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Montag, 30. Januar 2006
Psycholabor Wachstation
Montag, 30. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Am nächsten Tag durfte ich schon einen Joghurt schlappern. Mittags sollte ich in die Wachstation verlegt werden. Leider ließ die Wirkung der Schmerzmittel bis dahin kontinuierlich nach. Als ich abgeholt werden sollte, musste ich einsehen, dass ich nicht in der Lage war selbstständig ins andere Bett hinüber zu krabbeln. Ein Problem war das nicht. Ich wurde einfach mithilfe eines glatten Brettes, das als schiefe Ebene fungierte, ins andere Bett befördert. In diesem schoben sie mich in mein neues Zimmer in der Wachstation. Das teile ich mit einer älteren Frau, die mir gegenüberlag und einem fünfundsiebzigjährigen Mann rechts neben mir.
Am Anfang ging es mir nicht so gut, ich hatte ziemliche Schmerzen. Deshalb wurde auch mein Bauch geröntgt. Ich musste dazu eine Flüssigkeit trinken, die ein wenig nach Zitrone schmeckte. Am Abend musste ich das Zeugs erbrechen. Ich hatte gerade noch Zeit meinen Kopf über den Bettrand zu hängen. Die Schwester war trotzdem erfreut, denn ich ersparte ihr durch meine Reaktion, mich und das Bett neu einkleiden zu müssen. Sie braucht lediglich den Fußboden zu wischen.
Für Kurzweil sorgte der alte Herr neben mir. Er wollte unbedingt spazieren gehen und seine Strippen abtütern. Die Schwester konnte erzählen, was sie wollte, er nahm es gar nicht wahr. Nach einer Weile begann er die Schwester zu duzen und erklärte, sie habe keinerlei Recht, ihm Anweisungen zu geben. Es schien, als glaubte er sich von der Schwester verfolgt, die ihm Böses antun wolle. Sie hatte Mühe ihn davon abzubringen, aus dem Bett zu klettern. Seinen Tiraden, in die er sich hineinsteigerte, wurden immer länger und immer lauter. Wenn es einem selbst nicht so toll geht, nervt das Gezänke natürlich. Schließlich hatte ich genug. "Verdammt noch mal, geben Sie endlich Ruhe. Hier sind noch andere Patienten." Der Erfolg war kein nennenswerter, neben Schwestern und Ärzten wurde ich nun auch in den Beschimpfungen mitbedacht. Die Sache erreichte ihren Höhepunkt, als die Schwester einen weiteren Fluchtversuch vereitelte, indem sie den alten Herren mit seinen Händen ans Bett fesselte. Sie sagte mir, der Arzt hatte ihr die Erlaubnis gegeben. Es geschah zum Schutz des alten Mannes vor sich selbst. Wenn sich ein Patient die Katheter herausruppt, ist das nicht gerade lustig. Unter wüsten Verwünschungen versuchte er mit den Beinen aus dem Bett zu kommen, bis die Schwester auch die fixierte.
Den dazukommenden Doktor fragte der alte Mann, ob er sich nicht schämen würde, sich anzusehen, was die Schwester mit ihm gemacht hätte. Der Arzt verneinte lächelnd. Er hatte den alten Herren gefragt, was für ein Tag heute wäre, und die korrekte Antwort erhalten. Ich hätte da so meine Schwierigkeiten gehabt. Aber dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stunde. Allerdings wusste ich genau, dass ich mich in Greifswald im Krankenhaus befand. Der alte Mann dagegen wähnte sich in seinem Dorf. Der Arzt erzählte mir, dass bei manchen Patienten die Narkose auf diese Weise nachwirkte. Ich sollte mir nichts daraus machen. In Demmin in der Intensivstation hatte ein älterer Patient die Nachtschwester und den Zivi in Stress versetzt, indem er die ganze Nacht lautstark nach seiner Tochter rief. Er wusste auch nicht, wo er sich befand. Auf meinen Nachtschlaf hatte das keine negativen Folgen, da ich in einem separaten Zimmer lag. Der Zivi schloss einfach die Tür.
