Fette Qualle am Telefon
Dienstag, 14. November 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Ich hatte meiner Berliner Freundin per E-Mail berichtet, ich hätte durch die Kur 3 kg zugenommen. Mit 61 kg wäre ich nun eine fette Qualle. Es dauerte nicht lange, bis das Telefon klingelte. "Hallo ist da Marion, die fette Qualle?" "Na klar, fette Qualle am Apparat." Meine Freundin erzählte mir, die Firma in der sie arbeitet, wäre nun endlich umgezogen. Sie hat jetzt eine tolle Aussicht auf den Berliner Dom. Ihr Vater hatte sich schon erkundigt, ob ihr wegen des schönen Ausblicks überhaupt Urlaub zustünde.
Auch die Ansicht meines Balkons hat sich verbessert. Am Wochenende startete die Aktion Möblierung. Ich starre nicht mehr auf einen nackten Betonfußboden sondern auf Auslegeware, die mein Bruder ausgesucht, auf den Balkon gezerrt und zurechtgeschnitten hat. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Donnerstagvormittag hatte ich im Internet eine Vitrine und eine Kommode bestellt. Freitag um 9.00 Uhr lagen zwei Pakete mit den Einzelteilen in meinem Wohnzimmer als Bastelarbeiten für meinen Bruder.
Ich war beim Kauf der Auslegeware dabei. An den Orchideen im Baumarkt kam ich natürlich nicht einfach so vorüber. Ich nahm drei mit als Lückenfüller für die Blumenbank im Schlafzimmer. Nebenan befand sich ein Schuhgeschäft. Ich war auf der Suche nach Winterschuhen, in die ich trotz meiner dicken Hufe hineinkomme. Beim Versuch meine Halbschuhe auszuziehen, verhedderte ich mich mit den Schnürsenkeln. Mit meinen gefühlslosen Fingern konnte ich den Knoten nicht lösen. Mein Bruder musste mich befreien. Schuhe mit Schnürsenkeln kann ich also vorerst vergessen, ich komme damit nicht zurecht. Mein Bruder fand ein Paar mit Klettverschluss. Die sehen zwar aus wie Gummistiefel, aber mit ihnen werde ich wenigstens den Winter überstehen.
An der Nebenwirkungsfront zur Chemotherapie hat sich nach wie vor leider nichts geändert. Ich habe nicht nur das Empfinden in den Fingerspitzen und die Feinmotorik in den Händen verloren, ich habe auch wenig Kraft zum Greifen. Deshalb fällt mir oft alles aus den Händen. Das letzte war ein Glas mit Aprikosenmarmelade. Natürlich war es offen, ist doch klar. Die Ameisen laufen weiterhin über Hände und Füße. Das Gekrabbel nervt natürlich. Es ist wie Tinnitus in Händen und Füßen. Ich kann es nicht immer ignorieren. Die Schmerzen in den Händen haben gemeinerweise zugenommen und mit denen in den Füßen gleichgezogen. Morgens sind die Finger jetzt immer ein wenig steif, und ich muss sie ein paar mal hin- und herbewegen, ehe ich loslegen kann. Aber das ist insgesamt nur eine leichte Pein, keine schwere. Die Füße sehen am Morgen fast normal aus. Am Abend sind sie dann wieder geschwollen.
Wegen meiner dicken Büffelhufe schickte mich mein Hausarzt zum Phlebologen am Hanseufer. Da war ich nun gestern. Die nette Frau, die mich aufnahm, erzählte mir, auch sie hätte Krebs gehabt, Brustkrebs. Sie sagte mir, da meine Chemotherapie ja erst vor zwei Monaten endete, könne ich noch nicht erwarten, dass schon wieder alles im Lot wäre. Geduld, Geduld! Das weiß ich auch, aber ich bin nun mehr als 1 1/2 Jahre krank. Manchmal wünsche ich mir, alles ginge viel schneller. Die Frau erzählte mir, sie wäre nach der Chemo ein Jahr lang invalidisiert gewesen und würde jetzt wieder einige Stunden arbeiten. Meinen Plan konnte sie nicht so ganz verstehen. Auf keinen Fall will ich noch ein weiteres Jahr nur zu Hause sitzen. Sie sagte mir, ich sollte mich mit Dingen beschäftigen, die ich gern täte. Genau das habe ich auch vor. Aber ich will nicht allein in meiner Wohnung vor dem Computer hocken sondern mit Menschen, die mich mögen, und die ich mag. Ich weiß genau, was ich tue, und was gut für mich ist. Wenn ich jetzt nicht in die Gänge komme, dann werde ich es nie schaffen. Wie sagte Margaret Thatcher so schön: There Is No Alternative!
