Ein wenig behindert
Montag, 5. Dezember 2005, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Gestern war Weltbehindertentag. Seit meiner Darmoperation im Juli gehöre ich auch der großen Gemeinde der Behinderten an.
In meiner Lokalzeitung Nordkurier gab es zu diesem Ereignis einen Artikel über einen jungen Mann, der Rollstuhlfahrer ist. Mir fiel dabei auf, dass in der öffentlichen Wahrnehmung, unter Behinderte immer Leute verstanden werden, die mit sichtbaren körperlichen Einschränkungen leben müssen, also wie querschnittsgelähmte, blinde oder taube Menschen. Ich kann mich nicht daran erinnern, im Fernsehen oder in den Printmedien irgendetwas über Leute gesehen zu haben, die mit einem künstlichen Darmausgang klarkommen müssen, so wie ich. Ich fühle mich fast diskriminiert, denn ein künstlicher Darmausgang ist eine Einschränkung, das könnt Ihr mir glauben.
So sehen die Einzelteile meines Kunstdarmendes aus. Es gibt unterschiedliche Modelle. Manche sind zweigeteilt, so wie meins, andere bestehen aus einem Stück. Mein System besteht aus einer Platte mit einer Klebeseite und aus dem Beutel, der den Nahrungsbrei auffängt und auf die Platte aufgeklebt wird. Mein Stoma, das Loch in meinem Bauch, geht vom Dünndarm ab. Deshalb ist der Nahrungsbrei in meinem Beutel immer etwas flüssig und riecht meistens nicht unangenehm. Der Beutel ist mit einem doppelten Klettverschluss gesichert. Um ihn zu leeren, öffne ich die Klettverschlüsse und lasse den Inhalt ins Klo plumpsen. Anschließend wische ich das untere Ende des Beutels mit einem feuchten Tuch sauber und verschließe den Beutel wieder. Gewöhnlich geht das nicht ohne Einmanschen der Toilette ab. Mein Verbrauch an feuchten Tüchern und Kloreiniger ist in den letzten Monaten drastisch gestiegen.
Das Wechseln des Systems hat eine Mitarbeiterin des Sanitätshauses mit mir eingeübt. Inzwischen mache ich das allein, und es ist kein Problem für mich. Die Platte muss alle drei Tage erneuert werden, der Beutel hingegen jeden Tag. Zur Entsorgung habe ich kleine schwarze Müllbeutel beim Sanitätshaus gekauft. Die verschließe ich mit einem Knoten und schmeiße sie in den meinen Mülleimer. Der Wechsel des Beutels ist einfach. Ich lege dazu einen Müllbeutel ins Wachbecken und drei Vliesstoffkompressen an den Beckenrand. Am neuen Beutel verriegle ich das Ende mit den Klettverschlüssen. Dann entferne ich den Papierring, der den Klebering schützt. Den neuen Beutel lege ich in Greifnähe. Mit einem Ruck reiße ich den alten Beutel von der Platte und versenke ihn sofort im Müllbeutel. Die Platte und mein Stoma säubere ich vorsichtig mit den Vliesstoffkompressen. Dann klebe ich den neuen Beutel auf die Platte. Aufpassen muss man dabei nur, dass sich keine Luftblasen im Klebering bilden. Dann könnte der Inhalt auslaufen.
Der Wechsel des Gesamtsystems erfordert mehr Aufwand. Neben den trockenen Vliesstoffkompressen muss ich drei weitere mit Wasser anfeuchten. Auf die Platte lege ich eine Schablone, die die Größe meines Stomas enthält. Die kopiere ich mit einem Filzstift auf die Platte. Dann schneide ich das Loch in der Platte, auf mein Stoma angepasst, zurecht. Schließlich entferne ich die Papierschutzschicht von der Klebefläche der Platte und lege sie in Greifnähe. Den Beutel präpariere ich, wie oben beschrieben. Zum Schluss öffne ich noch den Behälter mit der Pflegecreme für die abgeklebte Hautfläche und stelle ihn bereit. Dann reiße ich mir die Platte samt Beutel vom Bauch, und schmeiße sie in den Müllbeutel. Mit den feuchten Tüchern säubere ich alles. Die trockenen dienen dazu das Stoma in Schach zu halten, falls es Nahrungsbrei kleckert. Die Haut reibe ich mit der Pflegecreme ein, die schnell einzieht. Dann klebe ich erst die Platte und anschließend den Beutel auf. Danach lege ich mich ins Bett, damit die Platte besser am Bauch haftet und keine Falten schlägt. Durch die Körperwärme klebt die Platte besser am Bauch. Ich bleibe mindestens 15 Minuten liegen. Dann sollte alles ordentlich haften.
