Zwei in einem
Freitag, 27. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Der Stationsarzt hatte mir gesagt, dass ich morgens gleich die erste im OP sein würde. Mir war das nur recht. So hatte ich wenigstens keine Zeit, mir im Kopf irgendwelche schauerlichen Horrorszenarien auszumalen. Ich erhielt die Beruhigungspille und wurde dann im Bett via Fahrstuhl in den Operationssaal befördert.
Der Anästhesist war genauso nett wie der in Demmin. Er plauderte mit mir, wobei er mich abwechselnd mit Marion, Mädchen und Frau T. ansprach. Er deutete auf die fantastische Ansicht der vorpommerschen Landschaft vor dem Klinikum. Dieses Bild sollte ich mit in die Narkose nehmen. Ich habe den größten Teil meines Lebens in Vorpommern verbracht und nur einen kleinen in Mecklenburg und Sachsen. Diese Landschaft ist neben den Menschen eine der Gründe, warum ich gern hier lebe. Gewiss, man arbeitet hier länger und für deutlich weniger Geld als z.B. in den alten Bundesländern. Aber man kann nicht alles nur in Geld abwiegen. Die andere Seite der Medaille heißt Lebensqualität. Ich habe eine Arbeit, die mir Spaß macht, und die ich gern tue. Gerade jetzt während meiner schweren Krankheit habe ich viel Hilfe und Unterstützung durch die Menschen in meinem Umfeld erfahren. Sie stehen mir bei, nicht weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen. Der Verlust all dessen ließe sich für mich mit keinem Geld der Welt ausgleichen. Dies ist für mich Heimat, und ohne Not würde ich die nicht verlassen.
Der Anästhesist hatte einige Mühe an meinem mageren Rückgrat die richtige Stelle für den Schmerzkatheter zu finden. Eine der Schwestern fragte mich, ob ich Angst hätte. Nein, eigentlich hatte ich keine. Ich musste bei der Operation zwar körperlich anwesend sein, war aber wenigstens vom Zuschauen befreit. Dann schickten sie mich in die Dunkelheit. Bei der Operation wurde nicht nur die 3-4 cm große Lebermetastase entfernt, sondern weil die Gelegenheit günstig und sie gerade in der Nähe waren, kassierten die Chirurgen auch gleich meine Galle ein. Das erspart mir eine weitere Operation. Dafür bin ich nun nicht mehr steinreich.
Ich kam wieder zu mir durch die Frage, ob ich frei atmen könne. Ich schüttelte benommen den Kopf. Irgendwas schien meine Luftröhre zu verkleben. Ich wurde gefragt, was mich am Atmen hindere. Mühsam brachte ich, "Schleim.", hervor. Der wurde abgesaugt, der Nebel lichtete sich, und ich sah den Anästhesisten, der freundlich auf mich herunterblickte. Aus mir unerfindlichen Gründen begann er mich zu loben. Dabei hatte ich zum Gelingen der Operation mit seiner Hilfe nur dadurch beigetragen, dass ich ruhig dalag.
Normalerweise hätte jetzt jemand aus der Wachstation kommen müssen, um mich abzuholen. Aber dort war kein Bett frei, und so erschien auch niemand. Der Anästhesist wurde zusehens ungeduldiger. Erbost packte er mein Bett und schob mich höchstpersönlich erst in den Fahrstuhl und dann in den Flur zwischen Wach-und Intensivstation. Dort tönte er, sie sollen sich gefälligst einigen, wo sie mich unterbringen. Er habe eine OP vorzubereiten. Sprach's und verschwand. In der Wachstation war noch immer kein Bett frei. So wurde ich erst einmal in der Intensivstation aufgenommen, obwohl ich dafür, wie ein Arzt erklärte, viel zu fidel war. Aber auf dem Flur wollten sie mich auch nicht stehen lassen.
In dem großen Zimmer der Intensivstation war ich allein. Die Schmerzmittel wirkten gut. Am Abend konnte ich das erste Mal sitzen und mich auch schon in der Waschschüssel allein waschen. Nur beim Rücken benötigte ich Hilfe. Zur Abwechslung sah ich ein wenig fern.
Nach Mitternacht schoben die Sanitäter einen Mann von etwa Mitte dreißig ins Zimmer. Er war an einem Tumor am Gehirn operiert worden. Das einzige, was er von sich gab, war, „Och, nö.“ Womit er seinen Unwillen kundtat. Dabei konnte er alles verstehen, was ihm gesagt wurde. Ihm fehlten aber offensichtlich die Worte, um sich ausdrücken zu können. Ich kenne das. Die Nachbarin meiner Tante und meines Onkels hat nach einem Schlaganfall das gleiche Problem. Sie kann die Bilder, die sie im Kopf hat, nicht in Worte fassen. Wir exerzieren bei jedem Zusammensein lustige Ratespiele. Inzwischen haben wir darin Übung. Es passiert äußerst selten, dass einmal keiner auf das kommt, was sie uns mitteilen möchte. Der Mann mir gegenüber hatte sein Bett geflutet. Er erhielt ein neues Nachthemd und das Bett wurde neu bezogen. Ich hörte die Schwester sagen, dass sie ihm einen Blasenkatheter anlegen wollten. Den hatte ich schon längst und neben dem Schmerzkatheter eine handvoll klappernder Rastalocken, den zentralen Venenkatheter, am Hals. Damit war ich wieder genauso verkabelt wie schon bei meiner ersten Operation.
