- und Ausatmen und zum Luftanhalten. Dann setzte ein Höllenlärm an. Ich wartete sehnlichst auf das Kommando zum Weiteratmen und auf ein Ende des Krawalls. Nach einer Weile wurde ich ein Stückchen aus der Röhre gefahren. Die Assistenten ergriff meinen rechten Fuß und fragte, ob ich noch lebig wäre. Das Audiosystem funktionierte nicht richtig. Ich konnte sie zwar hören aber sie mich nicht. Nach einer letzten Untersuchung konnte ich die Röhre endlich verlassen. Inzwischen war ich wieder mal ausgelaufen. Ich nehme an durch die Gewichte auf meinem Bauch. Mein Unterhemd, das ein riesiger brauner Fleck zierte, musste ich ausziehen. Im Röntgenraum half man mir mit einem großen Packen Zellstoff aus. Der Röntgenarzt sagte mir, außer der einen bekannten Metastase hätte er nur eine kleine Zyste gefunden. Aber das sei nichts Gefährliches. Ich war erleichtert.
Im Krankenhaus hatten meine Mitpatientinnen inzwischen dafür gesorgt, dass mein Abendbrot nicht abgetragen wurde. Ich musste mir erst ein neues System aufkleben und mich umziehen, ehe ich meinen Hunger stillen konnte. Am Abend setzte sich dann der Stationsarzt, schon fertig für den Heimweg umgezogen, an mein Bett. Er behauptete, wir hätten uns schon kurz auf dem Flur gesehen. Beim besten Willen, ich konnte mich nicht daran erinnern. Er sagte, er hätte da einen weißen Kittel angehabt, und ich hätte ihn wohl übersehen. Das hatte ich in der Tat. Der Doktor sah übrigens in Zivil vorteilhafter aus als im weißen Kittel, wie vermutlich die meisten Menschen. Er wollte mich für einen Auftritt in der Vorlesung des Professors werben und war erfreut, dass ich schon zugesagt hatte. Solange ich nicht im Fernsehen auftreten soll oder von Bild interviewt werde, bin ich für jeden Spaß zu haben.
Sonntag, 22. Januar 2006
Demnächst in Greifswald
Sonntag, 22. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Im Augenblick geht es mir wieder besser. Nach der Darmspiegelung ist mein Innenleben etwas durcheinander geraten. Ich habe auch die wenigen Kilo, die ich mir nach der Therapie angefuttert hatte, wieder verloren. Wie gewonnen so zerronnen, ich wiege noch 58 kg. Ich weiß, dass es genug Frauen gibt, die bei 1,68 m Körpergröße angesichts dieser Nachricht in Jubel ausbrechen würden. Für mich ist es einfach nur ein Desaster. Ich hatte nie die Absicht der spinnenarmigen Nina Ruge Konkurrenz zu machen. So dünne Beine, wie jetzt, hatte ich schon lange nicht mehr. Wenn ich mich im Spiegel betrachte, dann sehe ich, dass mein Hintern nicht mehr vorhanden ist. Vorne sieht es nicht viel besser aus. Vor meiner Operation hatte ich immerhin 80B. So kleine BHs, wie ich sie jetzt benötige, gibt es gar nicht. Erzähl mir mal einer, übertriebene Magerkeit würde gut aussehen. Wie komme ich jetzt zu einem halbwegs normalen Gewicht?
Bei der ersten Operation war ich körperlich auf der Höhe. Jetzt bin ich immer noch schlapp. Meinen Haushalt kann ich ohne Hilfe nicht allein bewältigen. Das macht mir Sorgen. Ich befürchte, dass ich nach der nächsten Operation länger brauchen werde, um wieder auf die Beine zu kommen, wenn ich so schwach bin. Bis zu meiner Erkrankung habe ich selbstständig alles gemanagt. Es ist nicht gerade toll, so hilflos zu sein.
Wie vor meiner ersten Operation bin ich auch dieses Mal wieder zum Friseur gegangen. Während meiner Krankheit hat hier um die Ecke ein neuer Salon aufgemacht. Bis zu dem anderen in die Stadt hätte ich es sowieso nicht geschafft. Mein Haarschnitt ist nun noch kürzer als beim vorigen Mal. Die Ohren sind freigelegt. Bei den momentanen Temperaturen draußen, ich hatte hier an meinem Fenster -9,2 °C, wahrlich keine besonders gute Idee. Aber ich werde die nächste Zeit ja im Krankenbett verbringen und nicht draußen rumhopsen.
Der Friseuse ist natürlich nicht entgangen, dass mir die Haare vermehrt ausgehen. Ich habe ihr den Grund dafür genannt. Nach der Chemo braucht es einige Zeit bis sich alles wieder normalisiert. Viele Frauen ziehen ja ein Gespräch beim Friseur der Plauderei beim Psychiater vor. Wenn man wissen will, wie es einer Frau geht, fragt man am besten ihren Friseur. Wir, die Friseuse und ich, haben dann gemeinsam in einem Frisurenkatalog geblättert. Es dauerte einige Zeit, bis wir uns auf eine Frisur einigen konnten. Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Die Sitzung beim Friseur war recht angenehm. Das wird mein neuer Stammladen, wo er schon so günstig um die Ecke liegt.
Gestern abend war meine Stimmung auf dem Tiefpunkt. Ich war ungefähr genauso verzweifelt wie vor meiner ersten Operation. Nur geheult habe ich diesmal nicht. Angesichts der Diagnose Krebs ist Verzweiflung nicht verwerflich, und ich gestatte sie mir auch. Ich muss nur zusehen, dass sie nicht überwiegt. Wenn ich sagen würde, ich hätte gar keine Angst, so wär das gelogen. Mehr Bammel als vor der Operation habe ich vor dem Ergebnis der Kernspintomografie. Was, wenn sich neben der einen Metastase noch einige weitere gemütlich in meiner Leber eingenistet haben? Ich hoffe, ich werde über das Ergebnis der Untersuchung nicht so im Unklaren gelassen, wie bei der ersten Darmspiegelung. Es ist wie bei einem guten Thriller, die schlimmsten Horrorszenarien spielen sich in meinem Kopf und nicht auf dem Bildschirm ab.
Natürlich habe ich auch das Worst-Case-Scenario durchgespielt, um so mehr weil ich auf Arbeit ja auch immer die günstigste Variante und die, wenn alles schiefläuft, betrachte. Der Tod ist ja heutzutage ein Tabuthema geworden. Wenn man an Krebs erkrankt, kommt man aber nicht umhin, sich auch damit zu beschäftigen. Mehr als über mein eigenes Ende, denke ich jedoch über das Ende meiner Krankheit nach. Meinem Krebs scheint es in meinem Körper sehr gut zu gefallen. Wollen wir hoffen, dass ich zu guter Letzt mehr Durchhaltevermögen haben werde als er.
Ich bin ein wenig auf der Internetseite der Chirurgischen Klinik in Greifswald herumspaziert. Das Spezialgebiet ist die Onkologie also die Geschwulstkrankheiten. Unter Patienteninformation ist dort im Leistungsspektrum auch mein Fall Lebermetastasen aufgeführt. Es gibt auch ein Gruppenfoto mit freundlich lächelnden Mitarbeitern. Meine Angst dämpft das nur wenig.
Wenn wir uns bei einer Installation auf dem Server total verfranzt haben, sagt mein Kollege immer, „Macht nichts. Alles nochmal von vorn, das übt.“ Die gleiche Methode wende ich jetzt in Sachen Leberkrebs an. Alles nochmal von vorn, das übt.
Dies ist mein letzter Artikel vor meiner Fahrt in die Greifswalder Klinik. Wie bei meiner ersten Operation habe ich ein Schreibheft eingesteckt. Ich kann also anschließend meine Artikel posten. Bis dahin ist hier Sendepause.
Bis bald Leute, drückt mir die Daumen!
Bei der ersten Operation war ich körperlich auf der Höhe. Jetzt bin ich immer noch schlapp. Meinen Haushalt kann ich ohne Hilfe nicht allein bewältigen. Das macht mir Sorgen. Ich befürchte, dass ich nach der nächsten Operation länger brauchen werde, um wieder auf die Beine zu kommen, wenn ich so schwach bin. Bis zu meiner Erkrankung habe ich selbstständig alles gemanagt. Es ist nicht gerade toll, so hilflos zu sein.
Wie vor meiner ersten Operation bin ich auch dieses Mal wieder zum Friseur gegangen. Während meiner Krankheit hat hier um die Ecke ein neuer Salon aufgemacht. Bis zu dem anderen in die Stadt hätte ich es sowieso nicht geschafft. Mein Haarschnitt ist nun noch kürzer als beim vorigen Mal. Die Ohren sind freigelegt. Bei den momentanen Temperaturen draußen, ich hatte hier an meinem Fenster -9,2 °C, wahrlich keine besonders gute Idee. Aber ich werde die nächste Zeit ja im Krankenbett verbringen und nicht draußen rumhopsen.
