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Donnerstag, 26. Januar 2006
Vor der OP
Donnerstag, 26. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Am nächsten Tag war Chefarztvisite und ich hatte Gelegenheit, den Professor in natura zu sehen. Er sah genauso aus wie auf dem Foto im Internet, und war der einzige Weißhaarige unter den Weißbekittelten. Er sagte, mein Auftritt in seiner Vorlesung würde höchstens 2-3 Minuten dauern.
Zum Frühstück gab es leckere rosafarbene Mehlspeise, igitt. Ich hätte doch lieber darauf verzichten sollen. Denn durch den rosa Brei schien meine Zunge mit dem Gaumen zu verkleben. Eine Studentin holte mich ab, und ich trabte neben ihr her die Gänge entlang zum Hörsaal. Der glich einem halben Bombentrichter. Wenn man sitzt und geradeaus schaut, kann man gerade die ersten drei Reihen erblicken. Um alle Studenten sehen zu können, hätte ich mich auf den Rücken legen müssen. Dazu bestand allerdings keine Veranlassung. Der Professor bat mich, mit meinem Stuhl in die Mitte zu rücken, damit mich alle sehen konnten. Ich erzählte, wie sich meine Krankheit bemerkbar gemacht hatte und von den Schwierigkeiten mit der Doppelbelastung von Bestrahlung und Chemotherapie fertig zu werden. Nachdem sich meine Zunge endlich vom Gaumen gelöst hatte, ging das auch ganz gut. Interessant für mich war der kurze Flug durch meine Leber inklusiv Metastase, den ich während der Vorlesung sah. Der Professor sagte dann, operiert werden würde ich entweder am Ende dieser Woche oder am Anfang der nächsten. Dann war ich entlassen.
Meinen nächsten Termin hatte ich im Röntgenraum. Mein Darm sollte geröntgt werden. Mein Hintern musste durch die Krankheit geschrumpft sein. Der Röntgenarzt befand ihn zu eng, um seine Apparatur für den Kontrastmitteleinlauf darin unterzubringen. Er entschloss sich, das Kontrastmittel über das Stoma einzuträufeln. So riss ich mir dann den Beutel vom Leib. Aber da zeigte sich, dass auch mein Darm etwas eng gebaut ist. Der Röntgenarzt sagte, er wolle mir nicht in den Darm picken. Für diese Prozedur hätte er doch lieber einen der Chirurgen an seiner Seite. Zu meinem Glück waren die Herren mit verschiedenen Operationen beschäftigt und unabkömmlich.
Während wir warteten, fragte eine der Assistentinnen den Röntgenarzt, woher er stammen würde. Er nannte eine Stadt in den alten Bundesländern. Er habe in Greifswald studiert, seinen Doktor gemacht und sei geblieben. Hier ließe es sich ganz gut aushalten. Sein Bekenntnis steht im krassen Gegensatz zu den Informationen der Mainstreammedien. Dort ist Leben in den neuen Bundesländern, speziell in Meck-Pomm, immer gleichbedeutend mit einem Leben außerhalb zivilisatorischer Errungenschaften. Schlimmer ist es nur noch in Rumänien oder Moldawien.
Nachdem keiner der Chirurgen aufgetaucht war, schickte der Arzt eine der Frauen los, um einen neuen Beutel für mich zu besorgen. Sie kam dann mit einem Beutel, der zwar vom selben Hersteller war aber auch völlig inkompatibel zu meinem System. Also musste sie nochmal los, um meine Notfallausrüstung zu holen. Den neuen Beutel klebte ich mir selbst auf die Platte. Dann konnte ich zurück in mein Zimmer. Die Untersuchung sollte fortgesetzt werden, wenn ein Chirurg Zeit hatte daran teilzunehmen. Aber sie hatten Großkampftag, sogar die Nachmittagsvisite fand erst um 17.30 Uhr statt. Ich kam also um das Röntgen drumrum.
