Nordlichter
Kopf
Schlafen im Windkanal
Es blieb bei den zwei Terminen in dieser Woche, und so hatte ich ausreichend Zeit mich um meinen Zimmergarten zu kümmern. Einige Orchideen musste ich von Erdkultur auf Seramis bzw. Hydro umsetzen. In einem Blumenladen in der Innenstadt erstand ich dieses tolle Exemplar auf dem Foto, laut der Verkäuferin Oncidium, eine Schmetterlingsorchidee. Ich halte diese Pflanze eher für eine Mehrgattungshybride mit Odontoglossum. Ihren genauen Namen kenne ich leider nicht. Die Einzelblüte, deren Muster einem Leopardenfell gleicht, misst etwa 5 cm. Die gesamte Blütenrispe ist immerhin 95 cm hoch. Bei mir steht sie jetzt auf Hydro. Mehrmals am Tag nebel ich sie mit Wasser ein, genau wie meine anderen Orchideen und Bromelien. Jeden Morgen, wenn ich mein Wohnzimmer betrete, erfreue ich mich neu an dieser Pflanze. Ich habe die Orchidee rechtzeitig vor dem großen Sturm erworben und unbeschadet nach Hause gebracht.

Orchideenblüten

Das Unwetter setzte später als erwartet ein. Richtig ungemütlich wurde es erst, als der Wind am Abend drehte. Der Sturm schien gegen die Rückwand des Hauses wie gegen eine Blockade anzurennen. Mein Schlafzimmer glich, den Geräuschen nach, einem Windkanal. Ich befürchtete, der Orkan könnte das Fenster eindrücken. Dann würde ich am nächsten Morgen mit dem Fensterrahmen als Halskrause erwachen, drapiert von meinen Orchideen. Trotz des Geheuls und meiner Angst schlief ich irgendwann nach Mitternacht ein. Die Orchideen standen am anderen Morgen immer noch auf dem Nachtspeicherofen. Ich hatte keinen aus Holz und Glas bestehenden Kragen um den Hals. Aber den nächsten Orkan verbringe ich doch besser auf der Schlafcouch im Wohnzimmer.

Am Samstag hatte ich wieder eins meiner üblichen Probleme und konnte die Wohnung nicht verlassen. Meine Freundin und ihr Liebster hatten für mich am Vortag den Testsieger im Wettstreit von 27 Toilettenpapieren erworben. Keine Ahnung, was die Damen und Herren Stiftung Warentester da geprüft hatten. Mein Urteil lautet: Für Dauersitzer ungeeignet! Manches Klopapier kommt in der Fernsehwerbung zart daher, erweist sich aber im harten Praxistest als Reibeisen. Die Feinheit des Papieres sollten nur Rückverlegte erproben, die haben die empfindlichsten Hintern. Das Prädikat „Sanft zu Ihrem Po“ erhält dieses Toilettenpapier jedenfalls nicht.

Am Sonntag hatte sich dank Lopedium und Zinksalbe das Feuer an meiner Rückseite gelegt. Vergnügt ging ich daran Äpfel, Bananen, Mango, Papaya und ein winziges Stückchen Ingwer kleinzuhäckseln und meinen größten Kochtopf damit zu füllen. Als Gewürze gab ich Nelken, Zimt, Kurkuma und einen Schuss Rum hinzu und rührte 500 g Gelierzucker unter. Es war mein erster Versuch Marmelade zu kochen. Den besten Aufstrich in unserem Familienclan produziert meine Stiefmutti. Ich darf noch ein wenig üben. Mein exotischer Früchtemix ist soweit gelungen, nur die Äpfel muss ich das nächste Mal noch kleiner schnippeln. Meine erste Eigenproduktion reichte für vier kleine und drei große Marmeladengläser.

