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Dienstag, 3. Juli 2007
Das Paulus-Oratorium in Demmin
Dienstag, 3. Juli 2007, Kategorie: 'unterwegs'
Auf meinem Weg zur frauenärztlichen Praxis war ich an Demmins großer Backsteinkirche vorbeigekommen. Ein Transparent davor kündigte ein Konzert für den 30. Juni an, „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Zurück nach Hause spazierte ich in die Buchhandlung und kaufte mir eine Eintrittskarte. Weil ich dort schon lange Kundin bin, hatte die Verkäuferin auch keinen Zweifel mir ein ermäßigtes Ticket auszuhändigen. Den Schriebs, dass ich jetzt Erwerbsminderungsrentier bin, hatte ich natürlich nicht dabei. Der ermäßigte Eintritt kostete 12,- Euro, ich sparte also 3 Euronen.
Das letzte Mal war ich vor drei Jahren, einen Tag nach meinem Geburtstag, in St. Bartholomäus zum Konzert. Damals spielten die Jungen Philharmonikern aus Köln Werke von Vivaldi, Bach, Mozart und Tschaikowski. Die kleine aber sehr begeisterte Zuhörerschar bedankte sich für die Spielfreude der Musiker mit viel Applaus. Im Jahr darauf wurde ich schwerkrank, und damit fanden Konzertbesuche nur noch vor dem heimischen Fernseher statt. Ich hatte schon Mühe die drei Stockwerke zu meiner Wohnung zu erklimmen. Veranstaltungen außer Haus waren dadurch erledigt.
Inzwischen bin ich körperlich wieder fitter, aber ich habe seit mehr als einem Jahr ein rückwertiges Problem. Wenn der Konzertbesuch nicht in einem Disaster enden sollte, dann hieß es für mich, am Samstag nach dem Mittag die Nahrungsaufnahme für den Rest des Tages einzustellen. Außerdem musste ich einige Kapseln mit dem Wirkstoff Loperamid einwerfen. Beate, der ich mein Vorhaben schilderte, fragte mich, warum ich mir das antun wolle. Ich kann es einfach nicht länger ertragen, durch die Krankheit vom normalen Leben ausgeschlossen zu sein. Das Pendeln zwischen Strahlenmedizin, ärztlicher oder physiotherapeutischer Praxis und meiner Wohnung empfinde ich als Knast mit Ausgang.
Die Karte hatte ich mit Bedacht schon vorher erworben. So blieb mir gar nichts weiter übrig als am Samstag loszumarschieren, auch wenn es nach Regen aussah. Unter der wasserdichten Windjacke trug ich vorsorglich ein Fleeceshirt, denn in Kirchen ist es ja bekanntlich immer etwas maifrisch. Meine Beine hingegen sind auch bei brütender Hitze gegen Kälte geschützt. Unter den Jeans hatte ich wie stets die kleidsamen Gummilangschäfter angelegt.
Wie berichtet, hatte ich das letzte Mal am 26. Juli 2004 auf einer Bank in St. Bartholomäus gesessen. Ich suchte mir einen Platz in der Nähe der Kanzel. Wie unbequem das Kirchengestühl doch ist, hatte ich inzwischen völlig vergessen. Das nächste Mal nehme ich aber ein Kissen mit! Mein Hintern musste im wahrsten Sinne des Wortes einen Härtetest bestehen. Aber nicht nur meine Rückseite wurde strapaziert. Ohne einen gewissen Teil der Zuhörerschaft wäre dieses Konzert wahrscheinlich viel angenehmer gewesen. Die guten Sitten haben doch sehr gelitten, seit ich erkrankt bin. Inzwischen scheint es vollständig aus der Mode gekommen zu sein, auf andere Rücksicht zu nehmen.
Ich hatte meine kleine Kamera dabei und habe vor und nach dem Konzert geknipst. Andere jedoch konnten es nicht lassen auch während der Aufführung zu fotografieren. So wurde das Oratorium von Blitzen begleitet. Ich habe dergleichen in italienischen Kirchen erlebt, wenn Touristen unbedingt fotografieren mussten, wo offensichtlich gebetet wurde. Ich bin Atheist, aber wenn ich sehe, dass jemand betet, verzichte ich auf ein Urlaubsfoto von dieser Stelle. Es ist keine Frage des Glaubens, sondern des Respekts vor anderen Menschen. Aber in diesen neoliberalen Zeiten, ist Empathie natürlich völlig out. Ich bin ein altmodischer Gutmensch und ein schwerkranker noch dazu. Für beides gibt es freilich keine Entschuldigung.
