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Samstag, 14. Januar 2006
Freitag der 13.
Samstag, 14. Januar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Vorgestern habe ich beim Schockwellenreiter den Artikel Große Versprechungen - herbe Enttäuschungen kommentiert. Es ging darin um die Wirkungslosigkeit homäopathischer Mittel, getestet von der Stiftung Warentest. Ich habe meine Ansicht als eine an Krebs Erkrankte zur Alternativmedizin dargelegt. Ich hatte nicht erwartet im Schockwellenreiter einen Leidensgefährten zu finden. Wer hätte das gedacht? Danke übrigens für die nette Antwort auf meinen Kommentar.
Jörg hatte in seiner Antwort geschrieben das Wichtigste wäre sich zu informieren, und er hätte dutzende medizinische Lehrbücher gelesen. Gerade das habe ich nicht getan. Ich habe genau ein Buch über Krebs gelesen, und geschaut was Encarta und Wikipedia über Darmkrebs zu sagen haben, mehr nicht. Die Krankheit bestimmt mein Leben, aber ich will nicht, dass mein ganzes Denken und Tun nur noch darum kreist. Ich will mich nicht verrückt machen. Was nützt es mir, wenn ich ein Dutzend Publikationen lese, die das Für und Wider der Chemotherapie erörtern? Dadurch werde ich nur noch konfuser, als ich durch die Diagnose Krebs so schon bin. Schließlich bin ich kein Mediziner sondern Ingenieur. Eine hilfreiche und kompetente Gabi, die mir beratend zur Seite steht, habe ich auch nicht. Ich muss allein entscheiden. Mein Recht auf nicht mehr wissen wollen, empfinde ich als wohltuend. Mir war nur klar, in irgendjemand und irgendwas muss ich vertrauen, wenn ich aus der Sache heil wieder raus will. Ich beschloss dem gesunden Menschenverstand, meinen Ärzten und meinem Instinkt zu vertrauen. Dass was ich zur Genesung beitragen kann, ist der unbedingte Wille gesund zu werden, und der beharrliche Optimismus, es auch schaffen zu können.
Das Buch, das ich gelesen habe, hat übrigens ein Heilpraktiker geschrieben. Er ist der Ansicht, dass Alternative Medizin eine notwendige Operation oder Chemotherapie nicht ersetzen kann, sondern nur Hilfestellung zur Stabilisierung der Gesundheit leistet. Nicht alle Heilpraktiker sind Scharlatane. Aber ich kenne keinen vertrauenswürdigen Heilpraktiker, deshalb fiel diese Option für mich von vornherein aus.
Wichtig ist trotz der niederschmetternden Diagnose Krebs nicht in Panik zu fallen. Ich gebe zu, das ist nicht gerade leicht besonders jetzt nicht, da mir mein Onkologe gesagt hat, der Krebs ist wiedergekommen als Metastase in der Leber, und er wird diesmal nicht selbst das Skalpell schwingen. Ich muss zur Operation nach Greifswald.
Da war ich nun gestern. Im Krankenhaus in Demmin hatte man mir nicht gesagt, dass ich zur chirurgischen Sprechstunde müsste, sondern ich sollte mich in der chirurgischen Klinik melden. Also bin ich dort mit Sack und Pack angereist und habe anschließend meinen Taxifahrer nach Hause geschickt, ein böser Fehler. Die nette Dame am Eingang sagte mir, ich könne meine Tasche bei ihr lassen. Dann schickt sie mich um mehrere Ecken in den Warteraum der chirurgischen Sprechstunde.
Dort war es fast leer. Außer einer jungen Frau in einem fahrbaren Bett und ihrem Begleiter waren nur zwei weitere Patienten anwesend. Die Mitarbeiterin, der ich meine Papiere reichte, sah erstaunt auf. Der Professor hätte heute keine Sprechstunde oder sei ich etwa Privatpatient? Natürlich nicht. Als Kassenpatient und damit Patient zweiter Klasse hatte ich auch nicht erwartet von einem Professor besichtigt zu werden, selbst wenn sein Name auf dem Umschlag und der Überweisung stand, die man mir mitgegeben hatte. Ein tüchtiger Chirurg, der sein Handwerk versteht, reicht für meinen Bedarf völlig. Ich solle mich hinsetzen, ein Chirurg würde dann mit mir sprechen. Ja, was denn sonst?
Die Zeit verging, und der Warteraum füllte sich merklich. Mir gegenüber saß ein älterer und ein jüngerer Mann. Sie unterhielten sich lautstark über Details ihre Darmkrebserkrankungen wie über Heldentaten in einem gewonnenen Krieg. Einer versuchte den anderen durch noch düsterere Einzelheiten zu toppen. Auch ich leide an Darmkrebs, für mich aber kein Grund, das im Wartesaal geräuschvoll zum besten zu geben. Diese Warteraumgespräche sind furchtbar, man kann ihnen nicht entfliehen. Gewöhnlich hat man anschließend zusätzlich zu seinen eigentlichen Krankheiten ein paar neue.