Am nächsten Tag ordnete der Stationsarzt bei der Morgenvisite stattdessen eine Darmspiegelung an. Den Zusatz "Ich weiß ja, wie Sie darauf stehen." konnte er sich dabei nicht verkneifen. Na unbedingt! Bekanntlich stehen Darmspiegelungen auf meiner Folterhitliste an erster Stelle. Außerdem sollte eine Computertomografie der Lunge klären, ob sich dort Metastasen eingenistet hätten. Wenn ein Darmkrebs streut, siedeln sich Metastasen zuerst in der Leber an und befallen dann die Lunge. Als Termin für meine OP wurde der Freitag festgesetzt.
Ich bekam nichts zu essen sondern dafür ein großes Glas einer muffig schmeckenden Zuckerlösung zu trinken zur Darmreinigung wegen der Spiegelung. In Demmin musste ich dazu 3 Liter einer ekelhaften Lösung in mich hineinplumpen. Beim ersten Schluck begann es mich zu würgen, nach 1,5 Liter fing ich an zu brechen. Auf meiner Hitliste ergibt das den zweiten Platz noch vor der Magensonde.
Bei einer der Visiten vor der Operation fragte mich der Stationsarzt nach meinem Appetit, besorgt darum ich könnte ihm noch weiter abklappern. Der sei durchaus vorhanden, war meine Antwort, ich würde hier aber nichts zu essen bekommen. Der Stationsarzt sah die Schwester erstaunt an. Sie erinnerte ihn daraufhin, dass er ja selbst bei mir eine Darmspiegelung angeordnet hatte. "Aber sie hat doch ein Ileostoma.", war sein Einwand. Ab dem Zeitpunkt bekam ich wieder was zu essen. Sie hatten mich ganz umsonst hungern lassen, wie gemein!
Für die Computertomografie der Lunge wurde ich erneut ins neue Klinikum gefahren. Das war wieder mit viel Wartezeit verbunden. Am längsten warten musste ich jedoch beim Vorgespräch zur Operation beim Anästhesisten. Der Warteraum war gerammelt voll, und ich war fast die letzte Patientin. Auch die Darmspiegelung fand erst einen Tag später statt als vorgesehen. Die Ärztin hatte einfach zuviel zu tun. Dem Arzt, der sich dafür bei mir entschuldigte, sagte ich, dass es für mich keine Rolle spiele, ob nun einen Tag früher oder später.
Ich wurde zur Spiegelung in meinem Bett gefahren und durfte auch während der Untersuchung in diesem verbleiben. Der Ärztin hatte ich erzählt, dass Darmspiegelung für mich Folter bedeute, und ich schon deshalb automatisch den Hintern zusammenkneife, wenn ich nur das Wort höre. Sie verpasste mir daraufhin eine höhere Dosis Traumsand und damit die erste schmerzfreie Darmspiegelung meines Lebens. Ich kam erst wieder zu mir, als sie das Endoskop entfernte. Vorher träumte ich von einem orientalischen Basar. Ein Stand erregte meine Aufmerksamkeit. Statt Tücher hing dort mein Darm, fein säuberlich in Stücke geschnitten, das Innerste nach außen gekehrt und rot von der Entzündung. Die Darmstücke bewegten sich sacht im Wind wie Seidentücher. Merkwürdiger Traum.
Der Stationsarzt hatte am Tag vor der Operation eine gute und eine schlechte Nachricht für mich. Die gute, in meiner Lunge ließen sich keine Metastasen entdecken. Ich war erleichtert, denn Metastasen in der Lunge hätte ich nicht so leicht genommen wie die in der Leber. Die schlechte Nachricht war, dass mein Darmausgang nicht zurückverlegt werden konnte, weil das Organ einfach zu entzündet war. Ich war deshalb nicht geknickt, denn diese Option hatte ich noch gar nicht ins Auge gefasst. Nach Greifswald war ich ja gekommen, um meine Lebermetastase loszuwerden.
