Montag, 26. Juni 2006
Mit Gummibären und Lakritz gegen die Übelkeit
Montag, 26. Juni 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Die Chemotherapie bringt es mit sich, dass sich in meinem Mund ein starker Belag breitmacht. Meine Zunge ist manchmal dick bemoost. Dieses Moos ist allerdings nicht grün sondern weiß. Die Beschichtung ist die harmlosere Seite, unangenehmer ist der üble Geschmack, der mich allein schon zum Würgen reizt. Ich habe dagegen ein ebenso einfaches wie wirksames Mittel gefunden. Abends gurgel ich mit einer Kamillenlösung, und am Tag lutsche ich Gummibären oder Lakritz. Lakritz mochte ich ja schon immer, aber Gummibären habe ich bis zu meiner Krebserkrankung nicht angerührt. Wie dem auch sei, meine kleine Blechkiste ist mit beiden immer gut gefüllt. Die kleine Tochter meiner Freundin hat diese Schatzkiste natürlich längst entdeckt. Wenn sie mich besucht, dann rennt sie zuerst zum Käfig mit den Sittichen. Anschließend drückt sie mir die Blechkiste in die Hand, damit ich den Deckel abnehme, und wir beide naschen können.
Dies war meine Erholungswoche. Weil es mir während der Chemotherapie recht gut ging, war ich sehr unternehmungslustig. Am Dienstag besuchte ich meine Arbeitskollegen. Die Kollegin war in Urlaub und unser Chef unterwegs. So war ich mit den restlichen vier Herren allein. Ich hatte meinem Arbeitskollegen versprochen, mit ihm zusammen ein Überwachungsprogramm für den zweiten Server zu installieren. Bei dem Versuch die Papiere mit dem Schlüsselwort aus einem Karton zu ziehen, schnitt ich mir an der Pappe den Daumen auf. Mein Kollege klebte ein Pflaster auf die blutende Wunde. Da sieht man es mal wieder, die Arbeit in der EDV ist hundsgefährlich. Schon bei einer so simplen Tätigkeit kann man verunfallen. Normalerweise hätte das Einspielen des Programms maximal eine halbe Stunde gedauert, aber der Normalfall trat nicht ein. Das DVD-Laufwerk des Servers hatte ich noch nie ausprobiert. Nach mir hatte das selbstverständlich auch niemand getan. Macht nichts dachte ich, dann nehmen wir eben den ersten Server. Der reagierte genauso arbeitsunwillig wie sein Kumpan und lehnte jede Zusammenarbeit ab. Wenn die Hardware nicht will, nützt es wenig, wenn man mit dem besten aller Betriebssysteme arbeitet. Nur die Workstation zeigte sich kooperativ und nahm die CD-ROM willig an. Wir hängten das Laufwerk ins Dateisystem des zweiten Servers und konnten endlich die Installation starten.
Der Serverraum, in dem wir uns aufhielten, befindet sich in dem Bereich, den ich vor meiner Erkrankung betreut habe, und dem ich angehörte, bevor ich zur EDV wechselte. So hatte ich Gelegenheit nach einem Jahr einige meiner alten Kollegen wiederzusehen. Meine Arbeitskollegen in der EDV sehe ich zum Glück häufiger. Sie sorgen dafür, dass mir die Decke nicht auf den Kopf fällt, indem sie mich einfach ins Büro verschleppen.
Am Mittwoch entschied ich meine Friseuse aufzusuchen. Ich war dort das letzte Mal im Januar vor meiner Leberoperation. Inzwischen sind die Ohren schon wieder zugewachsen. Ich hatte Glück, meine Friseuse war da und auch gerade frei. Sie verpasste mir die gleiche Frisur wie das letzte Mal. Vor meiner ersten Operation trug ich schulterlanges Haar. Ich habe jetzt konsequent alle Klemmen, Klammern, Gummis und Bänder entsorgt. Meine Haare werde ich mir nicht wieder langwachsen lassen. So gefällt es mir besser. Nur im Winter brauche ich dann etwas Schutz für meine Horcher.
Donnerstag machte ich mich auf zur Bibliothek. So weit bin ich bis jetzt noch nie gelaufen. Es ist ungefähr mein halber Arbeitsweg. Die Bibliothekarin hatte mir am Telefon gesagt, sie würde mir die Ausleihfrist für die Bücher auch wieder verlängern. Aber ich wollte nach einem Jahr endlich die alten Bücher abgeben und mir neue ausleihen. Ich hatte in der Bibliothek nicht gesagt, an welcher Krankheit ich leide. Aber sie können es sich denken. Eines der Bücher, die ich mir ausgeliehen hatte, hieß "Aktiv gegen den Krebs". Als neue Beute habe ich "Wohn-Planset", "Die illustrierte Geschichte der Gestapo", "PhotoImpact XL echt einfach", "Ein Maler aus Deutschland" und das Hörbuch "Der Nachbar" mit nach Hause geschleppt. Die Rezensionen könnt Ihr dann später hier in diesem Blog unter der Rubrik Medien lesen.
Am Freitag hatte ich Besuch, Jutta und mein Vati haben auf der Rückreise von ihrem Urlaub hier vorbeigeschaut. Sie sind mit mir in die Mühle essengegangen. Ich wählte Rindersteak "Madagaskar". Die Kellnerin fragte mich, wie ich es haben wollte. Ich sagte ihr, ich würde nichts essen, was noch lebt. Also bekam ich mein Rindersteak gut durch. An der dicken Stelle war es leicht rosa. Das ist in Ordnung. Ich mag es nur nicht, dass es blutet, wenn ich an einem Steak rumschneide.
Während meiner Unternehmungen begann mein Darm ordentlich zu rumoren. Das trieb mir schon mal den Angstschweiß auf die Stirn. Passiert ist zum Glück nichts. Aber die Sache mit der Rückverlegung ist noch nicht ausgestanden. Von 14 Tagen gibt es drei, wo ich mich nicht weit vom Klo entfernen kann, so wie heute. Mein Hintern ist dann rasch wieder wund, und die bewährte Zinksalbe kommt zum Einsatz. Lustig ist die Angelegenheit bei weitem nicht. So ein brennender Hintern ist bei dieser Wärme eine echt fiese Plage.
Dies war meine Erholungswoche. Weil es mir während der Chemotherapie recht gut ging, war ich sehr unternehmungslustig. Am Dienstag besuchte ich meine Arbeitskollegen. Die Kollegin war in Urlaub und unser Chef unterwegs. So war ich mit den restlichen vier Herren allein. Ich hatte meinem Arbeitskollegen versprochen, mit ihm zusammen ein Überwachungsprogramm für den zweiten Server zu installieren. Bei dem Versuch die Papiere mit dem Schlüsselwort aus einem Karton zu ziehen, schnitt ich mir an der Pappe den Daumen auf. Mein Kollege klebte ein Pflaster auf die blutende Wunde. Da sieht man es mal wieder, die Arbeit in der EDV ist hundsgefährlich. Schon bei einer so simplen Tätigkeit kann man verunfallen. Normalerweise hätte das Einspielen des Programms maximal eine halbe Stunde gedauert, aber der Normalfall trat nicht ein. Das DVD-Laufwerk des Servers hatte ich noch nie ausprobiert. Nach mir hatte das selbstverständlich auch niemand getan. Macht nichts dachte ich, dann nehmen wir eben den ersten Server. Der reagierte genauso arbeitsunwillig wie sein Kumpan und lehnte jede Zusammenarbeit ab. Wenn die Hardware nicht will, nützt es wenig, wenn man mit dem besten aller Betriebssysteme arbeitet. Nur die Workstation zeigte sich kooperativ und nahm die CD-ROM willig an. Wir hängten das Laufwerk ins Dateisystem des zweiten Servers und konnten endlich die Installation starten.
Der Serverraum, in dem wir uns aufhielten, befindet sich in dem Bereich, den ich vor meiner Erkrankung betreut habe, und dem ich angehörte, bevor ich zur EDV wechselte. So hatte ich Gelegenheit nach einem Jahr einige meiner alten Kollegen wiederzusehen. Meine Arbeitskollegen in der EDV sehe ich zum Glück häufiger. Sie sorgen dafür, dass mir die Decke nicht auf den Kopf fällt, indem sie mich einfach ins Büro verschleppen.
Am Mittwoch entschied ich meine Friseuse aufzusuchen. Ich war dort das letzte Mal im Januar vor meiner Leberoperation. Inzwischen sind die Ohren schon wieder zugewachsen. Ich hatte Glück, meine Friseuse war da und auch gerade frei. Sie verpasste mir die gleiche Frisur wie das letzte Mal. Vor meiner ersten Operation trug ich schulterlanges Haar. Ich habe jetzt konsequent alle Klemmen, Klammern, Gummis und Bänder entsorgt. Meine Haare werde ich mir nicht wieder langwachsen lassen. So gefällt es mir besser. Nur im Winter brauche ich dann etwas Schutz für meine Horcher.
Donnerstag machte ich mich auf zur Bibliothek. So weit bin ich bis jetzt noch nie gelaufen. Es ist ungefähr mein halber Arbeitsweg. Die Bibliothekarin hatte mir am Telefon gesagt, sie würde mir die Ausleihfrist für die Bücher auch wieder verlängern. Aber ich wollte nach einem Jahr endlich die alten Bücher abgeben und mir neue ausleihen. Ich hatte in der Bibliothek nicht gesagt, an welcher Krankheit ich leide. Aber sie können es sich denken. Eines der Bücher, die ich mir ausgeliehen hatte, hieß "Aktiv gegen den Krebs". Als neue Beute habe ich "Wohn-Planset", "Die illustrierte Geschichte der Gestapo", "PhotoImpact XL echt einfach", "Ein Maler aus Deutschland" und das Hörbuch "Der Nachbar" mit nach Hause geschleppt. Die Rezensionen könnt Ihr dann später hier in diesem Blog unter der Rubrik Medien lesen.
Am Freitag hatte ich Besuch, Jutta und mein Vati haben auf der Rückreise von ihrem Urlaub hier vorbeigeschaut. Sie sind mit mir in die Mühle essengegangen. Ich wählte Rindersteak "Madagaskar". Die Kellnerin fragte mich, wie ich es haben wollte. Ich sagte ihr, ich würde nichts essen, was noch lebt. Also bekam ich mein Rindersteak gut durch. An der dicken Stelle war es leicht rosa. Das ist in Ordnung. Ich mag es nur nicht, dass es blutet, wenn ich an einem Steak rumschneide.
Während meiner Unternehmungen begann mein Darm ordentlich zu rumoren. Das trieb mir schon mal den Angstschweiß auf die Stirn. Passiert ist zum Glück nichts. Aber die Sache mit der Rückverlegung ist noch nicht ausgestanden. Von 14 Tagen gibt es drei, wo ich mich nicht weit vom Klo entfernen kann, so wie heute. Mein Hintern ist dann rasch wieder wund, und die bewährte Zinksalbe kommt zum Einsatz. Lustig ist die Angelegenheit bei weitem nicht. So ein brennender Hintern ist bei dieser Wärme eine echt fiese Plage.
Sonntag, 18. Juni 2006
Alte Freunde
Sonntag, 18. Juni 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Mitte September habe ich in Dresden Seminargruppentreffen. Wir sehen uns so alle drei Jahre. Natürlich freue ich mich schon sehr darauf. Ich werde den halben Abend damit beschäftigt sein, wie versprochen, diejenigen zu umärmeln und zu drücken, die mir während meiner Erkrankung zur Seite standen, vor allen andern selbstverständlich meine Freundin zuerst.
Ich habe drei Freundinnen. Eine wohnt in Berlin, und sie werde ich in Dresden sehen. Die anderen beiden leben in Dörfern hier in der Umgebung. Ich bemerkte, dass sich eine von ihnen seltsamerweise zurückzog. Das war so gar nicht ihre Art. Ich kenne sie nur als sehr engagierte Person. Meine Freundinnen sind mir zu wichtig, dass ich die Sache auf sich beruhen lassen konnte. Ich wollte nicht mutmaßen oder den Grund durch Hörensagen erfahren und schon gar nicht durch Dritte. Also griff ich ganz einfach zum Telefon, rief sie an und fragte, wie es ihr geht. Sie ist auch krank, nicht so schwer wie ich aber immerhin. Ihr Befinden ist dadurch stark beeinträchtigt. Sie sagte mir, sie würde viel an mich denken, nur ihre Kraft reiche gerade für sich selbst und ihre Familie. Wer sollte das besser verstehen als ich?
Im Moment habe ich ja auch mehr den nehmenden Part inne und bin auf die Hilfe angewiesen, die ich von anderen erhalte. Ob ich sie je zurückgeben kann? Vermutlich nicht, ich habe trotzdem kein schlechtes Gewissen die Unterstützung anzunehmen. Meine Tante hatte meine andere Freundin gefragt, warum sie sich so vehement um mich kümmern würde. Sie antwortete, im umgekehrten Fall wüsste sie genau, dass ich ihr auch beistünde. Die Schwester in der Onkologie hatte erzählt, dass sich manche abwenden, weil sie nicht wissen, wie sie mit einer Krebserkrankung umgehen sollen. Das Problem sehe ich nicht. Meine Leute haben wohl mehr Schwierigkeiten herauszufinden, wann ich lieber für mich sein will, und wann ich wieder etwas am normalen Leben teilhaben will. Das muss ich dann schon sagen.
Am Dienstag werde ich wieder mal meine Arbeitskollegen besuchen, zusammen mit ihnen frühstücken und sehen, was es denn inzwischen so Neues gibt. Ich werde abgeholt und auch wieder nach Hause gefahren. Es ist mir wichtig den Kontakt nicht zu verlieren. Ich stehe so schon genug draußen. Meine Kollegen helfen mir wie gewohnt beim Einkaufen und Tragen schwerer Dinge. Wenn ich mit meiner Chefin telefoniere, versucht sie mich immer auszuhorchen, ob ich mich inzwischen verbotenerweise als Gewichtheber betätigt hätte. Das gäbe natürlich Mecker. Aber in dieser Hinsicht bin ich ganz brav. Meinen Eingeweidebruch hatte ich mir zwar durch ausgeprägtes Husten eingehandelt, aber ich bin nicht scharf auf eine neue Beule am Bauch.
Diese Woche hatte ich wenige Probleme mit mir und meinem Körper. Durch die Wärme habe ich seltsamerweise dicke Füße bekommen. Komisch, letztes Jahr war es doch auch heiß, und ich hatte so was nicht. Meine Beine sind dagegen dürre wie eh und je. Das sieht natürlich besonders bizarr aus meine mageren Storchenstelzen und dazu diese massigen Büffelhufe. Abhilfe schafft nur verschärftes Sofahocken mit hochgelegten Haxen. Rechts im Bauch muckert es jetzt immer etwas. Ich bin mir nicht im klaren, sind das Blähungen, Muskelkater oder kneifen die Narben. Von Übelkeit bin ich diese Chemowoche weitgehend verschont geblieben. Natürlich ging es mir dadurch gleich besser.