Dann wurde ich endlich ins Sprechzimmer zwei gerufen. Am Tisch saß der Arzt und eine Schwester. Am Monitor war in Graustufen der Schnitt durch einen Bachraum zu sehen. Ein Organ dehnte sich darin nach links aus, darauf ein dunkler kreisförmiger Fleck, meine Leber und meine Metastase wie ich vermutete. Der Chirurg fragte mich, ob ich diese Ansicht meines Innenlebens schon betrachtet hätte. Nein, das hatte ich nicht. Die Metastase sah größer aus, als ich es erwartet hatte. Der Arzt erkundigte sich, ob mein künstlicher Darmausgang schon nach innen verlegt worden sei. Er ist immer noch außen, denn meine Chemotherapie endete erst am 2. Januar.
Der Chirurg erklärte mir, der Röntgenarzt hätte vorgeschlagen, die Computertomographie durch eine Kernspintomographie der Leber zu ergänzen. Er schloss sich der Empfehlung des Röntgenarztes an und versuchte per Telefon einen Termin für mich zu arrangieren. Sein Telefonat begann er mit, "Ich habe hier eine junge Frau." So ein Charmeur, hat er sonst nur Patientinnen jenseits der 80? Nach einem Blick in meine Akte korrigierte er sich, eine relativ junge Patientin. Haha! An dem Tag, an dem meine Leber im Kernspintomographen abgebildet wird, muss ich früh ins Krankenhaus einrücken. Damit war ich entlassen, ich konnte zurück nach Hause.
Darüber war ich natürlich nicht unglücklich, aber mein Taxi war ja nun weg. Einen Schuldigen für dieses Missgeschick gab es aber, es war Freitag der 13.
Nun saß ich also an der Treppe gegenüber dem Eingang der Poliklinik und wartete, dass mein Taxi wiederkäme. Von Demmin bis Greifswald braucht man im günstigsten Fall 45 Minuten. An meinem Platz an der Treppe huschten Scharen von Studenten, Ärzte, Schwestern und das Reinigungspersonal vorbei. Keiner nahm mich wahr. Wie soll es erst werden, wenn ich mich, abgemagert durch die zweite Operation, hinter einem Besenstiel verstecken kann? Nur ein älterer Mann im weißen Kittel wünschte mir einen guten Tag. Ich grüßte zurück. Dann sagte die nette Dame am Eingang endlich, "Draußen steht ein Demminer Taxi."
Jörg hatte in seiner Antwort geschrieben das Wichtigste wäre sich zu informieren, und er hätte dutzende medizinische Lehrbücher gelesen. Gerade das habe ich nicht getan. Ich habe genau ein Buch über Krebs gelesen, und geschaut was Encarta und Wikipedia über Darmkrebs zu sagen haben, mehr nicht. Die Krankheit bestimmt mein Leben, aber ich will nicht, dass mein ganzes Denken und Tun nur noch darum kreist. Ich will mich nicht verrückt machen. Was nützt es mir, wenn ich ein Dutzend Publikationen lese, die das Für und Wider der Chemotherapie erörtern? Dadurch werde ich nur noch konfuser, als ich durch die Diagnose Krebs so schon bin. Schließlich bin ich kein Mediziner sondern Ingenieur. Eine hilfreiche und kompetente Gabi, die mir beratend zur Seite steht, habe ich auch nicht. Ich muss allein entscheiden. Mein Recht auf nicht mehr wissen wollen, empfinde ich als wohltuend. Mir war nur klar, in irgendjemand und irgendwas muss ich vertrauen, wenn ich aus der Sache heil wieder raus will. Ich beschloss dem gesunden Menschenverstand, meinen Ärzten und meinem Instinkt zu vertrauen. Dass was ich zur Genesung beitragen kann, ist der unbedingte Wille gesund zu werden, und der beharrliche Optimismus, es auch schaffen zu können.
Das Buch, das ich gelesen habe, hat übrigens ein Heilpraktiker geschrieben. Er ist der Ansicht, dass Alternative Medizin eine notwendige Operation oder Chemotherapie nicht ersetzen kann, sondern nur Hilfestellung zur Stabilisierung der Gesundheit leistet. Nicht alle Heilpraktiker sind Scharlatane. Aber ich kenne keinen vertrauenswürdigen Heilpraktiker, deshalb fiel diese Option für mich von vornherein aus.