Der Anästhesist war genauso nett wie der in Demmin. Er plauderte mit mir, wobei er mich abwechselnd mit Marion, Mädchen und Frau T. ansprach. Er deutete auf die fantastische Ansicht der vorpommerschen Landschaft vor dem Klinikum. Dieses Bild sollte ich mit in die Narkose nehmen. Ich habe den größten Teil meines Lebens in Vorpommern verbracht und nur einen kleinen in Mecklenburg und Sachsen. Diese Landschaft ist neben den Menschen eine der Gründe, warum ich gern hier lebe. Gewiss, man arbeitet hier länger und für deutlich weniger Geld als z.B. in den alten Bundesländern. Aber man kann nicht alles nur in Geld abwiegen. Die andere Seite der Medaille heißt Lebensqualität. Ich habe eine Arbeit, die mir Spaß macht, und die ich gern tue. Gerade jetzt während meiner schweren Krankheit habe ich viel Hilfe und Unterstützung durch die Menschen in meinem Umfeld erfahren. Sie stehen mir bei, nicht weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen. Der Verlust all dessen ließe sich für mich mit keinem Geld der Welt ausgleichen. Dies ist für mich Heimat, und ohne Not würde ich die nicht verlassen.
Der Anästhesist hatte einige Mühe an meinem mageren Rückgrat die richtige Stelle für den Schmerzkatheter zu finden. Eine der Schwestern fragte mich, ob ich Angst hätte. Nein, eigentlich hatte ich keine. Ich musste bei der Operation zwar körperlich anwesend sein, war aber wenigstens vom Zuschauen befreit. Dann schickten sie mich in die Dunkelheit. Bei der Operation wurde nicht nur die 3-4 cm große Lebermetastase entfernt, sondern weil die Gelegenheit günstig und sie gerade in der Nähe waren, kassierten die Chirurgen auch gleich meine Galle ein. Das erspart mir eine weitere Operation. Dafür bin ich nun nicht mehr steinreich.
Ich kam wieder zu mir durch die Frage, ob ich frei atmen könne. Ich schüttelte benommen den Kopf. Irgendwas schien meine Luftröhre zu verkleben. Ich wurde gefragt, was mich am Atmen hindere. Mühsam brachte ich, "Schleim.", hervor. Der wurde abgesaugt, der Nebel lichtete sich, und ich sah den Anästhesisten, der freundlich auf mich herunterblickte. Aus mir unerfindlichen Gründen begann er mich zu loben. Dabei hatte ich zum Gelingen der Operation mit seiner Hilfe nur dadurch beigetragen, dass ich ruhig dalag.
Normalerweise hätte jetzt jemand aus der Wachstation kommen müssen, um mich abzuholen. Aber dort war kein Bett frei, und so erschien auch niemand. Der Anästhesist wurde zusehens ungeduldiger. Erbost packte er mein Bett und schob mich höchstpersönlich erst in den Fahrstuhl und dann in den Flur zwischen Wach-und Intensivstation. Dort tönte er, sie sollen sich gefälligst einigen, wo sie mich unterbringen. Er habe eine OP vorzubereiten. Sprach's und verschwand. In der Wachstation war noch immer kein Bett frei. So wurde ich erst einmal in der Intensivstation aufgenommen, obwohl ich dafür, wie ein Arzt erklärte, viel zu fidel war. Aber auf dem Flur wollten sie mich auch nicht stehen lassen.
In dem großen Zimmer der Intensivstation war ich allein. Die Schmerzmittel wirkten gut. Am Abend konnte ich das erste Mal sitzen und mich auch schon in der Waschschüssel allein waschen. Nur beim Rücken benötigte ich Hilfe. Zur Abwechslung sah ich ein wenig fern.
Nach Mitternacht schoben die Sanitäter einen Mann von etwa Mitte dreißig ins Zimmer. Er war an einem Tumor am Gehirn operiert worden. Das einzige, was er von sich gab, war, „Och, nö.“ Womit er seinen Unwillen kundtat. Dabei konnte er alles verstehen, was ihm gesagt wurde. Ihm fehlten aber offensichtlich die Worte, um sich ausdrücken zu können. Ich kenne das. Die Nachbarin meiner Tante und meines Onkels hat nach einem Schlaganfall das gleiche Problem. Sie kann die Bilder, die sie im Kopf hat, nicht in Worte fassen. Wir exerzieren bei jedem Zusammensein lustige Ratespiele. Inzwischen haben wir darin Übung. Es passiert äußerst selten, dass einmal keiner auf das kommt, was sie uns mitteilen möchte. Der Mann mir gegenüber hatte sein Bett geflutet. Er erhielt ein neues Nachthemd und das Bett wurde neu bezogen. Ich hörte die Schwester sagen, dass sie ihm einen Blasenkatheter anlegen wollten. Den hatte ich schon längst und neben dem Schmerzkatheter eine handvoll klappernder Rastalocken, den zentralen Venenkatheter, am Hals. Damit war ich wieder genauso verkabelt wie schon bei meiner ersten Operation.