Der Friseuse ist natürlich nicht entgangen, dass mir die Haare vermehrt ausgehen. Ich habe ihr den Grund dafür genannt. Nach der Chemo braucht es einige Zeit bis sich alles wieder normalisiert. Viele Frauen ziehen ja ein Gespräch beim Friseur der Plauderei beim Psychiater vor. Wenn man wissen will, wie es einer Frau geht, fragt man am besten ihren Friseur. Wir, die Friseuse und ich, haben dann gemeinsam in einem Frisurenkatalog geblättert. Es dauerte einige Zeit, bis wir uns auf eine Frisur einigen konnten. Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Die Sitzung beim Friseur war recht angenehm. Das wird mein neuer Stammladen, wo er schon so günstig um die Ecke liegt.
Gestern abend war meine Stimmung auf dem Tiefpunkt. Ich war ungefähr genauso verzweifelt wie vor meiner ersten Operation. Nur geheult habe ich diesmal nicht. Angesichts der Diagnose Krebs ist Verzweiflung nicht verwerflich, und ich gestatte sie mir auch. Ich muss nur zusehen, dass sie nicht überwiegt. Wenn ich sagen würde, ich hätte gar keine Angst, so wär das gelogen. Mehr Bammel als vor der Operation habe ich vor dem Ergebnis der Kernspintomografie. Was, wenn sich neben der einen Metastase noch einige weitere gemütlich in meiner Leber eingenistet haben? Ich hoffe, ich werde über das Ergebnis der Untersuchung nicht so im Unklaren gelassen, wie bei der ersten Darmspiegelung. Es ist wie bei einem guten Thriller, die schlimmsten Horrorszenarien spielen sich in meinem Kopf und nicht auf dem Bildschirm ab.
Natürlich habe ich auch das Worst-Case-Scenario durchgespielt, um so mehr weil ich auf Arbeit ja auch immer die günstigste Variante und die, wenn alles schiefläuft, betrachte. Der Tod ist ja heutzutage ein Tabuthema geworden. Wenn man an Krebs erkrankt, kommt man aber nicht umhin, sich auch damit zu beschäftigen. Mehr als über mein eigenes Ende, denke ich jedoch über das Ende meiner Krankheit nach. Meinem Krebs scheint es in meinem Körper sehr gut zu gefallen. Wollen wir hoffen, dass ich zu guter Letzt mehr Durchhaltevermögen haben werde als er.
Ich bin ein wenig auf der Internetseite der Chirurgischen Klinik in Greifswald herumspaziert. Das Spezialgebiet ist die Onkologie also die Geschwulstkrankheiten. Unter Patienteninformation ist dort im Leistungsspektrum auch mein Fall Lebermetastasen aufgeführt. Es gibt auch ein Gruppenfoto mit freundlich lächelnden Mitarbeitern. Meine Angst dämpft das nur wenig.
Wenn wir uns bei einer Installation auf dem Server total verfranzt haben, sagt mein Kollege immer, „Macht nichts. Alles nochmal von vorn, das übt.“ Die gleiche Methode wende ich jetzt in Sachen Leberkrebs an. Alles nochmal von vorn, das übt.
Dies ist mein letzter Artikel vor meiner Fahrt in die Greifswalder Klinik. Wie bei meiner ersten Operation habe ich ein Schreibheft eingesteckt. Ich kann also anschließend meine Artikel posten. Bis dahin ist hier Sendepause.
Bis bald Leute, drückt mir die Daumen!
Samstag, 14. Januar 2006
Freitag der 13.
Samstag, 14. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Vorgestern habe ich beim Schockwellenreiter den Artikel Große Versprechungen - herbe Enttäuschungen kommentiert. Es ging darin um die Wirkungslosigkeit homäopathischer Mittel, getestet von der Stiftung Warentest. Ich habe meine Ansicht als eine an Krebs Erkrankte zur Alternativmedizin dargelegt. Ich hatte nicht erwartet im Schockwellenreiter einen Leidensgefährten zu finden. Wer hätte das gedacht? Danke übrigens für die nette Antwort auf meinen Kommentar.
Jörg hatte in seiner Antwort geschrieben das Wichtigste wäre sich zu informieren, und er hätte dutzende medizinische Lehrbücher gelesen. Gerade das habe ich nicht getan. Ich habe genau ein Buch über Krebs gelesen, und geschaut was Encarta und Wikipedia über Darmkrebs zu sagen haben, mehr nicht. Die Krankheit bestimmt mein Leben, aber ich will nicht, dass mein ganzes Denken und Tun nur noch darum kreist. Ich will mich nicht verrückt machen. Was nützt es mir, wenn ich ein Dutzend Publikationen lese, die das Für und Wider der Chemotherapie erörtern? Dadurch werde ich nur noch konfuser, als ich durch die Diagnose Krebs so schon bin. Schließlich bin ich kein Mediziner sondern Ingenieur. Eine hilfreiche und kompetente Gabi, die mir beratend zur Seite steht, habe ich auch nicht. Ich muss allein entscheiden. Mein Recht auf nicht mehr wissen wollen, empfinde ich als wohltuend. Mir war nur klar, in irgendjemand und irgendwas muss ich vertrauen, wenn ich aus der Sache heil wieder raus will. Ich beschloss dem gesunden Menschenverstand, meinen Ärzten und meinem Instinkt zu vertrauen. Dass was ich zur Genesung beitragen kann, ist der unbedingte Wille gesund zu werden, und der beharrliche Optimismus, es auch schaffen zu können.
Das Buch, das ich gelesen habe, hat übrigens ein Heilpraktiker geschrieben. Er ist der Ansicht, dass Alternative Medizin eine notwendige Operation oder Chemotherapie nicht ersetzen kann, sondern nur Hilfestellung zur Stabilisierung der Gesundheit leistet. Nicht alle Heilpraktiker sind Scharlatane. Aber ich kenne keinen vertrauenswürdigen Heilpraktiker, deshalb fiel diese Option für mich von vornherein aus.
Wichtig ist trotz der niederschmetternden Diagnose Krebs nicht in Panik zu fallen. Ich gebe zu, das ist nicht gerade leicht besonders jetzt nicht, da mir mein Onkologe gesagt hat, der Krebs ist wiedergekommen als Metastase in der Leber, und er wird diesmal nicht selbst das Skalpell schwingen. Ich muss zur Operation nach Greifswald.
Da war ich nun gestern. Im Krankenhaus in Demmin hatte man mir nicht gesagt, dass ich zur chirurgischen Sprechstunde müsste, sondern ich sollte mich in der chirurgischen Klinik melden. Also bin ich dort mit Sack und Pack angereist und habe anschließend meinen Taxifahrer nach Hause geschickt, ein böser Fehler. Die nette Dame am Eingang sagte mir, ich könne meine Tasche bei ihr lassen. Dann schickt sie mich um mehrere Ecken in den Warteraum der chirurgischen Sprechstunde.
Dort war es fast leer. Außer einer jungen Frau in einem fahrbaren Bett und ihrem Begleiter waren nur zwei weitere Patienten anwesend. Die Mitarbeiterin, der ich meine Papiere reichte, sah erstaunt auf. Der Professor hätte heute keine Sprechstunde oder sei ich etwa Privatpatient? Natürlich nicht. Als Kassenpatient und damit Patient zweiter Klasse hatte ich auch nicht erwartet von einem Professor besichtigt zu werden, selbst wenn sein Name auf dem Umschlag und der Überweisung stand, die man mir mitgegeben hatte. Ein tüchtiger Chirurg, der sein Handwerk versteht, reicht für meinen Bedarf völlig. Ich solle mich hinsetzen, ein Chirurg würde dann mit mir sprechen. Ja, was denn sonst?
Die Zeit verging, und der Warteraum füllte sich merklich. Mir gegenüber saß ein älterer und ein jüngerer Mann. Sie unterhielten sich lautstark über Details ihre Darmkrebserkrankungen wie über Heldentaten in einem gewonnenen Krieg. Einer versuchte den anderen durch noch düsterere Einzelheiten zu toppen. Auch ich leide an Darmkrebs, für mich aber kein Grund, das im Wartesaal geräuschvoll zum besten zu geben. Diese Warteraumgespräche sind furchtbar, man kann ihnen nicht entfliehen. Gewöhnlich hat man anschließend zusätzlich zu seinen eigentlichen Krankheiten ein paar neue.
