Montag, 24. April 2006
Alles nochmal von vorn,
Montag, 24. April 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
das übt. Hatte ich ja leichtsinnigerweise vor der Operation an meiner Leber gesagt, dass dies aber noch eine Chemotherapie einschließt, war jedoch nicht abgemacht. Genausowenig eingeplant war, dass die zweite Chemo noch einen Zahn schärfer wird als die erste. Immer getreu Murphys Gesetz:
Zusätzlich kämpfe ich ja immer noch mit den Folgen der Rückverlegung wie schmerzhaftes Darmkollern und vermehrte Toilettengänge. Meinem Stuhl zufolge bin ich jetzt ein Kaninchen. Allerdings muss ich jeden Köttel einzeln zum Klo tragen. Der Arzt in Greifswald hatte mir geraten, zum Aufbau der Darmflora vermehrt probiotisches Zeug zu trinken. Die Wirkung scheint aber mehr eine Glaubensfrage zu sein. In der Apotheke gibt es Mittel um die Darmflora wieder in Gang zu kriegen, nur bei einer Chemotherapie verbieten die sich von selbst. Es sind lebende Organismen, und die Tierchen könnten sich in diesem Fall über den ganzen Körper ausbreiten. Das wäre dann doch zuviel des Guten. Es gibt für mich nur eine Möglichkeit mit den bösen Blähungen fertigzuwerden, ich krabbel in mein Bett, rolle mich dort zusammen und warte, bis die Schmerzen nachlassen.
In der Chemowoche habe ich außer viel Tee an manchen Tagen gerade mal ½ Brötchen zu mir nehmen können wegen Übelkeit oder Bauchschmerzen oder beiden zusammen. Davon kann ich natürlich nicht groß und stark werden. Genau eine Wochen nach der Chemotherapie, bin ich wieder zur festen Nahrung übergegangen. Auf meinen Körper hatte das einen durchschlagenden Erfolg. Nach einigen hektischen Sitzungen war mein Bauch völlig leergeräumt und ich so erledigt, dass ich mich gleich ins Bett packte. Ansonsten sehe ich durchaus Fortschritte, die letzte Operationsnarbe heilt langsam zu, mein Hintern ist nicht mehr blutig, und ich muss nicht alle fünf Minuten auf Klo sondern nur noch alle zehn Minuten.
Im Fernsehen hingegen hatte die ARD für eine Woche das wenig vergnügliche Thema Krebs im Programm. Ich habe davon kaum etwas gesehen. Wie man sich fühlt, wenn man aus heiterem Himmel mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, weiß ich aus erster Hand. Genausowenig muss ich mir im Fernsehen anschauen, wie man sich mit den Nebenwirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung rumschlägt. Das kenne ich, und was die Chemo betrifft, erfahre ich das jede zweite Woche von neuem, ich breche einfach still vor mich hin.
Ich habe mir die Dokumentation über einen kleinen Jungen angesehen, der schon viele Metastasen hatte. Seine Ärzte haben seine Chancen mit 50% bewertet. Die Eltern haben daraufhin die Chemo abgebrochen und behauptet, ihrem Kind würde es jetzt besser gehen. Na sicher, die Chemotherapie ist eine Quälerei! Wenn ich sie aufgebe, würde auch ich mich mit einem Schlage besser fühlen, aber geheilt wäre ich damit noch nicht. Die Chance, dass der Krebs wiederkommt, würde sich vergrößern. Die Eltern haben mit ihrer Entscheidung ihrem Kind jegliche Möglichkeit genommen. Statt der Ärzte haben sie einem Quacksalber mit Doktortitel vertraut, der ihnen versprach seine Vitamintherapie würde den Krebs heilen. Beweisen musste er seine Behauptungen nicht. Dieser Doktor stellte sich bei seinen Werbeveranstaltungen sehr erfolgreich als Verfolgter der Ärzteschaft und der Pharmaindustrie dar. Niemand stellte seine Thesen bei diesen Konferenzen in Frage. Erstaunlich, oder doch eher nicht? Den kleinen Jungen benutzte er als Gallionsfigur für seine Propagandaversprechen. Während im Kinderkörper die Metastasen wuchsen und wuchsen, erklärte dieser Doktor der Junge wäre durch seine Mittel vom Krebs geheilt. Genügend Geld verdeckt anscheinend jeden Skrupel. Die Wirklosigkeit dieser Vitaminpillen bei Krebs ist nachgewiesen. In Deutschland können sie so nicht verkauft werden. Aber es gibt ja den Versandhandel, der aus der Schweiz liefert. Die Ärzte konnten die Sache nicht auf sich beruhen lassen und haben versucht, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Das Gericht hat diesen Antrag nur abgewiesen, weil der Krebs schon zu weit fortgeschritten war. An diesem ist der kleine Junge letztendlich gestorben. Darüber gibt es ein amtliches Dokument. Seine Eltern hingegen leugnen noch immer, dass sie ihr Kind durch Krebs verloren haben. Aus ihrer Sicht ist das verständlich, denn dann müssten sie ihre Mitschuld eingestehen. Sie haben die Chemotherapie abgebrochen. Für mich unfassbar macht der Quacksalber noch immer sein Geschäft mit der Hoffnung der Krebskranken. Es gibt leider kein Gesetz, das verbietet aus der Dummheit der Menschen Profit zu schlagen, nicht einmal in einem moralisch so fragwürdigen Fall.
Der andere Bericht, den ich sah, zeigte eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern. Ihr hatte der Arzt nach der Therapie ein aus seiner Sicht notwendiges Mittel verschrieben, damit der Krebs nicht wiederkommt. Die Krankenkasse weigerte sich die Kosten zu übernehmen. Als Privatpatientin hätte die Frau das Medikament ohne Wenn und Aber erhalten. Die Mitarbeiter der Krankenkasse waren echt süß, sie sagten der Patientin, sie solle doch bedenken, wieviel sie ihrer Krankenkasse kosten würde. Ob diese Mitarbeiter die Kostenfrage auch stellen würden, wenn sie selbst oder ein Familienmitglied erkrankt wären? Die Patientin hat ihr Medikament doch noch bekommen, einfach weil sie hartnäckig genug ihre Krankenkasse nervte. Die Begründung, die sie daraufhin dem Reporter gab, und die dieser nicht in Frage stellte, hinterließ bei mir jedoch einen üblen Nachgeschmack. Sie sagte, sie müsse das Mittel bekommen, weil sie noch jung wäre und zwei kleine Kinder hätte. Wollen wir jetzt anfangen Medikamente nach einem Punktesystem zu vergeben? Nach meinem Empfinden soll jeder Patient, die notwendigen Medikamente erhalten unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienzugehörigkeit, Anzahl oder Alter der Kinder. Alles andere wäre eine Form von Euthanasie und weder mit der Würde des Menschen noch mit dem Grundgesetz vereinbar. Punktum!
Wenn es dir schlecht geht, lächle. Es kommt noch schlimmer.Ich bekam wieder eine Chemopumpe, die diesmal an zwei aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 22 Stunden lief. Bei der ersten Chemotherapie hatte ich das Ding ja für eine Woche um den Hals. Übel war mir dafür auch gleich am Abend des ersten Behandlungstages. Nach Auskunft der Schwester hätte ich diesmal als Nebenwirkung schmerzhaftes Fingerkribbeln haben müssen. Von Kribbeln in den Fingern spürte ich nichts. Ich hatte dagegen wieder die üblichen Verdächtigen Übelkeit und Erbrechen am Hals. Komischerweise tat mir auch der Kiefer an beiden Seiten weh, sobald ich nur versuchte etwas zu essen. Die Schwester sagte, darüber hätte noch niemand geklagt. Sie schob es auf meine übergroße Magerkeit. Aber der Kiefer schmerzt nur in der Woche, in der ich die Chemo habe. It is not a bug it is a feature, würde mein Chef behaupten. Ich halte meine Kiefernbeschwerden für ein Merkmal der Chemo.
Zusätzlich kämpfe ich ja immer noch mit den Folgen der Rückverlegung wie schmerzhaftes Darmkollern und vermehrte Toilettengänge. Meinem Stuhl zufolge bin ich jetzt ein Kaninchen. Allerdings muss ich jeden Köttel einzeln zum Klo tragen. Der Arzt in Greifswald hatte mir geraten, zum Aufbau der Darmflora vermehrt probiotisches Zeug zu trinken. Die Wirkung scheint aber mehr eine Glaubensfrage zu sein. In der Apotheke gibt es Mittel um die Darmflora wieder in Gang zu kriegen, nur bei einer Chemotherapie verbieten die sich von selbst. Es sind lebende Organismen, und die Tierchen könnten sich in diesem Fall über den ganzen Körper ausbreiten. Das wäre dann doch zuviel des Guten. Es gibt für mich nur eine Möglichkeit mit den bösen Blähungen fertigzuwerden, ich krabbel in mein Bett, rolle mich dort zusammen und warte, bis die Schmerzen nachlassen.
In der Chemowoche habe ich außer viel Tee an manchen Tagen gerade mal ½ Brötchen zu mir nehmen können wegen Übelkeit oder Bauchschmerzen oder beiden zusammen. Davon kann ich natürlich nicht groß und stark werden. Genau eine Wochen nach der Chemotherapie, bin ich wieder zur festen Nahrung übergegangen. Auf meinen Körper hatte das einen durchschlagenden Erfolg. Nach einigen hektischen Sitzungen war mein Bauch völlig leergeräumt und ich so erledigt, dass ich mich gleich ins Bett packte. Ansonsten sehe ich durchaus Fortschritte, die letzte Operationsnarbe heilt langsam zu, mein Hintern ist nicht mehr blutig, und ich muss nicht alle fünf Minuten auf Klo sondern nur noch alle zehn Minuten.
Es entwickelt sich, Genossen Bauern!Ich hatte unverkennbar eine Begegnung mit Gregorij Kossonossow und „Jazz – Lyrik – Prosa“. Über die CD werde ich demnächst einen Artikel schreiben, wenn mich mein Hintern denn für längere Zeit vorm Notebook hocken lässt. „Den Hasen im Rausch“ kann ich inzwischen wieder vollständig rezitieren. Im Greifswalder Unikrankenhaus hatte ich da noch einige Schwierigkeiten. Die Chemotherapie hält für mich nicht viel Amüsantes bereit, da muss ich meinen CD-Player schon ab und zu mit so etwas füttern wie diesem Silberling.
Im Fernsehen hingegen hatte die ARD für eine Woche das wenig vergnügliche Thema Krebs im Programm. Ich habe davon kaum etwas gesehen. Wie man sich fühlt, wenn man aus heiterem Himmel mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, weiß ich aus erster Hand. Genausowenig muss ich mir im Fernsehen anschauen, wie man sich mit den Nebenwirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung rumschlägt. Das kenne ich, und was die Chemo betrifft, erfahre ich das jede zweite Woche von neuem, ich breche einfach still vor mich hin.
Ich habe mir die Dokumentation über einen kleinen Jungen angesehen, der schon viele Metastasen hatte. Seine Ärzte haben seine Chancen mit 50% bewertet. Die Eltern haben daraufhin die Chemo abgebrochen und behauptet, ihrem Kind würde es jetzt besser gehen. Na sicher, die Chemotherapie ist eine Quälerei! Wenn ich sie aufgebe, würde auch ich mich mit einem Schlage besser fühlen, aber geheilt wäre ich damit noch nicht. Die Chance, dass der Krebs wiederkommt, würde sich vergrößern. Die Eltern haben mit ihrer Entscheidung ihrem Kind jegliche Möglichkeit genommen. Statt der Ärzte haben sie einem Quacksalber mit Doktortitel vertraut, der ihnen versprach seine Vitamintherapie würde den Krebs heilen. Beweisen musste er seine Behauptungen nicht. Dieser Doktor stellte sich bei seinen Werbeveranstaltungen sehr erfolgreich als Verfolgter der Ärzteschaft und der Pharmaindustrie dar. Niemand stellte seine Thesen bei diesen Konferenzen in Frage. Erstaunlich, oder doch eher nicht? Den kleinen Jungen benutzte er als Gallionsfigur für seine Propagandaversprechen. Während im Kinderkörper die Metastasen wuchsen und wuchsen, erklärte dieser Doktor der Junge wäre durch seine Mittel vom Krebs geheilt. Genügend Geld verdeckt anscheinend jeden Skrupel. Die Wirklosigkeit dieser Vitaminpillen bei Krebs ist nachgewiesen. In Deutschland können sie so nicht verkauft werden. Aber es gibt ja den Versandhandel, der aus der Schweiz liefert. Die Ärzte konnten die Sache nicht auf sich beruhen lassen und haben versucht, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Das Gericht hat diesen Antrag nur abgewiesen, weil der Krebs schon zu weit fortgeschritten war. An diesem ist der kleine Junge letztendlich gestorben. Darüber gibt es ein amtliches Dokument. Seine Eltern hingegen leugnen noch immer, dass sie ihr Kind durch Krebs verloren haben. Aus ihrer Sicht ist das verständlich, denn dann müssten sie ihre Mitschuld eingestehen. Sie haben die Chemotherapie abgebrochen. Für mich unfassbar macht der Quacksalber noch immer sein Geschäft mit der Hoffnung der Krebskranken. Es gibt leider kein Gesetz, das verbietet aus der Dummheit der Menschen Profit zu schlagen, nicht einmal in einem moralisch so fragwürdigen Fall.
Der andere Bericht, den ich sah, zeigte eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern. Ihr hatte der Arzt nach der Therapie ein aus seiner Sicht notwendiges Mittel verschrieben, damit der Krebs nicht wiederkommt. Die Krankenkasse weigerte sich die Kosten zu übernehmen. Als Privatpatientin hätte die Frau das Medikament ohne Wenn und Aber erhalten. Die Mitarbeiter der Krankenkasse waren echt süß, sie sagten der Patientin, sie solle doch bedenken, wieviel sie ihrer Krankenkasse kosten würde. Ob diese Mitarbeiter die Kostenfrage auch stellen würden, wenn sie selbst oder ein Familienmitglied erkrankt wären? Die Patientin hat ihr Medikament doch noch bekommen, einfach weil sie hartnäckig genug ihre Krankenkasse nervte. Die Begründung, die sie daraufhin dem Reporter gab, und die dieser nicht in Frage stellte, hinterließ bei mir jedoch einen üblen Nachgeschmack. Sie sagte, sie müsse das Mittel bekommen, weil sie noch jung wäre und zwei kleine Kinder hätte. Wollen wir jetzt anfangen Medikamente nach einem Punktesystem zu vergeben? Nach meinem Empfinden soll jeder Patient, die notwendigen Medikamente erhalten unabhängig von Alter, Geschlecht, Familienzugehörigkeit, Anzahl oder Alter der Kinder. Alles andere wäre eine Form von Euthanasie und weder mit der Würde des Menschen noch mit dem Grundgesetz vereinbar. Punktum!
Sonntag, 2. April 2006
Wie weiter?
Sonntag, 2. April 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Am Montagmorgen fuhr ich per Taxi ins ambulante Zentrum des Demminer Kreiskrankenhauses. Mein Onkologe sagte einfach, nachdem er den Brief aus Greifswald gelesen hatte, "Dann schlagen wir noch einmal drauf." Ich erhielt den Montag in einer Woche als Termin, dann beginnt meine 2. Chemotherapie.
Weil ich diese Nachricht nicht für mich behalten konnte, spazierte ich zwei Straßen weiter zu meinen Arbeitskollegen. Sie waren genauso wenig begeistert wie ich. Mit mir können sie dieses Jahr nicht mehr rechnen. Trotzdem werden sie mich weiter unterstützen wie bisher. Einer meiner Arbeitskollege kochte mir erstmal einen Fencheltee. Die Arbeitskollegin hatte am Wochenende Geburtstag gehabt, und so beschlossen sie, das Geburtstagfrühstück am nächsten Tag zu machen, damit ich daran teilnehmen konnte. Ab nächster Woche wird es in dieser Hinsicht für mich ja schwieriger. Ein Arbeitskollege setzte mich bei meinem Hausarzt ab. Ich übergab den Brief und erhielt, weil das Wartezimmer brechend voll war, einen Termin für den nächsten Morgen.
Ich ging noch in den Blumenladen nebenan, um ein Sträußchen für meine Arbeitskollegin zu kaufen. Die Blumenfrau fragte mich, ob ich krank wäre, weil ich so abgenommen hätte. Ich kaufe schon jahrelang meine Blumen bei ihr und lasse mir Sträuße binden. Deshalb sah ich keinen Grund, es ihr nicht zu sagen, zumal ich mir sicher war, Verständnis und Mitgefühl zu finden. Mein Krebs ist keine geheime Staatsaktion. Wenn man wie ich innerhalb von 8 Monaten 20 Kilo abnimmt, ist das nun mal zu sehen. Ich wiege jetzt 54 kg, das ist gerade noch Kleidergröße 34. Demnächst kann ich mich in der Kinderabteilung umsehen. Ein Besenstiel wirft im Augenblick einen breiteren Schatten als ich.
Nach dem Geburtstagfrühstück am nächsten Morgen suchte ich meinen Hausarzt auf. Mein Arzt war sauer, aber nicht mit mir, sondern weil ich 14 Tage nach der Operation noch voll verklammert vor ihm lag. Der Brief, den ich ihm aus Greifswald mitgebracht hatte, verkündete hingegen, die Klammern wären mir gezogen worden. Ich erklärte, ich wüsste nicht, was in dem Schreiben stand. Sonst hätte ich mich schon beim Arzt in Greifswald beschwert. Ich erzählte auch, dass ich gefragt hätte, ob mir die Klammern entfernt werden würden. Die Antwort war ja gewesen, dass würde beim Hausarzt passieren. Mein Arzt sagte mir, er würde mich am liebsten zurück in die Greifswalder Klinik schicken, damit sie mir dort die Klammern ziehen. Aber natürlich tat er mir das nicht an. Die Schwester entfernte mir die Klammern und klebte anschließend ein Pflaster auf, weil es an einer Stelle ein wenig suppte.