So konnte mein Mitpatient verkünden, als ich das Zimmer in der Onkologie betrat, "Da ist sie, kommt herein und strahlt." Er hatte einer Frau, die dort auf ihre Mutter wartete, von mir berichtet, wie sie sagte. Ich erzählte den beiden, dass mir diesmal nicht übel gewesen wäre, und ich auch nicht brechen musste. Der kleine Mann hielt das für seinen Verdienst und gab sich Mühe mich weiterhin gut zu unterhalten. Er erwähnte, dass er nicht nur als Kraftfahrer und Fleischer gearbeitet hätte, sondern von Beruf auch Koch wäre. Wir diskutierten dann über die beste Art einen Rinderbraten zu füllen. Der kleine Mann erzählte mir wieder von seiner zweiten Frau. Sie hätte vor ihren beiden Kinder gesagt, dass sie mit ihm, deren Stiefvater, die schönsten Jahre ihres Lebens verbracht hätte. Dann musste er seine Schilderung unterbrechen, um sich mit dem Taschentuch über die Augen zu reiben. In seinem Auto hätte er Fotos von seiner Frau und der kleinen Enkelin. Seine Freundin wäre nicht eifersüchtig. Was würde das auch nützen? Seine Stiefkinder kümmerten sich nicht so um ihn, wie er es gerne hätte. Inwieweit das stimmt, kann ich nicht beurteilen. Ich erfahre nur seine Sicht der Dinge.
Mit seiner Freundin scheint sich alles wieder einzurenken. Sie hätte für ihn Fenster geputzt. Dem kleine Mann hätte der Rücken geschmerzt, dass er sich kaum bewegen konnte. Auch hätte er sich stark erkältet, wie ein eindrucksvoller Hustenanfall bewies. Seine Freundin hätte daraufhin einen Arzt gerufen. Dabei hat sich nach seiner Darstellung folgendes abgespielt: Er hätte dem Arzt die Tür geöffnet und sich dann abgewendet. Das hätte dieser hinterhältig ausgenutzt. Der Doktor hätte heimlich eine Spritze gezückt und die dann dem kleinen Mann heimtückisch und ohne Vorwarnung in die Rückseite gerammt. Nach diesem Anschlag hätte der Arzt die Injektionsstelle desinfiziert und sei dann geflüchtet. Nicht einmal abgehört hätte er ihn, empörte sich mein Mitpatient. Der Arzt als Attentäter, ich fand diese Vorstellung lustig, der kleine Mann jedoch nicht.
Ich habe drei Freundinnen. Eine wohnt in Berlin, und sie werde ich in Dresden sehen. Die anderen beiden leben in Dörfern hier in der Umgebung. Ich bemerkte, dass sich eine von ihnen seltsamerweise zurückzog. Das war so gar nicht ihre Art. Ich kenne sie nur als sehr engagierte Person. Meine Freundinnen sind mir zu wichtig, dass ich die Sache auf sich beruhen lassen konnte. Ich wollte nicht mutmaßen oder den Grund durch Hörensagen erfahren und schon gar nicht durch Dritte. Also griff ich ganz einfach zum Telefon, rief sie an und fragte, wie es ihr geht. Sie ist auch krank, nicht so schwer wie ich aber immerhin. Ihr Befinden ist dadurch stark beeinträchtigt. Sie sagte mir, sie würde viel an mich denken, nur ihre Kraft reiche gerade für sich selbst und ihre Familie. Wer sollte das besser verstehen als ich?
Im Moment habe ich ja auch mehr den nehmenden Part inne und bin auf die Hilfe angewiesen, die ich von anderen erhalte. Ob ich sie je zurückgeben kann? Vermutlich nicht, ich habe trotzdem kein schlechtes Gewissen die Unterstützung anzunehmen. Meine Tante hatte meine andere Freundin gefragt, warum sie sich so vehement um mich kümmern würde. Sie antwortete, im umgekehrten Fall wüsste sie genau, dass ich ihr auch beistünde. Die Schwester in der Onkologie hatte erzählt, dass sich manche abwenden, weil sie nicht wissen, wie sie mit einer Krebserkrankung umgehen sollen. Das Problem sehe ich nicht. Meine Leute haben wohl mehr Schwierigkeiten herauszufinden, wann ich lieber für mich sein will, und wann ich wieder etwas am normalen Leben teilhaben will. Das muss ich dann schon sagen.
Am Dienstag werde ich wieder mal meine Arbeitskollegen besuchen, zusammen mit ihnen frühstücken und sehen, was es denn inzwischen so Neues gibt. Ich werde abgeholt und auch wieder nach Hause gefahren. Es ist mir wichtig den Kontakt nicht zu verlieren. Ich stehe so schon genug draußen. Meine Kollegen helfen mir wie gewohnt beim Einkaufen und Tragen schwerer Dinge. Wenn ich mit meiner Chefin telefoniere, versucht sie mich immer auszuhorchen, ob ich mich inzwischen verbotenerweise als Gewichtheber betätigt hätte. Das gäbe natürlich Mecker. Aber in dieser Hinsicht bin ich ganz brav. Meinen Eingeweidebruch hatte ich mir zwar durch ausgeprägtes Husten eingehandelt, aber ich bin nicht scharf auf eine neue Beule am Bauch.
Diese Woche hatte ich wenige Probleme mit mir und meinem Körper. Durch die Wärme habe ich seltsamerweise dicke Füße bekommen. Komisch, letztes Jahr war es doch auch heiß, und ich hatte so was nicht. Meine Beine sind dagegen dürre wie eh und je. Das sieht natürlich besonders bizarr aus meine mageren Storchenstelzen und dazu diese massigen Büffelhufe. Abhilfe schafft nur verschärftes Sofahocken mit hochgelegten Haxen. Rechts im Bauch muckert es jetzt immer etwas. Ich bin mir nicht im klaren, sind das Blähungen, Muskelkater oder kneifen die Narben. Von Übelkeit bin ich diese Chemowoche weitgehend verschont geblieben. Natürlich ging es mir dadurch gleich besser.
So konnte mein Mitpatient verkünden, als ich das Zimmer in der Onkologie betrat, "Da ist sie, kommt herein und strahlt." Er hatte einer Frau, die dort auf ihre Mutter wartete, von mir berichtet, wie sie sagte. Ich erzählte den beiden, dass mir diesmal nicht übel gewesen wäre, und ich auch nicht brechen musste. Der kleine Mann hielt das für seinen Verdienst und gab sich Mühe mich weiterhin gut zu unterhalten. Er erwähnte, dass er nicht nur als Kraftfahrer und Fleischer gearbeitet hätte, sondern von Beruf auch Koch wäre. Wir diskutierten dann über die beste Art einen Rinderbraten zu füllen. Der kleine Mann erzählte mir wieder von seiner zweiten Frau. Sie hätte vor ihren beiden Kinder gesagt, dass sie mit ihm, deren Stiefvater, die schönsten Jahre ihres Lebens verbracht hätte. Dann musste er seine Schilderung unterbrechen, um sich mit dem Taschentuch über die Augen zu reiben. In seinem Auto hätte er Fotos von seiner Frau und der kleinen Enkelin. Seine Freundin wäre nicht eifersüchtig. Was würde das auch nützen? Seine Stiefkinder kümmerten sich nicht so um ihn, wie er es gerne hätte. Inwieweit das stimmt, kann ich nicht beurteilen. Ich erfahre nur seine Sicht der Dinge.
Mit seiner Freundin scheint sich alles wieder einzurenken. Sie hätte für ihn Fenster geputzt. Dem kleine Mann hätte der Rücken geschmerzt, dass er sich kaum bewegen konnte. Auch hätte er sich stark erkältet, wie ein eindrucksvoller Hustenanfall bewies. Seine Freundin hätte daraufhin einen Arzt gerufen. Dabei hat sich nach seiner Darstellung folgendes abgespielt: Er hätte dem Arzt die Tür geöffnet und sich dann abgewendet. Das hätte dieser hinterhältig ausgenutzt. Der Doktor hätte heimlich eine Spritze gezückt und die dann dem kleinen Mann heimtückisch und ohne Vorwarnung in die Rückseite gerammt. Nach diesem Anschlag hätte der Arzt die Injektionsstelle desinfiziert und sei dann geflüchtet. Nicht einmal abgehört hätte er ihn, empörte sich mein Mitpatient. Der Arzt als Attentäter, ich fand diese Vorstellung lustig, der kleine Mann jedoch nicht.
Montag, 12. Juni 2006
Leseratte
Montag, 12. Juni 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Durch meine Krebserkrankung bin ich wieder auf die Tätigkeit zurückgeworfen, die ich schon immer liebe, Lesen.
Dabei war das von Anfang an nicht zu erwarten. Lesen lernt man gewöhnlich in der ersten Klasse in der Schule. Bei mir war das nicht so. Ich war lange analphabetischer Erstklässler und konnte das geschickt verbergen. Wenn ich einen Text zweimal gehört hatte, kannte ich ihn auswendig. Ich wusste auch in etwa, in welcher Zeile was stand. Meine Lehrerin konnte ich damit täuschen, nicht jedoch meinen Vater. Gemein wie er war, schnitt er in ein Stückchen Pappe Löcher hinein. Der Text wurde abgedeckt, und ich sollte dann lesen, was die Aussparung hergab. Natürlich bin ich grandios gescheitert. Trotz meines Geflenne blieb mein Vater unerbittlich und legte immer wieder stur die Pappe auf andere Stellen im Text. Er hat mir das Lesen beigebracht und kein Lehrer in der Schule.
Als ich dann endlich lesen konnte, war ich auch mit Begeisterung dabei und lieh mir Bücher in der Schulbibliothek aus. Mein Interesse galt der Abenteuerliteratur, dem historischen Roman und natürlich der Science-Fiction. Sogenannte Mädchenbücher habe ich nie gelesen, nichts für mich. Eines Tages saß ich in der Schulbibliothek, ein Buch auf den Knien und verfolgte mein Lesen mit dem Zeigefinger. Vor mir baute sich eine Schülerin aus einer höheren Klasse auf, stemmte die Hände in die Hüfte und empörte sich, als hätte sie mich bei einer Lüge ertappt, "Das glaube ich dir nicht, dass du so schnell lesen kannst." Seitdem lese ich ohne den Zeigefinger zur hilfe zu nehmen. Jetzt, wo meine Augen schlechter werden, muss ich wohl bald wieder darauf zurückgreifen.
Mein Optiker, charmant wie er ist, hatte gesagt, ich wäre nun in dem gewissen Alter, wo die Arme langsam nicht mehr ausreichten, um das Kleingedruckte zu erkennen. Meine Kurzsichtigkeit hat sich zum Glück nicht verschlimmert. Aber er hat mir eine Gleitsichtbrille verpasst, da ich nicht mit zwei Brillen rumrennen wollte. Um scharf sehen zu können, muss man als Träger einer solchen Brille den ganzen Kopf drehen und nicht nur die Augen. Nur das Hinabsteigen der Treppe mit dieser Sehhilfe auf der Nase gestaltet sich als schwierig. Da müsste ich mich schon hinlegen, um die nächste Stufe scharf zu erkennen. Die Stufen nach unten lege ich also im Blindflug zurück immer mit der Hand am Geländer, nur für alle Fälle, man weiß ja nie. Aber immerhin kann ich wieder ohne Mühe lesen.
Mein Interesse am Historischen ist geblieben, statt Science-Fiction schmöker ich aber nun meist Krimis. Daran ist meine Mutti schuld. Sie kaufte Bücher von Dashiell Hammett, Raymond Chandler, Dorothy Sayers, P. D. James und Ruth Rendell. Besonders die zehn Bände des schwedischen Autorenpaares Maj Sjöwall und Per Wahlöö sind für mich immer noch unübertroffen. Seit ich die Bücher dieser sieben Schriftsteller gelesen habe, bin ich dem Genre rettungslos verfallen. Krimis sind ja zurzeit groß in Mode. Man versucht sich durch die Schilderung immer grauenvollerer Details zu überbieten. Ich lese aber trotzdem nicht wahllos alles. Mit Henning Mankell z.B. kann ich nichts anfangen. Seine Bücher sind wie die Lieder von Leonard Cohen. Wenn man zuviel davon konsumiert, wird man depressiv. Da lese ich doch lieber Ellis Peters oder Minette Walters.
Aber im Moment bin ich immer noch bei meiner Harald-Schmidt-Kolumne. Ich nehme das Buch morgen wieder in die Onkologiesitzung mit. Diese Woche ging es mir bis auf Mittwoch recht gut. Am Dienstag hatten die Bauarbeiter die alten Fenster durch neue ausgetauscht. Obwohl ich im Schlafzimmer saß, zog es durch die offene Wohnungstür wie Hechtsuppe. Ich hatte mich dick eingemummelt, dessen ungeachtet fror ich entsetzlich. Die Quittung erhielt ich am nächsten Morgen. Ich hatte mich erkältet und wachte schon mit einer dicken Rübe auf. Das erste Mal musste ich mich beim Zähneputzen übergeben, das zweite Mal bevor ich einen Schluck von meinem Morgentee trinken konnte. Das hatte ich bis jetzt noch gar nicht, reihern während meiner Erholungswoche. Ich warf zwei Tabletten ein, krabbelte zurück in mein Bett und schlief bis zum Mittag. Der Orkan in meinem Kopf hatte sich inzwischen zu einem leichten Säuseln abgeschwächt. Zum Glück ist es dabei geblieben. Nur mein Hintern nötigt mich einmal mehr zu Sprinteinlagen quer durch die Wohnung. Meinem Stuhl nach bin ich jetzt kein Karnickel mehr sondern ein Vogel. Warten wir die morgige Chemotherapie ab.
Dabei war das von Anfang an nicht zu erwarten. Lesen lernt man gewöhnlich in der ersten Klasse in der Schule. Bei mir war das nicht so. Ich war lange analphabetischer Erstklässler und konnte das geschickt verbergen. Wenn ich einen Text zweimal gehört hatte, kannte ich ihn auswendig. Ich wusste auch in etwa, in welcher Zeile was stand. Meine Lehrerin konnte ich damit täuschen, nicht jedoch meinen Vater. Gemein wie er war, schnitt er in ein Stückchen Pappe Löcher hinein. Der Text wurde abgedeckt, und ich sollte dann lesen, was die Aussparung hergab. Natürlich bin ich grandios gescheitert. Trotz meines Geflenne blieb mein Vater unerbittlich und legte immer wieder stur die Pappe auf andere Stellen im Text. Er hat mir das Lesen beigebracht und kein Lehrer in der Schule.
Als ich dann endlich lesen konnte, war ich auch mit Begeisterung dabei und lieh mir Bücher in der Schulbibliothek aus. Mein Interesse galt der Abenteuerliteratur, dem historischen Roman und natürlich der Science-Fiction. Sogenannte Mädchenbücher habe ich nie gelesen, nichts für mich. Eines Tages saß ich in der Schulbibliothek, ein Buch auf den Knien und verfolgte mein Lesen mit dem Zeigefinger. Vor mir baute sich eine Schülerin aus einer höheren Klasse auf, stemmte die Hände in die Hüfte und empörte sich, als hätte sie mich bei einer Lüge ertappt, "Das glaube ich dir nicht, dass du so schnell lesen kannst." Seitdem lese ich ohne den Zeigefinger zur hilfe zu nehmen. Jetzt, wo meine Augen schlechter werden, muss ich wohl bald wieder darauf zurückgreifen.