Dann wurde ich endlich ins Sprechzimmer zwei gerufen. Am Tisch saß der Arzt und eine Schwester. Am Monitor war in Graustufen der Schnitt durch einen Bachraum zu sehen. Ein Organ dehnte sich darin nach links aus, darauf ein dunkler kreisförmiger Fleck, meine Leber und meine Metastase wie ich vermutete. Der Chirurg fragte mich, ob ich diese Ansicht meines Innenlebens schon betrachtet hätte. Nein, das hatte ich nicht. Die Metastase sah größer aus, als ich es erwartet hatte. Der Arzt erkundigte sich, ob mein künstlicher Darmausgang schon nach innen verlegt worden sei. Er ist immer noch außen, denn meine Chemotherapie endete erst am 2. Januar.
Der Chirurg erklärte mir, der Röntgenarzt hätte vorgeschlagen, die Computertomographie durch eine Kernspintomographie der Leber zu ergänzen. Er schloss sich der Empfehlung des Röntgenarztes an und versuchte per Telefon einen Termin für mich zu arrangieren. Sein Telefonat begann er mit, "Ich habe hier eine junge Frau." So ein Charmeur, hat er sonst nur Patientinnen jenseits der 80? Nach einem Blick in meine Akte korrigierte er sich, eine relativ junge Patientin. Haha! An dem Tag, an dem meine Leber im Kernspintomographen abgebildet wird, muss ich früh ins Krankenhaus einrücken. Damit war ich entlassen, ich konnte zurück nach Hause.
Darüber war ich natürlich nicht unglücklich, aber mein Taxi war ja nun weg. Einen Schuldigen für dieses Missgeschick gab es aber, es war Freitag der 13.
Nun saß ich also an der Treppe gegenüber dem Eingang der Poliklinik und wartete, dass mein Taxi wiederkäme. Von Demmin bis Greifswald braucht man im günstigsten Fall 45 Minuten. An meinem Platz an der Treppe huschten Scharen von Studenten, Ärzte, Schwestern und das Reinigungspersonal vorbei. Keiner nahm mich wahr. Wie soll es erst werden, wenn ich mich, abgemagert durch die zweite Operation, hinter einem Besenstiel verstecken kann? Nur ein älterer Mann im weißen Kittel wünschte mir einen guten Tag. Ich grüßte zurück. Dann sagte die nette Dame am Eingang endlich, "Draußen steht ein Demminer Taxi."
Jörg hatte in seiner Antwort geschrieben das Wichtigste wäre sich zu informieren, und er hätte dutzende medizinische Lehrbücher gelesen. Gerade das habe ich nicht getan. Ich habe genau ein Buch über Krebs gelesen, und geschaut was Encarta und Wikipedia über Darmkrebs zu sagen haben, mehr nicht. Die Krankheit bestimmt mein Leben, aber ich will nicht, dass mein ganzes Denken und Tun nur noch darum kreist. Ich will mich nicht verrückt machen. Was nützt es mir, wenn ich ein Dutzend Publikationen lese, die das Für und Wider der Chemotherapie erörtern? Dadurch werde ich nur noch konfuser, als ich durch die Diagnose Krebs so schon bin. Schließlich bin ich kein Mediziner sondern Ingenieur. Eine hilfreiche und kompetente Gabi, die mir beratend zur Seite steht, habe ich auch nicht. Ich muss allein entscheiden. Mein Recht auf nicht mehr wissen wollen, empfinde ich als wohltuend. Mir war nur klar, in irgendjemand und irgendwas muss ich vertrauen, wenn ich aus der Sache heil wieder raus will. Ich beschloss dem gesunden Menschenverstand, meinen Ärzten und meinem Instinkt zu vertrauen. Dass was ich zur Genesung beitragen kann, ist der unbedingte Wille gesund zu werden, und der beharrliche Optimismus, es auch schaffen zu können.
Das Buch, das ich gelesen habe, hat übrigens ein Heilpraktiker geschrieben. Er ist der Ansicht, dass Alternative Medizin eine notwendige Operation oder Chemotherapie nicht ersetzen kann, sondern nur Hilfestellung zur Stabilisierung der Gesundheit leistet. Nicht alle Heilpraktiker sind Scharlatane. Aber ich kenne keinen vertrauenswürdigen Heilpraktiker, deshalb fiel diese Option für mich von vornherein aus.
Wichtig ist trotz der niederschmetternden Diagnose Krebs nicht in Panik zu fallen. Ich gebe zu, das ist nicht gerade leicht besonders jetzt nicht, da mir mein Onkologe gesagt hat, der Krebs ist wiedergekommen als Metastase in der Leber, und er wird diesmal nicht selbst das Skalpell schwingen. Ich muss zur Operation nach Greifswald.
Da war ich nun gestern. Im Krankenhaus in Demmin hatte man mir nicht gesagt, dass ich zur chirurgischen Sprechstunde müsste, sondern ich sollte mich in der chirurgischen Klinik melden. Also bin ich dort mit Sack und Pack angereist und habe anschließend meinen Taxifahrer nach Hause geschickt, ein böser Fehler. Die nette Dame am Eingang sagte mir, ich könne meine Tasche bei ihr lassen. Dann schickt sie mich um mehrere Ecken in den Warteraum der chirurgischen Sprechstunde.
Dort war es fast leer. Außer einer jungen Frau in einem fahrbaren Bett und ihrem Begleiter waren nur zwei weitere Patienten anwesend. Die Mitarbeiterin, der ich meine Papiere reichte, sah erstaunt auf. Der Professor hätte heute keine Sprechstunde oder sei ich etwa Privatpatient? Natürlich nicht. Als Kassenpatient und damit Patient zweiter Klasse hatte ich auch nicht erwartet von einem Professor besichtigt zu werden, selbst wenn sein Name auf dem Umschlag und der Überweisung stand, die man mir mitgegeben hatte. Ein tüchtiger Chirurg, der sein Handwerk versteht, reicht für meinen Bedarf völlig. Ich solle mich hinsetzen, ein Chirurg würde dann mit mir sprechen. Ja, was denn sonst?
Die Zeit verging, und der Warteraum füllte sich merklich. Mir gegenüber saß ein älterer und ein jüngerer Mann. Sie unterhielten sich lautstark über Details ihre Darmkrebserkrankungen wie über Heldentaten in einem gewonnenen Krieg. Einer versuchte den anderen durch noch düsterere Einzelheiten zu toppen. Auch ich leide an Darmkrebs, für mich aber kein Grund, das im Wartesaal geräuschvoll zum besten zu geben. Diese Warteraumgespräche sind furchtbar, man kann ihnen nicht entfliehen. Gewöhnlich hat man anschließend zusätzlich zu seinen eigentlichen Krankheiten ein paar neue.
Dann wurde ich endlich ins Sprechzimmer zwei gerufen. Am Tisch saß der Arzt und eine Schwester. Am Monitor war in Graustufen der Schnitt durch einen Bachraum zu sehen. Ein Organ dehnte sich darin nach links aus, darauf ein dunkler kreisförmiger Fleck, meine Leber und meine Metastase wie ich vermutete. Der Chirurg fragte mich, ob ich diese Ansicht meines Innenlebens schon betrachtet hätte. Nein, das hatte ich nicht. Die Metastase sah größer aus, als ich es erwartet hatte. Der Arzt erkundigte sich, ob mein künstlicher Darmausgang schon nach innen verlegt worden sei. Er ist immer noch außen, denn meine Chemotherapie endete erst am 2. Januar.
Der Chirurg erklärte mir, der Röntgenarzt hätte vorgeschlagen, die Computertomographie durch eine Kernspintomographie der Leber zu ergänzen. Er schloss sich der Empfehlung des Röntgenarztes an und versuchte per Telefon einen Termin für mich zu arrangieren. Sein Telefonat begann er mit, "Ich habe hier eine junge Frau." So ein Charmeur, hat er sonst nur Patientinnen jenseits der 80? Nach einem Blick in meine Akte korrigierte er sich, eine relativ junge Patientin. Haha! An dem Tag, an dem meine Leber im Kernspintomographen abgebildet wird, muss ich früh ins Krankenhaus einrücken. Damit war ich entlassen, ich konnte zurück nach Hause.
Darüber war ich natürlich nicht unglücklich, aber mein Taxi war ja nun weg. Einen Schuldigen für dieses Missgeschick gab es aber, es war Freitag der 13.
Nun saß ich also an der Treppe gegenüber dem Eingang der Poliklinik und wartete, dass mein Taxi wiederkäme. Von Demmin bis Greifswald braucht man im günstigsten Fall 45 Minuten. An meinem Platz an der Treppe huschten Scharen von Studenten, Ärzte, Schwestern und das Reinigungspersonal vorbei. Keiner nahm mich wahr. Wie soll es erst werden, wenn ich mich, abgemagert durch die zweite Operation, hinter einem Besenstiel verstecken kann? Nur ein älterer Mann im weißen Kittel wünschte mir einen guten Tag. Ich grüßte zurück. Dann sagte die nette Dame am Eingang endlich, "Draußen steht ein Demminer Taxi."