Inzwischen bin ich über eine Woche zu Hause. Die Wunde suppt immer noch, hoffentlich entzündet sich das nicht. Im Gegensatz zum Krankenhaus, wo mein Darm erst am Nachmittag anfing zu rumoren, arbeitet er jetzt den ganzen Tag. Mein einziges Trachten besteht darin, mir nicht in die Hosen zu machen. Ich habe keine eine große Sitzung sondern an die einhundert kleine. Meine Unterwäsche schütze ich mit ganz normalen Binden, nicht mit solchen Surfbrettern wie im Krankenhaus. Zu Windeln wollte ich noch nicht übergehen. Ich hatte den Arzt im Krankenhaus gefragt, ob mich nach der OP Dauersitzungen und ein Pavianhintern erwarten würde, wie ich im Stoma-Forum gelesen hatte. Er hatte verneint, bei mir wäre noch genug Dickdarm vorhanden. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Mein Hintern ist wieder wund und blutig. Obwohl mir mein Arbeitskollege das zarteste Toilettenpapier besorgt hat, was in der Drogerie zu bekommen war, ist es für meinen Po wie Sandpapier. Weil ich so oft auf Klo muss, ist mir übel, und Appetit habe ich auch längst keinen mehr. Am liebsten würde ich gar nichts mehr essen, wenn die Folgen nicht so dramatisch wären. Ich bin schon dünn genug. Essen kann ich immer noch nicht alles. Im Stoma-Forum habe ich den Link Ernährung bei Krebs und nach Darmoperation gefunden. An die Empfehlungen halte ich mich.
Meine Krankheit dauert nun schon so lange, ohne dass ich zur Ruhe komme. Immer, wenn ich gedacht habe, jetzt hätte ich es überstanden, kam was Neues und haute mir die Beine weg. Die Sippe, die Freunde, die Arbeitskollegen, alle reden sie mir gut zu, und sagen ich soll durchhalten. Aber so langsam merke ich, wie ich mürbe werde. Ich habe die Nase gestrichen voll, obwohl es ja eigentlich mehr die Hose ist. Durch die vielen Toilettengänge bin ich so eingeschränkt, wie ich es mit Stoma niemals war. Ich kann nicht mal mehr zum Bäcker gehen. Den Antworten im Stoma-Forum zufolge kann sich das noch wochen- oder monatelang hinziehen. Mein armer Hintern! In der nächsten Woche verschärfen wir das ganze ein wenig und beginnen mit der nächsten Chemotherapie. Dann werde ich an einer Art Brechdurchfall leiden. Na wenigstens ist mein Bad zu klein, als dass ich dabei Probleme haben dürfte. Die Toilettenschüssel ist gleich neben dem Waschbecken. Was bleibt mir da weiter übrig als meinen Lieblingssong anzustimmen? Always look on the bright side of life …
Weil ich diese Nachricht nicht für mich behalten konnte, spazierte ich zwei Straßen weiter zu meinen Arbeitskollegen. Sie waren genauso wenig begeistert wie ich. Mit mir können sie dieses Jahr nicht mehr rechnen. Trotzdem werden sie mich weiter unterstützen wie bisher. Einer meiner Arbeitskollege kochte mir erstmal einen Fencheltee. Die Arbeitskollegin hatte am Wochenende Geburtstag gehabt, und so beschlossen sie, das Geburtstagfrühstück am nächsten Tag zu machen, damit ich daran teilnehmen konnte. Ab nächster Woche wird es in dieser Hinsicht für mich ja schwieriger. Ein Arbeitskollege setzte mich bei meinem Hausarzt ab. Ich übergab den Brief und erhielt, weil das Wartezimmer brechend voll war, einen Termin für den nächsten Morgen.
Ich ging noch in den Blumenladen nebenan, um ein Sträußchen für meine Arbeitskollegin zu kaufen. Die Blumenfrau fragte mich, ob ich krank wäre, weil ich so abgenommen hätte. Ich kaufe schon jahrelang meine Blumen bei ihr und lasse mir Sträuße binden. Deshalb sah ich keinen Grund, es ihr nicht zu sagen, zumal ich mir sicher war, Verständnis und Mitgefühl zu finden. Mein Krebs ist keine geheime Staatsaktion. Wenn man wie ich innerhalb von 8 Monaten 20 Kilo abnimmt, ist das nun mal zu sehen. Ich wiege jetzt 54 kg, das ist gerade noch Kleidergröße 34. Demnächst kann ich mich in der Kinderabteilung umsehen. Ein Besenstiel wirft im Augenblick einen breiteren Schatten als ich.
Nach dem Geburtstagfrühstück am nächsten Morgen suchte ich meinen Hausarzt auf. Mein Arzt war sauer, aber nicht mit mir, sondern weil ich 14 Tage nach der Operation noch voll verklammert vor ihm lag. Der Brief, den ich ihm aus Greifswald mitgebracht hatte, verkündete hingegen, die Klammern wären mir gezogen worden. Ich erklärte, ich wüsste nicht, was in dem Schreiben stand. Sonst hätte ich mich schon beim Arzt in Greifswald beschwert. Ich erzählte auch, dass ich gefragt hätte, ob mir die Klammern entfernt werden würden. Die Antwort war ja gewesen, dass würde beim Hausarzt passieren. Mein Arzt sagte mir, er würde mich am liebsten zurück in die Greifswalder Klinik schicken, damit sie mir dort die Klammern ziehen. Aber natürlich tat er mir das nicht an. Die Schwester entfernte mir die Klammern und klebte anschließend ein Pflaster auf, weil es an einer Stelle ein wenig suppte.
Inzwischen bin ich über eine Woche zu Hause. Die Wunde suppt immer noch, hoffentlich entzündet sich das nicht. Im Gegensatz zum Krankenhaus, wo mein Darm erst am Nachmittag anfing zu rumoren, arbeitet er jetzt den ganzen Tag. Mein einziges Trachten besteht darin, mir nicht in die Hosen zu machen. Ich habe keine eine große Sitzung sondern an die einhundert kleine. Meine Unterwäsche schütze ich mit ganz normalen Binden, nicht mit solchen Surfbrettern wie im Krankenhaus. Zu Windeln wollte ich noch nicht übergehen. Ich hatte den Arzt im Krankenhaus gefragt, ob mich nach der OP Dauersitzungen und ein Pavianhintern erwarten würde, wie ich im Stoma-Forum gelesen hatte. Er hatte verneint, bei mir wäre noch genug Dickdarm vorhanden. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Mein Hintern ist wieder wund und blutig. Obwohl mir mein Arbeitskollege das zarteste Toilettenpapier besorgt hat, was in der Drogerie zu bekommen war, ist es für meinen Po wie Sandpapier. Weil ich so oft auf Klo muss, ist mir übel, und Appetit habe ich auch längst keinen mehr. Am liebsten würde ich gar nichts mehr essen, wenn die Folgen nicht so dramatisch wären. Ich bin schon dünn genug. Essen kann ich immer noch nicht alles. Im Stoma-Forum habe ich den Link Ernährung bei Krebs und nach Darmoperation gefunden. An die Empfehlungen halte ich mich.
Meine Krankheit dauert nun schon so lange, ohne dass ich zur Ruhe komme. Immer, wenn ich gedacht habe, jetzt hätte ich es überstanden, kam was Neues und haute mir die Beine weg. Die Sippe, die Freunde, die Arbeitskollegen, alle reden sie mir gut zu, und sagen ich soll durchhalten. Aber so langsam merke ich, wie ich mürbe werde. Ich habe die Nase gestrichen voll, obwohl es ja eigentlich mehr die Hose ist. Durch die vielen Toilettengänge bin ich so eingeschränkt, wie ich es mit Stoma niemals war. Ich kann nicht mal mehr zum Bäcker gehen. Den Antworten im Stoma-Forum zufolge kann sich das noch wochen- oder monatelang hinziehen. Mein armer Hintern! In der nächsten Woche verschärfen wir das ganze ein wenig und beginnen mit der nächsten Chemotherapie. Dann werde ich an einer Art Brechdurchfall leiden. Na wenigstens ist mein Bad zu klein, als dass ich dabei Probleme haben dürfte. Die Toilettenschüssel ist gleich neben dem Waschbecken. Was bleibt mir da weiter übrig als meinen Lieblingssong anzustimmen? Always look on the bright side of life …
Freitag, 24. März 2006
Abgang
Freitag, 24. März 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Im Krankenhaus waren alle Tage gleich, sie ließen sich schlecht unterscheiden. Es war immer der gleiche Ablauf von Wecken, Waschen, Visite, Frühstück, Mittag, Mittagsruhe, Kaffee, Visite, Abendbrot, Duschen für Dr. ... und Nachtruhe. Nur wenig störte die Routine. Zum Beispiel, wenn die Mitpatienten Besuch bekamen, oder wenn die Schwesternschülerinnen ihre Hilfe anboten. Im Gegensatz zur Station in Demmin, bei der nur eine Schülerin die Schwestern unterstützte, gab es hier in Greifswald gleich eine ganze Schar. Sie boten, wenn Zeit war, den Patientinnen an, ihnen die Füße zu waschen oder die Haare. Beides war recht angenehm. Freiheit für meine Füße. Die freuten sich für kurze Zeit dem engen Cancanstrumpfgefängnis zu entrinnen. Durch das Liegen im Bett hatten hier alle Frauen über kurz oder lang die gleiche Irokesenfrisur. Bei mir kam noch hinzu, dass ich am Kopf am meisten schwitze. Nachts schwitzte ich sehr viel, obwohl wir die Heizung abgedreht hatten. Eines morgens sah ich so katastrophal aus, dass die Schwesternschülerin als erstes „Guten Morgen!“ sagte und als zweites „Kopfwaschen“. Sie wusch ihn mir überm Waschbecken und fönte mir auch anschließend die Haare. Die standen dann in alle Richtungen, sodass ich aussah wie der Struwwelpeter höchstpersönlich. Meine Mitpatientin bot mir ihren Fönstab an. Ich lehnte dankend ab, ich hielt meine Struwwelpeterfrisur für durchaus krankenhaustauglich.
Im Krankenhaus waren alle Tage gleich, und ich träumte so still vor mich hin. Meine Nachbarin hatte mir erzählt, dass wir im Sommer endlich verglaste Balkons erhalten sollten. Ich bin mir noch nicht im Klaren, wie ich dies zusätzliche Zimmer künftig nutzen werde. Stelle ich einen großen Esstisch hinein oder eine Recamiere? Auf alle Fälle wollte ich dort für meine Arbeitskollegen, die mir während meiner Erkrankung zur Seite standen, ein Abendessen geben. Ich war gerade bei der Menüliste angelangt, als der Stationsarzt das Zimmer betrat.
Er teilte mir mit, dass wegen der Lebermetastase eine zweite Chemo nötig wird. Damit waren mit einem Schlag alle meine Pläne zunichte. Ich hatte fest damit gerechnet noch in diesem Jahr wieder arbeiten zu können. Mein große Geburtstagsfete im Sommer fällt auch ins Wasser. Schöner Schiet. Immerhin weiß ich, was mich erwartet. Meine Nägel werden brüchig werden, die Haare werden vermehrt ausfallen, und meine Haut wird sich wieder in die einer alten Schildkröte verwandeln. Die gravierendsten Nebenwirkungen werden Übelkeit und Erbrechen sein. Da ich in einem DDR-Plattenbau wohne, werden auch die Nachbar wieder etwas davon haben, wenn ich mit dem Kopf über der Schüssel hänge, und es mich würgt. Selbst, wenn ich dann nichts mehr im Magen habe. Dieses Gewürge ist das schlimmste! Aber sehen wir die ganze Sache mal positiv. Eine Bestrahlung ist nicht erforderlich. Deren Auswirkungen waren viel prekärer.
Der Stationsarzt erzählte mir drei Tage hintereinander, dass er mit mir ein Gespräch wegen der Nachsorge führen würde. Dann hatte irgendjemand offensichtlich anders entschieden. Bei der Visite am vierten Tag meinte er nur noch, Greifswald würde eine Chemotherapie empfehlen, die Entscheidung aber Demmin überlassen, und stürzte mich damit in Panik. Was denn nun? Ist die Chemotherapie nun notwendig oder nicht? Was ist, wenn man sich in Demmin anders entscheidet als in Greifswald? Für mich war das ganze ein haltloser Zustand. Ich wusste also nicht, woran ich war, Chemotherapie ja oder nein, und das einen Tag, bevor ich mich nach Hause verabschieden sollte. Die Tochter meiner Mitpatientin vertrat die Ansicht, es wäre unverantwortlich mich so aus dem Krankenhaus zu entlassen. Sie riet mir, nicht noch einen Tag abzuwarten, sondern gleich im Demminer Krankenhaus anzurufen. Was ich auch tat. Die Onkologie in Demmin war einer der Rettungsanker während meiner Erkrankung gewesen. Als ich die vertraute Stimme der Schwester hörte, ging es mir schon gleich viel besser. Ich bekam einen Termin für den folgenden Montag.
Inzwischen wurde meine Mitpatientin von ihrer Familie abgeholt. Sie verabschiedete sich von mir nicht ohne mich zu umärmeln. Falls bei mir eine Chemotherapie fällig wird, so haben wir alle Chancen uns bei der Reha in der Kurklinik wiederzusehen.
Ein Einzelzimmer hatte ich aber nur bis zum Abend, dann kam eine neue Patientin ins Zimmer. Sie hatte auch Darmkrebs so wie ich und ebenfalls ein Stoma gehabt, wenn auch nur für sehr kurze Zeit. Sie zeigte mir ihre Narbe, und so weiß ich ungefähr, wie meine einmal aussehen wird, wenn alles verheilt ist. Ihr war der Port, da er unwirksam war, entfernt worden. Dabei war festgestellt worden, ein kleines Teil hatte sich vom Port gelöst und war mit dem Blut gewandert. Jetzt lag es unterhalb der Brust. Was nicht alles passieren kann, da wird einem bange. Hier in Greifswald sollte ihr das Teil entfernt werden. Sie hoffte, in drei Tagen wieder zu Hause zu sein. Die Eingangsuntersuchung am nächsten Tag nahm auch wieder das gleiche Studentenpärchen wie bei mir vor. Die Patientin stammte von der Insel Rügen. Als der Student daraufhin „in Rügen“ von sich gab, wurde er von seiner Kommilitonin scharf verbessert „Auf Rügen. Wir leben nicht mehr in Erdlöchern.“ Ich musste lachen und gab ihr die volle Punktzahl. Zur Ehrenrettung ihres Kommilitonen sagte die Studentin, er wäre lernfähig.
Ich harrte der Dinge, die da kamen. Die Schwester erschien und übergab mir den Brief an meinen Hausarzt. Ich war immer noch im Nachthemd und wollte wissen, ob mir bald jemand die Klammern ziehen würde. Die Schwester verneinte, die Klammern würden mir beim Hausarzt entfernt. Schön, dass mir das auch einer sagt, am Tag vorher bei der Visite klang das noch ganz anders. Der Brief nur für meinen Hausarzt war mir natürlich nicht genug. Also stapfte ich zum Stationsarzt ins Schwesternzimmer und verlangte ein Schreiben für meinen Onkologen. Der Stationsarzt behauptete, es sei ihm nicht gelungen, den Namen meines Arztes ins Programm einzufügen. Was soll daran so schwierig sein? Er druckte mir den Brief an den Hausarzt einfach noch einmal aus. Aber mein Doktor würde ja in dem Schreiben erwähnt. Zum Beweis hielt er mir den Brief unter die Nase. Ich hatte keine Brille auf und hätte gut einen Blindenhund gebrauchen können. Meine Augen zusammenkneifend konnte ich mit Mühe und Not den Namen meines Onkologen entziffern. Das auch nur, weil der Doktor mit dem Finger darauf zeigte. Nun, mit Brille wäre das nicht passiert. Den Brief hatte ich jetzt, die Studenten waren fort, und ich konnte endlich meinen Abgang vorbereiten. Meine Mitpatientin half mir aus den grässlich engen Cancanstrümpfen. Wie beim letzten Mal holte mich auch dieses Mal mein Vater ab. Ich hoffe, ich muss nie wieder in ein Krankenhaus!
Im Krankenhaus waren alle Tage gleich, und ich träumte so still vor mich hin. Meine Nachbarin hatte mir erzählt, dass wir im Sommer endlich verglaste Balkons erhalten sollten. Ich bin mir noch nicht im Klaren, wie ich dies zusätzliche Zimmer künftig nutzen werde. Stelle ich einen großen Esstisch hinein oder eine Recamiere? Auf alle Fälle wollte ich dort für meine Arbeitskollegen, die mir während meiner Erkrankung zur Seite standen, ein Abendessen geben. Ich war gerade bei der Menüliste angelangt, als der Stationsarzt das Zimmer betrat.
Er teilte mir mit, dass wegen der Lebermetastase eine zweite Chemo nötig wird. Damit waren mit einem Schlag alle meine Pläne zunichte. Ich hatte fest damit gerechnet noch in diesem Jahr wieder arbeiten zu können. Mein große Geburtstagsfete im Sommer fällt auch ins Wasser. Schöner Schiet. Immerhin weiß ich, was mich erwartet. Meine Nägel werden brüchig werden, die Haare werden vermehrt ausfallen, und meine Haut wird sich wieder in die einer alten Schildkröte verwandeln. Die gravierendsten Nebenwirkungen werden Übelkeit und Erbrechen sein. Da ich in einem DDR-Plattenbau wohne, werden auch die Nachbar wieder etwas davon haben, wenn ich mit dem Kopf über der Schüssel hänge, und es mich würgt. Selbst, wenn ich dann nichts mehr im Magen habe. Dieses Gewürge ist das schlimmste! Aber sehen wir die ganze Sache mal positiv. Eine Bestrahlung ist nicht erforderlich. Deren Auswirkungen waren viel prekärer.