Meine Befürchtungen, wegen des randalierenden Zimmergenossens nicht schlafen zu können, erwiesen sich als unbegründet. Sobald das Lich gelöscht war, dämpfte er die Lautstärke seiner Proteste. Gegen das Gemurmel hatte ich nichts einzuwenden. Ich konnte dabei herrlich schlafen. Am nächsten Tag, nachdem ihm die Fesseln abgenommen wurden, verwandelte sich der alte Herr wieder in den netten Patienten, der er doch eigentlich war.
Der Doktor trat an mein Bett, einen mir bekannten Studenten im Schlepptau. Er erklärte mir, wenn er einmal alt wäre, sollte der Student ihn behandeln. Dazu müsse der allerdings noch viel lernen. Meine Krankengeschichte z.B. sei doch sehr interessant. Das mag aus ärztlicher Sicht ja so erscheinen. Aus meiner Sicht ist sie nur belastend. Ich erinnerte den Studenten daran, dass er mir an meinem ersten Tag auf der Station Blut abgenommen hatte. Der Doktor war hocherfreut. „Dann kennt ihr euch ja.“, stellte er fest und ließ uns allein. Der Student interviewte mich zu meiner Krankheit und notierte sorgfältig meine Aussagen. Wenn man in der Wachstation liegt, ist man für jede Ablenkung dankbar, und sei sie noch so skurril!
Ab und zu erschien eine junge Physiotherapeutin, und ich musste dann mit den Armen und Beinen wedeln. Ihre Chefin unternahm mit mir Spaziergänge auf dem Gang. Damit ich nicht umfiel, erhielt ich eine rollende Armstütze von der Schwester. Da der Gang lang und ich entsprechend langsam war, dauerte das seine Zeit. Die Physiotherapeutin erzählte mir mit Tränen in den Augen, dass sie ihren Schwager vor kurzem durch Krebs verloren hätte. Sein Krebs an der Wirbelsäule sei zu spät diagnostiziert worden, und dann war keine Hilfe mehr möglich. Überall Einschläge, rechts und links neben einem.
Ins Zimmer wurde ein weiterer frischoperierter älterer Herr geschoben dem anderen gegenüber. So konnte der zweite Akt des Dramas aufgeführt werden, diesmal mit zwei Hauptdarstellern. Auch dieser Mann hatte nichts eiligeres zu versuchen als sich die Katheter zu entfernen mit dem bekannten Ergebnis. Die Schwester fesselte ihm die Hände. Das nahm nun der andere alte Herr als Stichwort für seinen Auftritt. Mit einem Mal war er aus seinem Bett gesprungen, barfuß, im rückenfreien Nachthemd und nur zurückgehalten durch die Kabelei, an der er hing. Ich vermute, in der Wachstation gibt es irgendein geheimes Alarmsystem, denn plötzlich war der Raum voller Ärzte. Sie fingen den alten Mann auf. Einem älteren Doktor gelang es, den Patienten wieder ins Bett zu bugsieren, indem er nur beruhigend auf ihn einsprach. Die beiden männlichen Patienten, wussten zwar, welchen Tag wir hatten, aber die Orientierungsschwierigkeiten blieben. Der eine glaubte sich in einem Hotel, der andere bei einer Jagdgesellschaft. Dass sie sich im Krankenhaus in Greifswald befanden, hielt keiner der beiden für möglich. Die Physiotherapeutin stand zufällig neben meinem Bett. Sie sagte mir, falls diesen beiden Patienten ihre Eskapaden 14 Tage später per Video vorgeführt würde, dann würden sie sich garantiert mit sehr viel Kuchengeld bedanken. Aber ein Kameramann war nirgends zu sehen. Beide Hauptdarsteller waren jetzt an den Händen gefesselt, der zweite Akt war damit zu Ende. Der Theatervorhang konnte fallen, und die Schwester wieder ihre gewohnte Arbeit aufnehmen.