Mittwoch, 11. Januar 2006
Schon wieder eine Darmspiegelung!
Mittwoch, 11. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Ich hasse Darmspiegelungen. Die versauen einem nicht nur den Tag, an dem sie stattfinden, sondern auch den davor und den danach. Gestern hatte ich wieder das zweifelhafte Vergnügen.
Vorgestern habe ich mir als Einstimmung einen Sud aus Wasser und einem ekelhaften Pulver zusammengebraut. Wie erwartet überkam mich schon nach dem ersten Schluck das große Würgen. Trotzdem gelang es mir heldenhaft 1 1/2 Liter zu schlucken, dann musste ich mich übergeben. Irgendwie habe ich mir noch, damit nichts umkommt, den letzten halben Liter eingplumpt. Aber danach ging nichts mehr. Ich verzichtete großzügig darauf den letzten Liter anzurühren und zu trinken. Mir war herzlich egal, ob sie deshalb am nächsten Tag im Krankenhaus mit mir meckern würden. Mir war übel. Hungrig und mit Bauchschmerzen von der Würgerei ging ich ins Bett. Nach langem Kampf mit der Bettdecke nickte ich endlich ein.
Der Taxifahrer am nächsten Morgen kam pünktlich. Der Termin im Krankenhaus war um 7.00 Uhr. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl zum ambulanten Zentrum hinauf. Die Schwester wies mir ein Einzelzimmer zu. Dann fragte sie, ob ich denn gestern genug von der Lösung getrunken hätte. Natürlich nicht. Ich sollte noch einen weiteren Liter vertilgen. Uh, auch das noch. Nach einer Weile schaute die Schwester nach einmal ins Zimmer und verkündete die gute Nachricht, ich brauche keinen weiteren Schluck der grauenhaften Mixtur zu mir zu nehmen. Nun hieß es warten. Warum musste ich eigentlich so früh anwesend sein?
Endlich gegen 11.30 Uhr führte mich die Schwester nach unten. Dort wurde ich schon erwartet. Ich musste Hose und Slip ausziehen und dann in blaue Shorts aus einem vliesartigen Material schlüpfen. Der Latz befand sich nicht vorne sondern auf der Rückseite. Die Schwester half mir auf den Behandlungstisch. Dann kam die Ärztin und nach einigem Suchen an meinem Arm wurde mir ein Mittel gespritzt. Wenn ich nicht schon flach gelegen hätte, wäre ich umgefallen. Ich drehte mich auf die Seite, und dann ging es los. Am Bildschirm konnte ich die Serie Darm-TV verfolgen, mein eigenes Innenleben hübsch in Farbe. Schmerzen hatte ich während der Innenschau genauso wie bei den anderen Darmspiegelungen zuvor. Das Endoskop wurde bis zur Naht, an der meinem Darm neu zusammengefügt wurde, gelenkt und dann entfernt. Weil mein Darm entzündet war, hatte ich dabei das Gefühl, als würde mein Hintern in Flammen stehen.
Die Schwester aus dem ambulanten Zentrum wurde gerufen. Sie half mir in den Krankenstuhl und in meine Hose und Schuhe. Den Slip und meine Unterlagen hielt ich in der Hand. So rollte die Schwester mich zurück ins Krankenzimmer. Ich warf Schuhe und Hose von mir und war froh, in meinen schicken blauen Shorts ins Bett krabbeln zu können. Mein Hintern brannte immer noch wie Feuer. Die Uhr zeigte kurz nach 12.00 Uhr. Sie hatten mir gesagt, ich könne um 12.45 Uhr das Krankenhaus verlassen. Als ich erwachte, war es einige Minuten nach 13.30 Uhr, niemand hatte meinen Schlummer unterbrochen. Mein Hinterteil schmerzte noch immer.
Die Schwester rief mein Taxi. Mein Hintern quälte mich noch den ganzen restlichen Tag. Zu Hause schmierte ich mir ein Brötchen. Das sollte die einzige feste Nahrung für diesen Tag bleiben. Am Nachmittag setzten die Blähungen ein. Die Luft, die mir bei der Koloskopie in den Darm geblasen wurde, suchte sich einen Weg nach draußen. Allerdings scheinbar ohne ihn zu finden. Ich kochte mir einen Fencheltee. Am Abend bekam ich Schmerzen im Oberbauch. Ich wusste nicht, wie ich liegen sollte, schlief dann aber doch ein. Um 3.00 Uhr morgens war die Nacht dann vorbei. Ich hatte so starke Schmerzen, dass es mich aus dem Bett trieb. Diesmal trank ich Kamillentee. Drei Stunden später krabbelte ich zurück ins Bett und nickte noch ein wenig ein. Bis zum Mittag plagte mich mein Bauchgrimmen. Ich schlich nur noch so durch meine Wohnung. Am Nachmittag ließen die Schmerzen endlich nach. Darmspiegelung ist Folter!
Vorgestern habe ich mir als Einstimmung einen Sud aus Wasser und einem ekelhaften Pulver zusammengebraut. Wie erwartet überkam mich schon nach dem ersten Schluck das große Würgen. Trotzdem gelang es mir heldenhaft 1 1/2 Liter zu schlucken, dann musste ich mich übergeben. Irgendwie habe ich mir noch, damit nichts umkommt, den letzten halben Liter eingplumpt. Aber danach ging nichts mehr. Ich verzichtete großzügig darauf den letzten Liter anzurühren und zu trinken. Mir war herzlich egal, ob sie deshalb am nächsten Tag im Krankenhaus mit mir meckern würden. Mir war übel. Hungrig und mit Bauchschmerzen von der Würgerei ging ich ins Bett. Nach langem Kampf mit der Bettdecke nickte ich endlich ein.
Der Taxifahrer am nächsten Morgen kam pünktlich. Der Termin im Krankenhaus war um 7.00 Uhr. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl zum ambulanten Zentrum hinauf. Die Schwester wies mir ein Einzelzimmer zu. Dann fragte sie, ob ich denn gestern genug von der Lösung getrunken hätte. Natürlich nicht. Ich sollte noch einen weiteren Liter vertilgen. Uh, auch das noch. Nach einer Weile schaute die Schwester nach einmal ins Zimmer und verkündete die gute Nachricht, ich brauche keinen weiteren Schluck der grauenhaften Mixtur zu mir zu nehmen. Nun hieß es warten. Warum musste ich eigentlich so früh anwesend sein?
Endlich gegen 11.30 Uhr führte mich die Schwester nach unten. Dort wurde ich schon erwartet. Ich musste Hose und Slip ausziehen und dann in blaue Shorts aus einem vliesartigen Material schlüpfen. Der Latz befand sich nicht vorne sondern auf der Rückseite. Die Schwester half mir auf den Behandlungstisch. Dann kam die Ärztin und nach einigem Suchen an meinem Arm wurde mir ein Mittel gespritzt. Wenn ich nicht schon flach gelegen hätte, wäre ich umgefallen. Ich drehte mich auf die Seite, und dann ging es los. Am Bildschirm konnte ich die Serie Darm-TV verfolgen, mein eigenes Innenleben hübsch in Farbe. Schmerzen hatte ich während der Innenschau genauso wie bei den anderen Darmspiegelungen zuvor. Das Endoskop wurde bis zur Naht, an der meinem Darm neu zusammengefügt wurde, gelenkt und dann entfernt. Weil mein Darm entzündet war, hatte ich dabei das Gefühl, als würde mein Hintern in Flammen stehen.
Die Schwester aus dem ambulanten Zentrum wurde gerufen. Sie half mir in den Krankenstuhl und in meine Hose und Schuhe. Den Slip und meine Unterlagen hielt ich in der Hand. So rollte die Schwester mich zurück ins Krankenzimmer. Ich warf Schuhe und Hose von mir und war froh, in meinen schicken blauen Shorts ins Bett krabbeln zu können. Mein Hintern brannte immer noch wie Feuer. Die Uhr zeigte kurz nach 12.00 Uhr. Sie hatten mir gesagt, ich könne um 12.45 Uhr das Krankenhaus verlassen. Als ich erwachte, war es einige Minuten nach 13.30 Uhr, niemand hatte meinen Schlummer unterbrochen. Mein Hinterteil schmerzte noch immer.