Die Nacht vor der Operation schlief ich trotz des Geschnarches meiner Mitpatientinnen ruhig und gut. Ich brauchte weder ein Beruhigungsmittel noch Schlaftabletten.
Zum Frühstück gab es leckere rosafarbene Mehlspeise, igitt. Ich hätte doch lieber darauf verzichten sollen. Denn durch den rosa Brei schien meine Zunge mit dem Gaumen zu verkleben. Eine Studentin holte mich ab, und ich trabte neben ihr her die Gänge entlang zum Hörsaal. Der glich einem halben Bombentrichter. Wenn man sitzt und geradeaus schaut, kann man gerade die ersten drei Reihen erblicken. Um alle Studenten sehen zu können, hätte ich mich auf den Rücken legen müssen. Dazu bestand allerdings keine Veranlassung. Der Professor bat mich, mit meinem Stuhl in die Mitte zu rücken, damit mich alle sehen konnten. Ich erzählte, wie sich meine Krankheit bemerkbar gemacht hatte und von den Schwierigkeiten mit der Doppelbelastung von Bestrahlung und Chemotherapie fertig zu werden. Nachdem sich meine Zunge endlich vom Gaumen gelöst hatte, ging das auch ganz gut. Interessant für mich war der kurze Flug durch meine Leber inklusiv Metastase, den ich während der Vorlesung sah. Der Professor sagte dann, operiert werden würde ich entweder am Ende dieser Woche oder am Anfang der nächsten. Dann war ich entlassen.
Meinen nächsten Termin hatte ich im Röntgenraum. Mein Darm sollte geröntgt werden. Mein Hintern musste durch die Krankheit geschrumpft sein. Der Röntgenarzt befand ihn zu eng, um seine Apparatur für den Kontrastmitteleinlauf darin unterzubringen. Er entschloss sich, das Kontrastmittel über das Stoma einzuträufeln. So riss ich mir dann den Beutel vom Leib. Aber da zeigte sich, dass auch mein Darm etwas eng gebaut ist. Der Röntgenarzt sagte, er wolle mir nicht in den Darm picken. Für diese Prozedur hätte er doch lieber einen der Chirurgen an seiner Seite. Zu meinem Glück waren die Herren mit verschiedenen Operationen beschäftigt und unabkömmlich.
Während wir warteten, fragte eine der Assistentinnen den Röntgenarzt, woher er stammen würde. Er nannte eine Stadt in den alten Bundesländern. Er habe in Greifswald studiert, seinen Doktor gemacht und sei geblieben. Hier ließe es sich ganz gut aushalten. Sein Bekenntnis steht im krassen Gegensatz zu den Informationen der Mainstreammedien. Dort ist Leben in den neuen Bundesländern, speziell in Meck-Pomm, immer gleichbedeutend mit einem Leben außerhalb zivilisatorischer Errungenschaften. Schlimmer ist es nur noch in Rumänien oder Moldawien.
Nachdem keiner der Chirurgen aufgetaucht war, schickte der Arzt eine der Frauen los, um einen neuen Beutel für mich zu besorgen. Sie kam dann mit einem Beutel, der zwar vom selben Hersteller war aber auch völlig inkompatibel zu meinem System. Also musste sie nochmal los, um meine Notfallausrüstung zu holen. Den neuen Beutel klebte ich mir selbst auf die Platte. Dann konnte ich zurück in mein Zimmer. Die Untersuchung sollte fortgesetzt werden, wenn ein Chirurg Zeit hatte daran teilzunehmen. Aber sie hatten Großkampftag, sogar die Nachmittagsvisite fand erst um 17.30 Uhr statt. Ich kam also um das Röntgen drumrum.