Der Stationsarzt erzählte mir drei Tage hintereinander, dass er mit mir ein Gespräch wegen der Nachsorge führen würde. Dann hatte irgendjemand offensichtlich anders entschieden. Bei der Visite am vierten Tag meinte er nur noch, Greifswald würde eine Chemotherapie empfehlen, die Entscheidung aber Demmin überlassen, und stürzte mich damit in Panik. Was denn nun? Ist die Chemotherapie nun notwendig oder nicht? Was ist, wenn man sich in Demmin anders entscheidet als in Greifswald? Für mich war das ganze ein haltloser Zustand. Ich wusste also nicht, woran ich war, Chemotherapie ja oder nein, und das einen Tag, bevor ich mich nach Hause verabschieden sollte. Die Tochter meiner Mitpatientin vertrat die Ansicht, es wäre unverantwortlich mich so aus dem Krankenhaus zu entlassen. Sie riet mir, nicht noch einen Tag abzuwarten, sondern gleich im Demminer Krankenhaus anzurufen. Was ich auch tat. Die Onkologie in Demmin war einer der Rettungsanker während meiner Erkrankung gewesen. Als ich die vertraute Stimme der Schwester hörte, ging es mir schon gleich viel besser. Ich bekam einen Termin für den folgenden Montag.
Inzwischen wurde meine Mitpatientin von ihrer Familie abgeholt. Sie verabschiedete sich von mir nicht ohne mich zu umärmeln. Falls bei mir eine Chemotherapie fällig wird, so haben wir alle Chancen uns bei der Reha in der Kurklinik wiederzusehen.
Ein Einzelzimmer hatte ich aber nur bis zum Abend, dann kam eine neue Patientin ins Zimmer. Sie hatte auch Darmkrebs so wie ich und ebenfalls ein Stoma gehabt, wenn auch nur für sehr kurze Zeit. Sie zeigte mir ihre Narbe, und so weiß ich ungefähr, wie meine einmal aussehen wird, wenn alles verheilt ist. Ihr war der Port, da er unwirksam war, entfernt worden. Dabei war festgestellt worden, ein kleines Teil hatte sich vom Port gelöst und war mit dem Blut gewandert. Jetzt lag es unterhalb der Brust. Was nicht alles passieren kann, da wird einem bange. Hier in Greifswald sollte ihr das Teil entfernt werden. Sie hoffte, in drei Tagen wieder zu Hause zu sein. Die Eingangsuntersuchung am nächsten Tag nahm auch wieder das gleiche Studentenpärchen wie bei mir vor. Die Patientin stammte von der Insel Rügen. Als der Student daraufhin „in Rügen“ von sich gab, wurde er von seiner Kommilitonin scharf verbessert „Auf Rügen. Wir leben nicht mehr in Erdlöchern.“ Ich musste lachen und gab ihr die volle Punktzahl. Zur Ehrenrettung ihres Kommilitonen sagte die Studentin, er wäre lernfähig.
Ich harrte der Dinge, die da kamen. Die Schwester erschien und übergab mir den Brief an meinen Hausarzt. Ich war immer noch im Nachthemd und wollte wissen, ob mir bald jemand die Klammern ziehen würde. Die Schwester verneinte, die Klammern würden mir beim Hausarzt entfernt. Schön, dass mir das auch einer sagt, am Tag vorher bei der Visite klang das noch ganz anders. Der Brief nur für meinen Hausarzt war mir natürlich nicht genug. Also stapfte ich zum Stationsarzt ins Schwesternzimmer und verlangte ein Schreiben für meinen Onkologen. Der Stationsarzt behauptete, es sei ihm nicht gelungen, den Namen meines Arztes ins Programm einzufügen. Was soll daran so schwierig sein? Er druckte mir den Brief an den Hausarzt einfach noch einmal aus. Aber mein Doktor würde ja in dem Schreiben erwähnt. Zum Beweis hielt er mir den Brief unter die Nase. Ich hatte keine Brille auf und hätte gut einen Blindenhund gebrauchen können. Meine Augen zusammenkneifend konnte ich mit Mühe und Not den Namen meines Onkologen entziffern. Das auch nur, weil der Doktor mit dem Finger darauf zeigte. Nun, mit Brille wäre das nicht passiert. Den Brief hatte ich jetzt, die Studenten waren fort, und ich konnte endlich meinen Abgang vorbereiten. Meine Mitpatientin half mir aus den grässlich engen Cancanstrümpfen. Wie beim letzten Mal holte mich auch dieses Mal mein Vater ab. Ich hoffe, ich muss nie wieder in ein Krankenhaus!
Mittwoch, 22. März 2006
Gespräche
Mittwoch, 22. März 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Die Schwester fragte mich, ob ich in ein Zweierzimmer umziehen wollte. Natürlich wollte ich. Also wurde mein Bett samt Nachttisch rübergeschoben. Meine neue Mitpatientin war Lehrerin. Ihr war an der Bauchspeicheldrüse ein Krebs entfernt worden. Bei dieser Art von Krebs wird im Anschluss an die OP keine Chemotherapie fällig. Im Krankenhaus wird im Rahmen einer Studie geprüft, wie zwei bekannte Krebsmittel bei Krebs an der Bauchspeicheldrüse wirken. Eines der Mittel kannte ich gut, ich hatte es während meiner Chemo verabreicht bekommen. Meine Mitpatientin hatte die Chance an dieser Studie teilzunehmen und nahm sie auch war. An ihrer Stelle hätte ich mich ebenso entschieden, zumal sie durch eine Patientenversicherung während der Studie abgesichert ist. Das Mittel wird ihr per Los zugeteilt. Falls es mein Krebsmedikament sein sollte, wird sie auch einen Port bekommen. Bei dem anderen Medikament ist das nicht nötig. So gut es ging, versuchte ich, sie zu beruhigen und ihr die Angst vor der Chemo und dem Port zu nehmen. Ich erklärte ihr, dass diese Krebsmedikamente bei jedem anders wirken. Sie muss deshalb nicht die gleichen Nebenwirkungen wie ich haben. Bei mir waren es Übelkeit und Erbrechen, bei anderen Patienten Durchfall.
Wer meint, man könne sich in einem Krankenhaus erholen, hat keine Ahnung. Ich schlief sehr schlecht wegen der vielen fremden Geräusche, und weil mein wiedererwachter Dickdarm mich zu schnellen Sprints über den Krankenhausflur trieb. Gewöhnlich kam ich auf weniger als 5 Stunden Schlaf pro Nacht. Am Tag war auch keine Gelegenheit, den versäumten Nachtschlaf nachzuholen. Irgendwer kam immer ins Zimmer, wenn ich gerade eingenickt war. Die Schwesternschülerin wollte Temperatur, Blutdruck und Puls messen, oder der Vampir vom Dienst wollte Blut sehen. Nach dem Mittagessen, wenn dann endlich Ruhe einzog, hätte ich herrlich schlafen können. Aber gerade dann klopfte die Mitarbeiterin der Cateringfirma an die Tür. Ich hätte die Dame erwürgen können.
Der Stationsarzt hingegen erheiterte uns durch seine Aufforderung zu duschen an meine Mitpatientin bei mindestens jeder zweiten Visite. Dabei litt sie in Duschkabinen unter Platzangst und war so wie ich ein Badewannenfan. Wir wuschen uns weiter im Waschbecken. Eines Tages duschte sie dann doch bei geöffneter Kabine, wenn auch nur die Füße. "Bei der Olympiade hieß es, siegen für Deutschland. Hier heißt es, duschen für Dr. ...", kommentierte ich die Angelegenheit.
Mein Zimmergenossin und ich, wir verstanden uns sehr gut, und vetrauten uns gegenseitig unsere Ängste und Nöte an. Ich lernte auch ihre Familie kennen, den Mann, die Tochter und die kleine Enkelin, die sich vor mich stellte und die Ärmchen hochstreckte. Ich hob den Winzling hoch ohne an meine Operationsnarbe zu denken. Sie war so, wie meine beiden Neffen in dem Alter waren, und hatte auch keine Angst vor fremden Personen. Ich berichtete der Familie von meiner immerhin schon über 8 Monate dauernden Erkrankung, der Darm-OP, dem künstlichen Ausgang, der Bestrahlung, der Chemo und den anderen Operationen.
Mein Beutelchen interessierte die Tochter besonders. Sie wollte wissen, wie eine Liebesbeziehung funktionieren kann, wenn einer der beiden Partner ein Stoma hat. Aus eigenem Erleben konnte ich nichts zu diesem Thema beisteuern. Seit meiner Erkrankung lebe ich auch in dieser Hinsicht abstinent. Ich könnte problemlos einem Konvent beitreten, wenn sie denn da Atheisten aufnehmen würden. Besonders während der Bestrahlung hatte ich das Gefühl zum Neutrum zu mutieren. Auch bei der Chemotherapie ist man da nicht besser dran, wenn man auf die Frage "Liebst du mich?" statt zu antworten, sich erst einmal übergeben müsste. Eine Beziehung, in der es vor der Erkrankung gekriselt hat, wird ein Stoma wohl kaum überstehen. Die Krankenhausärzte verschweigen das Thema Stoma und Sex dezent. Die andere Frage wäre, ob ich denn genug Vertrauen hätte, mit ihnen darüber zu reden, wohl kaum, dann schon eher mit meinem Hausarzt oder Gynäkologen. Aus Gesprächen mit anderen Patientinnen weiß ich, dass ein Stoma das Ende der sexuellen aber nicht das Ende der Beziehung insgesamt bedeuten kann. Die meisten meiner neuen Bekannten aus dem Stoma-Forum leben dessen ungeachtet erfreulicherweise in einer stabilen Liebesbeziehung. Wobei der jeweilige Partner wesentlich daran beteiligt ist, das Problem Stoma im alltäglichen Leben zu meistern. Es erleichtert die Sache natürlich beträchtlich, wenn man jemand hat, der einem zur Seite steht, wie bei allem anderen im Leben auch, und der einen so annimmt, wie man ist. Aber denjenigen muss man erst einmal finden.
Christian hatte mir ja in einem Kommentar über seine Schwierigkeiten damit berichtet. Im Forum schilderte eine Teilnehmerin, sie hätte ihr Stoma durch eine Darmerkrankung schon im Teenalter bekommen. Ein Arzt sagte ihr, sie würde nie eine eigene Familie haben können. Solche Ärzte sollten nicht einmal Kühe behandeln dürfen, geschweige denn Menschen! Wie kann man jemand von vornherein jegliche Hoffnung nehmen? Inzwischen ist sie verheiratet. Für ihren Mann ist das Stoma einfach ein Teil von ihr. Diese Geschichte lässt doch hoffen. Der erste Schritt in eine Partnerschaft wäre sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist, und nicht mit dem Schicksal zu hadern. Für mich gehörte dazu, auch über mein Stoma zu sprechen. Wem ich von meinem Krebs erzählt habe, der wußte auch, dass ich ein Beutelchen hatte. Ich sah nicht den geringsten Grund mich zu schämen, weil ich ein Känguruh war. Mein Selbstbewußtsein hat dadurch nicht gelitten. Man muss wegen des Stomas auf nichts verzichten. Unabhängig davon, dass uns die Medien tagtäglich sugerieren wollen, glücklich wäre nur, wer jung, schön, gesund und schlank ist. Es gibt genug Leute, die sich dem Druck beugen. Warum sonst hätten Schönheitschirurgen so viel zu tun? Für mich wäre das nichts, ganz abgesehen davon, dass ich von Operationen ein für alle mal genug habe. Zu meinen Falten stehe ich. Ich habe sie mir, bis auf die über der Nasenwurzel, ehrlich mit Lachen erworben. An mein Gesicht oder sonstige Körperteile kommt mir kein Botox oder Silikon, und die Falten glattziehen, lasse ich mir auch nicht. Hier im Krankenhaus habe ich zur Gesichtspflege nur Wasser und Creme verwendet. Das muss reichen.
Altern ist schließlich ein natürlicher Prozeß und keine Krankheit. Leider beginnt er schon nach dem 25. Lebensjahr. Panta rhei, Leben ist Veränderung. Einer meiner Onkel behauptete immer, mit 35 Jahren gehen die Generalreparaturen los. In seinem eigenen Fall kann ich das durch historische Beobachtungen belegen. Der Anfang war ein Köpper im knietiefen Wasser. Aua. Seitdem ging es mit ihm steil bergab. Viele wünschen sich, sie könnten noch mal 20 sein, ich nicht. Es ist gut so, wie es ist. Das Älterwerden bringt durchaus einige Vorteile. Aus dem Konkurrenzkampf kann ich mich gelassen ausschalten. Ich trete nicht in den Wettbewerb mit Frauen, die halb so alt sind wie ich. Die jungen Frauen stehen unter ganz schönem Druck, die Erwartungen zu erfüllen, die andere an sie stellen, Werte zu bedienen, die nicht ihre eigenen sind. Die Kraft sich davon freizumachen, haben die wenigsten. Ich bin jetzt in einem Alter, das in der Werbung nicht mehr vorkommt, für Gesichtscreme und Duftwässerchen zu alt, für Haftcreme und Kürbiskerne zu jung. Es gibt Frauen, die sind durch die Jagd nach der verlorenen Jugend so vergrämt und angespannt, dass sie davon ganz alt aussehen. Ich will lieber verfaltet und fröhlich sein als glatt und verbissen.
Wer meint, man könne sich in einem Krankenhaus erholen, hat keine Ahnung. Ich schlief sehr schlecht wegen der vielen fremden Geräusche, und weil mein wiedererwachter Dickdarm mich zu schnellen Sprints über den Krankenhausflur trieb. Gewöhnlich kam ich auf weniger als 5 Stunden Schlaf pro Nacht. Am Tag war auch keine Gelegenheit, den versäumten Nachtschlaf nachzuholen. Irgendwer kam immer ins Zimmer, wenn ich gerade eingenickt war. Die Schwesternschülerin wollte Temperatur, Blutdruck und Puls messen, oder der Vampir vom Dienst wollte Blut sehen. Nach dem Mittagessen, wenn dann endlich Ruhe einzog, hätte ich herrlich schlafen können. Aber gerade dann klopfte die Mitarbeiterin der Cateringfirma an die Tür. Ich hätte die Dame erwürgen können.
Der Stationsarzt hingegen erheiterte uns durch seine Aufforderung zu duschen an meine Mitpatientin bei mindestens jeder zweiten Visite. Dabei litt sie in Duschkabinen unter Platzangst und war so wie ich ein Badewannenfan. Wir wuschen uns weiter im Waschbecken. Eines Tages duschte sie dann doch bei geöffneter Kabine, wenn auch nur die Füße. "Bei der Olympiade hieß es, siegen für Deutschland. Hier heißt es, duschen für Dr. ...", kommentierte ich die Angelegenheit.
Mein Zimmergenossin und ich, wir verstanden uns sehr gut, und vetrauten uns gegenseitig unsere Ängste und Nöte an. Ich lernte auch ihre Familie kennen, den Mann, die Tochter und die kleine Enkelin, die sich vor mich stellte und die Ärmchen hochstreckte. Ich hob den Winzling hoch ohne an meine Operationsnarbe zu denken. Sie war so, wie meine beiden Neffen in dem Alter waren, und hatte auch keine Angst vor fremden Personen. Ich berichtete der Familie von meiner immerhin schon über 8 Monate dauernden Erkrankung, der Darm-OP, dem künstlichen Ausgang, der Bestrahlung, der Chemo und den anderen Operationen.
Mein Beutelchen interessierte die Tochter besonders. Sie wollte wissen, wie eine Liebesbeziehung funktionieren kann, wenn einer der beiden Partner ein Stoma hat. Aus eigenem Erleben konnte ich nichts zu diesem Thema beisteuern. Seit meiner Erkrankung lebe ich auch in dieser Hinsicht abstinent. Ich könnte problemlos einem Konvent beitreten, wenn sie denn da Atheisten aufnehmen würden. Besonders während der Bestrahlung hatte ich das Gefühl zum Neutrum zu mutieren. Auch bei der Chemotherapie ist man da nicht besser dran, wenn man auf die Frage "Liebst du mich?" statt zu antworten, sich erst einmal übergeben müsste. Eine Beziehung, in der es vor der Erkrankung gekriselt hat, wird ein Stoma wohl kaum überstehen. Die Krankenhausärzte verschweigen das Thema Stoma und Sex dezent. Die andere Frage wäre, ob ich denn genug Vertrauen hätte, mit ihnen darüber zu reden, wohl kaum, dann schon eher mit meinem Hausarzt oder Gynäkologen. Aus Gesprächen mit anderen Patientinnen weiß ich, dass ein Stoma das Ende der sexuellen aber nicht das Ende der Beziehung insgesamt bedeuten kann. Die meisten meiner neuen Bekannten aus dem Stoma-Forum leben dessen ungeachtet erfreulicherweise in einer stabilen Liebesbeziehung. Wobei der jeweilige Partner wesentlich daran beteiligt ist, das Problem Stoma im alltäglichen Leben zu meistern. Es erleichtert die Sache natürlich beträchtlich, wenn man jemand hat, der einem zur Seite steht, wie bei allem anderen im Leben auch, und der einen so annimmt, wie man ist. Aber denjenigen muss man erst einmal finden.
Christian hatte mir ja in einem Kommentar über seine Schwierigkeiten damit berichtet. Im Forum schilderte eine Teilnehmerin, sie hätte ihr Stoma durch eine Darmerkrankung schon im Teenalter bekommen. Ein Arzt sagte ihr, sie würde nie eine eigene Familie haben können. Solche Ärzte sollten nicht einmal Kühe behandeln dürfen, geschweige denn Menschen! Wie kann man jemand von vornherein jegliche Hoffnung nehmen? Inzwischen ist sie verheiratet. Für ihren Mann ist das Stoma einfach ein Teil von ihr. Diese Geschichte lässt doch hoffen. Der erste Schritt in eine Partnerschaft wäre sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist, und nicht mit dem Schicksal zu hadern. Für mich gehörte dazu, auch über mein Stoma zu sprechen. Wem ich von meinem Krebs erzählt habe, der wußte auch, dass ich ein Beutelchen hatte. Ich sah nicht den geringsten Grund mich zu schämen, weil ich ein Känguruh war. Mein Selbstbewußtsein hat dadurch nicht gelitten. Man muss wegen des Stomas auf nichts verzichten. Unabhängig davon, dass uns die Medien tagtäglich sugerieren wollen, glücklich wäre nur, wer jung, schön, gesund und schlank ist. Es gibt genug Leute, die sich dem Druck beugen. Warum sonst hätten Schönheitschirurgen so viel zu tun? Für mich wäre das nichts, ganz abgesehen davon, dass ich von Operationen ein für alle mal genug habe. Zu meinen Falten stehe ich. Ich habe sie mir, bis auf die über der Nasenwurzel, ehrlich mit Lachen erworben. An mein Gesicht oder sonstige Körperteile kommt mir kein Botox oder Silikon, und die Falten glattziehen, lasse ich mir auch nicht. Hier im Krankenhaus habe ich zur Gesichtspflege nur Wasser und Creme verwendet. Das muss reichen.