Die Schwester rief mein Taxi. Mein Hintern quälte mich noch den ganzen restlichen Tag. Zu Hause schmierte ich mir ein Brötchen. Das sollte die einzige feste Nahrung für diesen Tag bleiben. Am Nachmittag setzten die Blähungen ein. Die Luft, die mir bei der Koloskopie in den Darm geblasen wurde, suchte sich einen Weg nach draußen. Allerdings scheinbar ohne ihn zu finden. Ich kochte mir einen Fencheltee. Am Abend bekam ich Schmerzen im Oberbauch. Ich wusste nicht, wie ich liegen sollte, schlief dann aber doch ein. Um 3.00 Uhr morgens war die Nacht dann vorbei. Ich hatte so starke Schmerzen, dass es mich aus dem Bett trieb. Diesmal trank ich Kamillentee. Drei Stunden später krabbelte ich zurück ins Bett und nickte noch ein wenig ein. Bis zum Mittag plagte mich mein Bauchgrimmen. Ich schlich nur noch so durch meine Wohnung. Am Nachmittag ließen die Schmerzen endlich nach. Darmspiegelung ist Folter!
Donnerstag, 5. Januar 2006
Ein Krebs kommt selten allein.
Donnerstag, 5. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Eigentlich sollte ich mich am 17. Januar in der onkologischen Sprechstunde einfinden. Gestern nun rief mich die Schwester an, ob ich nicht heute schon kommen könnte. Angeblich hätte der Doktor am 17. Urlaub. Komisch, bei mir auf Arbeit weiß jeder, wann der andere frei hat. Termine während des Urlaubs eines Kollegen werden nicht vergeben. Stimmen die sich im Krankenhaus denn nicht ab? Sehr merkwürdig.
Um nicht den Vormittag mit Warten zu verbringen, habe ich stattdessen meinen Rentenversicherer besucht. Gestern abend hatte ich einige Schwierigkeiten die Adresse im Internet zu finden. Seit diesem Jahr firmen sie unter einem anderen Namen. Aber das muss man erstmal wissen. Die alte Homepage existiert zwar noch, ist aber leer. Auf der neuen war keine Seite zu finden, die die Zweigstellen auflistet. Der alte Eintrag im Telefonbuch ist gelöscht, auf den neuen führt kein Hinweis. Warum sollte man es den Versicherten auch so leicht machen? Nur wer hartnäckig sucht, der findet auch.
Der Rentenversicherer hat sein Domizil hinter dem Drogeriemarkt. Im Fahrstuhl war an der entsprechenden Taste sogar ein Namensschildchen angebracht. Na also, es geht doch! Ich musste auch nicht lange warten. Eine nette Frau händigte mir die Formulare für die Reha aus. Einen Teil muss der Onkologe ausfüllen, den anderen ich selbst. Wenn ich Schwierigkeiten mit meinem Part hätte, würde sie mir beim Ausfällen helfen. Damit war ich entlassen.
Da ich schon mal dort war, ging ich gleich in den Drogeriemarkt. Ich habe leichten Schnupfen. Darum ist mal wieder eine neue Zahnbürste fällig. Am Regal mit den Duftwässerchen probierte ich diesmal Essenzen der Firma mit der Banane im Markennamen. Die erste Probe, die ich mir auf den Handrücken sprühte, duftete dezent frisch und angenehm. Die zweite dagegen roch stark penetrant und unerträglich. Ich fühlte mich wie in eine leicht muffelnde Nebelwand eingehüllt. Wenn ich einen unerwünschten Liebhaber verscheuchen wollte, hätte ich mit diesem Gemisch den vollen Erfolg. Jedenfalls schaute mich beim Bäcker ein mir unbekannter Mann so eigenartig an, als trüge ich mein Stoma nicht am Bauch sondern mitten im Gesicht. Wahrscheinlich hatte er nur eine empfindliche Nase.
Zurück von diesem Ausflug kam ich mir vor, als hätte ich einen Marathonlauf hinter mich gebracht. Ich musste mich auf meine Couch packen. Als Gesunde hätte ich bei meinem üblichen forschen Schrittempo 15 Minuten bis zum Drogeriemarkt gebraucht. Nun bin ich durch die Stadt geschlichen und trotzdem völlig fertig! Meine Ausdauer ist dringend verbesserungswürdig.
Je näher der Termin beim Onkologen heranrückte, desto nervöser wurde ich. Mein Taxifahrer war trotz des Sabotagebalkens pünktlich. Vom Warteraum der Notfallambulanz schickte mich eine Schwester nach oben in die Onkologie. Planmäßige Sprechstunde wäre heute nicht, sagte sie mir. Im Flur der Onkologie wartete ein älteres Ehepaar. Die Schwester bat mich, mich zu ihnen zu setzen, sie würde den Doktor holen. Im Flur war es recht frisch und ich erstarrte so langsam zum Eiszapfen. Das ältere Paar wurde zuerst zum Doktor gebeten. Die Tür zum Sprechzimmer gab dabei beim Öffnen oder Schließen Geräusche von sich, als wäre in dem Raum ein Windkanal installiert. Als das ältere Ehepaar das Zimmer wieder verließ, sahen sie sehr bedrückt aus. Ich hörte die Frau leise sagen, sie würde das nicht noch einmal durchstehen, das erste Mal ginge schon fast über ihre Kraft. Mir wurde noch kälter. Der Frost sollte mich auch den restlichen Tag nicht mehr verlassen. Wenn ich psychisch sehr angespannt bin, falle ich gewöhnlich in Winterstarre.
Dann wurde ich in den Windkanal gerufen. Der Doktor bestätigte meine Vermutungen, indem er mir erklärte, bei der Computertomografie am Montag wäre eine Metastase entdeckt worden. Ich antwortetet, das hätte ich schon gemutmaßt, wenn ich so kurz nach der CT ins Krankenhaus beordert werde. Außerdem hatte der Befund nach der Operation ja geheißen, dass fast alle Lymphknoten befallen waren. Das schrie richtig nach Tochtergeschwülsten. Der Doktor sagte mir, dass der Krebs sehr weit oben an der Leber säße. Dann erzählte er mir etwas über Planquadrate in meiner Leber. Für das Planquadrat, in dem mein Krebs residiert, ist das Kreiskrankenhaus Demmin nicht zuständig. Das ist Hoheitsgebiet der Uniklinik Greifswald oder des Krankenhauses Neubrandenburg. Das Ding muss raus, und demnächst liege ich wieder unterm Messer, diesmal vermutlich in Greifswald.
Wieder zu Hause telefonierte ich als erstes mit meinem Vater und seiner Lebensgefährtin. Ich sagte ihnen, ich riefe an, um ihnen den Abend zu versauen. Danach berichtete ich ihnen alles. Mit meiner Tante sprach ich anschließend. Aus meiner Großfamilie muss ich niemanden weiter anrufen. Der sippeninterne Informationsdienst läuft. Meiner Freundin habe ich vorhin eine SMS geschrieben. Mit allen anderen, die noch um mich bangen, den Freunden und Arbeitskollegen werde ich morgen reden.
Ob ich nun verzweifelt bin, weil ich immer noch Krebs habe? Nein, eigentlich nicht. Ich habe keine Schmerzen, muss mich nicht mehr übergeben, und es würgt mich auch nicht mehr. Ich bin nur noch etwas schlapp. Für die Schwere meiner Erkrankung geht es mir recht gut. Außerdem habe ich ein Netzwerk aus Verwandtschaft, Freunden und Arbeitskollegen, das mich auffängt. Hm, einiges habe ich in meinem Leben wohl richtig gemacht.
Um nicht den Vormittag mit Warten zu verbringen, habe ich stattdessen meinen Rentenversicherer besucht. Gestern abend hatte ich einige Schwierigkeiten die Adresse im Internet zu finden. Seit diesem Jahr firmen sie unter einem anderen Namen. Aber das muss man erstmal wissen. Die alte Homepage existiert zwar noch, ist aber leer. Auf der neuen war keine Seite zu finden, die die Zweigstellen auflistet. Der alte Eintrag im Telefonbuch ist gelöscht, auf den neuen führt kein Hinweis. Warum sollte man es den Versicherten auch so leicht machen? Nur wer hartnäckig sucht, der findet auch.
Der Rentenversicherer hat sein Domizil hinter dem Drogeriemarkt. Im Fahrstuhl war an der entsprechenden Taste sogar ein Namensschildchen angebracht. Na also, es geht doch! Ich musste auch nicht lange warten. Eine nette Frau händigte mir die Formulare für die Reha aus. Einen Teil muss der Onkologe ausfüllen, den anderen ich selbst. Wenn ich Schwierigkeiten mit meinem Part hätte, würde sie mir beim Ausfällen helfen. Damit war ich entlassen.