Mein Optiker, charmant wie er ist, hatte gesagt, ich wäre nun in dem gewissen Alter, wo die Arme langsam nicht mehr ausreichten, um das Kleingedruckte zu erkennen. Meine Kurzsichtigkeit hat sich zum Glück nicht verschlimmert. Aber er hat mir eine Gleitsichtbrille verpasst, da ich nicht mit zwei Brillen rumrennen wollte. Um scharf sehen zu können, muss man als Träger einer solchen Brille den ganzen Kopf drehen und nicht nur die Augen. Nur das Hinabsteigen der Treppe mit dieser Sehhilfe auf der Nase gestaltet sich als schwierig. Da müsste ich mich schon hinlegen, um die nächste Stufe scharf zu erkennen. Die Stufen nach unten lege ich also im Blindflug zurück immer mit der Hand am Geländer, nur für alle Fälle, man weiß ja nie. Aber immerhin kann ich wieder ohne Mühe lesen.
Mein Interesse am Historischen ist geblieben, statt Science-Fiction schmöker ich aber nun meist Krimis. Daran ist meine Mutti schuld. Sie kaufte Bücher von Dashiell Hammett, Raymond Chandler, Dorothy Sayers, P. D. James und Ruth Rendell. Besonders die zehn Bände des schwedischen Autorenpaares Maj Sjöwall und Per Wahlöö sind für mich immer noch unübertroffen. Seit ich die Bücher dieser sieben Schriftsteller gelesen habe, bin ich dem Genre rettungslos verfallen. Krimis sind ja zurzeit groß in Mode. Man versucht sich durch die Schilderung immer grauenvollerer Details zu überbieten. Ich lese aber trotzdem nicht wahllos alles. Mit Henning Mankell z.B. kann ich nichts anfangen. Seine Bücher sind wie die Lieder von Leonard Cohen. Wenn man zuviel davon konsumiert, wird man depressiv. Da lese ich doch lieber Ellis Peters oder Minette Walters.
Aber im Moment bin ich immer noch bei meiner Harald-Schmidt-Kolumne. Ich nehme das Buch morgen wieder in die Onkologiesitzung mit. Diese Woche ging es mir bis auf Mittwoch recht gut. Am Dienstag hatten die Bauarbeiter die alten Fenster durch neue ausgetauscht. Obwohl ich im Schlafzimmer saß, zog es durch die offene Wohnungstür wie Hechtsuppe. Ich hatte mich dick eingemummelt, dessen ungeachtet fror ich entsetzlich. Die Quittung erhielt ich am nächsten Morgen. Ich hatte mich erkältet und wachte schon mit einer dicken Rübe auf. Das erste Mal musste ich mich beim Zähneputzen übergeben, das zweite Mal bevor ich einen Schluck von meinem Morgentee trinken konnte. Das hatte ich bis jetzt noch gar nicht, reihern während meiner Erholungswoche. Ich warf zwei Tabletten ein, krabbelte zurück in mein Bett und schlief bis zum Mittag. Der Orkan in meinem Kopf hatte sich inzwischen zu einem leichten Säuseln abgeschwächt. Zum Glück ist es dabei geblieben. Nur mein Hintern nötigt mich einmal mehr zu Sprinteinlagen quer durch die Wohnung. Meinem Stuhl nach bin ich jetzt kein Karnickel mehr sondern ein Vogel. Warten wir die morgige Chemotherapie ab.
Montag, 5. Juni 2006
Balkonien
Montag, 5. Juni 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Nun kann ich mich demnächst doch vom Balkon stürzen, theoretisch jedenfalls. Praktisch scheitert dieses Vorhaben an meinem Höhenkoller. Am Block werden bei den Zweiraumwohnungen Balkons vorgesetzt. Als Mieter muss ich Baufreiheit schaffen. Auch aus diesem Grund war mein Bruder gekommen. Ich hatte mir dort, wo die Balkontür hinkommt, einen kleinen Arbeitsplatz eingerichtet. Das Bücherregal fungierte als Raumteiler zum übrigen Wohnzimmer. Ganz unten im Regal stand mein PC, den ich vor über drei Jahren selbst zusammengebaut hatte, gleich neben dem Arbeitstisch. Falls ich irgendwas zu basteln hatte, musste ich alle Bücher rausräumen und das Regal samt PC vorziehen. Nicht gerade ideal, aber in einer so kleinen Wohnung wie der meinen nicht anders möglich. Den Vorschlag meines Vaters den PC-Arbeitsplatz im Schlafzimmer einzurichten, hatte ich rigoros abgelehnt. Ich muss mit den Dingern arbeiten, ich will nicht noch mit ihnen schlafen. In mein Schlafzimmer kommt mir kein PC!
Trotz der neuen Verordnung für Elektroschrott habe ich meinen eigenen Entsorgungsweg gefunden. Ich reiche meinen abgelegten PC einfach an meine Verwandtschaft weiter. Dankbarer Abnehmer des letzten war mein Neffe, dieser jetzt war für meinen Bruder gedacht. Ich hatte einige Monate vor meiner Erkrankung bei Aldi ein Notebook erstanden, mit 80-GB-Festplatte und dem üblichen reichlichen Zubehör an Programmen und drumherum. Es hält auch im Batteriemodus lange genug durch und ist erfreulich leise. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe ich nur noch vor dem Notebook gehockt. Am gewohnten PC-Arbeitsplatz fiel es mir schwer zu sitzen. Also schob ich den Drehsessel vor den Esstisch, der sich hervorragend als Arbeitstisch eignet. Mein PC staubte seitdem vor sich hin. Der platte Winzling ist als Arbeitspferd für alles, was ich am Computer tue, ausreichend. Die Festplatte ist groß genug. So bin ich wenigstens gezwungen das, was ich nicht mehr benötige, auch wieder zu löschen. Wenn man genug Platz hat, müllt man sich doch nur voll. Ob im Computer oder in der Wohnung ich bin genötigt Ballast abzuwerfen.
Mein Bruder hat das Regal an die Wand geschoben. Es nimmt alles auf, was ich rund um den Computer so brauche, die Bücher, DVD, CD, das Notebook mit USB-Headset und grafischem Tablett, die externe Festplatte für Sicherungen und den Scanner. Meinen alten PC-Arbeitstisch werde ich dann als Gärtnerarbeitsplatz auf den Balkon schieben.
Aber soweit ist es ja noch nicht. Am Freitag haben die Bauarbeiter den Beton an der Stelle durchgesägt, wo die Tür hinkommt. Ich bin mit den Sittichen, den Pflanzen und dem Notebook ins Schlafzimmer gezogen. Am Abend habe ich dann alles wieder zurückgestellt, die Kakteen aufs Fensterbrett die Orchideen auf den Nachtspeicherofen. Ich habe die Jalousien wieder angebracht und die beiden Ampeln aufgehängt. Dann blieb mir nur noch die Plane vom Sofa zu rollen und mich draufzulegen. Ich war geschafft. Fensterputzen habe ich mir erspart. Erstens bin ich dazu nicht in der Lage, zweitens stehen die neuen Fenster schon im Hausflur. Die Hauptarbeiten passieren morgen. Dann wird das Betonteil herausgebrochen und die neuen Fenstern eingesetzt. Heute abend geht alles wieder retour. Wer seine Zimmerpflanzen liebt, räumt sie hin und her.
Zum Glück passen sich die Bauarbeiten nahtlos in meinen Therapieplan ein. Dies ist ja wieder meine Erholungswoche. Diese Chemo fiel mir etwas leichter als die letzte. Das heißt, ich konnte besser essen, für mich ja überaus wichtig. Übel war mir, wie schon bei der vorhergehenden Chemo, noch während der ersten Sitzung. Die Nebenwirkungen waren die gleichen. Ich habe in der Onkologie einen neuen Mitpatienten im blauen Sessel mir schräg gegenüber. Während ich gegen das Würgen ankämpfte und die Schwester mir helfen musste, spürte er keine negativen Wirkungen. Der neue Patient ist ein kleiner älterer Herr von rundlicher Gestalt. Wenn er nicht schlief, unterhielt er mich mit zum Teil lustigen Geschichten aus seinem Leben und lenkte mich damit von meiner Übelkeit ab.
Während seiner Reha hatte irgendjemand den Diätplan vertauscht und dann noch vergessen, dass der Patient Stomaträger ist. Er schilderte mir, dass er im guten Glauben gegessen hätte, was ihm zugeteilt wurde. Er habe sich zum Schlafen niedergelegt. Die Winde hätten den Beutel aufgeblasen, und dann sei er geplatzt. Wie seine Sachen danach ausgesehen haben, kann ich mir gut vorstellen. Hübsch braun. Als ich noch ein Känguruh war, da war mein Beutel auch manchmal aufgepumpt wie ein Luftballon. Explodiert ist er mir zum Glück aber nie.
Gefallen hat mir, wie der kleine Mann über seine zweite Frau sprach. Er würde keinen Moment mit ihr bereuen, erzählte er mir. Er hat sie durch Krebs verloren, und nun hat er selbst Krebs. Vor der Operation, berichtete er, war er wegen seiner extremen Körperbehaarung am Bauch rasiert worden. Dann entzündete sich sein Hintern, und er erhielt dort ein Pflaster, das jeden zweiten Tag erneuert wurde. Wenn die Schwester in der Tür stand, dann tränten ihm schon die Augen, bekannte er. Ich bemerkte, es wäre besser gewesen, er hätte sich auch den Hintern rasieren lassen. Der kleine Mann strich sich übers lange Brusthaar. "Manche Frauen mögen das." verriet er mir mit Kennermiene. Wenn die Schwester kam, um die Infusion zu wechseln, zuckte er zusammen. Er behauptete, sie würde ihn ziepen. Ich empfahl, runter mit dem Brusttoupet. Die Schwester stimmte mir zu.
Der neue Patient sagte mir, trotz endständigem Stoma und Therapie würde er am normalen Leben teilnehmen. Für mich hat sich das ja wegen Übelkeit und Schwäche vorerst erledigt. So unterschiedlich ist das mit dem Krebs und der Therapie. Seine Freundin hätte ihn zum Essen eingeladen, plauderte der kleine Mann. Sie hätten sich gestritten, und er hätte etwas Böses gesagt. Danach war der Ofen erst einmal aus. Inzwischen redeten sie aber wieder miteinander. Auch wenn die Beziehung im Augenblick nicht so laufen würde, wie er sich das vorstelle, hätte er niemanden nebenbei. Er wäre ein One-Woman-Man. Das habe ich von Männern noch nicht oft vernommen. Gewöhnlich brüsten sich die Herren doch eher, was für ein toller Hirsch sie wären. Bekennende Monogame sind seltene Exemplare der Gattung Mann, und was sonst noch unter diesem Etikett firmiert.
Als der kleine Mann ging, verabschiedete er sich von mir mit Handschlag. Er sagte, Demmin wäre ein Dorf, und wenn er mich sähe, würde er rechts ranfahren, aus seinem Auto hüpfen und mich begrüßen. Das ist auch nötig. Gewöhnlich sehe ich niemand im Auto, wenn ich mit Tunnelblick durch die Stadt hirsche. Meine Arbeitskollegen haben sich schon bitter beklagt, dass sie mich fast über den Haufen fahren würden, und ich nähme sie trotzdem nicht wahr. Am Sonntag habe ich den üblichen Spaziergang im Viertel unternommen. Zielprämie war ein Eis im Tante-Emma-Laden, der auch sonntags geöffnet hat. Eisessen ist im Moment etwas schwierig für mich. Die Lippen werden sofort taub, im Mund und an der Zunge kribbelt es. Die Kieferkrämpfe habe ich auch immer noch. Ich muss auf so vieles verzichten, wenigstens das Eis will ich mir ab und zu gönnen. Heute habe ich den Rundgang gelassen. Mir wächst an der rechten Schläfe ein Horn, und ich bin etwas geruchsempfindlich.
Legen sich die Zytostatika eigentlich auf den Brägen? Ich glaube mein Hirn arbeitet momentan mit Zeitverzögerung. Gibt es dafür einen Schalter? Kann ich das wieder abstellen?
Trotz der neuen Verordnung für Elektroschrott habe ich meinen eigenen Entsorgungsweg gefunden. Ich reiche meinen abgelegten PC einfach an meine Verwandtschaft weiter. Dankbarer Abnehmer des letzten war mein Neffe, dieser jetzt war für meinen Bruder gedacht. Ich hatte einige Monate vor meiner Erkrankung bei Aldi ein Notebook erstanden, mit 80-GB-Festplatte und dem üblichen reichlichen Zubehör an Programmen und drumherum. Es hält auch im Batteriemodus lange genug durch und ist erfreulich leise. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe ich nur noch vor dem Notebook gehockt. Am gewohnten PC-Arbeitsplatz fiel es mir schwer zu sitzen. Also schob ich den Drehsessel vor den Esstisch, der sich hervorragend als Arbeitstisch eignet. Mein PC staubte seitdem vor sich hin. Der platte Winzling ist als Arbeitspferd für alles, was ich am Computer tue, ausreichend. Die Festplatte ist groß genug. So bin ich wenigstens gezwungen das, was ich nicht mehr benötige, auch wieder zu löschen. Wenn man genug Platz hat, müllt man sich doch nur voll. Ob im Computer oder in der Wohnung ich bin genötigt Ballast abzuwerfen.
Mein Bruder hat das Regal an die Wand geschoben. Es nimmt alles auf, was ich rund um den Computer so brauche, die Bücher, DVD, CD, das Notebook mit USB-Headset und grafischem Tablett, die externe Festplatte für Sicherungen und den Scanner. Meinen alten PC-Arbeitstisch werde ich dann als Gärtnerarbeitsplatz auf den Balkon schieben.
Aber soweit ist es ja noch nicht. Am Freitag haben die Bauarbeiter den Beton an der Stelle durchgesägt, wo die Tür hinkommt. Ich bin mit den Sittichen, den Pflanzen und dem Notebook ins Schlafzimmer gezogen. Am Abend habe ich dann alles wieder zurückgestellt, die Kakteen aufs Fensterbrett die Orchideen auf den Nachtspeicherofen. Ich habe die Jalousien wieder angebracht und die beiden Ampeln aufgehängt. Dann blieb mir nur noch die Plane vom Sofa zu rollen und mich draufzulegen. Ich war geschafft. Fensterputzen habe ich mir erspart. Erstens bin ich dazu nicht in der Lage, zweitens stehen die neuen Fenster schon im Hausflur. Die Hauptarbeiten passieren morgen. Dann wird das Betonteil herausgebrochen und die neuen Fenstern eingesetzt. Heute abend geht alles wieder retour. Wer seine Zimmerpflanzen liebt, räumt sie hin und her.
Zum Glück passen sich die Bauarbeiten nahtlos in meinen Therapieplan ein. Dies ist ja wieder meine Erholungswoche. Diese Chemo fiel mir etwas leichter als die letzte. Das heißt, ich konnte besser essen, für mich ja überaus wichtig. Übel war mir, wie schon bei der vorhergehenden Chemo, noch während der ersten Sitzung. Die Nebenwirkungen waren die gleichen. Ich habe in der Onkologie einen neuen Mitpatienten im blauen Sessel mir schräg gegenüber. Während ich gegen das Würgen ankämpfte und die Schwester mir helfen musste, spürte er keine negativen Wirkungen. Der neue Patient ist ein kleiner älterer Herr von rundlicher Gestalt. Wenn er nicht schlief, unterhielt er mich mit zum Teil lustigen Geschichten aus seinem Leben und lenkte mich damit von meiner Übelkeit ab.