Altern ist schließlich ein natürlicher Prozeß und keine Krankheit. Leider beginnt er schon nach dem 25. Lebensjahr. Panta rhei, Leben ist Veränderung. Einer meiner Onkel behauptete immer, mit 35 Jahren gehen die Generalreparaturen los. In seinem eigenen Fall kann ich das durch historische Beobachtungen belegen. Der Anfang war ein Köpper im knietiefen Wasser. Aua. Seitdem ging es mit ihm steil bergab. Viele wünschen sich, sie könnten noch mal 20 sein, ich nicht. Es ist gut so, wie es ist. Das Älterwerden bringt durchaus einige Vorteile. Aus dem Konkurrenzkampf kann ich mich gelassen ausschalten. Ich trete nicht in den Wettbewerb mit Frauen, die halb so alt sind wie ich. Die jungen Frauen stehen unter ganz schönem Druck, die Erwartungen zu erfüllen, die andere an sie stellen, Werte zu bedienen, die nicht ihre eigenen sind. Die Kraft sich davon freizumachen, haben die wenigsten. Ich bin jetzt in einem Alter, das in der Werbung nicht mehr vorkommt, für Gesichtscreme und Duftwässerchen zu alt, für Haftcreme und Kürbiskerne zu jung. Es gibt Frauen, die sind durch die Jagd nach der verlorenen Jugend so vergrämt und angespannt, dass sie davon ganz alt aussehen. Ich will lieber verfaltet und fröhlich sein als glatt und verbissen.
Dienstag, 14. März 2006
Greifswald reloaded
Dienstag, 14. März 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Per Taxi traf ich gegen 9.00 Uhr in Greifswald ein. Meine Tasche ließ ich wieder am Eingang zurück diesmal bei einem netten Mann. Er sagte, wenn ich darin nichts versteckt hätte, was tickt, könnte ich die Tasche gern vor seinen Schreibtisch stellen. Die Bombe hätte ich in meinem Rucksack, beruhigte ich ihn. Er meinte, das ginge in Ordnung. Dann spazierte ich zur Anmeldung. Die Frau, die mir meine Papiere ausstellte, wünschte mir Glück für die bevorstehende Operation. Als sie mir ein dünnes Armband mit meinem Namen und einem Barcode anlegte, stellte sie fest, ich müsste unbedingt wieder zunehmen. Dieses Armband ist neu, letztes Mal gab es so was noch nicht. Falls ich nicht nur, wie üblich, das Datum vergessen sollte, sondern auch nicht mehr wüsste, wie ich heiße, könnte ich einfach auf dem Armband nachsehen. Auf Arbeit passiert das schon mal, dass ich Identitätsprobleme habe und mich beim Server erkundigen muss, wer ich bin. Auf die Frage "who am i" antwortet er meist mein Name wäre root.
Auf dem Flur der Station saßen diesmal keine wartenden Patientinnen. Ich war die einzige. Die Schwester, der ich meine Papiere überreichte, freute sich, ein Neuzugang. Ich musste etwas warten und wurde dann gleich ins erste Zimmer am Gang geführt. Die Tür zierte das Bild einer dornigen roten Rose. Es war ein Dreimannzimmer. Nur eines der Betten in einem Alkoven, in dem eine junge Frau lag, war belegt. Die Schränke in diesem Zimmer waren auch größer als die in dem Viermannzimmer, in dem ich bei meinem ersten Aufenthalt untergebracht war. Es gab nur einen Fernseher. Damit auch die im Alkoven liegende Patientin darauf freie Sicht hatte, waren alle Betten mit dem Kopfteil zur Tür ausgerichtet. Damit konnte man im Bett liegend nicht erkennen, wer das Zimmer betrat.
Die junge Frau im Alkoven litt unter starkem Sodbrennen und war deshalb operiert worden. Sie sollte am nächsten Tag entlassen werden.
Die Schwester und eine Schwesternschülerin interviewten mich für die Aufnahmepapiere. Ich erhielt das bekannte Formular für die Narkose. Später kam der Doktor und händigte mir noch eins für die Rückverlegung aus. Mein Stoma wurde dort als Bauchafter bezeichnet. Diesen Begriff hatte ich noch nie gehört, Anus preator ja aber Bachafter? Eine Studentin und ein Student nahmen die Eingangsuntersuchung vor. Wobei sie untersuchte, und er sich aufs Aufschreiben und Reichen der Instrumente beschränkte. Meinen Eingeweidebruch beschrieb sie mit größer als ein Tennisball aber kleiner als ein Handball.
Zum Mittag bekam ich, wie erwartet, nichts zu essen. Stattdessen wurde ich mit zwei Leidensgefährten ins neue Klinikum gefahren. Diesmal war es beim Anästhesisten nicht so brechend voll wie beim ersten Mal. Die Ärztin erklärte mir, im Gegensatz zu den beiden großen Operationen, die ich schon hinter mir habe, bräuchte ich diesmal weder in die Intensiv- noch in die Wachstation. Ich würde nach der OP in den Aufwachraum gebracht werden und anschließend wieder in mein Zimmer auf Station kommen. Nach dem Operationsplan im Computer, war meine OP die zweite. Gegen 16.00 Uhr war ich aus dem Klinikum zurück.
Der Arzt kam, um mit mir die morgige Operation durchzusprechen. Der Doktor hatte mich bei der Visite in der Wachstation zum Lachen gebracht, indem er verschmitzt über die transportable Trennwand geschaut hatte. Wegen seiner Größe war ihm das problemlos möglich gewesen. Während er mein Geburtsdatum auf das Formular schrieb, behauptete er galant, ich sähe keinen Tag älter aus als 26. Ich fühlte mich gerade wie 86. Beim Gespräch kamen wir dann auch zu dem, was der Patient möglichst nicht hören möchte, zu den Risiken und Nebenwirkungen. Er sagte, wir sollten uns dabei nicht lange aufhalten, denn die Sache morgen würde gut ausgehen. Ich teilte seine Überzeugung.
Die Schwester gab mir 100 ml des Darmputzermittels Sorbitol und eine Liste. In die Liste sollte ich meine Trinkmenge vermerken. Das Mittel wirkte sofort, und mein Beutel lief voll. Ich erwog, vom Zimmer in die Toilettenbox umzuziehen. Ich war nur noch unterwegs um meinen Beutel zu leeren. Da ich seit dem Frühstück nichts gegessen hatte, war die gelbe Brühe dünn wie Wasser. Irgendwann kam ich aber doch zum Schlafen.
Am nächsten Tag war Chefarztvisite, der Professor konnte sich noch an mich erinnern. Er sagte mir, meine OP sei auf Nummer zwei gesetzt. Eine Schwesternschülerin fragte mich, ob ich Angst vor der Operation hätte. Ich verneinte und erklärte ihr, der Doktor hätte gesagt, die Sache würde gut verlaufen, und dann wird sie auch gut verlaufen. Ich rechnete damit, so zwischen 11.00 und 12.00 Uhr zur OP gefahren zu werden. Aber die Zeit verstrich, und nichts geschah. Meine Zimmergenossin war längst nach Hause gegangen. Ich kam mir vor wie ein Verdurstender in der Atacama. Seit gestern abend hatte ich nichts mehr getrunken. Ich begann begierig nach dem Wasser in der Blumenvase zu schielen. Dann endlich um 14.00 Uhr kamen die Schwestern und los gings. Sie steuerten den Fahrstuhl an und fuhren nach unten. Der Flur, in den sie mich schoben, war mit rosa Fliesen ausgekleidet, wie grässlich. Aber die Schwestern hatten sich verflogen, wir mussten wieder zurück. Der richtige Operationsaal befand sich auf der Etage, von der wir kamen. Ich musste vom Bett auf den OP-Tisch klettern und wurde mit warmen grünen Tüchern zugedeckt. Ich wurde in den Vorraum geschoben, während der Operationssaal gereinigt wurde. Dann wurde ich in diesen gebracht. Die Narkose wirkte schnell.
Als ich wieder zu mir kam, tastete ich als erstes nach der Stelle, wo mein Stoma gewesen war. Ich hatte immer noch das Gefühl, es säße an der alten Stelle. Die Schwester schob die Bettdecke zurück, damit ich mich auch mit meinen Augen überzeugen konnte, dass ich ein Exbeuteltier bin. Die Schwestern holten mich ab und brachten mich zurück ins alte Zimmer. Das teilte ich inzwischen mit zwei alten Damen. Die mir gegenüberliegende war noch recht mobil.
Die andere Frau wurde sonst von ihrem Ehemann zu Hause betreut. Sie war ein Pflegefall. Der Mann erzählte dem Doktor sie wären seit 51 Jahren verheiratet. Während er seiner Frau über die Wangen strich, sagte er ihr, sie würde ihm fehlen, und zu Hause sei es leer ohne sie. Die Ausscheidungen der alten Frau wurde von Kathetern aufgefangen. Sie trug Handschuhe, um sie zu hindern sich zu zerkratzten. Damit sie sich nicht wundlag, musste sie mehrfach von den Schwestern umgebettet werden, auch nachts. Jedesmal, wenn sie gepikt werden sollte, schrie sie. Sie ist wahrscheinlich während ihrer Erkrankung viel gepikt worden.
Ich wurde an den Tropf gebammelt. Die Schwester rechnete, wenn in mich etwas eingefüllt wird, muss natürlich auch etwas wieder rauskommen. Sie setzte mich auf den Schieber. Ich hasse das Ding, und natürlich bekam ich nur einen roten Rand und das Ding saugte sich an meinem Po fest. Sonst passierte trotz ausgiebigem Glucken nichts. Ich wollte zur Toilette gehen, aber die Schwestern verboten es mir. Sie hakten mich rechts und links unter und schleppten mich so aufs Klo. Dort passierte aber auch nichts, obwohl sie den Wasserhahn laufen ließen. Der rote Rand um meinen Hintern verstärkte sich. Ich wurde wieder ins Bett verfrachtet, und die Schwester setzte mir einen Katheter. Die Menge, die sie mir abzapfte rechtfertigte den Aufwand kam. Zum Schlafen kam ich in dieser Nacht auch noch.
Auf dem Flur der Station saßen diesmal keine wartenden Patientinnen. Ich war die einzige. Die Schwester, der ich meine Papiere überreichte, freute sich, ein Neuzugang. Ich musste etwas warten und wurde dann gleich ins erste Zimmer am Gang geführt. Die Tür zierte das Bild einer dornigen roten Rose. Es war ein Dreimannzimmer. Nur eines der Betten in einem Alkoven, in dem eine junge Frau lag, war belegt. Die Schränke in diesem Zimmer waren auch größer als die in dem Viermannzimmer, in dem ich bei meinem ersten Aufenthalt untergebracht war. Es gab nur einen Fernseher. Damit auch die im Alkoven liegende Patientin darauf freie Sicht hatte, waren alle Betten mit dem Kopfteil zur Tür ausgerichtet. Damit konnte man im Bett liegend nicht erkennen, wer das Zimmer betrat.
Die junge Frau im Alkoven litt unter starkem Sodbrennen und war deshalb operiert worden. Sie sollte am nächsten Tag entlassen werden.
Die Schwester und eine Schwesternschülerin interviewten mich für die Aufnahmepapiere. Ich erhielt das bekannte Formular für die Narkose. Später kam der Doktor und händigte mir noch eins für die Rückverlegung aus. Mein Stoma wurde dort als Bauchafter bezeichnet. Diesen Begriff hatte ich noch nie gehört, Anus preator ja aber Bachafter? Eine Studentin und ein Student nahmen die Eingangsuntersuchung vor. Wobei sie untersuchte, und er sich aufs Aufschreiben und Reichen der Instrumente beschränkte. Meinen Eingeweidebruch beschrieb sie mit größer als ein Tennisball aber kleiner als ein Handball.
Zum Mittag bekam ich, wie erwartet, nichts zu essen. Stattdessen wurde ich mit zwei Leidensgefährten ins neue Klinikum gefahren. Diesmal war es beim Anästhesisten nicht so brechend voll wie beim ersten Mal. Die Ärztin erklärte mir, im Gegensatz zu den beiden großen Operationen, die ich schon hinter mir habe, bräuchte ich diesmal weder in die Intensiv- noch in die Wachstation. Ich würde nach der OP in den Aufwachraum gebracht werden und anschließend wieder in mein Zimmer auf Station kommen. Nach dem Operationsplan im Computer, war meine OP die zweite. Gegen 16.00 Uhr war ich aus dem Klinikum zurück.
Der Arzt kam, um mit mir die morgige Operation durchzusprechen. Der Doktor hatte mich bei der Visite in der Wachstation zum Lachen gebracht, indem er verschmitzt über die transportable Trennwand geschaut hatte. Wegen seiner Größe war ihm das problemlos möglich gewesen. Während er mein Geburtsdatum auf das Formular schrieb, behauptete er galant, ich sähe keinen Tag älter aus als 26. Ich fühlte mich gerade wie 86. Beim Gespräch kamen wir dann auch zu dem, was der Patient möglichst nicht hören möchte, zu den Risiken und Nebenwirkungen. Er sagte, wir sollten uns dabei nicht lange aufhalten, denn die Sache morgen würde gut ausgehen. Ich teilte seine Überzeugung.
Die Schwester gab mir 100 ml des Darmputzermittels Sorbitol und eine Liste. In die Liste sollte ich meine Trinkmenge vermerken. Das Mittel wirkte sofort, und mein Beutel lief voll. Ich erwog, vom Zimmer in die Toilettenbox umzuziehen. Ich war nur noch unterwegs um meinen Beutel zu leeren. Da ich seit dem Frühstück nichts gegessen hatte, war die gelbe Brühe dünn wie Wasser. Irgendwann kam ich aber doch zum Schlafen.
Am nächsten Tag war Chefarztvisite, der Professor konnte sich noch an mich erinnern. Er sagte mir, meine OP sei auf Nummer zwei gesetzt. Eine Schwesternschülerin fragte mich, ob ich Angst vor der Operation hätte. Ich verneinte und erklärte ihr, der Doktor hätte gesagt, die Sache würde gut verlaufen, und dann wird sie auch gut verlaufen. Ich rechnete damit, so zwischen 11.00 und 12.00 Uhr zur OP gefahren zu werden. Aber die Zeit verstrich, und nichts geschah. Meine Zimmergenossin war längst nach Hause gegangen. Ich kam mir vor wie ein Verdurstender in der Atacama. Seit gestern abend hatte ich nichts mehr getrunken. Ich begann begierig nach dem Wasser in der Blumenvase zu schielen. Dann endlich um 14.00 Uhr kamen die Schwestern und los gings. Sie steuerten den Fahrstuhl an und fuhren nach unten. Der Flur, in den sie mich schoben, war mit rosa Fliesen ausgekleidet, wie grässlich. Aber die Schwestern hatten sich verflogen, wir mussten wieder zurück. Der richtige Operationsaal befand sich auf der Etage, von der wir kamen. Ich musste vom Bett auf den OP-Tisch klettern und wurde mit warmen grünen Tüchern zugedeckt. Ich wurde in den Vorraum geschoben, während der Operationssaal gereinigt wurde. Dann wurde ich in diesen gebracht. Die Narkose wirkte schnell.
Als ich wieder zu mir kam, tastete ich als erstes nach der Stelle, wo mein Stoma gewesen war. Ich hatte immer noch das Gefühl, es säße an der alten Stelle. Die Schwester schob die Bettdecke zurück, damit ich mich auch mit meinen Augen überzeugen konnte, dass ich ein Exbeuteltier bin. Die Schwestern holten mich ab und brachten mich zurück ins alte Zimmer. Das teilte ich inzwischen mit zwei alten Damen. Die mir gegenüberliegende war noch recht mobil.
Die andere Frau wurde sonst von ihrem Ehemann zu Hause betreut. Sie war ein Pflegefall. Der Mann erzählte dem Doktor sie wären seit 51 Jahren verheiratet. Während er seiner Frau über die Wangen strich, sagte er ihr, sie würde ihm fehlen, und zu Hause sei es leer ohne sie. Die Ausscheidungen der alten Frau wurde von Kathetern aufgefangen. Sie trug Handschuhe, um sie zu hindern sich zu zerkratzten. Damit sie sich nicht wundlag, musste sie mehrfach von den Schwestern umgebettet werden, auch nachts. Jedesmal, wenn sie gepikt werden sollte, schrie sie. Sie ist wahrscheinlich während ihrer Erkrankung viel gepikt worden.
Ich wurde an den Tropf gebammelt. Die Schwester rechnete, wenn in mich etwas eingefüllt wird, muss natürlich auch etwas wieder rauskommen. Sie setzte mich auf den Schieber. Ich hasse das Ding, und natürlich bekam ich nur einen roten Rand und das Ding saugte sich an meinem Po fest. Sonst passierte trotz ausgiebigem Glucken nichts. Ich wollte zur Toilette gehen, aber die Schwestern verboten es mir. Sie hakten mich rechts und links unter und schleppten mich so aufs Klo. Dort passierte aber auch nichts, obwohl sie den Wasserhahn laufen ließen. Der rote Rand um meinen Hintern verstärkte sich. Ich wurde wieder ins Bett verfrachtet, und die Schwester setzte mir einen Katheter. Die Menge, die sie mir abzapfte rechtfertigte den Aufwand kam. Zum Schlafen kam ich in dieser Nacht auch noch.