Wichtig ist trotz der niederschmetternden Diagnose Krebs nicht in Panik zu fallen. Ich gebe zu, das ist nicht gerade leicht besonders jetzt nicht, da mir mein Onkologe gesagt hat, der Krebs ist wiedergekommen als Metastase in der Leber, und er wird diesmal nicht selbst das Skalpell schwingen. Ich muss zur Operation nach Greifswald.
Da war ich nun gestern. Im Krankenhaus in Demmin hatte man mir nicht gesagt, dass ich zur chirurgischen Sprechstunde müsste, sondern ich sollte mich in der chirurgischen Klinik melden. Also bin ich dort mit Sack und Pack angereist und habe anschließend meinen Taxifahrer nach Hause geschickt, ein böser Fehler. Die nette Dame am Eingang sagte mir, ich könne meine Tasche bei ihr lassen. Dann schickt sie mich um mehrere Ecken in den Warteraum der chirurgischen Sprechstunde.
Dort war es fast leer. Außer einer jungen Frau in einem fahrbaren Bett und ihrem Begleiter waren nur zwei weitere Patienten anwesend. Die Mitarbeiterin, der ich meine Papiere reichte, sah erstaunt auf. Der Professor hätte heute keine Sprechstunde oder sei ich etwa Privatpatient? Natürlich nicht. Als Kassenpatient und damit Patient zweiter Klasse hatte ich auch nicht erwartet von einem Professor besichtigt zu werden, selbst wenn sein Name auf dem Umschlag und der Überweisung stand, die man mir mitgegeben hatte. Ein tüchtiger Chirurg, der sein Handwerk versteht, reicht für meinen Bedarf völlig. Ich solle mich hinsetzen, ein Chirurg würde dann mit mir sprechen. Ja, was denn sonst?
Die Zeit verging, und der Warteraum füllte sich merklich. Mir gegenüber saß ein älterer und ein jüngerer Mann. Sie unterhielten sich lautstark über Details ihre Darmkrebserkrankungen wie über Heldentaten in einem gewonnenen Krieg. Einer versuchte den anderen durch noch düsterere Einzelheiten zu toppen. Auch ich leide an Darmkrebs, für mich aber kein Grund, das im Wartesaal geräuschvoll zum besten zu geben. Diese Warteraumgespräche sind furchtbar, man kann ihnen nicht entfliehen. Gewöhnlich hat man anschließend zusätzlich zu seinen eigentlichen Krankheiten ein paar neue.
Dann wurde ich endlich ins Sprechzimmer zwei gerufen. Am Tisch saß der Arzt und eine Schwester. Am Monitor war in Graustufen der Schnitt durch einen Bachraum zu sehen. Ein Organ dehnte sich darin nach links aus, darauf ein dunkler kreisförmiger Fleck, meine Leber und meine Metastase wie ich vermutete. Der Chirurg fragte mich, ob ich diese Ansicht meines Innenlebens schon betrachtet hätte. Nein, das hatte ich nicht. Die Metastase sah größer aus, als ich es erwartet hatte. Der Arzt erkundigte sich, ob mein künstlicher Darmausgang schon nach innen verlegt worden sei. Er ist immer noch außen, denn meine Chemotherapie endete erst am 2. Januar.
Der Chirurg erklärte mir, der Röntgenarzt hätte vorgeschlagen, die Computertomographie durch eine Kernspintomographie der Leber zu ergänzen. Er schloss sich der Empfehlung des Röntgenarztes an und versuchte per Telefon einen Termin für mich zu arrangieren. Sein Telefonat begann er mit, "Ich habe hier eine junge Frau." So ein Charmeur, hat er sonst nur Patientinnen jenseits der 80? Nach einem Blick in meine Akte korrigierte er sich, eine relativ junge Patientin. Haha! An dem Tag, an dem meine Leber im Kernspintomographen abgebildet wird, muss ich früh ins Krankenhaus einrücken. Damit war ich entlassen, ich konnte zurück nach Hause.
Darüber war ich natürlich nicht unglücklich, aber mein Taxi war ja nun weg. Einen Schuldigen für dieses Missgeschick gab es aber, es war Freitag der 13.
Nun saß ich also an der Treppe gegenüber dem Eingang der Poliklinik und wartete, dass mein Taxi wiederkäme. Von Demmin bis Greifswald braucht man im günstigsten Fall 45 Minuten. An meinem Platz an der Treppe huschten Scharen von Studenten, Ärzte, Schwestern und das Reinigungspersonal vorbei. Keiner nahm mich wahr. Wie soll es erst werden, wenn ich mich, abgemagert durch die zweite Operation, hinter einem Besenstiel verstecken kann? Nur ein älterer Mann im weißen Kittel wünschte mir einen guten Tag. Ich grüßte zurück. Dann sagte die nette Dame am Eingang endlich, "Draußen steht ein Demminer Taxi."
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