Der Doktor kam und untersuchte per Ultraschall die Venen in meinen Beinen. Beim linken Bein war er sich nicht ganz sicher. Er murmelte etwas von Altersthrombose. Na, das klang ja wieder ungemein charmant! Ich fühlte mich diskriminiert und einmal mehr wie 87. Das Bein wurde bandagiert, ich erhielt einen Termin für die folgende Woche und eine Überweisung zum nächsten Arzt.
Der hatte seine Praxis im Weißen Krankenhaus gleich um die Ecke. Die Schwester beim Phlebologen sagte mir, der Doktor hätte gerade Sprechstunde und würde mich bestimmt noch rannehmen. Bei neuerlichem Thromboseverdacht will man schließlich wissen, woran man ist. Das Sprechzimmer befand sich in der Etage zusammen mit der Dialyseabteilung. Ich war hier noch nie und hätte diese Anzahl von Patienten, Schwestern und Dialysegeräten nicht erwartet. Im Gegensatz zur Onkologie im Kreiskrankenhaus, wo ich es immer als angenehm ruhig empfand, herrschte in dieser Abteilung ordentliches Gewusel. Die Schwester hier erklärte mir, sie müsse erst den Arzt fragen. Der Doktor meinte dann, es könnte eine Weile dauern. Aber es wäre ihm lieber, wenn ich warten würde. Mir war das auch lieber, also blieb ich. Das Sprechzimmer hatte die Größe eines Tanzsaals. Der Arzt deutete ins schummrige Nebenzimmer. Ich legte Schuhe und Jeans ab und wickelte meine Mumienwade aus. Diesmal wurde nur mein linkes Bein ultrabeschallt mit einem etwas größerem Gerät. "Tut das weh?" "Nein, nur wenn Sie darauf herumdrücken." Anhaltspunkte für eine Thrombose konnte der Doktor genauso wenig finden wie der Röntgenarzt im Demminer Kreiskrankenhaus vor meiner Kur.
Es ist für einen Patienten immer wieder beruhigend, wenn sich ein schlimmer Verdacht nicht bestätigt. Ich erhielt je einen Brief für den Hausarzt und den anderen Phlebologen. Die Schwester bedeckte meine Wade wieder mit den Binden, dann war ich entlassen. Weil ich mich gut fühlte und den englandtauglichen Anorak trug, verzichtete ich darauf das Taxi zu rufen. Ich lief trotz leichtem Regen vom Weißen Krankenhaus nach Hause. Die Treppen zu meiner Wohnung hinauf schaffte ich auch ohne Probleme. Na also, das wird doch!
Auch die Ansicht meines Balkons hat sich verbessert. Am Wochenende startete die Aktion Möblierung. Ich starre nicht mehr auf einen nackten Betonfußboden sondern auf Auslegeware, die mein Bruder ausgesucht, auf den Balkon gezerrt und zurechtgeschnitten hat. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Donnerstagvormittag hatte ich im Internet eine Vitrine und eine Kommode bestellt. Freitag um 9.00 Uhr lagen zwei Pakete mit den Einzelteilen in meinem Wohnzimmer als Bastelarbeiten für meinen Bruder.
Ich war beim Kauf der Auslegeware dabei. An den Orchideen im Baumarkt kam ich natürlich nicht einfach so vorüber. Ich nahm drei mit als Lückenfüller für die Blumenbank im Schlafzimmer. Nebenan befand sich ein Schuhgeschäft. Ich war auf der Suche nach Winterschuhen, in die ich trotz meiner dicken Hufe hineinkomme. Beim Versuch meine Halbschuhe auszuziehen, verhedderte ich mich mit den Schnürsenkeln. Mit meinen gefühlslosen Fingern konnte ich den Knoten nicht lösen. Mein Bruder musste mich befreien. Schuhe mit Schnürsenkeln kann ich also vorerst vergessen, ich komme damit nicht zurecht. Mein Bruder fand ein Paar mit Klettverschluss. Die sehen zwar aus wie Gummistiefel, aber mit ihnen werde ich wenigstens den Winter überstehen.