Die Ausstattung in der Wachstation weist gegenüber dem Kreiskrankenhaus in Demmin eine Besonderheit auf. Am Patientenbett befindet sich neben dem bekannten Überwachungsmonitor auch ein Touchscreen. Die Schwester oder der Arzt hat von jedem dieser Bildschirme aus Zugriff auf die Patientenakten. Dort wird nicht nur der Krankheitsverlauf und die Medikation festgehalten. Der Patient wird auch charakterisiert. Über die Schulter der Schwester hinweg las ich dort solche Einschätzungen über mich wie freundlich und kooperativ. Och, meine Arbeitskollegen können da noch ganz andere Sachen berichten. Auf meiner Kaffeetasse steht nicht umsonst Marion, die Widerspenstige.
Am Anfang ging es mir nicht so gut, ich hatte ziemliche Schmerzen. Deshalb wurde auch mein Bauch geröntgt. Ich musste dazu eine Flüssigkeit trinken, die ein wenig nach Zitrone schmeckte. Am Abend musste ich das Zeugs erbrechen. Ich hatte gerade noch Zeit meinen Kopf über den Bettrand zu hängen. Die Schwester war trotzdem erfreut, denn ich ersparte ihr durch meine Reaktion, mich und das Bett neu einkleiden zu müssen. Sie braucht lediglich den Fußboden zu wischen.
Für Kurzweil sorgte der alte Herr neben mir. Er wollte unbedingt spazieren gehen und seine Strippen abtütern. Die Schwester konnte erzählen, was sie wollte, er nahm es gar nicht wahr. Nach einer Weile begann er die Schwester zu duzen und erklärte, sie habe keinerlei Recht, ihm Anweisungen zu geben. Es schien, als glaubte er sich von der Schwester verfolgt, die ihm Böses antun wolle. Sie hatte Mühe ihn davon abzubringen, aus dem Bett zu klettern. Seinen Tiraden, in die er sich hineinsteigerte, wurden immer länger und immer lauter. Wenn es einem selbst nicht so toll geht, nervt das Gezänke natürlich. Schließlich hatte ich genug. "Verdammt noch mal, geben Sie endlich Ruhe. Hier sind noch andere Patienten." Der Erfolg war kein nennenswerter, neben Schwestern und Ärzten wurde ich nun auch in den Beschimpfungen mitbedacht. Die Sache erreichte ihren Höhepunkt, als die Schwester einen weiteren Fluchtversuch vereitelte, indem sie den alten Herren mit seinen Händen ans Bett fesselte. Sie sagte mir, der Arzt hatte ihr die Erlaubnis gegeben. Es geschah zum Schutz des alten Mannes vor sich selbst. Wenn sich ein Patient die Katheter herausruppt, ist das nicht gerade lustig. Unter wüsten Verwünschungen versuchte er mit den Beinen aus dem Bett zu kommen, bis die Schwester auch die fixierte.
Den dazukommenden Doktor fragte der alte Mann, ob er sich nicht schämen würde, sich anzusehen, was die Schwester mit ihm gemacht hätte. Der Arzt verneinte lächelnd. Er hatte den alten Herren gefragt, was für ein Tag heute wäre, und die korrekte Antwort erhalten. Ich hätte da so meine Schwierigkeiten gehabt. Aber dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stunde. Allerdings wusste ich genau, dass ich mich in Greifswald im Krankenhaus befand. Der alte Mann dagegen wähnte sich in seinem Dorf. Der Arzt erzählte mir, dass bei manchen Patienten die Narkose auf diese Weise nachwirkte. Ich sollte mir nichts daraus machen. In Demmin in der Intensivstation hatte ein älterer Patient die Nachtschwester und den Zivi in Stress versetzt, indem er die ganze Nacht lautstark nach seiner Tochter rief. Er wusste auch nicht, wo er sich befand. Auf meinen Nachtschlaf hatte das keine negativen Folgen, da ich in einem separaten Zimmer lag. Der Zivi schloss einfach die Tür.
Meine Befürchtungen, wegen des randalierenden Zimmergenossens nicht schlafen zu können, erwiesen sich als unbegründet. Sobald das Lich gelöscht war, dämpfte er die Lautstärke seiner Proteste. Gegen das Gemurmel hatte ich nichts einzuwenden. Ich konnte dabei herrlich schlafen. Am nächsten Tag, nachdem ihm die Fesseln abgenommen wurden, verwandelte sich der alte Herr wieder in den netten Patienten, der er doch eigentlich war.