Am nächsten Tag ordnete der Stationsarzt bei der Morgenvisite stattdessen eine Darmspiegelung an. Den Zusatz "Ich weiß ja, wie Sie darauf stehen." konnte er sich dabei nicht verkneifen. Na unbedingt! Bekanntlich stehen Darmspiegelungen auf meiner Folterhitliste an erster Stelle. Außerdem sollte eine Computertomografie der Lunge klären, ob sich dort Metastasen eingenistet hätten. Wenn ein Darmkrebs streut, siedeln sich Metastasen zuerst in der Leber an und befallen dann die Lunge. Als Termin für meine OP wurde der Freitag festgesetzt.
Ich bekam nichts zu essen sondern dafür ein großes Glas einer muffig schmeckenden Zuckerlösung zu trinken zur Darmreinigung wegen der Spiegelung. In Demmin musste ich dazu 3 Liter einer ekelhaften Lösung in mich hineinplumpen. Beim ersten Schluck begann es mich zu würgen, nach 1,5 Liter fing ich an zu brechen. Auf meiner Hitliste ergibt das den zweiten Platz noch vor der Magensonde.
Bei einer der Visiten vor der Operation fragte mich der Stationsarzt nach meinem Appetit, besorgt darum ich könnte ihm noch weiter abklappern. Der sei durchaus vorhanden, war meine Antwort, ich würde hier aber nichts zu essen bekommen. Der Stationsarzt sah die Schwester erstaunt an. Sie erinnerte ihn daraufhin, dass er ja selbst bei mir eine Darmspiegelung angeordnet hatte. "Aber sie hat doch ein Ileostoma.", war sein Einwand. Ab dem Zeitpunkt bekam ich wieder was zu essen. Sie hatten mich ganz umsonst hungern lassen, wie gemein!
Für die Computertomografie der Lunge wurde ich erneut ins neue Klinikum gefahren. Das war wieder mit viel Wartezeit verbunden. Am längsten warten musste ich jedoch beim Vorgespräch zur Operation beim Anästhesisten. Der Warteraum war gerammelt voll, und ich war fast die letzte Patientin. Auch die Darmspiegelung fand erst einen Tag später statt als vorgesehen. Die Ärztin hatte einfach zuviel zu tun. Dem Arzt, der sich dafür bei mir entschuldigte, sagte ich, dass es für mich keine Rolle spiele, ob nun einen Tag früher oder später.
Ich wurde zur Spiegelung in meinem Bett gefahren und durfte auch während der Untersuchung in diesem verbleiben. Der Ärztin hatte ich erzählt, dass Darmspiegelung für mich Folter bedeute, und ich schon deshalb automatisch den Hintern zusammenkneife, wenn ich nur das Wort höre. Sie verpasste mir daraufhin eine höhere Dosis Traumsand und damit die erste schmerzfreie Darmspiegelung meines Lebens. Ich kam erst wieder zu mir, als sie das Endoskop entfernte. Vorher träumte ich von einem orientalischen Basar. Ein Stand erregte meine Aufmerksamkeit. Statt Tücher hing dort mein Darm, fein säuberlich in Stücke geschnitten, das Innerste nach außen gekehrt und rot von der Entzündung. Die Darmstücke bewegten sich sacht im Wind wie Seidentücher. Merkwürdiger Traum.
Der Stationsarzt hatte am Tag vor der Operation eine gute und eine schlechte Nachricht für mich. Die gute, in meiner Lunge ließen sich keine Metastasen entdecken. Ich war erleichtert, denn Metastasen in der Lunge hätte ich nicht so leicht genommen wie die in der Leber. Die schlechte Nachricht war, dass mein Darmausgang nicht zurückverlegt werden konnte, weil das Organ einfach zu entzündet war. Ich war deshalb nicht geknickt, denn diese Option hatte ich noch gar nicht ins Auge gefasst. Nach Greifswald war ich ja gekommen, um meine Lebermetastase loszuwerden.
Die Nacht vor der Operation schlief ich trotz des Geschnarches meiner Mitpatientinnen ruhig und gut. Ich brauchte weder ein Beruhigungsmittel noch Schlaftabletten.
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