Da ich schon mal dort war, ging ich gleich in den Drogeriemarkt. Ich habe leichten Schnupfen. Darum ist mal wieder eine neue Zahnbürste fällig. Am Regal mit den Duftwässerchen probierte ich diesmal Essenzen der Firma mit der Banane im Markennamen. Die erste Probe, die ich mir auf den Handrücken sprühte, duftete dezent frisch und angenehm. Die zweite dagegen roch stark penetrant und unerträglich. Ich fühlte mich wie in eine leicht muffelnde Nebelwand eingehüllt. Wenn ich einen unerwünschten Liebhaber verscheuchen wollte, hätte ich mit diesem Gemisch den vollen Erfolg. Jedenfalls schaute mich beim Bäcker ein mir unbekannter Mann so eigenartig an, als trüge ich mein Stoma nicht am Bauch sondern mitten im Gesicht. Wahrscheinlich hatte er nur eine empfindliche Nase.
Zurück von diesem Ausflug kam ich mir vor, als hätte ich einen Marathonlauf hinter mich gebracht. Ich musste mich auf meine Couch packen. Als Gesunde hätte ich bei meinem üblichen forschen Schrittempo 15 Minuten bis zum Drogeriemarkt gebraucht. Nun bin ich durch die Stadt geschlichen und trotzdem völlig fertig! Meine Ausdauer ist dringend verbesserungswürdig.
Je näher der Termin beim Onkologen heranrückte, desto nervöser wurde ich. Mein Taxifahrer war trotz des Sabotagebalkens pünktlich. Vom Warteraum der Notfallambulanz schickte mich eine Schwester nach oben in die Onkologie. Planmäßige Sprechstunde wäre heute nicht, sagte sie mir. Im Flur der Onkologie wartete ein älteres Ehepaar. Die Schwester bat mich, mich zu ihnen zu setzen, sie würde den Doktor holen. Im Flur war es recht frisch und ich erstarrte so langsam zum Eiszapfen. Das ältere Paar wurde zuerst zum Doktor gebeten. Die Tür zum Sprechzimmer gab dabei beim Öffnen oder Schließen Geräusche von sich, als wäre in dem Raum ein Windkanal installiert. Als das ältere Ehepaar das Zimmer wieder verließ, sahen sie sehr bedrückt aus. Ich hörte die Frau leise sagen, sie würde das nicht noch einmal durchstehen, das erste Mal ginge schon fast über ihre Kraft. Mir wurde noch kälter. Der Frost sollte mich auch den restlichen Tag nicht mehr verlassen. Wenn ich psychisch sehr angespannt bin, falle ich gewöhnlich in Winterstarre.
Dann wurde ich in den Windkanal gerufen. Der Doktor bestätigte meine Vermutungen, indem er mir erklärte, bei der Computertomografie am Montag wäre eine Metastase entdeckt worden. Ich antwortetet, das hätte ich schon gemutmaßt, wenn ich so kurz nach der CT ins Krankenhaus beordert werde. Außerdem hatte der Befund nach der Operation ja geheißen, dass fast alle Lymphknoten befallen waren. Das schrie richtig nach Tochtergeschwülsten. Der Doktor sagte mir, dass der Krebs sehr weit oben an der Leber säße. Dann erzählte er mir etwas über Planquadrate in meiner Leber. Für das Planquadrat, in dem mein Krebs residiert, ist das Kreiskrankenhaus Demmin nicht zuständig. Das ist Hoheitsgebiet der Uniklinik Greifswald oder des Krankenhauses Neubrandenburg. Das Ding muss raus, und demnächst liege ich wieder unterm Messer, diesmal vermutlich in Greifswald.
Wieder zu Hause telefonierte ich als erstes mit meinem Vater und seiner Lebensgefährtin. Ich sagte ihnen, ich riefe an, um ihnen den Abend zu versauen. Danach berichtete ich ihnen alles. Mit meiner Tante sprach ich anschließend. Aus meiner Großfamilie muss ich niemanden weiter anrufen. Der sippeninterne Informationsdienst läuft. Meiner Freundin habe ich vorhin eine SMS geschrieben. Mit allen anderen, die noch um mich bangen, den Freunden und Arbeitskollegen werde ich morgen reden.
Ob ich nun verzweifelt bin, weil ich immer noch Krebs habe? Nein, eigentlich nicht. Ich habe keine Schmerzen, muss mich nicht mehr übergeben, und es würgt mich auch nicht mehr. Ich bin nur noch etwas schlapp. Für die Schwere meiner Erkrankung geht es mir recht gut. Außerdem habe ich ein Netzwerk aus Verwandtschaft, Freunden und Arbeitskollegen, das mich auffängt. Hm, einiges habe ich in meinem Leben wohl richtig gemacht.
Donnerstag, 29. Dezember 2005
Schnee- und anderes treiben
Donnerstag, 29. Dezember 2005, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Seit gestern abend ziehen Geschwader aus winzigen Flocken an meinem Fenster vorbei. Die Welt versinkt in weißem Puder. Alles ist in milchiger Farbe eingetüncht. Ab und zu stört ein scharrendes Geräusch die Ruhe. Der Nachbar schwingt den Schneeschieber.

Wider erwarten kam mein Taxifahrer heute morgen pünktlich, nachdem er mich am Dienstag so schnöde im Stich gelassen hatte. Zum Glück war ja mein Bruder da, der den Job übernahm. Diese Woche startete meine letzte Chemotherapie. Am Montag nächste Woche ist die Sache dann auch abgehakt.
Die Schwester versetzte mich am Dienstag mit ihrer Ankündigung einer Koloskopie in helle Panik. Uaaaaaaaaahhhhhhhh! Habe ich es schon gesagt? Ich hasse Darmspiegelungen. Vor keiner anderen Untersuchung grause ich mich so wie vor dieser. Heute morgen überraschte ich die Schwester mit der Frage, Darmspiegelung gut und schön, aber müsse ich denn unbedingt dabei sein? Die Schwester schlug vor, ich könne ja versuchen meinen Darm zu überreden, ob er ohne mich zur Koloskopie gehen würde. Allein sie befürchtete, es würde nicht klappen. Das übliche Aufklärungsgespräch zur Darmspiegelung hatte ich schon heute. Ich bekam auch ein Pulver, aus dem ich mir einen leckeren Abführtrank brauen kann. Drei Liter von diesem Gebräu muss ich in mich einfüllen. Dabei werde ich mir die Nase zuhalten müssen. Denn sonst nimmt die Darmentleerung eine andere Richtung als geplant. Dienstag nächste Woche ist dann mein Foltertag. Ich darf mich auch auf einen reizvollen Einlauf vor der Untersuchung freuen.
Wenn alles läuft wie erwartet, und das Ergebnis positiv ausfällt, habe ich die Chance, dass mein Darmausgang wieder zurückverlegt wird. Die Ärztin beim Aufklärungsgespräch wünschte es mir. Ich wünsche es mir auch, denn der Beutel an meiner rechten Seite ist doch eine ziemliche Einschränkung. Wenn das Resultat der Untersuchung negativ ist, muss ich mit dem künstlichen Darmausgang leben. Meine Tante erzählt mir immer, dass Bekannte von ihr das schon seit 15 Jahre tun. Ein echter Trost ist das für mich nicht.
Meine Freundin hat sich heute nachmittag aus ihrem Dorf bis nach Demmin durchgekämpft. So habe ich jetzt auch wieder Kartoffeln und all die Kleinigkeiten im Haus, die mir noch fehlten. Im Augenblick sitze ich hier auf meinem Sofa die Beine in eine Decke gehüllt, das Notebook auf den Knien, und mir ist warm. Draußen stöbert der Schnee kalt vorüber. Falls der Strom nicht ausfüllt, halte ich es dicke bis Montag aus, auch wenn es weiter schneien sollte. So lieb ich den Winter.

Wider erwarten kam mein Taxifahrer heute morgen pünktlich, nachdem er mich am Dienstag so schnöde im Stich gelassen hatte. Zum Glück war ja mein Bruder da, der den Job übernahm. Diese Woche startete meine letzte Chemotherapie. Am Montag nächste Woche ist die Sache dann auch abgehakt.
Die Schwester versetzte mich am Dienstag mit ihrer Ankündigung einer Koloskopie in helle Panik. Uaaaaaaaaahhhhhhhh! Habe ich es schon gesagt? Ich hasse Darmspiegelungen. Vor keiner anderen Untersuchung grause ich mich so wie vor dieser. Heute morgen überraschte ich die Schwester mit der Frage, Darmspiegelung gut und schön, aber müsse ich denn unbedingt dabei sein? Die Schwester schlug vor, ich könne ja versuchen meinen Darm zu überreden, ob er ohne mich zur Koloskopie gehen würde. Allein sie befürchtete, es würde nicht klappen. Das übliche Aufklärungsgespräch zur Darmspiegelung hatte ich schon heute. Ich bekam auch ein Pulver, aus dem ich mir einen leckeren Abführtrank brauen kann. Drei Liter von diesem Gebräu muss ich in mich einfüllen. Dabei werde ich mir die Nase zuhalten müssen. Denn sonst nimmt die Darmentleerung eine andere Richtung als geplant. Dienstag nächste Woche ist dann mein Foltertag. Ich darf mich auch auf einen reizvollen Einlauf vor der Untersuchung freuen.