Exotische Früchtemixmarmelade

Der Rest eignete sich gut als Füllung für einen Kuchen. Ich hatte noch gefrorenen Blätterteig im Tiefkühlfach. Wenn Beate das nächste Mal kommt, werde ich die nächste Packung auftauen. Beate hat Glück, ihr Mann kann kochen. Den letzten Kuchen hatte er für uns gebacken. Übrigens ich mag Männer, die des Kochens kundig sind. Wer sich experimentierfreudig an Backofen und Herd zeigt, hat meist auch Fantasie. Diese Eigenschaft ist nicht nur in der Küche von Vorteil. Ich jedenfalls machte es mir am Nachmittag richtig gemütlich. Draußen ein grauer verregneter Sonntag, drinnen die Ostfriesenmischung in der Teekanne und zwei Stück selbstgebackene Blätterteigtaschen auf dem Kuchenteller.

Blätterteigtaschen

Der Abwasch an diesem Tage lohnte sich endlich einmal. Während meine Hände dieses absolut stumpfsinnige Abwaschen verrichten, gehen meine Gedanken immer auf Wanderschaft. Agatha Christie hat einmal gesagt, Abwaschen wäre so eine stupide Tätigkeit, da hätte sie immer ihre mörderischsten Einfälle. Ich kann das nur bestätigen. Mit dem scharfen Küchendolch in der Hand kommen einem schon die absonderlichsten Gedanken.

Ich habe alles geschafft, was ich mir fürs Wochenende vorgenommen hatte, obwohl ich Sonntagvormittag fast eine Stunde mit zwei meiner Tanten telefonierte. Die eine fragte gegen zehn zaghaft, ob ich denn schon wach wäre. Was soll die Unterstellung? Ich bin an diesem Sonntag um 7.00 Uhr aufgestanden, am Samstag sogar eine Stunde früher. Wenn ich munter bin, dann quäle ich mich auch aus dem Bett. Die andere Tante wollte wissen, ob ich denn zugenommen hätte. Ich hopste gleich so, wie ich war, samt Telefon auf die Waage. Oh Schiet, 2 kg abgenommen.

Ich wiege wieder unter 60 kg. In Deutschland gibt es Millionen wildentschlossene Frauen, die abnehmen wollen, weil ihre Wahrnehmung gestört ist, und sie sich als zu fett empfinden. Meine Wahrnehmung ist in Ordnung. Ich empfinde mich als entschieden zu mager, so dünne Arme hatte ich vor meiner Krankheit nie. Keiner kann mir erzählen, dass Spinnenärmchen à la Frau Ruge vorteilhaft aussehen. Ich kann mich abmühen, wie ich will, es bleibt einfach nichts hängen. Dabei habe ich in der letzten Woche jeden Tag Kuchen gegessen, an manchen Tagen, ich gesteh es, sogar zwei Stück. Und dann das, einmal an der Strippe gezogen, schon ist alles davongespült. Welch ein Jammer!

Ich kann also weiterhin in meinem Kleiderschrank aussortieren. Bei der letzten Aktion habe ich konsequent alle weißen Blusen und Shirts im Kleidercontainer entsorgt. Obwohl in den Krankenhäusern nicht mehr alles in steriles Weiß getaucht ist, hat sich in meiner Erinnerung meine Krebserkrankung fest mit dieser Farbe verbunden. Auch meine Vorstellung vom Tod ist damit verwoben. Wieviel angenehmer ist da doch ein freundliches Schwarz!

Ich bin nur allergisch gegen die weißen Farbe, nicht gegen Personen. Ansonsten könnte ich mich ja von niemanden mehr behandeln lassen. Mein Onkologe hat mir bei der letzten Sitzung ein Mittel gegen die Nadelstiche in den Fingern verschrieben. Von den vielen Nebenwirkungen, die der Informationszettel verspricht, hätte ich gerne diese zwei: gesteigerten Appetit und Gewichtszunahme. Ich werde am Mittwoch mit der Einnahme dieses Medikaments beginnen. Es ist nicht die einzige Hausaufgabe, die mir für die nächste Zeit bleibt. Der Liebste meiner Freundin hat mir Final Fantasy neben das Notebook gelegt. Er konnte das Spiel nicht zum Laufen bringen, mal sehen, was ich erreiche. Meine Blogsoftware muss ich auf die neuste Version bringen und Linux
will ich ja auch noch installieren. Ich habe hier den Actionfilm „V wie Vendetta“ liegen und noch etliche Bücher auf dem Nachttisch. Ich schulde Euch immer noch die drei Artikel von meiner Kur in Plau.