An der Nebenwirkungsfront zur Chemotherapie hat sich nach wie vor leider nichts geändert. Ich habe nicht nur das Empfinden in den Fingerspitzen und die Feinmotorik in den Händen verloren, ich habe auch wenig Kraft zum Greifen. Deshalb fällt mir oft alles aus den Händen. Das letzte war ein Glas mit Aprikosenmarmelade. Natürlich war es offen, ist doch klar. Die Ameisen laufen weiterhin über Hände und Füße. Das Gekrabbel nervt natürlich. Es ist wie Tinnitus in Händen und Füßen. Ich kann es nicht immer ignorieren. Die Schmerzen in den Händen haben gemeinerweise zugenommen und mit denen in den Füßen gleichgezogen. Morgens sind die Finger jetzt immer ein wenig steif, und ich muss sie ein paar mal hin- und herbewegen, ehe ich loslegen kann. Aber das ist insgesamt nur eine leichte Pein, keine schwere. Die Füße sehen am Morgen fast normal aus. Am Abend sind sie dann wieder geschwollen.
Wegen meiner dicken Büffelhufe schickte mich mein Hausarzt zum Phlebologen am Hanseufer. Da war ich nun gestern. Die nette Frau, die mich aufnahm, erzählte mir, auch sie hätte Krebs gehabt, Brustkrebs. Sie sagte mir, da meine Chemotherapie ja erst vor zwei Monaten endete, könne ich noch nicht erwarten, dass schon wieder alles im Lot wäre. Geduld, Geduld! Das weiß ich auch, aber ich bin nun mehr als 1 1/2 Jahre krank. Manchmal wünsche ich mir, alles ginge viel schneller. Die Frau erzählte mir, sie wäre nach der Chemo ein Jahr lang invalidisiert gewesen und würde jetzt wieder einige Stunden arbeiten. Meinen Plan konnte sie nicht so ganz verstehen. Auf keinen Fall will ich noch ein weiteres Jahr nur zu Hause sitzen. Sie sagte mir, ich sollte mich mit Dingen beschäftigen, die ich gern täte. Genau das habe ich auch vor. Aber ich will nicht allein in meiner Wohnung vor dem Computer hocken sondern mit Menschen, die mich mögen, und die ich mag. Ich weiß genau, was ich tue, und was gut für mich ist. Wenn ich jetzt nicht in die Gänge komme, dann werde ich es nie schaffen. Wie sagte Margaret Thatcher so schön: There Is No Alternative!
Der Doktor kam und untersuchte per Ultraschall die Venen in meinen Beinen. Beim linken Bein war er sich nicht ganz sicher. Er murmelte etwas von Altersthrombose. Na, das klang ja wieder ungemein charmant! Ich fühlte mich diskriminiert und einmal mehr wie 87. Das Bein wurde bandagiert, ich erhielt einen Termin für die folgende Woche und eine Überweisung zum nächsten Arzt.
Der hatte seine Praxis im Weißen Krankenhaus gleich um die Ecke. Die Schwester beim Phlebologen sagte mir, der Doktor hätte gerade Sprechstunde und würde mich bestimmt noch rannehmen. Bei neuerlichem Thromboseverdacht will man schließlich wissen, woran man ist. Das Sprechzimmer befand sich in der Etage zusammen mit der Dialyseabteilung. Ich war hier noch nie und hätte diese Anzahl von Patienten, Schwestern und Dialysegeräten nicht erwartet. Im Gegensatz zur Onkologie im Kreiskrankenhaus, wo ich es immer als angenehm ruhig empfand, herrschte in dieser Abteilung ordentliches Gewusel. Die Schwester hier erklärte mir, sie müsse erst den Arzt fragen. Der Doktor meinte dann, es könnte eine Weile dauern. Aber es wäre ihm lieber, wenn ich warten würde. Mir war das auch lieber, also blieb ich. Das Sprechzimmer hatte die Größe eines Tanzsaals. Der Arzt deutete ins schummrige Nebenzimmer. Ich legte Schuhe und Jeans ab und wickelte meine Mumienwade aus. Diesmal wurde nur mein linkes Bein ultrabeschallt mit einem etwas größerem Gerät. "Tut das weh?" "Nein, nur wenn Sie darauf herumdrücken." Anhaltspunkte für eine Thrombose konnte der Doktor genauso wenig finden wie der Röntgenarzt im Demminer Kreiskrankenhaus vor meiner Kur.
Es ist für einen Patienten immer wieder beruhigend, wenn sich ein schlimmer Verdacht nicht bestätigt. Ich erhielt je einen Brief für den Hausarzt und den anderen Phlebologen. Die Schwester bedeckte meine Wade wieder mit den Binden, dann war ich entlassen. Weil ich mich gut fühlte und den englandtauglichen Anorak trug, verzichtete ich darauf das Taxi zu rufen. Ich lief trotz leichtem Regen vom Weißen Krankenhaus nach Hause. Die Treppen zu meiner Wohnung hinauf schaffte ich auch ohne Probleme. Na also, das wird doch!