Sonntag, 12. März 2006
Die dritte OP im Visier
Sonntag, 12. März 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Ich bin jetzt die vierte Woche zu Hause und vor meinem Fenster geht gerade die Welt unter.

Nach dieser Operation hatte ich doch einige Schwierigkeiten in Gang zu kommen. Ich war ziemlich schlapp. Auch hatte ich recht lange Schmerzen, die waren nicht so, dass sie mich am Einschlafen gehindert hätten, aber doch recht lästig. Inzwischen kann ich mir auch die Socken wieder ohne akrobatische Verrenkungen anziehen. Die Operationsnarbe, die quer über meinem Bauch verläuft, sitzt genau unter dem Hosenbund. Obwohl ich mittlerweilen durch meine extreme Magerkeit jede Hose fast verliere, auf die wunde Stelle drückte es trotzdem. Die Narbe ist inzwischen gut verheilt, es wird wohl nur ein schmaler Strich bleiben. Von meiner ersten OP ist deutlich mehr zu sehen. Aber das lag vielleich an Chemotherapie und Bestrahlung, da heilt alles schlechter. Besonders stolz bin ich darauf, dass ich inzwischen zwei Kilo zugenommen habe. Seit einer Woche bekoche ich mich wieder selbst. Weitere Gewichtszunahme nach der nächsten Operation habe ich fest eingeplant. Das ist natürlich gegen den allgemeinen Trend, alle Welt nimmt ab. Aber ich mache sowieso nie, was alle anderen tun, auch hier nicht.
Ich wartete auf Post aus Greifswald. Weniger als die Entlassungspapiere, die mehr für meine Ärzte aufschlussreich sind, interessierte mich der Termin für die dritte Operation. Nach zwei Wochen hatte ich die versprochenen Papiere immer noch nicht. Ich rief bei meinem Hausarzt und in der Onkologie an, aber dort war auch nichts eingegangen.
Auf der Webseite des Krankenhauses forschte ich nach der Rufnummer der Zentrale, ohne sie zu finden. Ich hatte nicht die Absicht, deshalb den Professor oder einen der Oberärzte zu belästigen. Erst als ich den gesamten Webauftritt durchforstet hatte, entdeckte ich die gewünschte Nummer. Der Webmaster, bei dem ich mich beklagte, mailte mir, dass alle Anrufe über das Sekretariat gehen sollen. Nur darauf gab es keinen Hinweis. Ich beanstandete weiter, dass einige Links unter dem Punkt Stoma ins Leere führten. Eine der gelinkten Seiten ist ein privater Webauftritt eines Studenten, der sich mit Physik, Astronomie und der wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften beschäftigt. Das mag gewiss recht interessant sein, nur was hat das mit dem Thema zu schaffen? Außerdem ist mein Stoma nicht von paranormaler sondern von sehr reeller Natur. Mir fehlte ein Link auf das Stoma-Forum. Ich schrieb, die Erfahrungen und die Hilfe, die man dort durch Stomaträger erhält, sind durch nichts zu ersetzen. Der Webmaster versprach, meine Vorschläge aufzugreifen. Geändert ist die Webseite bis heute nicht. Neben den Ärzten und Schwestern scheinen in Greifswald auch die Webmaster viel zu tun zu haben.
Mit Greifswald in telefonischen Kontakt zu treten, selbst wenn man im Besitz einer Rufnummer ist, erwies sich als kleines Geduldsspielchen und Begegnung der vierten Art. Bei meinem ersten Telefonat war gerade Nachmittagsvisite. Beim zweiten Versuch hatte ich eine Schwesternschülerin an der Strippe. Sie war so vollkommenen neu in dem Bereich, dass sie von gar nichts wußte, nicht einmal die Telefonnummer der Station. Beim dritten Versuch war eine Schwester am Apparat. Aber die gewünschte Auskunft konnte auch sie mir nicht geben. Das Computersystem wäre gerade abgestürzt, und reden wollte an diesem Nachmittag auch keiner mit mir. Die Schwester verkündete aber, irgendjemand würde mich am nächsten Tag anrufen. Als Systembetreuer bin ich von berufswegen durchaus supporterprobt. Gewöhnlich versprechen mir die Mitarbeiter der Kundendienstabteilungen diverser Hard- und Softwarehersteller auch immer zurückzurufen, und natürlich tun sie das niemals. In diesem Fall war das keineswegs anders. So griff ich erneut zum Hörer. Aber jetzt hatte ich Glück, zufällig war der Stationsarzt im Zimmer. Er bestimmte den 14. März als Operationstermin, am 13. soll ich in Greifswald einrücken. Ich sagte, dass würde mir gut passen. Am Vortag hatte ich einen Glückskeks, der Spruch lautete "Die 13 ist Deine Glückszahl".
In meiner unendlichen Naivität habe ich geglaubt, die Rückverlegung wäre das Ende meiner Probleme. Aus dem Stoma-Forum weiß ich, es kann durchaus der Beginn einiger neuer sein. Sie sprachen von Dauersitzungen auf der Toilette und von Pavianhintern. Sie haben mir auch gesagt, ich müsste da eben durch, genau wie die, die das schon hinter sich haben.
Das Taxi ist bestellt, die Tasche gepackt und die Zinksalbe gegen den Pavianhintern eingesteckt. Hier ist bis zu meiner Rückkehr aus Greifswald Sendepause. Meine Erlebnisse bei meiner dritten OP werde ich dann, wie gehabt, später posten.
Drückt mit die Daumen Leute!

Nach dieser Operation hatte ich doch einige Schwierigkeiten in Gang zu kommen. Ich war ziemlich schlapp. Auch hatte ich recht lange Schmerzen, die waren nicht so, dass sie mich am Einschlafen gehindert hätten, aber doch recht lästig. Inzwischen kann ich mir auch die Socken wieder ohne akrobatische Verrenkungen anziehen. Die Operationsnarbe, die quer über meinem Bauch verläuft, sitzt genau unter dem Hosenbund. Obwohl ich mittlerweilen durch meine extreme Magerkeit jede Hose fast verliere, auf die wunde Stelle drückte es trotzdem. Die Narbe ist inzwischen gut verheilt, es wird wohl nur ein schmaler Strich bleiben. Von meiner ersten OP ist deutlich mehr zu sehen. Aber das lag vielleich an Chemotherapie und Bestrahlung, da heilt alles schlechter. Besonders stolz bin ich darauf, dass ich inzwischen zwei Kilo zugenommen habe. Seit einer Woche bekoche ich mich wieder selbst. Weitere Gewichtszunahme nach der nächsten Operation habe ich fest eingeplant. Das ist natürlich gegen den allgemeinen Trend, alle Welt nimmt ab. Aber ich mache sowieso nie, was alle anderen tun, auch hier nicht.
Ich wartete auf Post aus Greifswald. Weniger als die Entlassungspapiere, die mehr für meine Ärzte aufschlussreich sind, interessierte mich der Termin für die dritte Operation. Nach zwei Wochen hatte ich die versprochenen Papiere immer noch nicht. Ich rief bei meinem Hausarzt und in der Onkologie an, aber dort war auch nichts eingegangen.
Auf der Webseite des Krankenhauses forschte ich nach der Rufnummer der Zentrale, ohne sie zu finden. Ich hatte nicht die Absicht, deshalb den Professor oder einen der Oberärzte zu belästigen. Erst als ich den gesamten Webauftritt durchforstet hatte, entdeckte ich die gewünschte Nummer. Der Webmaster, bei dem ich mich beklagte, mailte mir, dass alle Anrufe über das Sekretariat gehen sollen. Nur darauf gab es keinen Hinweis. Ich beanstandete weiter, dass einige Links unter dem Punkt Stoma ins Leere führten. Eine der gelinkten Seiten ist ein privater Webauftritt eines Studenten, der sich mit Physik, Astronomie und der wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften beschäftigt. Das mag gewiss recht interessant sein, nur was hat das mit dem Thema zu schaffen? Außerdem ist mein Stoma nicht von paranormaler sondern von sehr reeller Natur. Mir fehlte ein Link auf das Stoma-Forum. Ich schrieb, die Erfahrungen und die Hilfe, die man dort durch Stomaträger erhält, sind durch nichts zu ersetzen. Der Webmaster versprach, meine Vorschläge aufzugreifen. Geändert ist die Webseite bis heute nicht. Neben den Ärzten und Schwestern scheinen in Greifswald auch die Webmaster viel zu tun zu haben.
Mit Greifswald in telefonischen Kontakt zu treten, selbst wenn man im Besitz einer Rufnummer ist, erwies sich als kleines Geduldsspielchen und Begegnung der vierten Art. Bei meinem ersten Telefonat war gerade Nachmittagsvisite. Beim zweiten Versuch hatte ich eine Schwesternschülerin an der Strippe. Sie war so vollkommenen neu in dem Bereich, dass sie von gar nichts wußte, nicht einmal die Telefonnummer der Station. Beim dritten Versuch war eine Schwester am Apparat. Aber die gewünschte Auskunft konnte auch sie mir nicht geben. Das Computersystem wäre gerade abgestürzt, und reden wollte an diesem Nachmittag auch keiner mit mir. Die Schwester verkündete aber, irgendjemand würde mich am nächsten Tag anrufen. Als Systembetreuer bin ich von berufswegen durchaus supporterprobt. Gewöhnlich versprechen mir die Mitarbeiter der Kundendienstabteilungen diverser Hard- und Softwarehersteller auch immer zurückzurufen, und natürlich tun sie das niemals. In diesem Fall war das keineswegs anders. So griff ich erneut zum Hörer. Aber jetzt hatte ich Glück, zufällig war der Stationsarzt im Zimmer. Er bestimmte den 14. März als Operationstermin, am 13. soll ich in Greifswald einrücken. Ich sagte, dass würde mir gut passen. Am Vortag hatte ich einen Glückskeks, der Spruch lautete "Die 13 ist Deine Glückszahl".
In meiner unendlichen Naivität habe ich geglaubt, die Rückverlegung wäre das Ende meiner Probleme. Aus dem Stoma-Forum weiß ich, es kann durchaus der Beginn einiger neuer sein. Sie sprachen von Dauersitzungen auf der Toilette und von Pavianhintern. Sie haben mir auch gesagt, ich müsste da eben durch, genau wie die, die das schon hinter sich haben.
Das Taxi ist bestellt, die Tasche gepackt und die Zinksalbe gegen den Pavianhintern eingesteckt. Hier ist bis zu meiner Rückkehr aus Greifswald Sendepause. Meine Erlebnisse bei meiner dritten OP werde ich dann, wie gehabt, später posten.
Drückt mit die Daumen Leute!
Freitag, 10. Februar 2006
Ade Greifswald!
Freitag, 10. Februar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Da ich entlassen werden sollte, entfernte mir die Schwester die Kanüle aus dem Port und auch die Klammern von der Operationsnarbe. Beides wollte ich nur ungern mit nach Hause nehmen. Die Operationsnarbe quer über meinem Bauch sah mit den Klammern aus wie ein großer Reißverschluss, und fühlte sich auch so an. Mal dran ziehen, und dann geht der Bauch wohl auf. Beim Entfernen der Klammern zwickte es nur etwas unangenehm. Den Port hatte einer der Doktoren im Rahmen einer Lehrvorführung vor zwei Studenten angestochen und alles fein säuberlich mit Pflaster verklebt. Dabei erzählte er, wie das gute Stück einoperiert wird, und wozu es nützlich ist. So erfuhr ich mehr über meinen Port, als ich eigentlich wissen wollte. Der Doktor hatte die Sache für die Ewigkeit angelegt, meinte die Schwester. Eine Schwester hätte das natürlich ganz anders gemacht. Gewöhnlich haben die Schwestern auch mehr Übung beim Piksen, und verdrehen schon mal die Augen, wenn der Doktor die Vene wieder nicht getroffen hat.
Nachdem ich alles losgeworden war, begann ich mich anzuziehen und brauchte schon wieder Hilfe. Die tollen Cancanstrümpfe wollten einfach nicht von meinen Füßen. Die Schwesternschülerin zog sie mir herunter. Meine Socken konnte ich mir durch akrobatisches Verrenken mühelos allein überstreifen. Meine paar Sachen waren schnell in die Tasche gepackt.
Ich wusste früh genug, dass ich am Freitag entlassen werde. Die Heimfahrt ließ sich leicht organisieren. Dazu hatte ich folgendes Telefongespräch mit meinem Vater:
„Wann kommst du raus?“
„Am Freitag.“
„Ich wollte dann am Sonnabend vorbeikommen.“
„Du Vati, ich brauch aber schon Freitag was zu essen.“
„Wirklich? Wer holt dich aus dem Krankenhaus ab?“
„Na, du!“
„Na, gut. Dann komme ich Freitag.“
Mir ging es nicht ums Abholen. Das hätte auch ein Taxifahrer erledigen können, aber eingekauft und versorgt hätte der mich nicht.
Einer der Doktoren schaute ins Zimmer und sagte, er schriebe gerade an meinen Entlassungspapieren. Er wollte wissen, ob der Stationsarzt noch Anweisungen bezüglich Darmeinläufe beim Hausarzt hinterlassen hätte. Davon wusste ich nichts. Der Doktor meinte, er würde den Stationsarzt jetzt bei einer Operation treffen, da könnte er ihn fragen. Die OP würde nicht lange dauern. Anschließend wollte er meine Entlassungspapiere beenden. Er ging, und natürlich sah ich ihn an diesem Tag nicht wieder. Inzwischen war mein Vati eingetroffen, und wir warteten gemeinsam, dass der Doktor wiederkäme. Derweil kam das Mittagessen, Spinat mit Rührei. Meinen Vati schickte ich in die Einkaufspassage gegenüber dem Krankenhaus. Als er wiederkam, war der Arzt immer noch nicht zurück. Ich ging mehrmals zur Schwester nach vorn, aber auch zu zweit konnten wir den Doktor nicht herangucken. Sie sagte schließlich, ich solle nach Hause fahren. Die Entlassungspapiere würden sie mir per Post schicken. Ich ging zurück ins Zimmer und verabschiedete mich von den anderen Patientinnen. Frau X wünschte ich, dass sie bald entlassen wird. Mit der Lehrerin machte ich aus, falls wir zur selben Zeit operiert würden, wollten wir wieder in ein Zimmer gelegt werden. Frau Z versprach ich, wenn wir uns bei der Reha treffen würden, dann würden wir beide die Kurklinik aufmischen. Ihre Tochter war zufällig da und bekam bei dieser Vorstellung einen Lachkrampf.
Mein Vati nahm meine Tasche und gemeinsam gingen wir zur Tiefgarage. Ich hatte große Mühe, mich zum Auto zu schleppen, ohne unterwegs umzukippen. Obwohl ich im Krankenhaus ein Kilo abgenommen hatte, hatte ich schwer an mir zu tragen. Zu Hause kraxelte ich angestrengt die drei Stockwerke zu meiner Wohnung empor, als wäre es ein Siebentausender. Dann fiel ich erschöpft auf mein Sofa. Mein Vati besorgte derweil alles Notwendige für mich. Ich war heilfroh, dass er da war und mich betutelte. Eigentlich hätte es anders herum sein sollen.
Nachdem ich alles losgeworden war, begann ich mich anzuziehen und brauchte schon wieder Hilfe. Die tollen Cancanstrümpfe wollten einfach nicht von meinen Füßen. Die Schwesternschülerin zog sie mir herunter. Meine Socken konnte ich mir durch akrobatisches Verrenken mühelos allein überstreifen. Meine paar Sachen waren schnell in die Tasche gepackt.
Ich wusste früh genug, dass ich am Freitag entlassen werde. Die Heimfahrt ließ sich leicht organisieren. Dazu hatte ich folgendes Telefongespräch mit meinem Vater:
„Wann kommst du raus?“
„Am Freitag.“
„Ich wollte dann am Sonnabend vorbeikommen.“
„Du Vati, ich brauch aber schon Freitag was zu essen.“
„Wirklich? Wer holt dich aus dem Krankenhaus ab?“
„Na, du!“
„Na, gut. Dann komme ich Freitag.“
Mir ging es nicht ums Abholen. Das hätte auch ein Taxifahrer erledigen können, aber eingekauft und versorgt hätte der mich nicht.
Einer der Doktoren schaute ins Zimmer und sagte, er schriebe gerade an meinen Entlassungspapieren. Er wollte wissen, ob der Stationsarzt noch Anweisungen bezüglich Darmeinläufe beim Hausarzt hinterlassen hätte. Davon wusste ich nichts. Der Doktor meinte, er würde den Stationsarzt jetzt bei einer Operation treffen, da könnte er ihn fragen. Die OP würde nicht lange dauern. Anschließend wollte er meine Entlassungspapiere beenden. Er ging, und natürlich sah ich ihn an diesem Tag nicht wieder. Inzwischen war mein Vati eingetroffen, und wir warteten gemeinsam, dass der Doktor wiederkäme. Derweil kam das Mittagessen, Spinat mit Rührei. Meinen Vati schickte ich in die Einkaufspassage gegenüber dem Krankenhaus. Als er wiederkam, war der Arzt immer noch nicht zurück. Ich ging mehrmals zur Schwester nach vorn, aber auch zu zweit konnten wir den Doktor nicht herangucken. Sie sagte schließlich, ich solle nach Hause fahren. Die Entlassungspapiere würden sie mir per Post schicken. Ich ging zurück ins Zimmer und verabschiedete mich von den anderen Patientinnen. Frau X wünschte ich, dass sie bald entlassen wird. Mit der Lehrerin machte ich aus, falls wir zur selben Zeit operiert würden, wollten wir wieder in ein Zimmer gelegt werden. Frau Z versprach ich, wenn wir uns bei der Reha treffen würden, dann würden wir beide die Kurklinik aufmischen. Ihre Tochter war zufällig da und bekam bei dieser Vorstellung einen Lachkrampf.