Der Doktor trat an mein Bett, einen mir bekannten Studenten im Schlepptau. Er erklärte mir, wenn er einmal alt wäre, sollte der Student ihn behandeln. Dazu müsse der allerdings noch viel lernen. Meine Krankengeschichte z.B. sei doch sehr interessant. Das mag aus ärztlicher Sicht ja so erscheinen. Aus meiner Sicht ist sie nur belastend. Ich erinnerte den Studenten daran, dass er mir an meinem ersten Tag auf der Station Blut abgenommen hatte. Der Doktor war hocherfreut. „Dann kennt ihr euch ja.“, stellte er fest und ließ uns allein. Der Student interviewte mich zu meiner Krankheit und notierte sorgfältig meine Aussagen. Wenn man in der Wachstation liegt, ist man für jede Ablenkung dankbar, und sei sie noch so skurril!
Ab und zu erschien eine junge Physiotherapeutin, und ich musste dann mit den Armen und Beinen wedeln. Ihre Chefin unternahm mit mir Spaziergänge auf dem Gang. Damit ich nicht umfiel, erhielt ich eine rollende Armstütze von der Schwester. Da der Gang lang und ich entsprechend langsam war, dauerte das seine Zeit. Die Physiotherapeutin erzählte mir mit Tränen in den Augen, dass sie ihren Schwager vor kurzem durch Krebs verloren hätte. Sein Krebs an der Wirbelsäule sei zu spät diagnostiziert worden, und dann war keine Hilfe mehr möglich. Überall Einschläge, rechts und links neben einem.
Ins Zimmer wurde ein weiterer frischoperierter älterer Herr geschoben dem anderen gegenüber. So konnte der zweite Akt des Dramas aufgeführt werden, diesmal mit zwei Hauptdarstellern. Auch dieser Mann hatte nichts eiligeres zu versuchen als sich die Katheter zu entfernen mit dem bekannten Ergebnis. Die Schwester fesselte ihm die Hände. Das nahm nun der andere alte Herr als Stichwort für seinen Auftritt. Mit einem Mal war er aus seinem Bett gesprungen, barfuß, im rückenfreien Nachthemd und nur zurückgehalten durch die Kabelei, an der er hing. Ich vermute, in der Wachstation gibt es irgendein geheimes Alarmsystem, denn plötzlich war der Raum voller Ärzte. Sie fingen den alten Mann auf. Einem älteren Doktor gelang es, den Patienten wieder ins Bett zu bugsieren, indem er nur beruhigend auf ihn einsprach. Die beiden männlichen Patienten, wussten zwar, welchen Tag wir hatten, aber die Orientierungsschwierigkeiten blieben. Der eine glaubte sich in einem Hotel, der andere bei einer Jagdgesellschaft. Dass sie sich im Krankenhaus in Greifswald befanden, hielt keiner der beiden für möglich. Die Physiotherapeutin stand zufällig neben meinem Bett. Sie sagte mir, falls diesen beiden Patienten ihre Eskapaden 14 Tage später per Video vorgeführt würde, dann würden sie sich garantiert mit sehr viel Kuchengeld bedanken. Aber ein Kameramann war nirgends zu sehen. Beide Hauptdarsteller waren jetzt an den Händen gefesselt, der zweite Akt war damit zu Ende. Der Theatervorhang konnte fallen, und die Schwester wieder ihre gewohnte Arbeit aufnehmen.
Die Ausstattung in der Wachstation weist gegenüber dem Kreiskrankenhaus in Demmin eine Besonderheit auf. Am Patientenbett befindet sich neben dem bekannten Überwachungsmonitor auch ein Touchscreen. Die Schwester oder der Arzt hat von jedem dieser Bildschirme aus Zugriff auf die Patientenakten. Dort wird nicht nur der Krankheitsverlauf und die Medikation festgehalten. Der Patient wird auch charakterisiert. Über die Schulter der Schwester hinweg las ich dort solche Einschätzungen über mich wie freundlich und kooperativ. Och, meine Arbeitskollegen können da noch ganz andere Sachen berichten. Auf meiner Kaffeetasse steht nicht umsonst Marion, die Widerspenstige.
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