Wenn alles läuft wie erwartet, und das Ergebnis positiv ausfällt, habe ich die Chance, dass mein Darmausgang wieder zurückverlegt wird. Die Ärztin beim Aufklärungsgespräch wünschte es mir. Ich wünsche es mir auch, denn der Beutel an meiner rechten Seite ist doch eine ziemliche Einschränkung. Wenn das Resultat der Untersuchung negativ ist, muss ich mit dem künstlichen Darmausgang leben. Meine Tante erzählt mir immer, dass Bekannte von ihr das schon seit 15 Jahre tun. Ein echter Trost ist das für mich nicht.
Meine Freundin hat sich heute nachmittag aus ihrem Dorf bis nach Demmin durchgekämpft. So habe ich jetzt auch wieder Kartoffeln und all die Kleinigkeiten im Haus, die mir noch fehlten. Im Augenblick sitze ich hier auf meinem Sofa die Beine in eine Decke gehüllt, das Notebook auf den Knien, und mir ist warm. Draußen stöbert der Schnee kalt vorüber. Falls der Strom nicht ausfüllt, halte ich es dicke bis Montag aus, auch wenn es weiter schneien sollte. So lieb ich den Winter.
Montag, 26. Dezember 2005
Weihnachtsfreuden
Montag, 26. Dezember 2005, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Die Zeit zwischen dem 1. Advent und Weihnachten ist für mich die schönste im Jahr. Weihnachtsdekoration in den Fenstern und an den Häusern, Lebkuchen, Plätzchen, Stollen, Kerzenlicht und hoffentlich Schnee, ich würde nie der Idee verfallen, Weihnachten in südlichen Gefilden zu verbringen. Dem angeblichen Weihnachtsstress, dem es zu entfliehen gilt, schafft man sich doch selber. Es zwingt mich niemand, außer mir selbst, durch die Einkaufspassagen zu hetzen oder den Einfall von Verwandten zu ertragen, die ich eigentlich nicht sehen wollte. Gegen das alles hilft das kleine Wörtchen "nein", wenn wir denn nur konsequent genug wären, zu unseren eigenen Gefühlen zu stehen, statt die Erwartungen der Anderen zu erfüllen.
Am Wochenende des 1. Advents ging es mir körperlich so gut, dass ich mich daran machte meine Wohnzimmerfenster zu schmücken. Die Fenster in meiner Wohnung wurden ein Halbes Jahr nicht geputzt. Ich war dazu nicht in der Lage, und die mich betreuenden Verwandten, Freunde und Arbeitskollegen hatten wichtigere Dinge zu erledigen. Die Orchideen und Bromelien, die auf dem Nachtspeicherofen stehen, schrien nach Pflege. Für das alles, Pflanzenpflege, Fenster putzen und dekorieren, brauchte ich aber nicht wie sonst etwa zwei Stunden. Ich war damit volle zwei Tage beschäftigt, viele Pausen inbegriffen.

Meine Aktivitäten brachten mir Mecker von meinem Chef ein. Gemach, im Augenblick würe ich zu dieser Aktion nicht nochmal fähig. Meine Schlafzimmerfenster wurden mir geputzt und dekoriert. Mein Bauch sah während der fünften Chemotherapie so merkwürdig aus, dass ich ihn der Schwester in der Onkologie vorführen musste. Sonst immer etwas eingefallen, hatte ich mit einem Mal eine dicke Beule rechts neben dem Stoma. Die Schwester holte dann doch lieber einen Arzt. Nach eingehender Besichtigung und Abtasten meines Bauches stand die Diagnose fest, ein Eingeweidebruch. Es tut nicht weh und behindert mich erstmal nicht, deshalb bleibt es auch so, wie es ist. Mein Bauch sieht nur noch ulkiger aus, als er so schon ausschaut. Schweres heben kann ich nach wie vor nicht. Beim Husten und Niesen halte ich mir jetzt immer den Bauch fest. Eingehandelt habe ich mir das ganze bei einem ausgeprägten Hustenanfall.

Für mich verliefen diese Vorweihnachtstage sonst recht entspannend und besinnlich. Notgedrungen musste ich wegen meiner Krankheit im großen Warenhaus Internet einkaufen, statt mich in den Einkaufstrubel zu stürzen. Siehe da, es lief auch. Die letzte Bestellung trudelte vormittags am 24. ein. Gleichzeitig erhielt ich einen Weihnachtsstrauß mit den besten Wünschen der Mitglieder meiner alten Seminargruppe. Danke meine Lieben! Wenn wir uns bei der nächsten Fete wiedersehen, werde ich jeden einzelnen von Euch umärmeln, fest versprochen.
Mein Bruder ist noch bei mir zu Besuch. Er war für die restlichen Besorgungen und für die Hausarbeit zuständig. Meine Aufgabe beschränkte sich aufs Mittagzubereiten. Am 24. Dezember gab es den üblichen "chinesischen Weihnachtskarpfen", am 1. Weihnachtstag Entenbrust in Martiniorangensoße mit Kartoffelklößen und grünen Bohnen, am 2. Weihnachtsfeiertag aßen wir Hirschgulasch in Rotweinsoße mit Thüringer Klöße und Preiselbeerbirnen.
Am Heiligen Abend Karpfen zu essen, ist eigentlich eine polnische Tradition, die meine Mutti bei uns eingeführt hat. Zu Silvester gibt es bei uns keinen Karpfen sondern Fondue. Karpfen oder andere Fische blauzukochen, ist für meine Zunge eine greuliche Art einem toten Fisch Gewalt anzutun. In meiner Küche gibt es das nicht. Karpfen wird im Ofen gebacken entweder mit Zitrone und Butter oder auf die chinesische Art.

Ich wünsche Euch allen noch einen schönen zweiten Weihnachtsfeiertag!
Am Wochenende des 1. Advents ging es mir körperlich so gut, dass ich mich daran machte meine Wohnzimmerfenster zu schmücken. Die Fenster in meiner Wohnung wurden ein Halbes Jahr nicht geputzt. Ich war dazu nicht in der Lage, und die mich betreuenden Verwandten, Freunde und Arbeitskollegen hatten wichtigere Dinge zu erledigen. Die Orchideen und Bromelien, die auf dem Nachtspeicherofen stehen, schrien nach Pflege. Für das alles, Pflanzenpflege, Fenster putzen und dekorieren, brauchte ich aber nicht wie sonst etwa zwei Stunden. Ich war damit volle zwei Tage beschäftigt, viele Pausen inbegriffen.

Meine Aktivitäten brachten mir Mecker von meinem Chef ein. Gemach, im Augenblick würe ich zu dieser Aktion nicht nochmal fähig. Meine Schlafzimmerfenster wurden mir geputzt und dekoriert. Mein Bauch sah während der fünften Chemotherapie so merkwürdig aus, dass ich ihn der Schwester in der Onkologie vorführen musste. Sonst immer etwas eingefallen, hatte ich mit einem Mal eine dicke Beule rechts neben dem Stoma. Die Schwester holte dann doch lieber einen Arzt. Nach eingehender Besichtigung und Abtasten meines Bauches stand die Diagnose fest, ein Eingeweidebruch. Es tut nicht weh und behindert mich erstmal nicht, deshalb bleibt es auch so, wie es ist. Mein Bauch sieht nur noch ulkiger aus, als er so schon ausschaut. Schweres heben kann ich nach wie vor nicht. Beim Husten und Niesen halte ich mir jetzt immer den Bauch fest. Eingehandelt habe ich mir das ganze bei einem ausgeprägten Hustenanfall.

Für mich verliefen diese Vorweihnachtstage sonst recht entspannend und besinnlich. Notgedrungen musste ich wegen meiner Krankheit im großen Warenhaus Internet einkaufen, statt mich in den Einkaufstrubel zu stürzen. Siehe da, es lief auch. Die letzte Bestellung trudelte vormittags am 24. ein. Gleichzeitig erhielt ich einen Weihnachtsstrauß mit den besten Wünschen der Mitglieder meiner alten Seminargruppe. Danke meine Lieben! Wenn wir uns bei der nächsten Fete wiedersehen, werde ich jeden einzelnen von Euch umärmeln, fest versprochen.
Mein Bruder ist noch bei mir zu Besuch. Er war für die restlichen Besorgungen und für die Hausarbeit zuständig. Meine Aufgabe beschränkte sich aufs Mittagzubereiten. Am 24. Dezember gab es den üblichen "chinesischen Weihnachtskarpfen", am 1. Weihnachtstag Entenbrust in Martiniorangensoße mit Kartoffelklößen und grünen Bohnen, am 2. Weihnachtsfeiertag aßen wir Hirschgulasch in Rotweinsoße mit Thüringer Klöße und Preiselbeerbirnen.