Während seiner Reha hatte irgendjemand den Diätplan vertauscht und dann noch vergessen, dass der Patient Stomaträger ist. Er schilderte mir, dass er im guten Glauben gegessen hätte, was ihm zugeteilt wurde. Er habe sich zum Schlafen niedergelegt. Die Winde hätten den Beutel aufgeblasen, und dann sei er geplatzt. Wie seine Sachen danach ausgesehen haben, kann ich mir gut vorstellen. Hübsch braun. Als ich noch ein Känguruh war, da war mein Beutel auch manchmal aufgepumpt wie ein Luftballon. Explodiert ist er mir zum Glück aber nie.
Gefallen hat mir, wie der kleine Mann über seine zweite Frau sprach. Er würde keinen Moment mit ihr bereuen, erzählte er mir. Er hat sie durch Krebs verloren, und nun hat er selbst Krebs. Vor der Operation, berichtete er, war er wegen seiner extremen Körperbehaarung am Bauch rasiert worden. Dann entzündete sich sein Hintern, und er erhielt dort ein Pflaster, das jeden zweiten Tag erneuert wurde. Wenn die Schwester in der Tür stand, dann tränten ihm schon die Augen, bekannte er. Ich bemerkte, es wäre besser gewesen, er hätte sich auch den Hintern rasieren lassen. Der kleine Mann strich sich übers lange Brusthaar. "Manche Frauen mögen das." verriet er mir mit Kennermiene. Wenn die Schwester kam, um die Infusion zu wechseln, zuckte er zusammen. Er behauptete, sie würde ihn ziepen. Ich empfahl, runter mit dem Brusttoupet. Die Schwester stimmte mir zu.
Der neue Patient sagte mir, trotz endständigem Stoma und Therapie würde er am normalen Leben teilnehmen. Für mich hat sich das ja wegen Übelkeit und Schwäche vorerst erledigt. So unterschiedlich ist das mit dem Krebs und der Therapie. Seine Freundin hätte ihn zum Essen eingeladen, plauderte der kleine Mann. Sie hätten sich gestritten, und er hätte etwas Böses gesagt. Danach war der Ofen erst einmal aus. Inzwischen redeten sie aber wieder miteinander. Auch wenn die Beziehung im Augenblick nicht so laufen würde, wie er sich das vorstelle, hätte er niemanden nebenbei. Er wäre ein One-Woman-Man. Das habe ich von Männern noch nicht oft vernommen. Gewöhnlich brüsten sich die Herren doch eher, was für ein toller Hirsch sie wären. Bekennende Monogame sind seltene Exemplare der Gattung Mann, und was sonst noch unter diesem Etikett firmiert.
Als der kleine Mann ging, verabschiedete er sich von mir mit Handschlag. Er sagte, Demmin wäre ein Dorf, und wenn er mich sähe, würde er rechts ranfahren, aus seinem Auto hüpfen und mich begrüßen. Das ist auch nötig. Gewöhnlich sehe ich niemand im Auto, wenn ich mit Tunnelblick durch die Stadt hirsche. Meine Arbeitskollegen haben sich schon bitter beklagt, dass sie mich fast über den Haufen fahren würden, und ich nähme sie trotzdem nicht wahr. Am Sonntag habe ich den üblichen Spaziergang im Viertel unternommen. Zielprämie war ein Eis im Tante-Emma-Laden, der auch sonntags geöffnet hat. Eisessen ist im Moment etwas schwierig für mich. Die Lippen werden sofort taub, im Mund und an der Zunge kribbelt es. Die Kieferkrämpfe habe ich auch immer noch. Ich muss auf so vieles verzichten, wenigstens das Eis will ich mir ab und zu gönnen. Heute habe ich den Rundgang gelassen. Mir wächst an der rechten Schläfe ein Horn, und ich bin etwas geruchsempfindlich.
Legen sich die Zytostatika eigentlich auf den Brägen? Ich glaube mein Hirn arbeitet momentan mit Zeitverzögerung. Gibt es dafür einen Schalter? Kann ich das wieder abstellen?
Sonntag, 28. Mai 2006
Der falsche Planet
Sonntag, 28. Mai 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Bei Quarks & Co gab es eine Sendung zum Thema Autismus. Über dieselbe Angelegenheit hatte ich vor längerer Zeit einen Artikel bei Telepolis gelesen. Dort gab es auch einen Link auf einen Autismustest, allerdings in Englisch. Bei Quarks & Co war der Test auf Deutsch. Ich habe mich spaßenshalber daran beteiligt. Das Resultat: Ich zeige autistische Tendenzen, die über dem Durchschnitt liegen. Besonders drollig fand ich den Hinweis, das wäre nicht behandlungsbedürftig, aber wenn ich Schwierigkeiten hätte, sollte ich einen Arzt aufsuchen. Immerhin habe ich laut dem Telepolisartikel als gelernter Diplomingenieur und im EDV-Bereich Tätige die richtige Ausbildung und den richtigen Beruf. Na, das beruhigt mich jetzt aber ungemein.
Damit keine Missverständnisse aufkommen, autistische Tendenzen heißt nicht automatisch auch Autist zu sein. Im Gegensatz zu ihnen kann ich sehr wohl Mimik richtig zuordnen. Ich kann mich auch in die Gedanken und Gefühle anderer hineinversetzen. Aber ich habe nach wie vor Schwierigkeiten mir Gesichter und Namen zu merken. Für eine Frau ist das ja immerhin ungewöhnlich. Im Krankenhaus hatte ich das Dilemma nicht, denn die Ärzte und Schwestern tragen Namensschildchen. An den Betten der Patienten sind auch welche, sehr hilfreich für mich. Einer Karriere als IT-Verkäuferin nach der Wende stand nicht nur jenes Handikap im Wege, sondern auch mein offensichtliches Unvermögen Dinge zu verscherbeln, von denen ich nicht überzeugt war. Keine Probleme habe ich bei Telefonnummern oder Passwörtern, je sinnloser umso einfacher. Ich benutze auch nie dieselben.
Mein Koordinationsvermögen kann man nur mit ungenügend bezeichnen. Im Schulsport gab ich beim Turnen den sterbenden Schwan, während ich beim Handball ein As war. Ich konnte das, was die meisten Mädchen nicht konnten, nämlich einen Ball scharf werfen. Meine Fähigkeiten zu tanzen sind legendär. Sie gehen soweit, dass ich meinen Tanzpartnern graziös auf die Füße hüpfe. Im Teenageralter war das schon ein gravierender Nachteil.
Zwar liebe ich es für Freunde zu kochen und mit ihnen zu diskutieren, aber für Smalltalk bin ich immer noch hervorragend unbegabt. Als Partygänger wäre ich gänzlich ungeeignet. In der Schreibe bin ich besser als beim Reden. Es sei denn, dass mich ein Thema richtig interessiert. Aber in meiner Begeisterung erkenne ich dann meist nicht, wenn sich der Gesprächspartner langweilt. Meine Abneigung gegen Telefonate habe ich mir inzwischen wegtrainiert. Anders wäre ein Überleben im Beruf kaum möglich. Auf Arbeit betreue ich ja nicht nur Computer sondern auch Menschen. Inzwischen telefoniere ich recht gern. Mein Beruf erwies sich überhaupt als sehr hilfreich. Nach dem Studium im Sachsenland hatte ich dort verständnisvolle Kollegen, die mich einfach so nahmen, wie ich war. Mein erster Arbeitsplatz nach der Einarbeitung war ausgerechnet eine Baustelle. Entweder man lernt zu schwimmen oder man geht unter. Ich bin gepaddelt.
Wenn ich zurückdenke, hatte ich als Kind kein Problem damit, wenn meine Freundin nicht mit mir spielen konnte oder wollte. Ich habe mich hervorragend allein beschäftigt. Es gab ja genug Interessantes zu entdecken. Meine Eltern sahen darin kein Defizit, sondern fühlten sich entlastet dadurch, dass sie mich nicht laufend unterhalten mussten. Dass ich nun ungesellig bin, mir selbst genug und keinen Kontakt zu anderen haben will, ist natürlich ein Märchen. Aber ich kriege auch keine Krise, wenn ich mehr als drei Tage alleine bin. Ich brauche das richtige Verhältnis aus Distanz und Nähe. Ich will nicht allein sein, aber trotzdem auch mal für mich sein dürfen. Ebenso ist es mit meiner Großfamilie im fernen Berlin. Dass Ihr das nicht falsch versteht, ich liebe meine Sippe, und ein Leben ohne sie erscheint mir gänzlich undenkbar, aber wenn ich in Berlin wohnen würde, kämen sie mich Reiherum besuchen. Ob mir diese Art von Routine gefiele? Vielleicht würde sich einer schuldig fühlen, wenn er nicht kommen könnte. Solcherart von Verpflichtung will ich nicht. Gerade jetzt, wo ich an Krebs erkrankt bin, geht es mir durch die Therapie nicht an allen Tagen gleich gut. Manchmal ist mir alles zu viel. Oft will ich einfach nur meine Ruhe haben, dann lege ich mich auf mein Bett und mache nichts. Ich muss nicht müssen, und das ist gut.
Meine Wohnung wäre allerdings aufgeräumter, so wie im letzten Jahr als das Tanteneinsatzkommando durch meine Bleibe rollte. Mein Onkel hatte kurzerhand, ganz cool, jeden für doof erklärt, der nicht einsehen wollte, dass ich durch meine Krebserkrankung zu schlapp für Vieles war. Inzwischen kann ich meinen Handstaubsauger wieder halten, ohne mit ihm umzukippen, und plätten kann ich auch allein. Ich kann nur noch nicht viele Dinge auf einmal bewältigen. Also muss ich mir schon genau überlegen, was ich mache. Wenn ich zu einem Spaziergang durchs Viertel starte, bin ich anschließend erschossen, und dann geht nichts mehr. Aber für schwere Tragedienste stehen nach wie vor meine Arbeitskollegen und der Liebste meiner Freundin helfend bereit. Dieses Wochenende war mein Bruder gekommen, um mich zu unterstützen.
Dass ich im Moment gruselig aussehe und in jedem Horrorfilm auch ohne Maske als Statist mitspielen könnte, stört mich wenig. Ich seh mich nicht und muss auch nicht in den Spiegel gucken. Mein Aussehen ist mein allergeringstes Problem. Viel schwerer wiegt, dass ich immer noch so schwächlich bin und nur langsam zu Kräften komme. Da wünschte ich mir doch größere Fortschritte. Diese Woche ging es mir nicht so toll, ich hatte gemeine Kopfschmerzen. Die hatte ich das letzte Mal vor meiner ersten Operation. Ich hatte schon geglaubt, ich wäre sie ein für allemal losgeworden. Mein Hintern hat sich auch wieder unangenehm in Erinnerung gebracht. Aber immerhin habe ich es geschafft, einen Artikel für mein Reisejournal zu schreiben. Den letzten hatte ich dort im Dezember veröffentlich. Nach meinen Logdateien gibt es einige Unentwegte, die mich trotz fünfmonatigem Schweigen immer noch im Feedreader stehen haben. Das erstaunt mich schon. Ich würde gerne monatlich je einen Artikel im Reisejournal und im Rezeptblock sowie einmal in der Woche einen Bericht hier in Nordlichter veröffentlichen. Ob ich das schaffe, steht auf einem ganz anderen Blatt, denn morgen beginnt die nächste Runde Chemotherapie.
Damit keine Missverständnisse aufkommen, autistische Tendenzen heißt nicht automatisch auch Autist zu sein. Im Gegensatz zu ihnen kann ich sehr wohl Mimik richtig zuordnen. Ich kann mich auch in die Gedanken und Gefühle anderer hineinversetzen. Aber ich habe nach wie vor Schwierigkeiten mir Gesichter und Namen zu merken. Für eine Frau ist das ja immerhin ungewöhnlich. Im Krankenhaus hatte ich das Dilemma nicht, denn die Ärzte und Schwestern tragen Namensschildchen. An den Betten der Patienten sind auch welche, sehr hilfreich für mich. Einer Karriere als IT-Verkäuferin nach der Wende stand nicht nur jenes Handikap im Wege, sondern auch mein offensichtliches Unvermögen Dinge zu verscherbeln, von denen ich nicht überzeugt war. Keine Probleme habe ich bei Telefonnummern oder Passwörtern, je sinnloser umso einfacher. Ich benutze auch nie dieselben.
Mein Koordinationsvermögen kann man nur mit ungenügend bezeichnen. Im Schulsport gab ich beim Turnen den sterbenden Schwan, während ich beim Handball ein As war. Ich konnte das, was die meisten Mädchen nicht konnten, nämlich einen Ball scharf werfen. Meine Fähigkeiten zu tanzen sind legendär. Sie gehen soweit, dass ich meinen Tanzpartnern graziös auf die Füße hüpfe. Im Teenageralter war das schon ein gravierender Nachteil.
Zwar liebe ich es für Freunde zu kochen und mit ihnen zu diskutieren, aber für Smalltalk bin ich immer noch hervorragend unbegabt. Als Partygänger wäre ich gänzlich ungeeignet. In der Schreibe bin ich besser als beim Reden. Es sei denn, dass mich ein Thema richtig interessiert. Aber in meiner Begeisterung erkenne ich dann meist nicht, wenn sich der Gesprächspartner langweilt. Meine Abneigung gegen Telefonate habe ich mir inzwischen wegtrainiert. Anders wäre ein Überleben im Beruf kaum möglich. Auf Arbeit betreue ich ja nicht nur Computer sondern auch Menschen. Inzwischen telefoniere ich recht gern. Mein Beruf erwies sich überhaupt als sehr hilfreich. Nach dem Studium im Sachsenland hatte ich dort verständnisvolle Kollegen, die mich einfach so nahmen, wie ich war. Mein erster Arbeitsplatz nach der Einarbeitung war ausgerechnet eine Baustelle. Entweder man lernt zu schwimmen oder man geht unter. Ich bin gepaddelt.
Wenn ich zurückdenke, hatte ich als Kind kein Problem damit, wenn meine Freundin nicht mit mir spielen konnte oder wollte. Ich habe mich hervorragend allein beschäftigt. Es gab ja genug Interessantes zu entdecken. Meine Eltern sahen darin kein Defizit, sondern fühlten sich entlastet dadurch, dass sie mich nicht laufend unterhalten mussten. Dass ich nun ungesellig bin, mir selbst genug und keinen Kontakt zu anderen haben will, ist natürlich ein Märchen. Aber ich kriege auch keine Krise, wenn ich mehr als drei Tage alleine bin. Ich brauche das richtige Verhältnis aus Distanz und Nähe. Ich will nicht allein sein, aber trotzdem auch mal für mich sein dürfen. Ebenso ist es mit meiner Großfamilie im fernen Berlin. Dass Ihr das nicht falsch versteht, ich liebe meine Sippe, und ein Leben ohne sie erscheint mir gänzlich undenkbar, aber wenn ich in Berlin wohnen würde, kämen sie mich Reiherum besuchen. Ob mir diese Art von Routine gefiele? Vielleicht würde sich einer schuldig fühlen, wenn er nicht kommen könnte. Solcherart von Verpflichtung will ich nicht. Gerade jetzt, wo ich an Krebs erkrankt bin, geht es mir durch die Therapie nicht an allen Tagen gleich gut. Manchmal ist mir alles zu viel. Oft will ich einfach nur meine Ruhe haben, dann lege ich mich auf mein Bett und mache nichts. Ich muss nicht müssen, und das ist gut.
