Nordlichter
Kopf
Der liebevolle Herr Gez und anderer Spam
Letzte Woche bekam ich wieder einmal einen Liebesbrief von einem Herrn Gez aus Köln. Diese Liebesbezeugungen sind recht einseitig. Das würde sich auch nicht ändern, wenn Herr Gez ein hübsches Ganzkörperfoto von sich beilegen würde. Denn er will vor allem eins von mir, Geld und das monatlich. Keine hohen Summen, aber ich denke nicht daran, einen Teil meines Krankengeldes an wildfremde Herren weiterzureichen. Herr Gez fordert mich laufend auf, sich bei ihm zu melden. Und dann? Auf dem Umschlag, den ich ihm zurücksenden soll, steht in der rechten oberen Ecke: Bitte freimachen. Aber Herr Gez, das geht eindeutig zu weit! Diese Aufforderung dürfen höchstens meine Ärzte an mich richten. Seine Briefe unterschreibt Herr Gez immer mit Gebühreneinzugszentrale. Das muss wohl sein Nachname sein. Herr Gez verfolgt mich schon mehrere Jahre. Angeblich müsste ich mindestens 1.000 € Strafe zahlen, wenn ich seinem liebevollen Drängen nicht nachkäme. Ich denke nicht daran! Auch wenn mir Herr Gez mit dem § 263 des StGB-Betrug droht, ich bleibe hart. Ich habe nun überlegt, ob ich nicht meinerseits Herrn Gez wegen Schutzgelderpressung oder Stalking anzeigen soll. Aber Herr Gez schickt mir keine Blumen und ruft auch nie an.

Das tun dafür andere. Das leidige Spamproblem existiert nicht nur bei E-Mails sondern auch am Telefon. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es bekanntlich die höchste Dichte an Callcentern. Mit irgendetwas müssen sich die Damen und Herren dort ja beschäftigen. Callcenter Meck-Pomms vereinigt euch! Aber warum ausgerechnet alle auf meinem Telefonanschluss? Dabei ist die Rechtslage eindeutig. Unerwünschte Telefonwerbung an Privatkunden gilt in Deutschland als unzumutbare Belästigung, und ist laut §7 Abs. 2 und 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verboten. Im Verkäuferjargon heißt Leuten Dinge aufzuschwatzen, die sie nicht benötigen, Bedarf schaffen. Bedarf versuchen die Telefonverkäufer meistens um die Mittagszeit zu erzeugen. Besonders liebe ich solche Anrufe am Samstagabend, dann bin ich richtig grantig.

Das fällt mir um so leichter, als ich kurz nach der Wende am "Strand der wandelnden Pelzmäntel" bei einem Verkäuferlehrgang auch in Telefonmarketing geschult wurde. Am Timmendorfer Strand sah ich im Gegensatz zu dem, was ich in der DDR gewohnt war, Paare, die einen oder zwei Hunde ausführten und nur ein einziges Pärchen, das einen Kinderwagen schob. Inzwischen haben sich die neuen Bundesländer, was die Anzahl der Hunde und Kinder betrifft, den alten angeglichen. Nur in der Menge der Pelzmäntel haben wir noch Nachholebedarf.

Der Trainer im Telefonverkauf war kein Besserwessi. Zusammen mit der einzigen Lehrerin war er sich auch nicht zu schade abends bei uns Schülern zu sitzen. Die beiden diskutierte mit uns, die wir alle aus den neuen Bundesländern stammten, ob sich die Ideale der Pariser Kommune, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, überhaupt verwirklichen ließen. Die anderen drei Lehrer hatten an uns Ostlern und unserer Geschichte nicht das geringste Interesse. Sie waren nur von einem gefesselt, sich selbst und ihrer Wirkung auf andere. Mir kam dann immer der Vergleich mit den Brötchen in den Sinn, das Ostbrötchen klein aber mit viel Teig, das Westbrötchen groß und aufgeblasen. Der Lehrer im Telefonmarketing verbreitete jedenfalls keine heiße Luft.

Während der Übungsstunde musste der Schüler draußen im Foyer des Hotels sitzen einen Spiegel und ein Telefon vor der Nase. Ein Schüler im Schulungsraum simulierte den Kunden, der per Kaltakquise gewonnen werden sollte. Dummerweise war ich dabei nicht allein. Ein Handwerker machte sich an der Wand rechts von mir zu schaffen. Während ich so vor mich hintelefonierte, warf er mir ab und zu einen besorgten Blick zu, als wollte er Hilfe holen. Bei der Vorstellung, dass gleich ein Wagen vorfahren würde mit kräftigen Insassen, die ein hübsches Kleidungsstück für mich hätten, bekam ich einen Lachkrampf. Natürlich habe ich die Übung geschmissen. Als ich den Schulungsraum betrat, wälzten sich meine Mitschüler erheitert über die Tische, und der Lehrer wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Auch wenn ich nun keine Verkäuferin geworden bin, war der kleine Blick hinter die Kulissen des Marketings doch sehr lehrreich.

Was die Telefonwerbung betrifft, fühle ich mich dadurch mehr als belästigt. Ich kann nicht erkennen, wer mich anruft. Haustürgeschäfte scheitern schon unten, wenn ich den Türöffner nicht betätige. Falls es doch jemand bis zu meiner Wohnung schafft, kann ich immer noch durch den Spion spähen. Ich bin nicht verpflichtet, jeden, der klingelt, einzulassen. Jetzt wo ich krank bin, will ich das schon gar nicht. Versicherungsvertreter, die man ja ab und zu mal braucht, suche ich in ihrer Agentur auf, und bestelle sie nicht in meine Wohnung. Mancher ist dann etwas pikiert. Aber es ist mein Zuhause, und ich entscheide, wer eintreten darf und wer nicht. Die leidliche Telefonwerbung abzuwehren, hilft mein Anrufbeantworter. Inzwischen sind meine Leute trainiert genug damit umzugehen und mir Nachrichten zu hinterlassen. Telefonwerber tun das in den seltensten Fällen.

Beim Werbemüll im Briefkasten habe ich ein einfaches Sortierverfahren. Wegen meiner leicht chaotischen Handschrift, stehe ich mit falschgeschriebenem Namen im Telefonbuch. Mein alter Klassenlehrer aus der Penne behauptet immer noch, ich hätte die absolut schlimmste Schrift aller seiner Schüler gehabt. Pure Verleumdung! In diesem Fall aber hilfreich, alle Sendungen mit falschgeschriebenem Namen, die nicht vom Magentariesen kommen, sind Spam und gehen zurück an den Versender. Der Dame von der Telekom habe ich gesagt, ich wünsche keine Korrektur meines Namens im Telefonbuch. Der Filter hätte sich bewährt. Sie fand das cool, und so steht mein Name immer noch falsch im Telefonbuch.

Bleibt der Spam im elektronischen Briefkasten. Trotz Filter kommt noch genug Schrott durch. Von 20 erhaltenen E-Mails ist eine erwünscht. Der Rest sind Angeboten über Beteiligungen an Öl- oder Gasvorkommen, über Aktien mit wahnsinniger Rendite, massenweise Rolexuhren, Versprechen mittels Hormonpräparaten die ewige Jugend zu erlangen, oder multiple Orgasmen, Penisverlängerungen und tonnenweise Viagra. Also alles Sachen derer ein Krebskranker natürlich dringend bedarf. Ach Leute, ich brauche ganz was anderes, verschont mich mit diesem Mist!