Leider ist das System nicht perfekt. Meine größte Angst ist immer, dass Nahrungsbrei ausläuft. Dass der Beutel nicht dicht schließt, passiert äußerst selten. Die Platte hat es mir schon öfters abgehoben, allein diese Woche zweimal. Ich esse schon keinen Reis mehr. Der quillt im Bauch nach und hebt beim Austritt aus dem Stoma die Platte an. Zu Hause ist das ja kein Problem, schlimm ist es nur, wenn ich unterwegs bin. Bei der Bestrahlung in Greifswald bin ich mehrfach ausgelaufen. Die Frauen dort haben mir mit viel Zellstoffpacken geholfen.
Die Krankenkasse bezahlt die Platten und Beutel. Für alles andere muss ich selbst aufkommen. Den Pack Vliesstoffkompressen gab es nur als Erstausstattung gesponsert. Inzwischen muss ich jede neue Packung selbst kaufen. Das Sanitätshaus besorgt das Rezept beim Hausarzt und bringt mir die Sachen in die Wohnung. Ich brauche bloß meinen Bedarf anmelden und meinen Obulus begleichen.
Vor meiner Operation wusste ich gerade, dass es künstliche Darmausgänge gibt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie man damit lebt. Erst am Tag vor der Operation erfuhr ich, was mir denn da droht. Am nächsten Tag klebte ein großer Beutel rechts an meinem Bauch, na toll. Es blieb mir also nichts weiter übrig, als mich mit der Sache abzufinden. Schließlich will ich leben! Wenn ich mich im Badspiegel betrachte, sehe ich immer noch wie ein Alien aus mit dem Beutel auf meinem Bauch. Der Anblick ist mir auch fünf Monate nach der Operation immer noch fremd. Sexy wirkt das nicht gerade, aber ich habe mich mit den Tatsachen arrangiert. Enge Hosen und Röcke fallen natürlich aus. Zum Shoppen bin ich noch nicht gesund genug. Im Augenblick trage ich meist Jogginghosen, da fällt selbst ein gefüllter Beutel nicht weiter auf.
Also Leute, wer das jetzt vor sich hat, was ich schon habe, ein künstlicher Darmausgang ist nicht toll, aber man kann damit leben. Ich weiß aus den Logdateien, dass nach vielen Dingen, über die ich unter dieser Kategorie berichtet habe, im Internet gesucht wird. Ich hoffe meine Beschreibungen nehmen Euch ein wenig die Angst und zeigen den übrigen Gesunden, wie es sich mit dieser Art Behinderung so lebt.
In meiner Lokalzeitung Nordkurier gab es zu diesem Ereignis einen Artikel über einen jungen Mann, der Rollstuhlfahrer ist. Mir fiel dabei auf, dass in der öffentlichen Wahrnehmung, unter Behinderte immer Leute verstanden werden, die mit sichtbaren körperlichen Einschränkungen leben müssen, also wie querschnittsgelähmte, blinde oder taube Menschen. Ich kann mich nicht daran erinnern, im Fernsehen oder in den Printmedien irgendetwas über Leute gesehen zu haben, die mit einem künstlichen Darmausgang klarkommen müssen, so wie ich. Ich fühle mich fast diskriminiert, denn ein künstlicher Darmausgang ist eine Einschränkung, das könnt Ihr mir glauben.
So sehen die Einzelteile meines Kunstdarmendes aus. Es gibt unterschiedliche Modelle. Manche sind zweigeteilt, so wie meins, andere bestehen aus einem Stück. Mein System besteht aus einer Platte mit einer Klebeseite und aus dem Beutel, der den Nahrungsbrei auffängt und auf die Platte aufgeklebt wird. Mein Stoma, das Loch in meinem Bauch, geht vom Dünndarm ab. Deshalb ist der Nahrungsbrei in meinem Beutel immer etwas flüssig und riecht meistens nicht unangenehm. Der Beutel ist mit einem doppelten Klettverschluss gesichert. Um ihn zu leeren, öffne ich die Klettverschlüsse und lasse den Inhalt ins Klo plumpsen. Anschließend wische ich das untere Ende des Beutels mit einem feuchten Tuch sauber und verschließe den Beutel wieder. Gewöhnlich geht das nicht ohne Einmanschen der Toilette ab. Mein Verbrauch an feuchten Tüchern und Kloreiniger ist in den letzten Monaten drastisch gestiegen.