Meine Wohnung wäre allerdings aufgeräumter, so wie im letzten Jahr als das Tanteneinsatzkommando durch meine Bleibe rollte. Mein Onkel hatte kurzerhand, ganz cool, jeden für doof erklärt, der nicht einsehen wollte, dass ich durch meine Krebserkrankung zu schlapp für Vieles war. Inzwischen kann ich meinen Handstaubsauger wieder halten, ohne mit ihm umzukippen, und plätten kann ich auch allein. Ich kann nur noch nicht viele Dinge auf einmal bewältigen. Also muss ich mir schon genau überlegen, was ich mache. Wenn ich zu einem Spaziergang durchs Viertel starte, bin ich anschließend erschossen, und dann geht nichts mehr. Aber für schwere Tragedienste stehen nach wie vor meine Arbeitskollegen und der Liebste meiner Freundin helfend bereit. Dieses Wochenende war mein Bruder gekommen, um mich zu unterstützen.
Dass ich im Moment gruselig aussehe und in jedem Horrorfilm auch ohne Maske als Statist mitspielen könnte, stört mich wenig. Ich seh mich nicht und muss auch nicht in den Spiegel gucken. Mein Aussehen ist mein allergeringstes Problem. Viel schwerer wiegt, dass ich immer noch so schwächlich bin und nur langsam zu Kräften komme. Da wünschte ich mir doch größere Fortschritte. Diese Woche ging es mir nicht so toll, ich hatte gemeine Kopfschmerzen. Die hatte ich das letzte Mal vor meiner ersten Operation. Ich hatte schon geglaubt, ich wäre sie ein für allemal losgeworden. Mein Hintern hat sich auch wieder unangenehm in Erinnerung gebracht. Aber immerhin habe ich es geschafft, einen Artikel für mein Reisejournal zu schreiben. Den letzten hatte ich dort im Dezember veröffentlich. Nach meinen Logdateien gibt es einige Unentwegte, die mich trotz fünfmonatigem Schweigen immer noch im Feedreader stehen haben. Das erstaunt mich schon. Ich würde gerne monatlich je einen Artikel im Reisejournal und im Rezeptblock sowie einmal in der Woche einen Bericht hier in Nordlichter veröffentlichen. Ob ich das schaffe, steht auf einem ganz anderen Blatt, denn morgen beginnt die nächste Runde Chemotherapie.
Sonntag, 21. Mai 2006
Es entwickelt sich.
Sonntag, 21. Mai 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Ich komme jetzt ohne Probleme die Treppen zu meiner Wohnung hinauf, und mein Hintern ist mir auch weiterhin wohlgesonnen, kein Hausarrest mehr. Ich drehe meine Runden im Viertel. Demnächst klettere ich auf meinen Hometrainer, und dann geht es ab. Inzwischen wäre ich auch an so etwas wie einem ordentlichen Gesäß wieder höchst interessiert. Es tut verdammt weh, wenn die Rückseite nur mit Haut gepolstert ist. Zum schmerzfreien Dauersitzen eignet sich gerade noch mein Ledersofa.
Ich bin vollständig motorisiert. Neben Notebook, Handy und Digicam habe ich auch einen PDA, den ich mit in die Onkologie geschleppt habe. Auf dem Speicherchip hatte ich einige Musikstücke kopiert. Da ich mich hartnäckig weigere mir Stöpsel in die Ohren zu stecken, waren es mit Rücksicht auf die älteren Herrschaften in meiner Krebsrunde ruhige Titel. Es begann mit Bob Dylan und Bob Marley, die gemeinsam an die Himmelspforte klopften, und endete mit Atlantis. Nebenbei kann ich Solitär spielen oder ein paar Gedanken notieren. Aber meistens liege ich während der Sitzungen im Ledersessel und lese z.B. Sarah Kuttner oder Harald Schmidt.
Wie ich die Chemotherapie vertrage, ist sehr unterschiedlich. Dieses Mal war mir schon gleich am ersten Tag noch während der Sitzung übel, und um meine Zunge schien ein Pelz zu wachsen. Noch am Samstag lag sie mir wie ein Fremdkörper im Mund. Im Blumenladen hatte ich dann das von der Schwester vorausgesagte schmerzhafte Kribbeln in den Fingerspitzen. Aber damit nicht genug, meine Lippen fühlten sich taub an und piekten auch. Beim Essen hatte ich wieder Krämpfe rechts und links am Kiefer. Wenn ich etwas Kaltes trank, dann hatte ich einen Ziegelstein im Hals, an dem ich die Flüssigkeit vorbeischlucken musste. Am dritten Tag habe ich morgens gebrochen mit nichts im Magen aber immerhin der Zahnbürste in der Hand. Am letzten Wochenende ging es mir so gut, und nun bin ich durch die Chemo wieder abgestürzt. Ich fühle mich richtig krank. Essen außer Frühstück war wegen der Übelkeit wiedermal unmöglich. Am Donnerstag hatte ich solche schmerzhaften Blähungen, dass ich nicht mehr sitzen konnte. So bin ich nach dem Frühstück gleich wieder ins Bett gekrabbelt, und habe mich dort wie ein Wurm zusammengerollt.
Ich ertrage das alles ergeben. Beschleunigen lässt sich die Genesung nicht. Wenn ich das versuche, geht es mir noch schlechter. Nach der Sitzung in der Onkologie muss ich auf meinem Weg zum Fahrstuhl immer an Sprechzimmer und Warteraum vorbei. Der Warteraum zur onkologischen Sprechstunde war am Dienstag gut gefüllt. Im Nordkurier hatte ich gelesen, dass Termine bis zu einem Vierteljahr im voraus vergeben werden. Im vergangenen Jahr wurden 1042 Patienten betreut. Sprechzimmer und Warteraum sind am Anfang des Jahres ein Stockwerk höher verlegt worden. Krebspatienten bräuchten mehr Ruhe und hätten ein erhöhtes Mitteilungsbedürfnis. Wen wundert das?
Sein Informationsbedürfnis kann man auch im Internet stillen. Sehr hilfreich ist die Webseite darmkrebs.de der Felix-Burda-Stiftung. Dort gibt es auch Aufklärung über die verschiedenen Stadien des Darmkrebses. Die Seite hat auch ein Forum, das ich allerdings nicht nutze. Es ist mir zu unübersichtlich. Ich bin nach wie vor im Stoma-Forum unterwegs, auch wenn ich jetzt kein Beuteltier mehr bin. Unser Webkänguruh, der Moderarator, hat es sehr schön neu geordnet. Das Gute an dem Forum ist, es ist offen für alle. So kann erstmal jeder mitlesen, ohne sich gleich registrieren zu müssen. Es gibt kein Thema, über das man sich dort nicht austauschen kann, ob Probleme mit der Versorgung, dem Selbstwertgefühl oder in der Partnerschaft. Das Stoma-Forum ist meine virtuelle Selbsthilfegruppe und immer noch wichtig für mich. Wenn es mir beschissen geht, kann ich mich dort trösten lassen. Ich kann aber andererseits Leuten helfen, denen es noch schlechter geht als mir. Das sorgt für die nötige Balance. Es rückt alles wieder ins rechte Lot, und macht es mir leichter mit der Krankheit zu leben. Die Ärzte im Krankenhaus konzentrieren sich auf den physischen Aspekt. Die Psyche der Patienten ist kein Thema. Da muss man schon selbst sehen, wo man sich Hilfe holt. Einen Psychoonkologen gibt es im Kreiskrankenhaus Demmin nicht.
Der Musiker James Last, der von seinem Hautkrebs genesen ist, antwortete auf die Frage, ob er Angst gehabt hätte zu sterben:
Egal, was meine Krebserkrankung noch für mich bereithält, ich werde mich nicht vom Balkon stürzen, denn ich habe gar keinen Balkon. Ich kann noch nicht mal aufs Fensterbrett klettern. Mir wird schon schwindlig, wenn ich auf eine Leiter steige. Ich leide etwas unter Höhenkoller. James Last hatte in seinem Interview behauptet, eine positive Einstellung hätte zu seiner Gesundung beigetragen. Das ist ein Irrtum. Der Sohn meines Arbeitskollegen hatte Blutkrebs und war der Optimismus in Person. Gerettet hat es ihn trotzdem nicht. Es spielt für meinen Genesungsprozess nicht die geringste Rolle, ob ich nun den ganzen Tag jammere oder singe. Allerdings ist es für die Leute, die mit mir umgehen müssen und für mich selbst einfacher, wenn ich gut drauf bin. Aber, falls ich einen Durchhänger habe, mache ich mir deswegen kein schlechtes Gewissen. Dieses Rumgereite auf eine positive Denke ist mir suspekt. Es impliziert Selbstvorwürfe. Immer mit der Angst im Hinterkopf, wenn du jetzt nicht positiv denkst, dann bist du selbst schuld, wenn du wieder Metastasen kriegst. Das ist kompletter Blödsinn! Dafür, wie ich mit meiner Krebserkrankung umgehe, ist eher meine Einstellung zum Leben überhaupt verantwortlich. Trotzdem, jeder Tag ist nicht gleich, kein Mensch kann immer nur heiter sein, nicht einmal ich. Wenn mir nach Heulen zumute ist, dann tue ich es einfach. Ich habe eine neue große Packung mit genug Tempotaschentücher.
Ich bin vollständig motorisiert. Neben Notebook, Handy und Digicam habe ich auch einen PDA, den ich mit in die Onkologie geschleppt habe. Auf dem Speicherchip hatte ich einige Musikstücke kopiert. Da ich mich hartnäckig weigere mir Stöpsel in die Ohren zu stecken, waren es mit Rücksicht auf die älteren Herrschaften in meiner Krebsrunde ruhige Titel. Es begann mit Bob Dylan und Bob Marley, die gemeinsam an die Himmelspforte klopften, und endete mit Atlantis. Nebenbei kann ich Solitär spielen oder ein paar Gedanken notieren. Aber meistens liege ich während der Sitzungen im Ledersessel und lese z.B. Sarah Kuttner oder Harald Schmidt.
Wie ich die Chemotherapie vertrage, ist sehr unterschiedlich. Dieses Mal war mir schon gleich am ersten Tag noch während der Sitzung übel, und um meine Zunge schien ein Pelz zu wachsen. Noch am Samstag lag sie mir wie ein Fremdkörper im Mund. Im Blumenladen hatte ich dann das von der Schwester vorausgesagte schmerzhafte Kribbeln in den Fingerspitzen. Aber damit nicht genug, meine Lippen fühlten sich taub an und piekten auch. Beim Essen hatte ich wieder Krämpfe rechts und links am Kiefer. Wenn ich etwas Kaltes trank, dann hatte ich einen Ziegelstein im Hals, an dem ich die Flüssigkeit vorbeischlucken musste. Am dritten Tag habe ich morgens gebrochen mit nichts im Magen aber immerhin der Zahnbürste in der Hand. Am letzten Wochenende ging es mir so gut, und nun bin ich durch die Chemo wieder abgestürzt. Ich fühle mich richtig krank. Essen außer Frühstück war wegen der Übelkeit wiedermal unmöglich. Am Donnerstag hatte ich solche schmerzhaften Blähungen, dass ich nicht mehr sitzen konnte. So bin ich nach dem Frühstück gleich wieder ins Bett gekrabbelt, und habe mich dort wie ein Wurm zusammengerollt.
Ich ertrage das alles ergeben. Beschleunigen lässt sich die Genesung nicht. Wenn ich das versuche, geht es mir noch schlechter. Nach der Sitzung in der Onkologie muss ich auf meinem Weg zum Fahrstuhl immer an Sprechzimmer und Warteraum vorbei. Der Warteraum zur onkologischen Sprechstunde war am Dienstag gut gefüllt. Im Nordkurier hatte ich gelesen, dass Termine bis zu einem Vierteljahr im voraus vergeben werden. Im vergangenen Jahr wurden 1042 Patienten betreut. Sprechzimmer und Warteraum sind am Anfang des Jahres ein Stockwerk höher verlegt worden. Krebspatienten bräuchten mehr Ruhe und hätten ein erhöhtes Mitteilungsbedürfnis. Wen wundert das?
Sein Informationsbedürfnis kann man auch im Internet stillen. Sehr hilfreich ist die Webseite darmkrebs.de der Felix-Burda-Stiftung. Dort gibt es auch Aufklärung über die verschiedenen Stadien des Darmkrebses. Die Seite hat auch ein Forum, das ich allerdings nicht nutze. Es ist mir zu unübersichtlich. Ich bin nach wie vor im Stoma-Forum unterwegs, auch wenn ich jetzt kein Beuteltier mehr bin. Unser Webkänguruh, der Moderarator, hat es sehr schön neu geordnet. Das Gute an dem Forum ist, es ist offen für alle. So kann erstmal jeder mitlesen, ohne sich gleich registrieren zu müssen. Es gibt kein Thema, über das man sich dort nicht austauschen kann, ob Probleme mit der Versorgung, dem Selbstwertgefühl oder in der Partnerschaft. Das Stoma-Forum ist meine virtuelle Selbsthilfegruppe und immer noch wichtig für mich. Wenn es mir beschissen geht, kann ich mich dort trösten lassen. Ich kann aber andererseits Leuten helfen, denen es noch schlechter geht als mir. Das sorgt für die nötige Balance. Es rückt alles wieder ins rechte Lot, und macht es mir leichter mit der Krankheit zu leben. Die Ärzte im Krankenhaus konzentrieren sich auf den physischen Aspekt. Die Psyche der Patienten ist kein Thema. Da muss man schon selbst sehen, wo man sich Hilfe holt. Einen Psychoonkologen gibt es im Kreiskrankenhaus Demmin nicht.
Der Musiker James Last, der von seinem Hautkrebs genesen ist, antwortete auf die Frage, ob er Angst gehabt hätte zu sterben:
Nein. Ich hatte noch nie Angst vor dem Tod.Ich habe Angst, alles andere wäre gelogen. Aber die Angst ist nicht so groß, dass sie mich lähmt oder mein ganzes Tun bestimmt. Ich kann mit ihr leben. Die beste Methode mit der Angst fertigzuwerden, ist für mich noch immer darüber zu schreiben. Den Artikel zu meinem Befinden veröffentliche ich spätestens am Sonntagabend, weil ich weiß, dass meine Arbeitskollegen schon am Montagmorgen darauf lauern. Wenn ich telefoniere und weit ausholen will, heißt es immer, das weiß ich schon längst, ich lese dein Weblog. Ob ich zwischen den Sonntagen noch andere Artikel schreibe, hängt davon ab, wie ich mich fühle. In der Chemowoche sind großartige Berichte von mir eher weniger zu erwarten.
