Nordlichter
Kopf
Sonntag, 4. Februar 2007
Hausaufgaben
Ich bin ziemlich unleidlich. Vor dem Frühstück hatte ich schon drei Sitzungen, und es scheint ein echt beschissener Tag zu werden, so wie die letzten auch. Allein gestern abend musste ich mich dreimal umziehen. Mein Sprintvermögen läßt doch sehr zu wünschen übrig. Ich bin einfach zu langsam. Wo gibt es Toilettenpapier, dass meine Rückseite einmal nicht zum bluten bringt, wo?

Damit ist auch das Geheimnis meines zweiwöchigen Schweigens hier im Blog gelöst. Um einen neuen Artikel schreiben zu können, muss ich wenigstens für eine Weile sitzen können. Eine Arbeitskollegin hatte schon angerufen. "Erscheint morgen ein neuer Eintrag im Blog?" "Nein!" Podcasten könnte ich ja noch im Stehen, aber Texten nicht. Mein Hintern ist so blutig entzündet, dass ich kaum sitzen kann. Jeder neue Gang aufs Örtchen gleicht einem Martyrium. Wenn ich gase, habe ich das Gefühl an meiner Kehrseite sei ein Flammenwerfer eingebaut. Es brennt höllisch! Optisch könnte ich mit jedem Pascha aus einer Pavianherde kongurieren.

Gegen den entzündeten Hintern hatte mir mein Onkologe ein Mittel verschrieben, von dem ich annahm, es wären Zäpfchen, weil mein Doktor so geheimnisvoll tat. Die Apothekerin überreichte mir dann ein Riesenpaket. Die vermeintlichen Zäpfchen entpuppten sich als Miniklistiere. Mein Arzt war bei der nächsten Sitzung neugierig, ich hätte mir die Dinger doch nicht etwa komplett eingeschoben? Witzbold! Die Anwendung ist etwas für Typen auf einem Selbsterfahrungstrip. Ihr müßt bei meiner Schilderung bedenken, die Feinmotorik meiner Finger ist gestört. Da werden selbst einfache Handhabungen zum Wagnis. Hier folgt die Anleitung um sich eigenhändig einen Einlauf zu verpassen: Man begebe sich dazu mit entblöstem Po ins Bett und nehme stabile Seitenlage rechts liegend ein. Sehr von Vorteil ist eine Unterlage unter der Rückseite. Dann greife man das Klistier mit der linke Hand und ramme sich die Spitze in den Hintern. Ich hatte schon leichte Probleme den Eingang zu treffen. Wenn das geschafft ist, drücke man sich ganz langsam mit Gefühl den Inhalt des Klistieres in den Darm und kneife dann den After zusammen, während man dieses Ding wieder entfernt. Diese Stellung ist krampflos für etwa ½ Stunde zu halten. Habe ich schon erwähnt das der Einlauf unangenehm kalt im Gedärm liegt? Anschließend kann man ins Bad schleichen und den Darminhalt ins Klo plumpsen lassen. Besser ist jedoch man schläft mit zusammengepresstem Anus ein und verschiebt den Toilettengang auf den nächsten Morgen. Bei aller Liebe, das ist mir nicht ein einziges Mal gelungen!

Ich verdanke meinem Doktor viele possierliche Erfahrungen, und das Klistier, war ja nicht das letzte Medikament, das er mir verschrieben hat. Erst im Januar erhielt ich als neue Hausaufgabe, die Wirkung eines Medikaments am eigenen Leibe zu testen. Zugelassen ist es als Antiepileptikum und zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen, deshalb bekam ich es. Der Beipackzettel offerierte eine ganze Latte von Nebenwirkungen. Zwei waren mir, klapprig wie ich bin, besonders angenehm, maßloser Appetit und Erhöhung des Körpergewichtes. Essen können, wie eine siebenköpfige Raupe und zunehmen, das wäre es doch. Aber genau diese Folgen stellten sich nicht ein. Statt dessen diagnostizierte ich nach Medikamenteneinnahme, irgendwas stimmt mit meinen Augen nicht. Ich konnte plötzlich in der Ferne glasklar sehen, für den Videotext brauche ich keine Brille mehr. Da sage noch einer Medikamente hätten nur schlechte Nebenwirkungen. Ab sofort werden Möhrchen vom Speiseplan gestrichen!

Sonst kann ich nur eine unangenehme Reaktion auf dieses Medikament verspüren, nach einiger Zeit wird mir schwindlig. Ich beginne durch die Wohnung zu torkeln und habe ein Gefühl, als hätte ich zuviele Gläser Wein intus. Dieser Zustand hält zwei bis drei Stunden an. Ich entgehe ihm am besten in dem ich einfach nach dem Mittag schlafe. Bedüselt ohne ins Glas zu gucken, den Alkohol kann ich mir eigentlich sparen.

"Du trinkst doch nicht etwa?“ Der Liebste meiner Freundin staunte am Freitag vor zwei Wochen. „Allerdings, seit gestern.“ Vor mir stand ein Sherryglas mit Weißwein, den ich zu Ehren des Hähnchens trank, das ich auch in einem Sud aus eben diesem Wein gekocht und gerade gegessen hatte. Den Wein hatte ich im Markt um die Ecke gekauft. Von dieser Sorte war es die einzige Flasche. Den letzten Alkohol habe ich vor genau 19 Monaten getrunken am Geburtstag meines Bruders. Es war ein unerwartet guter Chablis, der mich meine Abstinenz vergessen ließ. Ich habe den Wein gerecht geteilt, zwei Sherrygläser für mich den Rest für den Hahn. Ein Sherryglas mit Weißwein sind drei wönzige Schlöckchen. Das ist dann auch wieder genug für die nächsten 19 Monate. Rückfällig werde ich nur, wenn es im Supermarkt um die Ecke einen ähnlich guten Wein gibt.

Eine Zeit, wie die letzten beiden Wochen, wo ich mehr oder weniger durch meinen Hintern an die Wohnung gekettet bin, erlebe ich als noch belastender und viel einschränkender für mich, als es meine Krankheit so schon ist.

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