Das Wechseln des Systems hat eine Mitarbeiterin des Sanitätshauses mit mir eingeübt. Inzwischen mache ich das allein, und es ist kein Problem für mich. Die Platte muss alle drei Tage erneuert werden, der Beutel hingegen jeden Tag. Zur Entsorgung habe ich kleine schwarze Müllbeutel beim Sanitätshaus gekauft. Die verschließe ich mit einem Knoten und schmeiße sie in den meinen Mülleimer. Der Wechsel des Beutels ist einfach. Ich lege dazu einen Müllbeutel ins Wachbecken und drei Vliesstoffkompressen an den Beckenrand. Am neuen Beutel verriegle ich das Ende mit den Klettverschlüssen. Dann entferne ich den Papierring, der den Klebering schützt. Den neuen Beutel lege ich in Greifnähe. Mit einem Ruck reiße ich den alten Beutel von der Platte und versenke ihn sofort im Müllbeutel. Die Platte und mein Stoma säubere ich vorsichtig mit den Vliesstoffkompressen. Dann klebe ich den neuen Beutel auf die Platte. Aufpassen muss man dabei nur, dass sich keine Luftblasen im Klebering bilden. Dann könnte der Inhalt auslaufen.
Der Wechsel des Gesamtsystems erfordert mehr Aufwand. Neben den trockenen Vliesstoffkompressen muss ich drei weitere mit Wasser anfeuchten. Auf die Platte lege ich eine Schablone, die die Größe meines Stomas enthält. Die kopiere ich mit einem Filzstift auf die Platte. Dann schneide ich das Loch in der Platte, auf mein Stoma angepasst, zurecht. Schließlich entferne ich die Papierschutzschicht von der Klebefläche der Platte und lege sie in Greifnähe. Den Beutel präpariere ich, wie oben beschrieben. Zum Schluss öffne ich noch den Behälter mit der Pflegecreme für die abgeklebte Hautfläche und stelle ihn bereit. Dann reiße ich mir die Platte samt Beutel vom Bauch, und schmeiße sie in den Müllbeutel. Mit den feuchten Tüchern säubere ich alles. Die trockenen dienen dazu das Stoma in Schach zu halten, falls es Nahrungsbrei kleckert. Die Haut reibe ich mit der Pflegecreme ein, die schnell einzieht. Dann klebe ich erst die Platte und anschließend den Beutel auf. Danach lege ich mich ins Bett, damit die Platte besser am Bauch haftet und keine Falten schlägt. Durch die Körperwärme klebt die Platte besser am Bauch. Ich bleibe mindestens 15 Minuten liegen. Dann sollte alles ordentlich haften.
Leider ist das System nicht perfekt. Meine größte Angst ist immer, dass Nahrungsbrei ausläuft. Dass der Beutel nicht dicht schließt, passiert äußerst selten. Die Platte hat es mir schon öfters abgehoben, allein diese Woche zweimal. Ich esse schon keinen Reis mehr. Der quillt im Bauch nach und hebt beim Austritt aus dem Stoma die Platte an. Zu Hause ist das ja kein Problem, schlimm ist es nur, wenn ich unterwegs bin. Bei der Bestrahlung in Greifswald bin ich mehrfach ausgelaufen. Die Frauen dort haben mir mit viel Zellstoffpacken geholfen.
Die Krankenkasse bezahlt die Platten und Beutel. Für alles andere muss ich selbst aufkommen. Den Pack Vliesstoffkompressen gab es nur als Erstausstattung gesponsert. Inzwischen muss ich jede neue Packung selbst kaufen. Das Sanitätshaus besorgt das Rezept beim Hausarzt und bringt mir die Sachen in die Wohnung. Ich brauche bloß meinen Bedarf anmelden und meinen Obulus begleichen.
Vor meiner Operation wusste ich gerade, dass es künstliche Darmausgänge gibt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie man damit lebt. Erst am Tag vor der Operation erfuhr ich, was mir denn da droht. Am nächsten Tag klebte ein großer Beutel rechts an meinem Bauch, na toll. Es blieb mir also nichts weiter übrig, als mich mit der Sache abzufinden. Schließlich will ich leben! Wenn ich mich im Badspiegel betrachte, sehe ich immer noch wie ein Alien aus mit dem Beutel auf meinem Bauch. Der Anblick ist mir auch fünf Monate nach der Operation immer noch fremd. Sexy wirkt das nicht gerade, aber ich habe mich mit den Tatsachen arrangiert. Enge Hosen und Röcke fallen natürlich aus. Zum Shoppen bin ich noch nicht gesund genug. Im Augenblick trage ich meist Jogginghosen, da fällt selbst ein gefüllter Beutel nicht weiter auf.
Also Leute, wer das jetzt vor sich hat, was ich schon habe, ein künstlicher Darmausgang ist nicht toll, aber man kann damit leben. Ich weiß aus den Logdateien, dass nach vielen Dingen, über die ich unter dieser Kategorie berichtet habe, im Internet gesucht wird. Ich hoffe meine Beschreibungen nehmen Euch ein wenig die Angst und zeigen den übrigen Gesunden, wie es sich mit dieser Art Behinderung so lebt.