Mein Vati nahm meine Tasche und gemeinsam gingen wir zur Tiefgarage. Ich hatte große Mühe, mich zum Auto zu schleppen, ohne unterwegs umzukippen. Obwohl ich im Krankenhaus ein Kilo abgenommen hatte, hatte ich schwer an mir zu tragen. Zu Hause kraxelte ich angestrengt die drei Stockwerke zu meiner Wohnung empor, als wäre es ein Siebentausender. Dann fiel ich erschöpft auf mein Sofa. Mein Vati besorgte derweil alles Notwendige für mich. Ich war heilfroh, dass er da war und mich betutelte. Eigentlich hätte es anders herum sein sollen.
Donnerstag, 9. Februar 2006
Mein Darm, das unbekannte Wesen
Donnerstag, 9. Februar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Besonders liebevoll nahmen sich die Ärzte im Anschluss an die OP meines Darmes an, nachdem bei der letzten Darmspiegelung in Demmin und auch bei der ersten in Greifswald eine böse Entzündung diagnostiziert wurde. Mein Darmausgang konnte aus diesem Grunde ja nicht zurückverlegt werden. Einer der Doktoren sagte mir, von alleine würde die Entzündung nicht ausheilen. Der Darm müsse in Bewegung gebracht werden. Dazu sollte mir ein Medikament per Einlauf über das Stoma eingetröpfelt werden. Die Schwester in der Wachstation ersparte es sich und mir, mich am letzten Tag dort damit zu quälen.
Die Schwester auf der Station übernahm diesen Job. Sie entfernte den Beutel, sobald sie den kleinen Finger vorsichtig in mein Stoma steckte, begann ich schon zu jaulen. Das Einspritzen des Medikaments war auch nicht angenehmer. Dann musste der Beutel wieder aufgesetzt werden. Im Gegensatz zu meinem üblichen Klebesystem, hatte ich im Krankenhaus ein Klicksystem. Der Beutel wurde durch Pressen auf die Platte eingerastet. Das bildete den krönenden schmerzhaften Abschluss der Prozedur. Dabei tat mein Bauch schon so weh, ohne dass jemand auf ihm rumdrückte. Schönen Dank auch! Da mir diese Art des Einlaufs offensichtlich übel bekam, bestanden die Ärzte auch nicht darauf, mich weiter zu martern. Sie legten fest, die Behandlung wird auf die herkömmliche Art fortgesetzt.
Wenn die Schwester den Kopf ins Zimmer steckte und sagte, "Tilli, wir treffen uns in fünf Minuten.", war es Zeit sich aus dem Bett zu quälen. Ich zog mir meinen Morgenmantel über und schlurfte zur Toilette. Dort wartete schon die Schwester mit der unvermeidlichen Apparatur. Ich legte meinen Morgenmantel aufs Fensterbrett, lüftete hinten mein rückenfreies Nachthemd und beobachtete schicksalsergeben die parkenden Autos unten auf dem Hof. Die Schwester sagte, ich sollte mich ganz entspannt verhalten. Das macht mal, wenn Ihr Euch vornübergebeugt, breitbeinig stehend am Fensterbrett abstützt, und die Schwester Euch einen Schlauch in den Hintern steckt! Zuerst musste ich die Pobacken lockerlassen und sie dann zusammenpressen. Letzteres erwies sich als recht schwierig. Ich hatte seit fast acht Monate vergessen, dass ich so etwas wie ein Gesäß überhaupt besitze. Der erste Versuch ging zwar nicht in die Hose sondern ergoss sich auf die Fliesen der Toilette. Dabei wurden meine feschen Cancanstrümpfe völlig durchnässt. Diese elegante Bekleidung trägt hier jeder Patient, egal ob Männlein oder Weiblein, zum rückenfreien Flatterhemd. Ich erwartete immer die Macher von "Vorsicht Kamera" hinter der nächsten Ecke, wenn ich so eingehüllt über den Flur schlich. In einem meiner Albträume geistert die erste Reihe des Friedrichstadtpalastballetts mit Aufsehen erregend hohen Beinwürfen in diesem Outfit über die Bühne. Obwohl das eher die passende Dienstbekleidung fürs Männerballett beim Fasching wäre. Die Schwester nahm mein Mißgeschick gelassen. Sie sagte, sie würden hier auf Station alles trainieren, auch meinen lahmen Schließmuskel. Wir trainierten zweimal am Tag, morgens und abends. Ab und zu hatten wir bei diesen Aufführungen auch Zuschauer, was meiner Konzentration aufs Hinternzusammenkneifen abträglich war.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass mein Darm leer wäre. Dem war nicht so. In irgendeinem seiner geheimen Winkel hatte er noch ein paar braune Köttel und jede Menge grauen Schleims für schlechte Zeiten versteckt. Die Ärzte befürchteten indessen, dass beim Einlauf über den Hintern das Medikament nicht in jede Ecke meines Gedärms gelangen könnte. So fragten mich die Doktoren bei der Visite, ob ich Handstand könne. Ich sagte ihnen, dass sie das getrost vergessen könnten. Auch wenn ich körperlich fit wäre, zu solchen akrobatischen Übungen bin ich nicht in der Lage. Die Schwester hatte eine bessere Idee, sie verpasste mir einen der Einläufe im Liegen. Das entfernte auch die letzte Schleimsuppe und spülte meinen Darm frei. So konnte mir der Stationsarzt stolz verkünden, dass die letzte Darmspiegelung, von der ich wieder nichts mitbekommen hatte, gut verlaufen wäre. Die Entzündung war weitgehend zurückgegangen. Der Professor sagte, sie würden mich für 3-4 Wochen nach Hause schicken, dann sollte ich für die Rückverlegung meines Darmausganges wiederkommen. Wobei er mir die Wahl ließ, wo ich operiert werden wollte, in Greifswald oder in Demmin. „In Demmin ist das Essen aber besser.“, platzte ich heraus. „Ja,“ erwiderte der Professor grimmig, „jeder weiß es, und keiner macht etwas dagegen.“ Ich sollte meine Kritik auf einen Zettel schreiben und diesen in den Meckerkasten auf dem Flur einwerfen. Aber ich halte mein Weblog für den geeigneteren Platz. Die Patienten werden in diesem Krankenhaus gut betreut, aber das Essen ist ein mittlerer Katastrophenfall.
Dabei schickte das Cateringunternehmen jeden Tag Mitarbeiterinnen an die Patientenfront. Die halfen dann, übereinstimmend mit dem Kostplan, bei der Zusammenstellung des täglichen Menüs. Die größte Auswahl hatte ich noch, als die Ärzte mir eiweißreiche Speisen verordneten. Dann kam zur eiweißreichen leichte Vollkost hinzu. Damit erweiterte sich das Angebot nicht etwa, es reduzierte sich drastisch. Beim Mittagsmahl hatte ich nur noch die Auswahl zwischen Essen und Hungern. Meine geliebte Salami wurde mir gestrichen. Ich hatte so schon Mühe aus dem Wurstangebot unterschiedliche Sorten für morgens und abends zu finden, die auch noch schmeckten. Auf die Abendbeilage verzichtete ich dabei gerne, nachdem ich dreimal hintereinander Senfgurken bekommen hatte. Verwundert war ich jedesmal, wenn ich beim Abendbrot auf dem Teller andere Sachen vorfand, als ich geordert hatte. Die Mitarbeiterin erklärte das mit, beim Transport würden diese Dinge selbsttätig von einem Tablett zum anderen hopsen. Ich blieb skeptisch. Mir kam da eher der Werbespot von den Analphabeten in den Sinn. Besonders hinreißend fand ich die süßen Mehlpuddingsuppen für die Diätköstler. Der Brei unterschied sich nur durch die Farbe. Wenn man den auf seinem Menüplan hatte, war man bald gegen jegliches Essen allergisch. Viel besser war doch da die Notsuppe, die die Schwestern aus Zwieback und Milch zubereiteten.
Wie gesagt, das Essen ist in Demmin um Äonen besser als in Greifswald. Auch hier wird der Patient gut umsorgt. Das Krankenhaus hat durch seine Größe ehe einen familiären Charakter. Weil mein Arbeitsplatz gleich um die Ecke ist, bekam ich viel Besuch. In Greifswald war mein Kontakt mit der Außenwelt nur ein telefonischer. Dass ich mich trotzdem gegen das kleine Demminer Kreiskrankenhaus entschied, hat nur den einen Grund, ich bin nicht folterresistent. In Greifswald ist der Patientenquälfaktor einfach geringer. Ich denke da nur an Position eins und zwei auf meiner Folterhitliste. Koloskopie und Darmreinigung werden mir auch künftig nicht erspart bleiben. Aber vielleicht kann ich meinen Onkologen ja überreden, dass sie in Demmin fortan das gleiche Darmputzermedikament einsetzen wie in Greifswald.
Für meinen Heilungsprozess im Greifswalder Krankenhaus wäre es erfolgversprechender gewesen, ich hätte still in meinem Bett gelegen und mich nicht gerührt. Leider war das unmöglich. Wegen der eigenwilligen Besatzung in meinem Zimmer musste ich mir meist vor Lachen den Bauch halten, und das tat ziemlich weh. Wie soll man da bloß wieder gesund werden
Die Schwester auf der Station übernahm diesen Job. Sie entfernte den Beutel, sobald sie den kleinen Finger vorsichtig in mein Stoma steckte, begann ich schon zu jaulen. Das Einspritzen des Medikaments war auch nicht angenehmer. Dann musste der Beutel wieder aufgesetzt werden. Im Gegensatz zu meinem üblichen Klebesystem, hatte ich im Krankenhaus ein Klicksystem. Der Beutel wurde durch Pressen auf die Platte eingerastet. Das bildete den krönenden schmerzhaften Abschluss der Prozedur. Dabei tat mein Bauch schon so weh, ohne dass jemand auf ihm rumdrückte. Schönen Dank auch! Da mir diese Art des Einlaufs offensichtlich übel bekam, bestanden die Ärzte auch nicht darauf, mich weiter zu martern. Sie legten fest, die Behandlung wird auf die herkömmliche Art fortgesetzt.
Wenn die Schwester den Kopf ins Zimmer steckte und sagte, "Tilli, wir treffen uns in fünf Minuten.", war es Zeit sich aus dem Bett zu quälen. Ich zog mir meinen Morgenmantel über und schlurfte zur Toilette. Dort wartete schon die Schwester mit der unvermeidlichen Apparatur. Ich legte meinen Morgenmantel aufs Fensterbrett, lüftete hinten mein rückenfreies Nachthemd und beobachtete schicksalsergeben die parkenden Autos unten auf dem Hof. Die Schwester sagte, ich sollte mich ganz entspannt verhalten. Das macht mal, wenn Ihr Euch vornübergebeugt, breitbeinig stehend am Fensterbrett abstützt, und die Schwester Euch einen Schlauch in den Hintern steckt! Zuerst musste ich die Pobacken lockerlassen und sie dann zusammenpressen. Letzteres erwies sich als recht schwierig. Ich hatte seit fast acht Monate vergessen, dass ich so etwas wie ein Gesäß überhaupt besitze. Der erste Versuch ging zwar nicht in die Hose sondern ergoss sich auf die Fliesen der Toilette. Dabei wurden meine feschen Cancanstrümpfe völlig durchnässt. Diese elegante Bekleidung trägt hier jeder Patient, egal ob Männlein oder Weiblein, zum rückenfreien Flatterhemd. Ich erwartete immer die Macher von "Vorsicht Kamera" hinter der nächsten Ecke, wenn ich so eingehüllt über den Flur schlich. In einem meiner Albträume geistert die erste Reihe des Friedrichstadtpalastballetts mit Aufsehen erregend hohen Beinwürfen in diesem Outfit über die Bühne. Obwohl das eher die passende Dienstbekleidung fürs Männerballett beim Fasching wäre. Die Schwester nahm mein Mißgeschick gelassen. Sie sagte, sie würden hier auf Station alles trainieren, auch meinen lahmen Schließmuskel. Wir trainierten zweimal am Tag, morgens und abends. Ab und zu hatten wir bei diesen Aufführungen auch Zuschauer, was meiner Konzentration aufs Hinternzusammenkneifen abträglich war.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass mein Darm leer wäre. Dem war nicht so. In irgendeinem seiner geheimen Winkel hatte er noch ein paar braune Köttel und jede Menge grauen Schleims für schlechte Zeiten versteckt. Die Ärzte befürchteten indessen, dass beim Einlauf über den Hintern das Medikament nicht in jede Ecke meines Gedärms gelangen könnte. So fragten mich die Doktoren bei der Visite, ob ich Handstand könne. Ich sagte ihnen, dass sie das getrost vergessen könnten. Auch wenn ich körperlich fit wäre, zu solchen akrobatischen Übungen bin ich nicht in der Lage. Die Schwester hatte eine bessere Idee, sie verpasste mir einen der Einläufe im Liegen. Das entfernte auch die letzte Schleimsuppe und spülte meinen Darm frei. So konnte mir der Stationsarzt stolz verkünden, dass die letzte Darmspiegelung, von der ich wieder nichts mitbekommen hatte, gut verlaufen wäre. Die Entzündung war weitgehend zurückgegangen. Der Professor sagte, sie würden mich für 3-4 Wochen nach Hause schicken, dann sollte ich für die Rückverlegung meines Darmausganges wiederkommen. Wobei er mir die Wahl ließ, wo ich operiert werden wollte, in Greifswald oder in Demmin. „In Demmin ist das Essen aber besser.“, platzte ich heraus. „Ja,“ erwiderte der Professor grimmig, „jeder weiß es, und keiner macht etwas dagegen.“ Ich sollte meine Kritik auf einen Zettel schreiben und diesen in den Meckerkasten auf dem Flur einwerfen. Aber ich halte mein Weblog für den geeigneteren Platz. Die Patienten werden in diesem Krankenhaus gut betreut, aber das Essen ist ein mittlerer Katastrophenfall.
Dabei schickte das Cateringunternehmen jeden Tag Mitarbeiterinnen an die Patientenfront. Die halfen dann, übereinstimmend mit dem Kostplan, bei der Zusammenstellung des täglichen Menüs. Die größte Auswahl hatte ich noch, als die Ärzte mir eiweißreiche Speisen verordneten. Dann kam zur eiweißreichen leichte Vollkost hinzu. Damit erweiterte sich das Angebot nicht etwa, es reduzierte sich drastisch. Beim Mittagsmahl hatte ich nur noch die Auswahl zwischen Essen und Hungern. Meine geliebte Salami wurde mir gestrichen. Ich hatte so schon Mühe aus dem Wurstangebot unterschiedliche Sorten für morgens und abends zu finden, die auch noch schmeckten. Auf die Abendbeilage verzichtete ich dabei gerne, nachdem ich dreimal hintereinander Senfgurken bekommen hatte. Verwundert war ich jedesmal, wenn ich beim Abendbrot auf dem Teller andere Sachen vorfand, als ich geordert hatte. Die Mitarbeiterin erklärte das mit, beim Transport würden diese Dinge selbsttätig von einem Tablett zum anderen hopsen. Ich blieb skeptisch. Mir kam da eher der Werbespot von den Analphabeten in den Sinn. Besonders hinreißend fand ich die süßen Mehlpuddingsuppen für die Diätköstler. Der Brei unterschied sich nur durch die Farbe. Wenn man den auf seinem Menüplan hatte, war man bald gegen jegliches Essen allergisch. Viel besser war doch da die Notsuppe, die die Schwestern aus Zwieback und Milch zubereiteten.
Wie gesagt, das Essen ist in Demmin um Äonen besser als in Greifswald. Auch hier wird der Patient gut umsorgt. Das Krankenhaus hat durch seine Größe ehe einen familiären Charakter. Weil mein Arbeitsplatz gleich um die Ecke ist, bekam ich viel Besuch. In Greifswald war mein Kontakt mit der Außenwelt nur ein telefonischer. Dass ich mich trotzdem gegen das kleine Demminer Kreiskrankenhaus entschied, hat nur den einen Grund, ich bin nicht folterresistent. In Greifswald ist der Patientenquälfaktor einfach geringer. Ich denke da nur an Position eins und zwei auf meiner Folterhitliste. Koloskopie und Darmreinigung werden mir auch künftig nicht erspart bleiben. Aber vielleicht kann ich meinen Onkologen ja überreden, dass sie in Demmin fortan das gleiche Darmputzermedikament einsetzen wie in Greifswald.
Für meinen Heilungsprozess im Greifswalder Krankenhaus wäre es erfolgversprechender gewesen, ich hätte still in meinem Bett gelegen und mich nicht gerührt. Leider war das unmöglich. Wegen der eigenwilligen Besatzung in meinem Zimmer musste ich mir meist vor Lachen den Bauch halten, und das tat ziemlich weh. Wie soll man da bloß wieder gesund werden
Mittwoch, 8. Februar 2006
Patientinnen
Mittwoch, 8. Februar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Die Schwester in der Wachstation tüterte meine Kabelei ab. Ich kletterte aus dem Bett und krabbelte in das, das die Stationsschwester mitgebracht hatte. Ein neuer Ortswechsel stand an. Wobei sich jede Erschütterung des Bettes unangenehm in meinem Bauch bemerkbar machte. Ich jammerte bei jedem Huggel.
Die Schwester schob mein Bett im Flur an dem einer anderen Patientin vorbei. Erst dachte ich, sie wartete auf eine Untersuchung. Dann fiel mir ihr grandioses Augen-Make-up auf. Hatte das Krankenhaus ein Theater oder eine geheime Nachtbar, und ich wusste nichts davon? Ich erinnerte mich im Waschraum eine alte Dame getroffen zu haben. Sie erzählte mir, dass sie gleich zur Operation müßte, während sie sich sorgfältig die Augenbrauen nachzog. Huch, der Konkurrenzkampf wird also sogar im Krankenhaus ausgefochten. Ich musste an eine boshafte Grafik aus Goyas "Los Caprichos" denken, das Blatt 55 mit dem Titel "Hasta la muerte". Ein hageres altes Weiblein putzt sich dort vor einem Spiegel. Einige Frauen fühlen sich ohne Kriegsbemalung anscheinend sehr unwohl. Interessiert es die Chirurgen eigentlich, ob die Patientin, die da vor ihnen auf dem Operationstisch liegt, schön oder hässlich ist? Haben sie überhaupt den Nerv und die Zeit auf so was zu achten? Ich hatte im Krankenhaus bis jetzt andere Sorgen als mein Aussehen. Wenn ich dort einrücke dann immer ohne Klunkern und Farbkasten.