Egal, was meine Krebserkrankung noch für mich bereithält, ich werde mich nicht vom Balkon stürzen, denn ich habe gar keinen Balkon. Ich kann noch nicht mal aufs Fensterbrett klettern. Mir wird schon schwindlig, wenn ich auf eine Leiter steige. Ich leide etwas unter Höhenkoller. James Last hatte in seinem Interview behauptet, eine positive Einstellung hätte zu seiner Gesundung beigetragen. Das ist ein Irrtum. Der Sohn meines Arbeitskollegen hatte Blutkrebs und war der Optimismus in Person. Gerettet hat es ihn trotzdem nicht. Es spielt für meinen Genesungsprozess nicht die geringste Rolle, ob ich nun den ganzen Tag jammere oder singe. Allerdings ist es für die Leute, die mit mir umgehen müssen und für mich selbst einfacher, wenn ich gut drauf bin. Aber, falls ich einen Durchhänger habe, mache ich mir deswegen kein schlechtes Gewissen. Dieses Rumgereite auf eine positive Denke ist mir suspekt. Es impliziert Selbstvorwürfe. Immer mit der Angst im Hinterkopf, wenn du jetzt nicht positiv denkst, dann bist du selbst schuld, wenn du wieder Metastasen kriegst. Das ist kompletter Blödsinn! Dafür, wie ich mit meiner Krebserkrankung umgehe, ist eher meine Einstellung zum Leben überhaupt verantwortlich. Trotzdem, jeder Tag ist nicht gleich, kein Mensch kann immer nur heiter sein, nicht einmal ich. Wenn mir nach Heulen zumute ist, dann tue ich es einfach. Ich habe eine neue große Packung mit genug Tempotaschentücher.
Sonntag, 14. Mai 2006
Freitags wird gebadet
Sonntag, 14. Mai 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
In einem hat Herr Popa völlig Recht, ich habe die Pickel der Beauty-Queen keines Blickes gewürdigt. Mich plagen einfach ganz andere Probleme als Pusteln.
Dies war meine Erholungswoche, am Montag habe ich wieder Chemotherapie. Wie es mir zwischen zwei Chemos geht, bestimmt allein mein Hintern. Diese Woche war er mir meist wohlgesonnen. So nutzte ich die Gelegenheit meine Arbeitskollegen zu besuchen. Den letzten derartigen Ausflug, der nicht ins Krankenhaus ging, hatte ich Ende März. Aber ich war wirklich nur als Gast dort. Sie würden, wie mein Chef sagte, zeitlich begrenzt jemand einstellen. Natürlich war das zu erwarten, es ist nur ein kleiner Bereich. Jeder der fehlt reißt eine Lücke, aber traurig bin ich doch. Ich fühle mich wieder mal so richtig ausgesperrt. Im familiären Leben ist das nicht anders. Anfang Juni trauen sich zwei aus meiner Sippe, und ich werde diese Hochzeit verpassen. Mein eigener, auch noch runder, Geburtstag fällt in diesem Jahr auf einen Dienstag. Den werde ich, wenn ich richtig gezählt habe, mit der Chemopumpe um den Hals begehen.
Mein Chef hatte mir erklärt, sie würden auch deshalb jemand anheuern, weil, wenn ich dann stundenweise wieder im Einsatz bin, damit zu rechnen wäre, dass es mir wieder schlechter gehen könnte. Nun, ich habe nicht die Absicht, wenn ich arbeite, die Hufe gleich wieder hochzureißen. Ich weiß sehr gut, was ich mir zumuten kann und was nicht. Im Gegensatz zu meinem gesunden Leben, gibt es Grenzen. Darüber hinaus geht nichts, ob mir das nun gefällt oder nicht, ich muss es akzeptieren. Ich habe gelernt damit zu leben.
Aber es geht mir inzwischen besser, und ich will mich nicht den ganzen Tag mit der Krankheit beschäftigen. Ich will auch nicht mehr ausschließlich über meinen Darmkrebs bloggen. So habe ich heute einen kleinen Spaziergang im Viertel unternommen mit der neuen Kamera im Rucksack. Ich brauche ein Bild für mein Reiseblog, dort ist es noch Winter. In den Gärten an meinem Weg blühte der Flieder. Wenn ich etwas besonders liebe, dann ist es der Flieder und sein Duft. Aber ich war nicht nur zum Schnuppern draußen. Ein wenig Farbe im Gesicht tut mir auch gut, sonst bemängeln die Schwestern in der Onkologie wieder meine vornehme Blässe. In der Hausarbeit gibt es auch Fortschritte. Neben meinem Lesesessel im Schlafzimmer steht das erste Körbchen mit alten Handbüchern, Zeitungen und Zeitschriften zum Aussortieren. Ich konnte mich auch endlich in die Wanne legen. Im Gegensatz zu der Operationsnarbe, die ich im Greifswalder Uni-Krankenhaus besichtigen durfte, ist meine viel hübscher und optimal zwischen die beiden anderen auf meinem Bauch plaziert. Es entwickelt sich, wenn auch nur langsam.
Wenn mich mein Hintern mit allzu vielen Toilettengängen quält, wünsche ich mir manchmal mein Stoma zurück. Durch das ständige Training bin ich auf kurzen Strecken inzwischen recht flink. Schade, dass hinter meinem Wohnblock keine Bänke mehr stehen. Dann könnte ich mich dort hinsetzen, ein Buch lesen und nebenbei mein Sprintvermögen auf längere Distanzen trainieren. Die nächste Parkbank steht am Ernst-Barlach-Platz. Das ist leider noch zu weit weg. Inzwischen hat sich mein Darm so weit beruhigt, dass ich nicht mehr alle 10 Minuten rennen muss. Ich komme jetzt auf drei bis vier allerdings recht lange Sitzungen pro Tag. Damit ich mich dabei nicht langweile, liegt Literatur griffbereit auf der Waschmaschine. Aber ich bin nicht die einzige, die diesem Zeitvertreib frönt, es gibt noch mehr bloggende Toilettenleser. In meiner eigenen Sippe ist mein Neffe mit dieser Schwäche erblich belastet, sehr zum Missfallen seines Vaters. Wie dem auch sei, so lässt es sich ganz gut aushalten. Aber ich habe nicht vor, meine Tage und halbe Nächte auf dem Klo thronend zu verbringen.
Die Diagnose Krebs ist eine große Zäsur im Leben. Manche stellen danach ihr Wertesystem völlig um. Ich musste das nicht. Liebe und Freundschaft sind am wichtigste im Leben, daran hat sich nichts geändert. Ohne die Hilfe der Menschen, denen ich am Herzen liege, würde ich mit den Folgen meiner Krebserkrankung nicht fertig werden. Meine Freundin z.B. steht jeden Freitag hier auf meiner Matte. Wenn sie ihren Wochenendeinkauf erledigt, versorgt sie mich gleich mit. Zeit um miteinander zu sappeln, nehmen wir uns immer. Ich mache keine großen Pläne für die Zukunft. Ich lebe ganz im Heute und Hier. Warum sollte ich irgendetwas zurücklegen? So habe ich mir die digitale Spiegelreflexkamera jetzt gekauft und nicht erst in drei Jahren. Was weiß ich, was dann ist.
Am Wochenanfang war hier in meinem Weblog wegen des Artikels "freundin" etwas mehr los als üblich. Inzwischen ist es wieder ruhig in der von mir besetzten Nische. Während zum Thema "Krebs" noch viele Einträge bei Technorati zu finden sind, sind es zum Darmkrebs schon deutlich weniger. Bloggende Stomaträger gibt es auch nicht die Masse. Zu Mastdarmkrebs, an dem ich ja leide, gibt es bei Technorati genau vier schon etwas ältere Einträge, außer meinem eigenen, einen der ins Webnirvana führt und zwei eines Physikers, der außer für einen Wunderdoktor für die B17-Therapie wirbt. Für mich sind diese Heilsversprechen kein Grund zum Ausprobieren. Warum sollte ich einem unbekannten Physiker mehr trauen als meinem Onkologen?
Im WDR nahm man sich in der Sendung "Planet Wissen" des Themas "Selbstheilung - von Placebos und Schamanen" an. Ich hatte mich in einem früheren Artikel schon einmal zum Thema Alternativmedizin und Placebo geäußert und im Schockwellenreiter darüber diskutiert. Meine Ansicht dazu hat sich nicht geändert. Ich fühle mich durch die Sendung eher noch bestärkt. Bei vielen Gesunden sehe ich Unverständnis, wenn sich Krebspatienten der Alternativmedizin zuwenden. Eine Krebserkrankung löst vor allem eins aus, große Ängste. Wenn der Tod nahe steht, greift man nach jedem Strohhalm.
Nebenbei erfreut jemand wie Arbeitsminister Müntefering mein treudeutsches Untertanenherz mit so coolen Sprüchen wie:
Dies war meine Erholungswoche, am Montag habe ich wieder Chemotherapie. Wie es mir zwischen zwei Chemos geht, bestimmt allein mein Hintern. Diese Woche war er mir meist wohlgesonnen. So nutzte ich die Gelegenheit meine Arbeitskollegen zu besuchen. Den letzten derartigen Ausflug, der nicht ins Krankenhaus ging, hatte ich Ende März. Aber ich war wirklich nur als Gast dort. Sie würden, wie mein Chef sagte, zeitlich begrenzt jemand einstellen. Natürlich war das zu erwarten, es ist nur ein kleiner Bereich. Jeder der fehlt reißt eine Lücke, aber traurig bin ich doch. Ich fühle mich wieder mal so richtig ausgesperrt. Im familiären Leben ist das nicht anders. Anfang Juni trauen sich zwei aus meiner Sippe, und ich werde diese Hochzeit verpassen. Mein eigener, auch noch runder, Geburtstag fällt in diesem Jahr auf einen Dienstag. Den werde ich, wenn ich richtig gezählt habe, mit der Chemopumpe um den Hals begehen.
Mein Chef hatte mir erklärt, sie würden auch deshalb jemand anheuern, weil, wenn ich dann stundenweise wieder im Einsatz bin, damit zu rechnen wäre, dass es mir wieder schlechter gehen könnte. Nun, ich habe nicht die Absicht, wenn ich arbeite, die Hufe gleich wieder hochzureißen. Ich weiß sehr gut, was ich mir zumuten kann und was nicht. Im Gegensatz zu meinem gesunden Leben, gibt es Grenzen. Darüber hinaus geht nichts, ob mir das nun gefällt oder nicht, ich muss es akzeptieren. Ich habe gelernt damit zu leben.
Aber es geht mir inzwischen besser, und ich will mich nicht den ganzen Tag mit der Krankheit beschäftigen. Ich will auch nicht mehr ausschließlich über meinen Darmkrebs bloggen. So habe ich heute einen kleinen Spaziergang im Viertel unternommen mit der neuen Kamera im Rucksack. Ich brauche ein Bild für mein Reiseblog, dort ist es noch Winter. In den Gärten an meinem Weg blühte der Flieder. Wenn ich etwas besonders liebe, dann ist es der Flieder und sein Duft. Aber ich war nicht nur zum Schnuppern draußen. Ein wenig Farbe im Gesicht tut mir auch gut, sonst bemängeln die Schwestern in der Onkologie wieder meine vornehme Blässe. In der Hausarbeit gibt es auch Fortschritte. Neben meinem Lesesessel im Schlafzimmer steht das erste Körbchen mit alten Handbüchern, Zeitungen und Zeitschriften zum Aussortieren. Ich konnte mich auch endlich in die Wanne legen. Im Gegensatz zu der Operationsnarbe, die ich im Greifswalder Uni-Krankenhaus besichtigen durfte, ist meine viel hübscher und optimal zwischen die beiden anderen auf meinem Bauch plaziert. Es entwickelt sich, wenn auch nur langsam.
Wenn mich mein Hintern mit allzu vielen Toilettengängen quält, wünsche ich mir manchmal mein Stoma zurück. Durch das ständige Training bin ich auf kurzen Strecken inzwischen recht flink. Schade, dass hinter meinem Wohnblock keine Bänke mehr stehen. Dann könnte ich mich dort hinsetzen, ein Buch lesen und nebenbei mein Sprintvermögen auf längere Distanzen trainieren. Die nächste Parkbank steht am Ernst-Barlach-Platz. Das ist leider noch zu weit weg. Inzwischen hat sich mein Darm so weit beruhigt, dass ich nicht mehr alle 10 Minuten rennen muss. Ich komme jetzt auf drei bis vier allerdings recht lange Sitzungen pro Tag. Damit ich mich dabei nicht langweile, liegt Literatur griffbereit auf der Waschmaschine. Aber ich bin nicht die einzige, die diesem Zeitvertreib frönt, es gibt noch mehr bloggende Toilettenleser. In meiner eigenen Sippe ist mein Neffe mit dieser Schwäche erblich belastet, sehr zum Missfallen seines Vaters. Wie dem auch sei, so lässt es sich ganz gut aushalten. Aber ich habe nicht vor, meine Tage und halbe Nächte auf dem Klo thronend zu verbringen.
Die Diagnose Krebs ist eine große Zäsur im Leben. Manche stellen danach ihr Wertesystem völlig um. Ich musste das nicht. Liebe und Freundschaft sind am wichtigste im Leben, daran hat sich nichts geändert. Ohne die Hilfe der Menschen, denen ich am Herzen liege, würde ich mit den Folgen meiner Krebserkrankung nicht fertig werden. Meine Freundin z.B. steht jeden Freitag hier auf meiner Matte. Wenn sie ihren Wochenendeinkauf erledigt, versorgt sie mich gleich mit. Zeit um miteinander zu sappeln, nehmen wir uns immer. Ich mache keine großen Pläne für die Zukunft. Ich lebe ganz im Heute und Hier. Warum sollte ich irgendetwas zurücklegen? So habe ich mir die digitale Spiegelreflexkamera jetzt gekauft und nicht erst in drei Jahren. Was weiß ich, was dann ist.
Am Wochenanfang war hier in meinem Weblog wegen des Artikels "freundin" etwas mehr los als üblich. Inzwischen ist es wieder ruhig in der von mir besetzten Nische. Während zum Thema "Krebs" noch viele Einträge bei Technorati zu finden sind, sind es zum Darmkrebs schon deutlich weniger. Bloggende Stomaträger gibt es auch nicht die Masse. Zu Mastdarmkrebs, an dem ich ja leide, gibt es bei Technorati genau vier schon etwas ältere Einträge, außer meinem eigenen, einen der ins Webnirvana führt und zwei eines Physikers, der außer für einen Wunderdoktor für die B17-Therapie wirbt. Für mich sind diese Heilsversprechen kein Grund zum Ausprobieren. Warum sollte ich einem unbekannten Physiker mehr trauen als meinem Onkologen?
Im WDR nahm man sich in der Sendung "Planet Wissen" des Themas "Selbstheilung - von Placebos und Schamanen" an. Ich hatte mich in einem früheren Artikel schon einmal zum Thema Alternativmedizin und Placebo geäußert und im Schockwellenreiter darüber diskutiert. Meine Ansicht dazu hat sich nicht geändert. Ich fühle mich durch die Sendung eher noch bestärkt. Bei vielen Gesunden sehe ich Unverständnis, wenn sich Krebspatienten der Alternativmedizin zuwenden. Eine Krebserkrankung löst vor allem eins aus, große Ängste. Wenn der Tod nahe steht, greift man nach jedem Strohhalm.