Am Heiligen Abend Karpfen zu essen, ist eigentlich eine polnische Tradition, die meine Mutti bei uns eingeführt hat. Zu Silvester gibt es bei uns keinen Karpfen sondern Fondue. Karpfen oder andere Fische blauzukochen, ist für meine Zunge eine greuliche Art einem toten Fisch Gewalt anzutun. In meiner Küche gibt es das nicht. Karpfen wird im Ofen gebacken entweder mit Zitrone und Butter oder auf die chinesische Art.

Ich wünsche Euch allen noch einen schönen zweiten Weihnachtsfeiertag!
Mittwoch, 14. Dezember 2005
Täglich neue Überraschungen
Mittwoch, 14. Dezember 2005, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Heute meldet die 3sat-Sendung "nano" in ihren News, dass der Verzehr von Obst, Gemüse und Vollkorn Darmkrebs nicht verhindern kann. Ja, das habe ich gemerkt. Vor meiner Erkrankung habe ich mich hauptsächlich davon ernährt. Wenig Fleisch, vor allem in Form von Geflügel, täglich 0,5 l Buttermilch oder Kefir sowie einmal Fisch in der Woche und wenig Alkohol vervollkommneten meinen Ernährungsplan. Die meisten, der von mir verzerrten Nahrungsmittel, sollten nach Berichten irgendwelcher Forschungsgruppen das Darmkrebsrisiko senken. Geholfen hat mir das alles nicht die Bohne. Den Empfehlungen von Forschern ist eben auch nicht bedingungslos zu trauen.
Wahrscheinlich spielen bei der Entstehung von Darmkrebs mehr und andere Faktoren eine Rolle, als von den Forschungsgruppen berücksichtigt wurden. Die Ärztin bei der Eingangsuntersuchung im Krankenhaus hatte mir ja erklärt, im Moment könne mir kein Mensch meine Frage beantworten, was meinen Mastdarmkrebs verursacht hat. Nur eins würde feststehen. Menschen, die sich hauptsächlich von Fisch ernährten, würden kaum an Darmkrebs erkranken. So gerne wie ich Fisch esse, mich nur noch davon ernähren, würde ich nicht wollen. Ich werde also mit dem Risiko leben müssen, dass der Krebs wiederkommen kann.
Ob sich die Quälerei, die die Bestrahlung und die Chemotherapie mit sich bringen, gelohnt hat, ist noch nicht raus. Die psychische und die physische Belastung ist enorm. Man kommt während der Therapie wirklich zu nichts wesentlich anderem. Der Krebs ist aber erst besiegt, wenn ich mindestens fünf Jahre keine neuen Geschwülste bekomme. Im Augenblick habe ich nach der Operation und der Strahlungstherapie erst mal zwei Schlachten gewonnen aber noch nicht den Krieg. Seit meiner Erkrankung stelle ich mir nur kleine Ziele und schaue nicht darüber hinaus. Das nächste ist das Ende der Chemotherapie.
Ich habe jetzt die fünfte Chemo hinter mir, eine folgt noch. Die Woche vor der Therapie ging es mir richtig gut, kein Würgen und kein Erbrechen. Aber nach der Chemo kam die Würgerei zurück, und ich habe mich mehrfach grandios erbrochen. Ich habe zwar Tabletten, aber die können nicht alles dämpfen. Im Augenblick geht es mir wieder besser. Ich hoffe das bleibt auch über die Weihnachtsfeiertage so.
Mehr Probleme bereitet mir im Augenblick mein künstlicher Darmausgang. Allein in der letzten Woche bin ich dreimal "ausgelaufen". Das erste Mal kurz nach dem Aufkleben des neuen Systems. Während ich gerade dabei war, die Platte oben und an den Seiten abzudichten, tropfte es unten. Also nochmal das ganze von vorn. Das nächste Mal saß ich abends friedlich auf meinem Sofa das Notebook auf den Knien im Internet surfend, als es plötzlich an der Seite feucht wurde. Das dritte Malheur passierte morgens, irgendwie fühlte sich mein Nachthemd nass an. Die undichte Stelle konnte ich zuerst nicht entdecken. Dann bemerkte ich jedoch, dass der Filter am Beutel undicht wahr, ein Novum. Eines der vier Löcher des Filters war wohl zu groß. Das ließ sich einfach durch Aufkleben eines Papierkreises richten. Der Papierkreis gehört zur Ausstattung und soll eigentlich dazu dienen, um beim Duschen oder Baden den Wassereintritt in den Beutel zu verhindern. Er ließ natürlich auch in die umgekehrte Richtung keine Flüssigkeit durch. Solange das alles bei mir zu Hause passiert, ertrage ich es mit Fassung. Es bleibt mir auch nichts weiter übrig.
Dieses "Auslaufen" ist auch ein guter Grund, warum ich Weihnachten hier verbringen werde, abgesehen davon, dass ich die lange Fahrt nach Berlin zu meinen Lieben gar nicht durchstehen würde. Wenn schon solche Scherereien, dann doch lieber in der eigenen Wohnung und nicht während des Besuchs.
Wahrscheinlich spielen bei der Entstehung von Darmkrebs mehr und andere Faktoren eine Rolle, als von den Forschungsgruppen berücksichtigt wurden. Die Ärztin bei der Eingangsuntersuchung im Krankenhaus hatte mir ja erklärt, im Moment könne mir kein Mensch meine Frage beantworten, was meinen Mastdarmkrebs verursacht hat. Nur eins würde feststehen. Menschen, die sich hauptsächlich von Fisch ernährten, würden kaum an Darmkrebs erkranken. So gerne wie ich Fisch esse, mich nur noch davon ernähren, würde ich nicht wollen. Ich werde also mit dem Risiko leben müssen, dass der Krebs wiederkommen kann.
Ob sich die Quälerei, die die Bestrahlung und die Chemotherapie mit sich bringen, gelohnt hat, ist noch nicht raus. Die psychische und die physische Belastung ist enorm. Man kommt während der Therapie wirklich zu nichts wesentlich anderem. Der Krebs ist aber erst besiegt, wenn ich mindestens fünf Jahre keine neuen Geschwülste bekomme. Im Augenblick habe ich nach der Operation und der Strahlungstherapie erst mal zwei Schlachten gewonnen aber noch nicht den Krieg. Seit meiner Erkrankung stelle ich mir nur kleine Ziele und schaue nicht darüber hinaus. Das nächste ist das Ende der Chemotherapie.
Ich habe jetzt die fünfte Chemo hinter mir, eine folgt noch. Die Woche vor der Therapie ging es mir richtig gut, kein Würgen und kein Erbrechen. Aber nach der Chemo kam die Würgerei zurück, und ich habe mich mehrfach grandios erbrochen. Ich habe zwar Tabletten, aber die können nicht alles dämpfen. Im Augenblick geht es mir wieder besser. Ich hoffe das bleibt auch über die Weihnachtsfeiertage so.
Mehr Probleme bereitet mir im Augenblick mein künstlicher Darmausgang. Allein in der letzten Woche bin ich dreimal "ausgelaufen". Das erste Mal kurz nach dem Aufkleben des neuen Systems. Während ich gerade dabei war, die Platte oben und an den Seiten abzudichten, tropfte es unten. Also nochmal das ganze von vorn. Das nächste Mal saß ich abends friedlich auf meinem Sofa das Notebook auf den Knien im Internet surfend, als es plötzlich an der Seite feucht wurde. Das dritte Malheur passierte morgens, irgendwie fühlte sich mein Nachthemd nass an. Die undichte Stelle konnte ich zuerst nicht entdecken. Dann bemerkte ich jedoch, dass der Filter am Beutel undicht wahr, ein Novum. Eines der vier Löcher des Filters war wohl zu groß. Das ließ sich einfach durch Aufkleben eines Papierkreises richten. Der Papierkreis gehört zur Ausstattung und soll eigentlich dazu dienen, um beim Duschen oder Baden den Wassereintritt in den Beutel zu verhindern. Er ließ natürlich auch in die umgekehrte Richtung keine Flüssigkeit durch. Solange das alles bei mir zu Hause passiert, ertrage ich es mit Fassung. Es bleibt mir auch nichts weiter übrig.
Dieses "Auslaufen" ist auch ein guter Grund, warum ich Weihnachten hier verbringen werde, abgesehen davon, dass ich die lange Fahrt nach Berlin zu meinen Lieben gar nicht durchstehen würde. Wenn schon solche Scherereien, dann doch lieber in der eigenen Wohnung und nicht während des Besuchs.
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