Die Schwester schob mein Bett ins alte Zimmer auf einen freien Platz mit der linken Seite an die Wand. Das bedeutete für mich, ich musste auf der rechten Seite aus dem Bett steigen. Das war denkbar ungünstig, alles, was mir weh tat, befand sich rechts. Ich konnte mich nur mit einem Schmerzensschrei erheben. Deshalb fragte ich Frau W, die am gleichen Tag mit mir ins Krankenhaus eingerückt war, ob sie mit mir den Platz tauschen würde. Zwar merkte ich jede Lageveränderung überdeutlich in meinem Bauch, aber links konnte ich mich wenigstens ohne Tarzanschrei aufrichten.
Frau W tat mir gern den Gefallen. Sie hatte eine eigenwillige Art das Wörtchen "mich" zu gebrauchen, an der Herr Sick sicherlich seine Freude gehabt hätte. Sonst aber war sie die Hilfsbereitschaft in Person. Sie war klein und von knuddeliger Gestalt. Ins Krankenhaus war sie wegen eines kosmetischen Problems gekommen. Ihre Krankenkasse übernahm einsichtsvoll die Kosten für die Operation. Am Unterbauch hatte sich bei ihr eine Schürze gebildet, die sie zunehmend am Gehen hinderte. Gebildet hatte sich die Schürze durch mehrere Geburten, schwere körperliche Arbeit im Kuhstall und beim Paketdienst der Post sowie durch ihr beträchtliches Übergewicht. Der Oberarzt sagte ihr, einen Cladia-Schiffer-Bauch könne er ihr nicht versprechen, aber ihr Problem könne gelöst werden. Das Gewebe, das Frau W entfernt wurde, hatte ein Gewicht von mehr als 7 kg. Frau W hatte eine etwas laute Art, die nicht bei jeder der Zimmergefährtinnen gut ankam. Aber, wenn man sechs Kinder zur Welt gebracht und auch großgezogen hat, dann muss man sich schon durchsetzen können.
Im Bett hinter mir lag eine alte Dame von etwa Mitte siebzig, nennen wir sie Frau X. Sie schien eine Abneigung gegen alles und jeden zu haben bis auf eine Ausnahme. Kaum war die Zimmertür nach der Visite hinter uns geschlossen, verkündete sie jedesmal, wie sehr sie den Stationsarzt mag. Wir waren von netten Ärzten umzingelt, aber dieser Doktor war der eindeutige Favorit bei den Damen in meinem Zimmer. Seine fröhliche Art kam gut an. Die Patientin hinter mir überlegte eines Tages laut, ob der Herr Doktor wohl noch zu haben wäre. Die Schwesternschülerin sagte einfach, "Fragen Sie ihn doch." Das wollte die alte Dame indessen nicht. Sie behauptete, zu alt für diese Angelegenheit zu sein. "Aber Frau X, dafür ist man doch nie zu alt!", antworteten die Schwesternschülerin und ich im Chor. Ich musste an meinen Vati und Jutta denken, und wie glücklich die beiden miteinander sind. Sollen sie auf Liebe verzichten, nur weil sie alt sind?
Frau X begann weiter mit ihrer Allergie gegen alles und jeden zu nerven. Ihr beliebtestes Stilmittel war dabei die Übertreibung. Wenn Frau W ½ Stunde vor dem Wecken den Waschraum ansteuerte, und ich ihr dann folgte, wurde Frau X natürlich Mitten in der Nacht vom Schlafen abgehalten. Frau Ws laute Art war ihr selbstverständlich auch suspekt. Als sie sich darüber bei mir beklagte, sagte ich ihr, ich wäre die falsche Adresse. Wenn sie ein Problem mit Frau W hätte, müsse sie das mit ihr klären und nicht mit mir. Frau X drehte die Heizung aus, weil es angeblich im Zimmer zu warm wäre. Draußen war kalter Winter, und ich fror in meinem Bett still vor mich hin. Seit ich nichts mehr auf den Rippen habe, bin ich eine noch größere Frostbeule als sonst. Zwar drehte ich die Heizung wieder hoch, aber Frau X lag näher am Schalter. Damit standen die Chancen für ein warmes Zimmer gleich Null. Das änderte sich erst, als eine Lehrerin zu uns ins Zimmer zog, mit der ich spontan eine Einheitsfront bildete. Unsere erste Aktion war, Heizung hochdrehen. Frau X wagte keinen Protest.
Einmal wachte ich nachts mit starken Schmerzen auf. Jeder Atemzug tat mir weh. Die Schwester meinte, dass ich mich verlegen hätte. Sie gab mir Schmerztropfen. Ich sollte ganz ruhig atmen. Um mich abzulenken, wollte ich fernsehen. In Demmin war das nie ein Problem gewesen, hier ja. Aus dem Bett hinter mir kam Protest. Ich hatte keine Lust auf einen Disput mit der Nervensäge. Also schnappte ich mir den Roller und brach zu einem Nachtspaziergang auf dem langen Flur der Station auf. Beim gemächlichen Gehen fiel mir das Atmen leichter als im Liegen. Die Stiche in der Lunge ließen langsam nach. Getroffen habe ich auf dem Flur keine Menschenseele. Im Greifswalder Krankenhaus gab es nicht mal ein Nachtgespenst. Weil es mir das Atmen erleichterte, lüftete ich für ½ Stunde das Zimmer. Frau X behauptete am nächsten Morgen, das Fenster hätte die ganze Nacht aufgestanden. Ich erwiderte, dass sie, wie immer, übertreibe, und sie gar nicht wisse, wie übel es mir in der Nacht ergangen war. Im Gegensatz zu ihr war für mich die Nacht vorbei gewesen, an Schlafen nicht mehr zu denken. Anscheinend konnte es ihr niemand recht machen, es sei denn, man war der Stationsarzt.
Die alte Dame hatte irgendein Problem, das nach meiner Meinung nichts mit ihrer Erkrankung zu tun hatte. Später sollte ich erfahren, welcher Art dieses Problem war. Ohne Zweifel ging es ihr gesundheitlich nicht sehr gut. Denn matt genug war sie ja. Immerhin lag sie, nachdem sie 2/3 ihres Magens verloren hatte, schon ein Jahr im Krankenhaus. Sie hatte davon einen langen Zeitraum in der Wachstation verbracht. Na, so schlecht kann es ihr aber dort nicht ergangen sein, denn sie schwärmte nachhaltig von den schwarzen Augen eines Doktors. Ich wusste, wen sie meinte, aber ich war während meiner Zeit auf der Wachstation nicht in der Verfassung, dass mich die Augen der dort tätigen Ärzte sonderlich interessiert hätten. Beim Abschied versicherte Frau X dem Doktor, den sie als ihren Schietermatz bezeichnete, sie würde seine dunklen Augen nie vergessen. Und dann behauptete sie, sie wäre zu alt für diesen Schiet!
Ich sah wie Frau X, fast einer Ohnmacht nahe, von der Toilette zurück ins Zimmer wankte. Kein Wunder, sie aß ja auch so gut wie nichts. Die Schwestern und Ärzte schwindelte sie über die von ihr verzehrte Nahrungsmenge an. Ich hatte daraufhin nichts besseres zu tun als Frau X bei der Schwester zu verpetzen. Gut, jeder ist letztendlich für sich selbst verantwortlich. Aber zusehen, wie sie zusammenklappt, konnte ich schließlich auch nicht. Die Ärzte verwarnten sie eindringlich, falls sie nicht endlich essen würde, dann würde sie an den Tropf angestöpselt und künstlich ernährt werden. Die Schwester notierte peinlich genau, was Frau X aß oder trank. Weil die Lehrerin und ich gedroht hatten, wir würden sie ganz penibel beobachten, machte sie auch keine falschen Angaben mehr. Frau X schien die gesteigerte Aufmerksamkeit um ihre Person sichtlich zu gefallen. Sie hatte kaum noch etwas zu meckern und taute merklich auf. Sie versorgte uns mit allerlei Anekdoten aus ihrer Krankengeschichte. Einmal sollte ihr Bauch geröntgt werden. Der dazu notwendige Kontrastmitteleinlauf hatte auf sie eine abführende Wirkung. Sie berichtete, sie hätte dem Arzt auf dem Röntgentisch kräftig einen vorgeflattert. Der Arzt sagte daraufhin, dass würde nichts machen und hätte stoisch geröntgt, sie und alles andere ebenso.
Nachdem Frau W in ihr Dorf entlassen wurden, komplettierte Frau Z unser Quartett. Sie war auch Rentnerin und Mutter genausovieler Kinder. Ihr war der Magen vollständig entfernt worden, und sie behauptete, jetzt den einer Ente zu haben. Bei ihrer Operation erhielt sie eine Bluttransfusion. Sie sagte, sie wolle aber nicht das Blut eines alten Mannes haben. Die Schwester beruhigte sie, sie hätte das Blut eines Spaniers erhalten. Den Beweis dafür trat sie am nächsten Morgen an, als sie am Bettrand sitzend mit den Puschen einen temperamentvollen Steptanz aufs Parkett legte.
In diesem Patientenzimmer konnte man an allerlei Gebrechen leiden, aber bestimmt nicht an Langerweile.
Die Schwester schob mein Bett im Flur an dem einer anderen Patientin vorbei. Erst dachte ich, sie wartete auf eine Untersuchung. Dann fiel mir ihr grandioses Augen-Make-up auf. Hatte das Krankenhaus ein Theater oder eine geheime Nachtbar, und ich wusste nichts davon? Ich erinnerte mich im Waschraum eine alte Dame getroffen zu haben. Sie erzählte mir, dass sie gleich zur Operation müßte, während sie sich sorgfältig die Augenbrauen nachzog. Huch, der Konkurrenzkampf wird also sogar im Krankenhaus ausgefochten. Ich musste an eine boshafte Grafik aus Goyas "Los Caprichos" denken, das Blatt 55 mit dem Titel "Hasta la muerte". Ein hageres altes Weiblein putzt sich dort vor einem Spiegel. Einige Frauen fühlen sich ohne Kriegsbemalung anscheinend sehr unwohl. Interessiert es die Chirurgen eigentlich, ob die Patientin, die da vor ihnen auf dem Operationstisch liegt, schön oder hässlich ist? Haben sie überhaupt den Nerv und die Zeit auf so was zu achten? Ich hatte im Krankenhaus bis jetzt andere Sorgen als mein Aussehen. Wenn ich dort einrücke dann immer ohne Klunkern und Farbkasten.
Die Schwester schob mein Bett ins alte Zimmer auf einen freien Platz mit der linken Seite an die Wand. Das bedeutete für mich, ich musste auf der rechten Seite aus dem Bett steigen. Das war denkbar ungünstig, alles, was mir weh tat, befand sich rechts. Ich konnte mich nur mit einem Schmerzensschrei erheben. Deshalb fragte ich Frau W, die am gleichen Tag mit mir ins Krankenhaus eingerückt war, ob sie mit mir den Platz tauschen würde. Zwar merkte ich jede Lageveränderung überdeutlich in meinem Bauch, aber links konnte ich mich wenigstens ohne Tarzanschrei aufrichten.
Frau W tat mir gern den Gefallen. Sie hatte eine eigenwillige Art das Wörtchen "mich" zu gebrauchen, an der Herr Sick sicherlich seine Freude gehabt hätte. Sonst aber war sie die Hilfsbereitschaft in Person. Sie war klein und von knuddeliger Gestalt. Ins Krankenhaus war sie wegen eines kosmetischen Problems gekommen. Ihre Krankenkasse übernahm einsichtsvoll die Kosten für die Operation. Am Unterbauch hatte sich bei ihr eine Schürze gebildet, die sie zunehmend am Gehen hinderte. Gebildet hatte sich die Schürze durch mehrere Geburten, schwere körperliche Arbeit im Kuhstall und beim Paketdienst der Post sowie durch ihr beträchtliches Übergewicht. Der Oberarzt sagte ihr, einen Cladia-Schiffer-Bauch könne er ihr nicht versprechen, aber ihr Problem könne gelöst werden. Das Gewebe, das Frau W entfernt wurde, hatte ein Gewicht von mehr als 7 kg. Frau W hatte eine etwas laute Art, die nicht bei jeder der Zimmergefährtinnen gut ankam. Aber, wenn man sechs Kinder zur Welt gebracht und auch großgezogen hat, dann muss man sich schon durchsetzen können.
Im Bett hinter mir lag eine alte Dame von etwa Mitte siebzig, nennen wir sie Frau X. Sie schien eine Abneigung gegen alles und jeden zu haben bis auf eine Ausnahme. Kaum war die Zimmertür nach der Visite hinter uns geschlossen, verkündete sie jedesmal, wie sehr sie den Stationsarzt mag. Wir waren von netten Ärzten umzingelt, aber dieser Doktor war der eindeutige Favorit bei den Damen in meinem Zimmer. Seine fröhliche Art kam gut an. Die Patientin hinter mir überlegte eines Tages laut, ob der Herr Doktor wohl noch zu haben wäre. Die Schwesternschülerin sagte einfach, "Fragen Sie ihn doch." Das wollte die alte Dame indessen nicht. Sie behauptete, zu alt für diese Angelegenheit zu sein. "Aber Frau X, dafür ist man doch nie zu alt!", antworteten die Schwesternschülerin und ich im Chor. Ich musste an meinen Vati und Jutta denken, und wie glücklich die beiden miteinander sind. Sollen sie auf Liebe verzichten, nur weil sie alt sind?
Frau X begann weiter mit ihrer Allergie gegen alles und jeden zu nerven. Ihr beliebtestes Stilmittel war dabei die Übertreibung. Wenn Frau W ½ Stunde vor dem Wecken den Waschraum ansteuerte, und ich ihr dann folgte, wurde Frau X natürlich Mitten in der Nacht vom Schlafen abgehalten. Frau Ws laute Art war ihr selbstverständlich auch suspekt. Als sie sich darüber bei mir beklagte, sagte ich ihr, ich wäre die falsche Adresse. Wenn sie ein Problem mit Frau W hätte, müsse sie das mit ihr klären und nicht mit mir. Frau X drehte die Heizung aus, weil es angeblich im Zimmer zu warm wäre. Draußen war kalter Winter, und ich fror in meinem Bett still vor mich hin. Seit ich nichts mehr auf den Rippen habe, bin ich eine noch größere Frostbeule als sonst. Zwar drehte ich die Heizung wieder hoch, aber Frau X lag näher am Schalter. Damit standen die Chancen für ein warmes Zimmer gleich Null. Das änderte sich erst, als eine Lehrerin zu uns ins Zimmer zog, mit der ich spontan eine Einheitsfront bildete. Unsere erste Aktion war, Heizung hochdrehen. Frau X wagte keinen Protest.
Einmal wachte ich nachts mit starken Schmerzen auf. Jeder Atemzug tat mir weh. Die Schwester meinte, dass ich mich verlegen hätte. Sie gab mir Schmerztropfen. Ich sollte ganz ruhig atmen. Um mich abzulenken, wollte ich fernsehen. In Demmin war das nie ein Problem gewesen, hier ja. Aus dem Bett hinter mir kam Protest. Ich hatte keine Lust auf einen Disput mit der Nervensäge. Also schnappte ich mir den Roller und brach zu einem Nachtspaziergang auf dem langen Flur der Station auf. Beim gemächlichen Gehen fiel mir das Atmen leichter als im Liegen. Die Stiche in der Lunge ließen langsam nach. Getroffen habe ich auf dem Flur keine Menschenseele. Im Greifswalder Krankenhaus gab es nicht mal ein Nachtgespenst. Weil es mir das Atmen erleichterte, lüftete ich für ½ Stunde das Zimmer. Frau X behauptete am nächsten Morgen, das Fenster hätte die ganze Nacht aufgestanden. Ich erwiderte, dass sie, wie immer, übertreibe, und sie gar nicht wisse, wie übel es mir in der Nacht ergangen war. Im Gegensatz zu ihr war für mich die Nacht vorbei gewesen, an Schlafen nicht mehr zu denken. Anscheinend konnte es ihr niemand recht machen, es sei denn, man war der Stationsarzt.
Die alte Dame hatte irgendein Problem, das nach meiner Meinung nichts mit ihrer Erkrankung zu tun hatte. Später sollte ich erfahren, welcher Art dieses Problem war. Ohne Zweifel ging es ihr gesundheitlich nicht sehr gut. Denn matt genug war sie ja. Immerhin lag sie, nachdem sie 2/3 ihres Magens verloren hatte, schon ein Jahr im Krankenhaus. Sie hatte davon einen langen Zeitraum in der Wachstation verbracht. Na, so schlecht kann es ihr aber dort nicht ergangen sein, denn sie schwärmte nachhaltig von den schwarzen Augen eines Doktors. Ich wusste, wen sie meinte, aber ich war während meiner Zeit auf der Wachstation nicht in der Verfassung, dass mich die Augen der dort tätigen Ärzte sonderlich interessiert hätten. Beim Abschied versicherte Frau X dem Doktor, den sie als ihren Schietermatz bezeichnete, sie würde seine dunklen Augen nie vergessen. Und dann behauptete sie, sie wäre zu alt für diesen Schiet!