Im Schützengraben gibt es keine Atheisten.Auch ich kenne die Statistiken bei meiner Erkrankung Mastdarmkrebs Stadium III. Eine Garantie, dass der Krebs nicht wiederkommt, kann mir niemand geben. Bei etwa einem Fall auf 100.000 Patienten treten bei Darmkrebs Spontanheilungen auf. Darauf sollte man sich also nicht verlassen. Da heißt es, sich weiter durch die Chemotherapie quälen, der nächste Versuch läuft morgen.
Nebenbei erfreut jemand wie Arbeitsminister Müntefering mein treudeutsches Untertanenherz mit so coolen Sprüchen wie:
Nur wer arbeitet, soll auch essen.Auch wenn ich mit meinem Darmkrebs den deutschen Krankenkassenversicherten so richtig schön schwer auf dem Portemonnaie liege, glaube ich kaum, dass irgendjemand mit mir tauschen möchte. Auch dann nicht, wenn mein Krankengeld das Salär eines HartzIV-Betroffenen um ein Vielfaches übersteigt. Meine Doktoren dürfte es wenig begeistern, wenn ich mich an den Spruch hielte. Beim Hausarzt musste ich auf die Waage klettern. Die gute Nachricht ist, ich habe kein Gewicht verloren. Ich bin immer noch 54 kg schwer. Beim Besuch an meinem Arbeitsplatz traf ich einen Kollegen, der mich schon lange Zeit nicht mehr gesehen hatte. Er stellte fest, dass ich sehr abgenommen hätte und bot mir auch gleich an, einige Kilogramm von sich zu übernehmen. Derlei Offerten bekomme ich häufig. Ich wäre entzückt, wenn ich 10 kg mehr auf die Waage bringen könnte. Meine Freundin war erbost, wenn ich schon von jemandem Kilo übernehme, dann doch gefälligst von ihr.
Sonntag, 7. Mai 2006
Verschollen im Kleiderschrank
Sonntag, 7. Mai 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Auch dieses Wochenende verlief nicht ohne Blessuren. Ich habe mir den Zeigefinger beim Öffnen einer Dose mit Klößchensuppe aufgeschnitten. Wer Fertigfutter frisst, muss bestraft werden! Der Inhalt der Dose entschädigte mich in keinster Weise dafür, dass ich die nächste Zeit im Haushalt einen Gummihandschuh tragen muss.
Nach dem Unfall habe ich mich in einer neuen Sportart versucht, Tiefseetauchen im Kleiderschrank. Im Frühjahr ist das durchaus ein Trend. Im Schrank ist jetzt wieder Platz und davor stapeln sich die Plastebeutel mit den aussortierten Sachen. Da ich noch zu schlapp bin, und an mir genug zu schleppen habe, muss ich warten, bis einer meiner Helfer vorbeikommt. Der kann die Beutel dann in der Kleiderbox vorm Wohnblock versenken. In den Untiefen meines Schranks habe ich Jeans entdeckt, die mir passen, was meine Laune ungemein hob. Seit meiner Erkrankung trug ich besonders kleidsame Jogginghosen, die sich meinem schwindenden Gewicht anpassten, und auch dem Stoma keine besondere Geltung verschafften. Nun, das Beutelchen bin ich ja jetzt los.
Kaum zu fassen, ich war schon mal so mager wie jetzt. Mein Kollege erklärte zu jener Zeit, wenn er eine Person näher beschrieb, „Noch dünner als Marion, obwohl das ja eigentlich gar nicht geht.“ Als ich mich über blaue Flecke beschwerte, die ich mir beim wilden Tanzen mit einem ebenso windschlüpfrigen Kollegen zugezogen hatte, lautete der Kommentar, „Kein Wunder, wenn Brett an Brett knallt.“ Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass ich optisch etwas anders ausschaute als heute. Ich hatte viel Sport getrieben, bin radgefahren, habe Federball- und Volleyball gespielt. Damals hatte ich noch einen Hintern, und BHs passten mir auch. Nun gut, am Hintern schlägt sie Falten, aber am Bund passt die Jeans wenigstens. Die Shorts könnte ich auch alle wieder anziehen sogar das grüne Sportdings mit dem weißen Ralleystreifen. Aber an Sport ist ja vorläufig nicht zu denken.
Ich musste meiner Chefin versprechen vorerst nicht auf meinem Hometrainer zu klettern. Sie befürchtet, ich könnte abstürzen, mir böse Dellen zuziehen und hilflos auf meinem Teppich darniederliegen. Solange ich noch Mühe habe die drei Etagen zu meiner Wohnung hochzukraxeln ist Sport noch keine Option. Ich werde mit einfachen Spaziergängen beginnen, um den Block, im Viertel und so weiter. Dann kann ich auch so langsam meinen Haushalt wieder allein managen. Das Fensterputzen darfst Du natürlich trotzdem übernehmen, liebes Kusinchen! Ich werde mich auf den Rest schmeißen. Bis dahin gilt: Es gibt noch viel zu tun, lassen wir es liegen.
Nach dem Unfall habe ich mich in einer neuen Sportart versucht, Tiefseetauchen im Kleiderschrank. Im Frühjahr ist das durchaus ein Trend. Im Schrank ist jetzt wieder Platz und davor stapeln sich die Plastebeutel mit den aussortierten Sachen. Da ich noch zu schlapp bin, und an mir genug zu schleppen habe, muss ich warten, bis einer meiner Helfer vorbeikommt. Der kann die Beutel dann in der Kleiderbox vorm Wohnblock versenken. In den Untiefen meines Schranks habe ich Jeans entdeckt, die mir passen, was meine Laune ungemein hob. Seit meiner Erkrankung trug ich besonders kleidsame Jogginghosen, die sich meinem schwindenden Gewicht anpassten, und auch dem Stoma keine besondere Geltung verschafften. Nun, das Beutelchen bin ich ja jetzt los.
Kaum zu fassen, ich war schon mal so mager wie jetzt. Mein Kollege erklärte zu jener Zeit, wenn er eine Person näher beschrieb, „Noch dünner als Marion, obwohl das ja eigentlich gar nicht geht.“ Als ich mich über blaue Flecke beschwerte, die ich mir beim wilden Tanzen mit einem ebenso windschlüpfrigen Kollegen zugezogen hatte, lautete der Kommentar, „Kein Wunder, wenn Brett an Brett knallt.“ Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass ich optisch etwas anders ausschaute als heute. Ich hatte viel Sport getrieben, bin radgefahren, habe Federball- und Volleyball gespielt. Damals hatte ich noch einen Hintern, und BHs passten mir auch. Nun gut, am Hintern schlägt sie Falten, aber am Bund passt die Jeans wenigstens. Die Shorts könnte ich auch alle wieder anziehen sogar das grüne Sportdings mit dem weißen Ralleystreifen. Aber an Sport ist ja vorläufig nicht zu denken.
Ich musste meiner Chefin versprechen vorerst nicht auf meinem Hometrainer zu klettern. Sie befürchtet, ich könnte abstürzen, mir böse Dellen zuziehen und hilflos auf meinem Teppich darniederliegen. Solange ich noch Mühe habe die drei Etagen zu meiner Wohnung hochzukraxeln ist Sport noch keine Option. Ich werde mit einfachen Spaziergängen beginnen, um den Block, im Viertel und so weiter. Dann kann ich auch so langsam meinen Haushalt wieder allein managen. Das Fensterputzen darfst Du natürlich trotzdem übernehmen, liebes Kusinchen! Ich werde mich auf den Rest schmeißen. Bis dahin gilt: Es gibt noch viel zu tun, lassen wir es liegen.
Freitag, 5. Mai 2006
Therapeutisches
Freitag, 5. Mai 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Ob das nun noch mit rechten Dingen zugeht, wage ich zu bezweifeln. Ich musste drei Tage hintereinander das Klo hüten. Mein Darm nötigte mich zu schnellen Sprints durch die Wohnung. Kaum hatte ich es mir auf dem Sessel in der Onkologie gemütlich gemacht, war von Stuhldrang nichts mehr zu spüren. Wenn ich esoterisch angehaucht wäre, würde ich von einer gewissen Aura plappern und mit der Wünschelrute nach dem Kraftfeld suchen. So meine ich nur ganz nüchtern, dass die Atmosphäre dort und die Betreuung nicht nur auf mich sondern auch auf meinen Darm beruhigend wirken. Trotz Gesundheitsreform und Sparzwang würde ich gern sehen, dass es in der Demminer Onkologie so bleibt, wie es ist. Im Morgenmagazin hatte ich andere Krebsstationen gesehen. In Demmin wirkt es durch die schönen, bequemen Ledersessel weniger wie ein Krankenhaus. Wenn man nicht wüsste, das hier ist die Krebsstation, könnte man dort glatt einziehen.
Aber nicht in allen Fällen hat die Station eine positive Wirkung, eine Schwester und auch der Doktor hatten sich krankgemeldet. Als Patient meint man immer, das medizinische Personal sei von Berufs wegen gegen Erkältungen gefeit, und dass die Bazillen am weißen Kittel nur so abrutschen aber nicht, dass sie klebenbleiben. Krankenhausangestellte werden eben auch krank, na so was. Seit ich mich mit dem Krebs rumschlage, ist mein Onkologe, der mich auch am Darm operierte, für mich der wichtigste Arzt. Was er sagt, hat besonderes Gewicht. Den Doktor sehen ich an den Tagen, an denen ich schon um 7.00 Uhr in der Onkologie auf dem Sessel hocke. Sonst werde ich wie eh und je liebevoll von den Schwestern umsorgt genau wie die anderen Krebspatienten auch. Ab und zu setzt sich eine Schwester zu mir, und wir plauschen, nicht über die Krankheit sondern über Gott und die Welt. Das muss einfach sein.
In meiner Runde in der Onkologie saßen außer mir noch eine ältere Dame und ein älterer Herr. Beide hatten Darmkrebs und Metastasen. Die Frau stellte fest, wie gut es doch wäre, dass man keine Ahnung hat, was alles auf einen zukommt. Schön, dass wir nicht in die Zukunft sehen können. Ich will gar nicht erfahren, wieviel Zeit mir noch bleibt. Dann wäre mein ganzes Treiben nur darauf gerichtet, den Löffel pünktlich abzugeben. Ich bin mir durchaus bewusst, dass meine Krankheit nicht nur in die Hose gehen kann, sondern unter Umständen six feed under endet. Aber ich mache mir im Augenblick darüber keine Gedanken. Die ARD-Themenwoche hatte ich deshalb auch gemieden, weil ich der Meinung bin, dass es mir nicht gut tut, wenn ich zusehe, wie jemand seinen Kampf mit dem Krebs verliert. Ich will meinen gewinnen!
Neben dem Krebs gibt es auch noch den normalen Alltag, aus dem ich mich ausgeschlossen fühle. Im Moment bin ich durch Übelkeit und Erbrechen, sonst auch durch gesteigerte Toilettengänge, zu unfreiwilligem Hausarrest verdammt. Ich kann nicht mal um den Block gehen, um mir so was wie Muskeln wieder anzutrainieren. Inzwischen bin ich nur noch Haut und Knochen. Meine Kollegin fragte mich gestern, ob ich mich nicht langweile so allein. Och, ich kann mich schon ganz gut beschäftigen. Meine Haupttätigkeiten lesen und Artikel für Weblogs schreiben sind gewöhnlich keine Aktionen, die man im Rudel betreibt. Natürlich freue ich mich, wenn Besuch kommt. Mein Bruder und mein Neffe waren nach Ostern hier, Onkel und Tante letzte Woche und heute. Aber ich gebe schon zu, dass ich gern zu meiner Sippe nach Berlin fahren würde. Meine Arbeitskollegen fehlen mir auch.
Deshalb werde ich die in der nächsten Woche, wenn mein Hintern mich lässt, besuchen. Im Nordkurier war ein Foto mit zwei meiner Kollegen abgebildet. Im zugehörigen Artikel stand, dass sie inzwischen alles auf Internettelefonie umgestellt hätten, Konferenzen am Bildschirm seien auch möglich. Ich habe meiner Kollegin vorgestern am Telefon gesagt, ich will das auch haben. Die Grundvoraussetzung Webcam und Flatrate ist gegeben. Mal sehen, welche Programme meine Kollegen benutzen. Dann könnten wir uns wenigstens am Bildschirm zuwinken, wenn ich schon nicht hinkann.
Inzwischen funktioniert endlich WLan zwischen Notebook und Router. Das grüne Patchkabel quer durchs Wohnzimmer war doch eine arge Stolperfalle. Bei meinem gesteigerten Hang im Haushalt zu verunfallen, ist so was einfach zu gefährlich. Kabellos surfen ist besser, besonders da mein Netzwerk absolut sicher ist. Der Router, ein Siemensmodel von der Telekom, schaltet das WLan nämlich in unregelmäßigen Abständen ab. Nichts ist so sicher wie ein Netzwerk, das nicht mehr vorhanden ist. Wer soll darin einbrechen? Dann muss ich wieder mal die Netzwerkliste aktualisieren. Windows komplettiert den Irrsinn, indem es sagt, nicht verbunden. Darunter steht dann, ich hätte momentan eine Verbindung mit dem Netzwerk. Ich habe beschlossen, ich muss das nicht verstehen und surfe fröhlich weiter.
Im Web halte ich mich häufig auf, Fernsehen gucke ich dagegen nur recht wenig. Nach dem Morgenmagazin schalte ich die Kiste ab. An den danach folgenden Telenovas, Soaps, Talk-, Gerichts- und sonstigen Shows habe ich kein Interesse. Beim abendlichen Zappen hatte ich neulich eine Dokumentation auf RTL2 erwischt. RTL2 ist nicht gerade mein Haussender, ich mag keine Menschenzoos. Im Dokumentarfilm ging es um den Unabomber. Theodore John Kaczynski war Mathematiker und Professor in Berkeley. Aus seinem Unbehagen, wie sich Technik und Gesellschaft entwickeln, bastelte er sich eine Philosophie zusammen. Ted Kaczynski, der die Gesellschaft zurück zur Natur bomben wollte, wurde 18 Jahre erfolglos vom FBI und der US-Post gesucht. Das ist nicht gerade beruhigend. Am Ende verriet er sich selber, als er sein Manifest veröffentlichen ließ. Sein jüngerer Bruder erkannte den Stil. Ich habe mit Ludditen und sonstigen Maschinenstürmern nichts am Hut. Wenn ich nicht gerade an Krebs erkranke, verdiene ich meine Brötchen normalerweise damit unschuldige Server zu quälen und deren Nutzer zu traktieren. Bei einem Leben zurück zur Natur wäre ich schlicht und ergreifend jetzt tot. Meine Mutter ist nur 62 Jahre alt geworden. Ich hätte nicht einmal das geschafft.
Aber nicht in allen Fällen hat die Station eine positive Wirkung, eine Schwester und auch der Doktor hatten sich krankgemeldet. Als Patient meint man immer, das medizinische Personal sei von Berufs wegen gegen Erkältungen gefeit, und dass die Bazillen am weißen Kittel nur so abrutschen aber nicht, dass sie klebenbleiben. Krankenhausangestellte werden eben auch krank, na so was. Seit ich mich mit dem Krebs rumschlage, ist mein Onkologe, der mich auch am Darm operierte, für mich der wichtigste Arzt. Was er sagt, hat besonderes Gewicht. Den Doktor sehen ich an den Tagen, an denen ich schon um 7.00 Uhr in der Onkologie auf dem Sessel hocke. Sonst werde ich wie eh und je liebevoll von den Schwestern umsorgt genau wie die anderen Krebspatienten auch. Ab und zu setzt sich eine Schwester zu mir, und wir plauschen, nicht über die Krankheit sondern über Gott und die Welt. Das muss einfach sein.
