Nordlichter
Kopf
Leben mit der Krankheit
Die Krankheit bestimmt mein Leben. Die geringste Umstellung betrifft mein Essverhalten. Wegen des künstlichen Darmausgangs muss die Hauptmahlzeit mittags sein und nicht abends. Richtig selber kochen kann ich noch nicht. Im Augenblick ernähre ich mich ganz im Gegensatz zu meinen sonstigen Gewohnheiten von Fertigfutter.

Inzwischen trage ich auch den Port für die Chemotherapie über der linken Brust. Er wurde mir in örtlicher Betäubung gesetzt, und der kleine Eingriff erwies sich als Geduldsspiel. Ich war um 7.00 Uhr bestellt, im Operationsraum war ich dann aber erst nach 12.00 Uhr. Während ich genau weiß, wem ich es zu verdanken habe, dass ich meinen Mastdarmkrebs los bin, habe ich keine Ahnung, wer mir den Port eingepflanzt hat. Die beiden Herren waren maskiert.

Zu meiner Erleichterung traf ich im Operationsraum die zierliche Schwester wieder, die mir schon durch die Darmspiegelung geholfen hatte. Sie sagte, sie würde mir auch jetzt beistehen und mich ablenken. Was der Chirurg tat, konnte ich nicht sehen. Es wurde mir aber angesagt. Ich war mit Tüchern abgedeckt und lag wie in einem blauen Zelt. Die Schwester steckte ihren Kopf hinein, um mit mir zu plauschen und meine Hand zu halten.

Ich wurde aufgefordert, bei Schmerzempfindungen Bescheid zu sagen. Einmal schrie ich gequält auf. Der Chirurg war entsetzt. "Was, das tut weh? Das tut mir aber leid. Ich habe doch schon soviel gespritzt." Dann verpasste er mir eine neue Dröhnung. Das letzte, was dann wieder schmerzte, war, als die oberste Hautschicht zusammengenäht wurde. Der Arzt sagte, er müsse mich noch ein klein wenig quälen, dann hätte ich es überstanden. Inzwischen sind die Fäden gezogen. Ich habe aber an einer Seite, wo der Port sitzt, einen schönen blauen Fleck.

Die Chemotherapie startete zusammen mit der Bestrahlung am 8. August. Wobei die Chemotherapie einmal im Monat im Kreiskrankenhaus die Bestrahlung aber 6 Wochen lang jeden Tag außer am Wochenende in Greifswald stattfindet. Chemotherapie bedeutet drei Sitzungen in der Woche, in der sie erfolgt. Zum Beginn muss ich immer ins Labor zum Blutabnehmen. Danach fahre ich mit dem Fahrstuhl ins ambulante Zentrum. Dort hängt die Schwester mich an den Tropf. Der läuft etwa eine Stunde. Dann wird mein Port an die Chemopumpe angeschlossen. Die enthält mein Medikament, und ich trage sie in einem Netzbeutel um den Hals. Die Chemopumpe sieht eigentlich aus wie eine Babyflasche. Im Innern befindet sich etwas, was einem Kondom gleicht. Wenn das auf seinem kleinstmöglichen Umfang geschrumpft ist, werde ich die Sache los. Bei mir war das am Sonntag der Fall. Die netten Schwestern von der Chirurgie haben mich davon befreit. Bis dahin musste ich die Pumpe überallhin mitschleppen auch ins Bett. Da muss man schon aufpassen, dass man sich nicht verheddert.

Der Bereich, wo ich während der Chemotherapie betreut werde, scheint ärztemäßig verwaist zu sein. Ich habe dort noch keinen Arzt erblickt. Die Schwestern managen alles, und ich fühle mich von ihnen gut betreut. Bei meiner letzten Sitzung erklärten mir zwei Patientinnen, die dort schon länger behandelt werden, früher wäre es anders gewesen. Der Chefarzt wäre öfters gekommen und hätte sich nach ihrem Befinden erkundigt. Dieser Chefarzt wechselte aber im Juli in ein anderes Krankenhaus. Heute stand im "Nordkurier", dass die Chirurgie in Demmin ab September einen neuen Chefarzt haben wird. Vielleicht wird es dann wieder anders.

Im Strahlenzentrum in Greifswald habe ich genau wie im Demminer Krankenhaus das gefunden, was man als Patient sucht, wenn man sich in eine medizinische Einrichtung begibt, Hilfe und Verständnis. Der behandelnde Arzt tröstete mich am Ende des Vorgespräches, ich solle mir keine Sorgen machen, das würden wir schon wieder hinkriegen. Zur Bestrahlung muss ich meine eigenes Badetuch mitbringen. Das wird dann über den Behandlungstisch ausgebreitet. Ich liege darauf auf dem Bauch, wobei mein Bauch in der Luft hängt. Weil dort, wo er sich befindet, eine Aussparung ist.

Beim Ausmessen zur Bestrahlung wurden mir Zielkreuze über dem Hintern und an den Hüften aufgemalt. Sie dürfen nicht abgewaschen werden. Ab und zu werden die Kreuze mit einem Filzstift erneuert. Ich habe vorher nicht gewusst, wie krabblig ich am Hintern, speziell an der rechten Pobacke bin. Die Röntgenassistentin sagte mir aber, das wäre noch gar nichts. Männer seien da viel kitzliger, die würden ihr fast vom Behandlungstisch springen.

Die gravierendsten Auswirkungen der Therapie war für mich die Übelkeit und das Erbrechen beginnend am dritten Tag der Behandlung. Ich bekam Tabletten, aber es würgte mich trotzdem. Den nächsten Termin zur Chemo habe ich erst in einem Monat. Heute war nur Bestrahlung dran. Aber nachdem ich von Greifswald zurück war, habe ich es gerade in mein Bad geschafft. Dort musste ich mich dann übergeben. Die Tabletten von der Chemotherapie sind jetzt alle. Ich muss sehen, dass ich in Greifswald etwas gegen die Übelkeit bekomme. Denn wenn mir schlecht ist, kann ich nichts essen. Abgenommen habe ich schon genug durch die Operation, etwa 10 kg. Es muss nicht noch mehr sein.

Egal wie schlecht es mir geht, ich muss durch die Bestrahlung und die Chemotherapie, wenn ich wenigstens eine Chance haben will. Ich habe keine Wahl.

Danke an Petra und Liisa für die Ermutigung.