Ich sah wie Frau X, fast einer Ohnmacht nahe, von der Toilette zurück ins Zimmer wankte. Kein Wunder, sie aß ja auch so gut wie nichts. Die Schwestern und Ärzte schwindelte sie über die von ihr verzehrte Nahrungsmenge an. Ich hatte daraufhin nichts besseres zu tun als Frau X bei der Schwester zu verpetzen. Gut, jeder ist letztendlich für sich selbst verantwortlich. Aber zusehen, wie sie zusammenklappt, konnte ich schließlich auch nicht. Die Ärzte verwarnten sie eindringlich, falls sie nicht endlich essen würde, dann würde sie an den Tropf angestöpselt und künstlich ernährt werden. Die Schwester notierte peinlich genau, was Frau X aß oder trank. Weil die Lehrerin und ich gedroht hatten, wir würden sie ganz penibel beobachten, machte sie auch keine falschen Angaben mehr. Frau X schien die gesteigerte Aufmerksamkeit um ihre Person sichtlich zu gefallen. Sie hatte kaum noch etwas zu meckern und taute merklich auf. Sie versorgte uns mit allerlei Anekdoten aus ihrer Krankengeschichte. Einmal sollte ihr Bauch geröntgt werden. Der dazu notwendige Kontrastmitteleinlauf hatte auf sie eine abführende Wirkung. Sie berichtete, sie hätte dem Arzt auf dem Röntgentisch kräftig einen vorgeflattert. Der Arzt sagte daraufhin, dass würde nichts machen und hätte stoisch geröntgt, sie und alles andere ebenso.
Nachdem Frau W in ihr Dorf entlassen wurden, komplettierte Frau Z unser Quartett. Sie war auch Rentnerin und Mutter genausovieler Kinder. Ihr war der Magen vollständig entfernt worden, und sie behauptete, jetzt den einer Ente zu haben. Bei ihrer Operation erhielt sie eine Bluttransfusion. Sie sagte, sie wolle aber nicht das Blut eines alten Mannes haben. Die Schwester beruhigte sie, sie hätte das Blut eines Spaniers erhalten. Den Beweis dafür trat sie am nächsten Morgen an, als sie am Bettrand sitzend mit den Puschen einen temperamentvollen Steptanz aufs Parkett legte.
In diesem Patientenzimmer konnte man an allerlei Gebrechen leiden, aber bestimmt nicht an Langerweile.
Montag, 30. Januar 2006
Psycholabor Wachstation
Montag, 30. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Am nächsten Tag durfte ich schon einen Joghurt schlappern. Mittags sollte ich in die Wachstation verlegt werden. Leider ließ die Wirkung der Schmerzmittel bis dahin kontinuierlich nach. Als ich abgeholt werden sollte, musste ich einsehen, dass ich nicht in der Lage war selbstständig ins andere Bett hinüber zu krabbeln. Ein Problem war das nicht. Ich wurde einfach mithilfe eines glatten Brettes, das als schiefe Ebene fungierte, ins andere Bett befördert. In diesem schoben sie mich in mein neues Zimmer in der Wachstation. Das teile ich mit einer älteren Frau, die mir gegenüberlag und einem fünfundsiebzigjährigen Mann rechts neben mir.
Am Anfang ging es mir nicht so gut, ich hatte ziemliche Schmerzen. Deshalb wurde auch mein Bauch geröntgt. Ich musste dazu eine Flüssigkeit trinken, die ein wenig nach Zitrone schmeckte. Am Abend musste ich das Zeugs erbrechen. Ich hatte gerade noch Zeit meinen Kopf über den Bettrand zu hängen. Die Schwester war trotzdem erfreut, denn ich ersparte ihr durch meine Reaktion, mich und das Bett neu einkleiden zu müssen. Sie braucht lediglich den Fußboden zu wischen.
Für Kurzweil sorgte der alte Herr neben mir. Er wollte unbedingt spazieren gehen und seine Strippen abtütern. Die Schwester konnte erzählen, was sie wollte, er nahm es gar nicht wahr. Nach einer Weile begann er die Schwester zu duzen und erklärte, sie habe keinerlei Recht, ihm Anweisungen zu geben. Es schien, als glaubte er sich von der Schwester verfolgt, die ihm Böses antun wolle. Sie hatte Mühe ihn davon abzubringen, aus dem Bett zu klettern. Seinen Tiraden, in die er sich hineinsteigerte, wurden immer länger und immer lauter. Wenn es einem selbst nicht so toll geht, nervt das Gezänke natürlich. Schließlich hatte ich genug. "Verdammt noch mal, geben Sie endlich Ruhe. Hier sind noch andere Patienten." Der Erfolg war kein nennenswerter, neben Schwestern und Ärzten wurde ich nun auch in den Beschimpfungen mitbedacht. Die Sache erreichte ihren Höhepunkt, als die Schwester einen weiteren Fluchtversuch vereitelte, indem sie den alten Herren mit seinen Händen ans Bett fesselte. Sie sagte mir, der Arzt hatte ihr die Erlaubnis gegeben. Es geschah zum Schutz des alten Mannes vor sich selbst. Wenn sich ein Patient die Katheter herausruppt, ist das nicht gerade lustig. Unter wüsten Verwünschungen versuchte er mit den Beinen aus dem Bett zu kommen, bis die Schwester auch die fixierte.
Den dazukommenden Doktor fragte der alte Mann, ob er sich nicht schämen würde, sich anzusehen, was die Schwester mit ihm gemacht hätte. Der Arzt verneinte lächelnd. Er hatte den alten Herren gefragt, was für ein Tag heute wäre, und die korrekte Antwort erhalten. Ich hätte da so meine Schwierigkeiten gehabt. Aber dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stunde. Allerdings wusste ich genau, dass ich mich in Greifswald im Krankenhaus befand. Der alte Mann dagegen wähnte sich in seinem Dorf. Der Arzt erzählte mir, dass bei manchen Patienten die Narkose auf diese Weise nachwirkte. Ich sollte mir nichts daraus machen. In Demmin in der Intensivstation hatte ein älterer Patient die Nachtschwester und den Zivi in Stress versetzt, indem er die ganze Nacht lautstark nach seiner Tochter rief. Er wusste auch nicht, wo er sich befand. Auf meinen Nachtschlaf hatte das keine negativen Folgen, da ich in einem separaten Zimmer lag. Der Zivi schloss einfach die Tür.
Meine Befürchtungen, wegen des randalierenden Zimmergenossens nicht schlafen zu können, erwiesen sich als unbegründet. Sobald das Lich gelöscht war, dämpfte er die Lautstärke seiner Proteste. Gegen das Gemurmel hatte ich nichts einzuwenden. Ich konnte dabei herrlich schlafen. Am nächsten Tag, nachdem ihm die Fesseln abgenommen wurden, verwandelte sich der alte Herr wieder in den netten Patienten, der er doch eigentlich war.
Der Doktor trat an mein Bett, einen mir bekannten Studenten im Schlepptau. Er erklärte mir, wenn er einmal alt wäre, sollte der Student ihn behandeln. Dazu müsse der allerdings noch viel lernen. Meine Krankengeschichte z.B. sei doch sehr interessant. Das mag aus ärztlicher Sicht ja so erscheinen. Aus meiner Sicht ist sie nur belastend. Ich erinnerte den Studenten daran, dass er mir an meinem ersten Tag auf der Station Blut abgenommen hatte. Der Doktor war hocherfreut. „Dann kennt ihr euch ja.“, stellte er fest und ließ uns allein. Der Student interviewte mich zu meiner Krankheit und notierte sorgfältig meine Aussagen. Wenn man in der Wachstation liegt, ist man für jede Ablenkung dankbar, und sei sie noch so skurril!
Ab und zu erschien eine junge Physiotherapeutin, und ich musste dann mit den Armen und Beinen wedeln. Ihre Chefin unternahm mit mir Spaziergänge auf dem Gang. Damit ich nicht umfiel, erhielt ich eine rollende Armstütze von der Schwester. Da der Gang lang und ich entsprechend langsam war, dauerte das seine Zeit. Die Physiotherapeutin erzählte mir mit Tränen in den Augen, dass sie ihren Schwager vor kurzem durch Krebs verloren hätte. Sein Krebs an der Wirbelsäule sei zu spät diagnostiziert worden, und dann war keine Hilfe mehr möglich. Überall Einschläge, rechts und links neben einem.
Ins Zimmer wurde ein weiterer frischoperierter älterer Herr geschoben dem anderen gegenüber. So konnte der zweite Akt des Dramas aufgeführt werden, diesmal mit zwei Hauptdarstellern. Auch dieser Mann hatte nichts eiligeres zu versuchen als sich die Katheter zu entfernen mit dem bekannten Ergebnis. Die Schwester fesselte ihm die Hände. Das nahm nun der andere alte Herr als Stichwort für seinen Auftritt. Mit einem Mal war er aus seinem Bett gesprungen, barfuß, im rückenfreien Nachthemd und nur zurückgehalten durch die Kabelei, an der er hing. Ich vermute, in der Wachstation gibt es irgendein geheimes Alarmsystem, denn plötzlich war der Raum voller Ärzte. Sie fingen den alten Mann auf. Einem älteren Doktor gelang es, den Patienten wieder ins Bett zu bugsieren, indem er nur beruhigend auf ihn einsprach. Die beiden männlichen Patienten, wussten zwar, welchen Tag wir hatten, aber die Orientierungsschwierigkeiten blieben. Der eine glaubte sich in einem Hotel, der andere bei einer Jagdgesellschaft. Dass sie sich im Krankenhaus in Greifswald befanden, hielt keiner der beiden für möglich. Die Physiotherapeutin stand zufällig neben meinem Bett. Sie sagte mir, falls diesen beiden Patienten ihre Eskapaden 14 Tage später per Video vorgeführt würde, dann würden sie sich garantiert mit sehr viel Kuchengeld bedanken. Aber ein Kameramann war nirgends zu sehen. Beide Hauptdarsteller waren jetzt an den Händen gefesselt, der zweite Akt war damit zu Ende. Der Theatervorhang konnte fallen, und die Schwester wieder ihre gewohnte Arbeit aufnehmen.
Die Ausstattung in der Wachstation weist gegenüber dem Kreiskrankenhaus in Demmin eine Besonderheit auf. Am Patientenbett befindet sich neben dem bekannten Überwachungsmonitor auch ein Touchscreen. Die Schwester oder der Arzt hat von jedem dieser Bildschirme aus Zugriff auf die Patientenakten. Dort wird nicht nur der Krankheitsverlauf und die Medikation festgehalten. Der Patient wird auch charakterisiert. Über die Schulter der Schwester hinweg las ich dort solche Einschätzungen über mich wie freundlich und kooperativ. Och, meine Arbeitskollegen können da noch ganz andere Sachen berichten. Auf meiner Kaffeetasse steht nicht umsonst Marion, die Widerspenstige.
Am Anfang ging es mir nicht so gut, ich hatte ziemliche Schmerzen. Deshalb wurde auch mein Bauch geröntgt. Ich musste dazu eine Flüssigkeit trinken, die ein wenig nach Zitrone schmeckte. Am Abend musste ich das Zeugs erbrechen. Ich hatte gerade noch Zeit meinen Kopf über den Bettrand zu hängen. Die Schwester war trotzdem erfreut, denn ich ersparte ihr durch meine Reaktion, mich und das Bett neu einkleiden zu müssen. Sie braucht lediglich den Fußboden zu wischen.
Für Kurzweil sorgte der alte Herr neben mir. Er wollte unbedingt spazieren gehen und seine Strippen abtütern. Die Schwester konnte erzählen, was sie wollte, er nahm es gar nicht wahr. Nach einer Weile begann er die Schwester zu duzen und erklärte, sie habe keinerlei Recht, ihm Anweisungen zu geben. Es schien, als glaubte er sich von der Schwester verfolgt, die ihm Böses antun wolle. Sie hatte Mühe ihn davon abzubringen, aus dem Bett zu klettern. Seinen Tiraden, in die er sich hineinsteigerte, wurden immer länger und immer lauter. Wenn es einem selbst nicht so toll geht, nervt das Gezänke natürlich. Schließlich hatte ich genug. "Verdammt noch mal, geben Sie endlich Ruhe. Hier sind noch andere Patienten." Der Erfolg war kein nennenswerter, neben Schwestern und Ärzten wurde ich nun auch in den Beschimpfungen mitbedacht. Die Sache erreichte ihren Höhepunkt, als die Schwester einen weiteren Fluchtversuch vereitelte, indem sie den alten Herren mit seinen Händen ans Bett fesselte. Sie sagte mir, der Arzt hatte ihr die Erlaubnis gegeben. Es geschah zum Schutz des alten Mannes vor sich selbst. Wenn sich ein Patient die Katheter herausruppt, ist das nicht gerade lustig. Unter wüsten Verwünschungen versuchte er mit den Beinen aus dem Bett zu kommen, bis die Schwester auch die fixierte.
Den dazukommenden Doktor fragte der alte Mann, ob er sich nicht schämen würde, sich anzusehen, was die Schwester mit ihm gemacht hätte. Der Arzt verneinte lächelnd. Er hatte den alten Herren gefragt, was für ein Tag heute wäre, und die korrekte Antwort erhalten. Ich hätte da so meine Schwierigkeiten gehabt. Aber dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stunde. Allerdings wusste ich genau, dass ich mich in Greifswald im Krankenhaus befand. Der alte Mann dagegen wähnte sich in seinem Dorf. Der Arzt erzählte mir, dass bei manchen Patienten die Narkose auf diese Weise nachwirkte. Ich sollte mir nichts daraus machen. In Demmin in der Intensivstation hatte ein älterer Patient die Nachtschwester und den Zivi in Stress versetzt, indem er die ganze Nacht lautstark nach seiner Tochter rief. Er wusste auch nicht, wo er sich befand. Auf meinen Nachtschlaf hatte das keine negativen Folgen, da ich in einem separaten Zimmer lag. Der Zivi schloss einfach die Tür.
Meine Befürchtungen, wegen des randalierenden Zimmergenossens nicht schlafen zu können, erwiesen sich als unbegründet. Sobald das Lich gelöscht war, dämpfte er die Lautstärke seiner Proteste. Gegen das Gemurmel hatte ich nichts einzuwenden. Ich konnte dabei herrlich schlafen. Am nächsten Tag, nachdem ihm die Fesseln abgenommen wurden, verwandelte sich der alte Herr wieder in den netten Patienten, der er doch eigentlich war.
Der Doktor trat an mein Bett, einen mir bekannten Studenten im Schlepptau. Er erklärte mir, wenn er einmal alt wäre, sollte der Student ihn behandeln. Dazu müsse der allerdings noch viel lernen. Meine Krankengeschichte z.B. sei doch sehr interessant. Das mag aus ärztlicher Sicht ja so erscheinen. Aus meiner Sicht ist sie nur belastend. Ich erinnerte den Studenten daran, dass er mir an meinem ersten Tag auf der Station Blut abgenommen hatte. Der Doktor war hocherfreut. „Dann kennt ihr euch ja.“, stellte er fest und ließ uns allein. Der Student interviewte mich zu meiner Krankheit und notierte sorgfältig meine Aussagen. Wenn man in der Wachstation liegt, ist man für jede Ablenkung dankbar, und sei sie noch so skurril!
Ab und zu erschien eine junge Physiotherapeutin, und ich musste dann mit den Armen und Beinen wedeln. Ihre Chefin unternahm mit mir Spaziergänge auf dem Gang. Damit ich nicht umfiel, erhielt ich eine rollende Armstütze von der Schwester. Da der Gang lang und ich entsprechend langsam war, dauerte das seine Zeit. Die Physiotherapeutin erzählte mir mit Tränen in den Augen, dass sie ihren Schwager vor kurzem durch Krebs verloren hätte. Sein Krebs an der Wirbelsäule sei zu spät diagnostiziert worden, und dann war keine Hilfe mehr möglich. Überall Einschläge, rechts und links neben einem.
Ins Zimmer wurde ein weiterer frischoperierter älterer Herr geschoben dem anderen gegenüber. So konnte der zweite Akt des Dramas aufgeführt werden, diesmal mit zwei Hauptdarstellern. Auch dieser Mann hatte nichts eiligeres zu versuchen als sich die Katheter zu entfernen mit dem bekannten Ergebnis. Die Schwester fesselte ihm die Hände. Das nahm nun der andere alte Herr als Stichwort für seinen Auftritt. Mit einem Mal war er aus seinem Bett gesprungen, barfuß, im rückenfreien Nachthemd und nur zurückgehalten durch die Kabelei, an der er hing. Ich vermute, in der Wachstation gibt es irgendein geheimes Alarmsystem, denn plötzlich war der Raum voller Ärzte. Sie fingen den alten Mann auf. Einem älteren Doktor gelang es, den Patienten wieder ins Bett zu bugsieren, indem er nur beruhigend auf ihn einsprach. Die beiden männlichen Patienten, wussten zwar, welchen Tag wir hatten, aber die Orientierungsschwierigkeiten blieben. Der eine glaubte sich in einem Hotel, der andere bei einer Jagdgesellschaft. Dass sie sich im Krankenhaus in Greifswald befanden, hielt keiner der beiden für möglich. Die Physiotherapeutin stand zufällig neben meinem Bett. Sie sagte mir, falls diesen beiden Patienten ihre Eskapaden 14 Tage später per Video vorgeführt würde, dann würden sie sich garantiert mit sehr viel Kuchengeld bedanken. Aber ein Kameramann war nirgends zu sehen. Beide Hauptdarsteller waren jetzt an den Händen gefesselt, der zweite Akt war damit zu Ende. Der Theatervorhang konnte fallen, und die Schwester wieder ihre gewohnte Arbeit aufnehmen.
Die Ausstattung in der Wachstation weist gegenüber dem Kreiskrankenhaus in Demmin eine Besonderheit auf. Am Patientenbett befindet sich neben dem bekannten Überwachungsmonitor auch ein Touchscreen. Die Schwester oder der Arzt hat von jedem dieser Bildschirme aus Zugriff auf die Patientenakten. Dort wird nicht nur der Krankheitsverlauf und die Medikation festgehalten. Der Patient wird auch charakterisiert. Über die Schulter der Schwester hinweg las ich dort solche Einschätzungen über mich wie freundlich und kooperativ. Och, meine Arbeitskollegen können da noch ganz andere Sachen berichten. Auf meiner Kaffeetasse steht nicht umsonst Marion, die Widerspenstige.
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