In meiner Runde in der Onkologie saßen außer mir noch eine ältere Dame und ein älterer Herr. Beide hatten Darmkrebs und Metastasen. Die Frau stellte fest, wie gut es doch wäre, dass man keine Ahnung hat, was alles auf einen zukommt. Schön, dass wir nicht in die Zukunft sehen können. Ich will gar nicht erfahren, wieviel Zeit mir noch bleibt. Dann wäre mein ganzes Treiben nur darauf gerichtet, den Löffel pünktlich abzugeben. Ich bin mir durchaus bewusst, dass meine Krankheit nicht nur in die Hose gehen kann, sondern unter Umständen six feed under endet. Aber ich mache mir im Augenblick darüber keine Gedanken. Die ARD-Themenwoche hatte ich deshalb auch gemieden, weil ich der Meinung bin, dass es mir nicht gut tut, wenn ich zusehe, wie jemand seinen Kampf mit dem Krebs verliert. Ich will meinen gewinnen!
Neben dem Krebs gibt es auch noch den normalen Alltag, aus dem ich mich ausgeschlossen fühle. Im Moment bin ich durch Übelkeit und Erbrechen, sonst auch durch gesteigerte Toilettengänge, zu unfreiwilligem Hausarrest verdammt. Ich kann nicht mal um den Block gehen, um mir so was wie Muskeln wieder anzutrainieren. Inzwischen bin ich nur noch Haut und Knochen. Meine Kollegin fragte mich gestern, ob ich mich nicht langweile so allein. Och, ich kann mich schon ganz gut beschäftigen. Meine Haupttätigkeiten lesen und Artikel für Weblogs schreiben sind gewöhnlich keine Aktionen, die man im Rudel betreibt. Natürlich freue ich mich, wenn Besuch kommt. Mein Bruder und mein Neffe waren nach Ostern hier, Onkel und Tante letzte Woche und heute. Aber ich gebe schon zu, dass ich gern zu meiner Sippe nach Berlin fahren würde. Meine Arbeitskollegen fehlen mir auch.
Deshalb werde ich die in der nächsten Woche, wenn mein Hintern mich lässt, besuchen. Im Nordkurier war ein Foto mit zwei meiner Kollegen abgebildet. Im zugehörigen Artikel stand, dass sie inzwischen alles auf Internettelefonie umgestellt hätten, Konferenzen am Bildschirm seien auch möglich. Ich habe meiner Kollegin vorgestern am Telefon gesagt, ich will das auch haben. Die Grundvoraussetzung Webcam und Flatrate ist gegeben. Mal sehen, welche Programme meine Kollegen benutzen. Dann könnten wir uns wenigstens am Bildschirm zuwinken, wenn ich schon nicht hinkann.
Inzwischen funktioniert endlich WLan zwischen Notebook und Router. Das grüne Patchkabel quer durchs Wohnzimmer war doch eine arge Stolperfalle. Bei meinem gesteigerten Hang im Haushalt zu verunfallen, ist so was einfach zu gefährlich. Kabellos surfen ist besser, besonders da mein Netzwerk absolut sicher ist. Der Router, ein Siemensmodel von der Telekom, schaltet das WLan nämlich in unregelmäßigen Abständen ab. Nichts ist so sicher wie ein Netzwerk, das nicht mehr vorhanden ist. Wer soll darin einbrechen? Dann muss ich wieder mal die Netzwerkliste aktualisieren. Windows komplettiert den Irrsinn, indem es sagt, nicht verbunden. Darunter steht dann, ich hätte momentan eine Verbindung mit dem Netzwerk. Ich habe beschlossen, ich muss das nicht verstehen und surfe fröhlich weiter.
Im Web halte ich mich häufig auf, Fernsehen gucke ich dagegen nur recht wenig. Nach dem Morgenmagazin schalte ich die Kiste ab. An den danach folgenden Telenovas, Soaps, Talk-, Gerichts- und sonstigen Shows habe ich kein Interesse. Beim abendlichen Zappen hatte ich neulich eine Dokumentation auf RTL2 erwischt. RTL2 ist nicht gerade mein Haussender, ich mag keine Menschenzoos. Im Dokumentarfilm ging es um den Unabomber. Theodore John Kaczynski war Mathematiker und Professor in Berkeley. Aus seinem Unbehagen, wie sich Technik und Gesellschaft entwickeln, bastelte er sich eine Philosophie zusammen. Ted Kaczynski, der die Gesellschaft zurück zur Natur bomben wollte, wurde 18 Jahre erfolglos vom FBI und der US-Post gesucht. Das ist nicht gerade beruhigend. Am Ende verriet er sich selber, als er sein Manifest veröffentlichen ließ. Sein jüngerer Bruder erkannte den Stil. Ich habe mit Ludditen und sonstigen Maschinenstürmern nichts am Hut. Wenn ich nicht gerade an Krebs erkranke, verdiene ich meine Brötchen normalerweise damit unschuldige Server zu quälen und deren Nutzer zu traktieren. Bei einem Leben zurück zur Natur wäre ich schlicht und ergreifend jetzt tot. Meine Mutter ist nur 62 Jahre alt geworden. Ich hätte nicht einmal das geschafft.
Dienstag, 2. Mai 2006
Irgendwas ist immer
Dienstag, 2. Mai 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Ich denke Ihr habt es gemerkt, meine Lieben. Wenn ich die aktuelle Krebsberichterstattung unterbreche, und Artikel zum Thema Medien schreibe, geht es mir offensichtlich besser. Ganz so schön ist es leider nicht. Ich habe einen Rückfall erlitten, besser gesagt Durchfall. Seit vorgestern versuche ich erfolglos mich zu verstopfen. Es klappt nicht, obwohl die Schwester mir vorsorglich Pillen zugeteilt hat, von denen sie behauptete, damit könne man quer durch Afrika kommen. Ich komme nicht einmal quer durch meine Wohnung. Im Augenblick trainiere ich verstärkt mein Sprintvermögen.
Dabei ging es mir in der letzten Woche recht gut. Seit ich anerkannt habe, dass mein Hintern der Boss ist, und er über mich bestimmt, habe ich es mit meinem Sitzungsdrang leichter. Ich konnte sogar meine Krankengruft verlassen und zwischen zwei Toilettengängen ein wenig einkaufen. Als Federgewicht kann ich mir gönnen, was für die meisten Frauen aus diätdiktatorischen Erwägungen tabu ist. Nachmittags bestehe ich auf mein Stück Kuchen. Am liebsten esse ich Liebesknochen oder Käsetorte, ich bin aber auch für Streuselschnecken oder Puddingbrezeln zu haben. Die Wurst kaufe ich beim Fleischer nebenan. Ich mag mich nicht von den Familienpackungen im Supermarkt ernähren, eine Woche die gleiche Wurst essen uaaaaaaah. Außerdem hat mein Fleischer eine phantastische Auswahl an Salaten, schon allein deshalb lohnt sich der Gang. Die wichtigste Zutat für mein wochenendliches Bratenexperiment kaufe ich dort auch. Da das Hautaugenmerk bei meiner Ernährung auf Zunehmen mindestens aber Gewichthalten liegt, spielt die PR-Initiative „billig, billig“ und das Diätendogma „fettarm“ bei meinen Einkäufen keine Rolle. Wichtig ist allein, dass es mir schmeckt, und ich wieder etwas auf die Rippen kriege.
Ich versuche zwar soviel zu essen, wie ich kann, aber mein Bauch ist meistens eingefallen. Aufgequollen ist er immer dann, wenn mich mein Hintern zum Sprinten zwingt. Mein Bauch sieht nach wie vor merkwürdig aus. Aber seit meiner ersten OP bin ich ja daran gewöhnt. Ich beäuge noch immer misstrauisch meine letzte Operationsnarbe. An der Stelle, wo ich im Greifswalder Krankenhaus den Bluterguss kühlen musste, und mir zwei Klammern vorzeitig gezogen wurden, schaut es aus, als wolle es aufplatzen. Ich traue mich deshalb immer noch nicht, mich in die Wanne zu legen, obwohl ich so gerne baden würde. Meine Haut ist durch die Chemotherapie noch trockener als gewöhnlich geworden. Meine drei Operationsnarben auf dem Bauch reibe ich deshalb mit ganz normalem Körperöl ein. Mehr Pflege ist meines Erachtens nicht nötig.
Zwischendurch versuche ich meine Wohnung aufzuräumen. Die gleicht im Moment mehr einer Mischung aus Rumpelkammer und PC-Werkstatt. Durch meine Krankheit und die Krankenhausaufenthalte ist halt viel liegengeblieben. Am schlimmsten haben meine Zimmerpflanzen gelitten. Die meisten Verluste gab es unter den Orchideen. Schade, es hat auch das Exemplar mit den ziegelroten Blüten erwischt. Mein Schwertfarn hat es überstanden, der Geweihfarn leider nicht. Ich habe von den Pflanzen alle vertrockneten und gelben Blätter entfernt. Das Fensterblatt hat nur noch zwei Blätter die Goldfruchtpalme gar nur eins. Beide sehen eher wie zwei Prothesen denn wie imposante Grünpflanzen aus. Eindrucksvoll ist nur noch mein riesenhafter Zierspargel Asparagus falcatus, der meterlange Triebe wachsen lässt. Die Pflege dankt er mir, wie gewöhnlich, indem er mir mit seinen Stacheln die Haut zerschrammt. Während ich in Greifswald an der Leber operiert wurde, sind von meinen fünf Blumenkästen auf dem Fensterbrett zwei abgestürzt, zum Glück ohne jemand den Kopf zu zerdellen. Die kaputten Kästen haben samt Inhalt bei meiner Freundin im Garten ein Asyl gefunden. Im Sommer, wenn am Haus die Balkons angebaut werden, nimmt sie auch die restlichen drei auf.
Nach den Pflanzen werde ich mir als nächstes meinen Kleiderschrank vornehmen. Mir passt ja vieles nicht mehr. Die meisten Sachen schlackern nur noch so um meinen Körper. Ich komme mir darin vor wie eine Vogelscheuche. Es hat wenig Sinn, Sachen aufzuheben in der Hoffnung, dass sie später einmal wieder passen könnten, seien sie nun zu weit oder zu eng. Im Augenblick habe ich wenig Vertrauen darauf wieder in meine Sachen reinwachsen zu können. Morgen früh habe ich Chemotherapie, da wir es mit dem Essen und alles im Magen behalten wieder schwierig.
Dabei ging es mir in der letzten Woche recht gut. Seit ich anerkannt habe, dass mein Hintern der Boss ist, und er über mich bestimmt, habe ich es mit meinem Sitzungsdrang leichter. Ich konnte sogar meine Krankengruft verlassen und zwischen zwei Toilettengängen ein wenig einkaufen. Als Federgewicht kann ich mir gönnen, was für die meisten Frauen aus diätdiktatorischen Erwägungen tabu ist. Nachmittags bestehe ich auf mein Stück Kuchen. Am liebsten esse ich Liebesknochen oder Käsetorte, ich bin aber auch für Streuselschnecken oder Puddingbrezeln zu haben. Die Wurst kaufe ich beim Fleischer nebenan. Ich mag mich nicht von den Familienpackungen im Supermarkt ernähren, eine Woche die gleiche Wurst essen uaaaaaaah. Außerdem hat mein Fleischer eine phantastische Auswahl an Salaten, schon allein deshalb lohnt sich der Gang. Die wichtigste Zutat für mein wochenendliches Bratenexperiment kaufe ich dort auch. Da das Hautaugenmerk bei meiner Ernährung auf Zunehmen mindestens aber Gewichthalten liegt, spielt die PR-Initiative „billig, billig“ und das Diätendogma „fettarm“ bei meinen Einkäufen keine Rolle. Wichtig ist allein, dass es mir schmeckt, und ich wieder etwas auf die Rippen kriege.
Ich versuche zwar soviel zu essen, wie ich kann, aber mein Bauch ist meistens eingefallen. Aufgequollen ist er immer dann, wenn mich mein Hintern zum Sprinten zwingt. Mein Bauch sieht nach wie vor merkwürdig aus. Aber seit meiner ersten OP bin ich ja daran gewöhnt. Ich beäuge noch immer misstrauisch meine letzte Operationsnarbe. An der Stelle, wo ich im Greifswalder Krankenhaus den Bluterguss kühlen musste, und mir zwei Klammern vorzeitig gezogen wurden, schaut es aus, als wolle es aufplatzen. Ich traue mich deshalb immer noch nicht, mich in die Wanne zu legen, obwohl ich so gerne baden würde. Meine Haut ist durch die Chemotherapie noch trockener als gewöhnlich geworden. Meine drei Operationsnarben auf dem Bauch reibe ich deshalb mit ganz normalem Körperöl ein. Mehr Pflege ist meines Erachtens nicht nötig.
Zwischendurch versuche ich meine Wohnung aufzuräumen. Die gleicht im Moment mehr einer Mischung aus Rumpelkammer und PC-Werkstatt. Durch meine Krankheit und die Krankenhausaufenthalte ist halt viel liegengeblieben. Am schlimmsten haben meine Zimmerpflanzen gelitten. Die meisten Verluste gab es unter den Orchideen. Schade, es hat auch das Exemplar mit den ziegelroten Blüten erwischt. Mein Schwertfarn hat es überstanden, der Geweihfarn leider nicht. Ich habe von den Pflanzen alle vertrockneten und gelben Blätter entfernt. Das Fensterblatt hat nur noch zwei Blätter die Goldfruchtpalme gar nur eins. Beide sehen eher wie zwei Prothesen denn wie imposante Grünpflanzen aus. Eindrucksvoll ist nur noch mein riesenhafter Zierspargel Asparagus falcatus, der meterlange Triebe wachsen lässt. Die Pflege dankt er mir, wie gewöhnlich, indem er mir mit seinen Stacheln die Haut zerschrammt. Während ich in Greifswald an der Leber operiert wurde, sind von meinen fünf Blumenkästen auf dem Fensterbrett zwei abgestürzt, zum Glück ohne jemand den Kopf zu zerdellen. Die kaputten Kästen haben samt Inhalt bei meiner Freundin im Garten ein Asyl gefunden. Im Sommer, wenn am Haus die Balkons angebaut werden, nimmt sie auch die restlichen drei auf.
Nach den Pflanzen werde ich mir als nächstes meinen Kleiderschrank vornehmen. Mir passt ja vieles nicht mehr. Die meisten Sachen schlackern nur noch so um meinen Körper. Ich komme mir darin vor wie eine Vogelscheuche. Es hat wenig Sinn, Sachen aufzuheben in der Hoffnung, dass sie später einmal wieder passen könnten, seien sie nun zu weit oder zu eng. Im Augenblick habe ich wenig Vertrauen darauf wieder in meine Sachen reinwachsen zu können. Morgen früh habe ich Chemotherapie, da wir es mit dem Essen und alles im Magen behalten wieder schwierig.
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