Ich hatte zwar die Kamera eingesteckt, aber die Brille zu Hause gelassen. Beates Mann konnte ich auch ohne Sehhilfe im Chor entdecken. Oratorien sind nach meiner Meinung mehr für die Ohren als für die Augen gedacht. Über den Inhalt wusste ich Bescheid. Ich setzte auf die Musik und darauf, dass die Sänger nicht nuschelten wie Herbert Grönemeyer. Deshalb verzichtete ich auf den Begleittext, den viele Zuhörer vor sich liegen hatten, und in dem sie während der Aufführung eifrig lasen. Das schönste Stück in diesem Chorwerk ist dasjenige im ersten Teil, wo Saulus seine Vision hat. Gerade an der Stelle, an der Jesus ihn fragt, " Saul! Was verfolgst du mich?" war offenbar der Text auf der Seite im Begleitheft zu Ende. Eifriges Geraschel links von mir, eifriges Geraschel rechts von mir. Sollte man da vorher irgendeine Vision gehabt haben, dann wurde sie sicherlich mit den Seiten im Begleitheft umgeschlagen.
Aber nicht nur das vielhändige Blättern passte nicht zum Gesang, hinter mir wurde auch ganz unmusikalisch getuschelt. Das änderte sich erst, als ich die beiden Teenager mit giftigen Blicken bedachte. Ich wollte wenigstens für fünf Minuten Ruhe haben. Der junge Mann neben den beiden Halbwüchsigen hatte nicht eingegriffen. Wahrscheinlich konnte er sich ganz auf die Musik konzentrieren und alles andere ausblenden. Beneidenswert. Vor mir erlitt einer Dame einen Hustenanfall, den sie nicht unterdrücken konnte. Sie verließ ihren Platz und hatte mein volles Mitgefühl.
Soweit nicht von den um mich Sitzenden gestört, war das Oratorium ein purer Genuß für meine Ohren. Das Werk hat Gesangpartien für Sopran, Alt, Tenor und Bariton zu bieten. Nach meinem Flyer waren die Solisten Dorothee Fries, Annerose Kleiminger, Johannes Klüser und Thomas Berau. Ich will nichts gegen die Herren gesagt haben, aber die Stimmen der beiden Damen klangen in der Kirche einfach besser. Dem Chor merkte ich nicht an, dass er aus Sänger zweier Gemeinschaften bestand. Die Kantorei Demmin war durch den Bachchor Stralsund verstärkt worden. Es spielte das Philharmonische Orchester Poznan. Kantor Thomas K. Beck dirigierte sichtlich mit viel Engagement. Kaum zu fassen, was einem in diesem kleinen vorpommerschen Provinznest geboten wird!
Das letzte Mal war ich vor drei Jahren, einen Tag nach meinem Geburtstag, in St. Bartholomäus zum Konzert. Damals spielten die Jungen Philharmonikern aus Köln Werke von Vivaldi, Bach, Mozart und Tschaikowski. Die kleine aber sehr begeisterte Zuhörerschar bedankte sich für die Spielfreude der Musiker mit viel Applaus. Im Jahr darauf wurde ich schwerkrank, und damit fanden Konzertbesuche nur noch vor dem heimischen Fernseher statt. Ich hatte schon Mühe die drei Stockwerke zu meiner Wohnung zu erklimmen. Veranstaltungen außer Haus waren dadurch erledigt.
Inzwischen bin ich körperlich wieder fitter, aber ich habe seit mehr als einem Jahr ein rückwertiges Problem. Wenn der Konzertbesuch nicht in einem Disaster enden sollte, dann hieß es für mich, am Samstag nach dem Mittag die Nahrungsaufnahme für den Rest des Tages einzustellen. Außerdem musste ich einige Kapseln mit dem Wirkstoff Loperamid einwerfen. Beate, der ich mein Vorhaben schilderte, fragte mich, warum ich mir das antun wolle. Ich kann es einfach nicht länger ertragen, durch die Krankheit vom normalen Leben ausgeschlossen zu sein. Das Pendeln zwischen Strahlenmedizin, ärztlicher oder physiotherapeutischer Praxis und meiner Wohnung empfinde ich als Knast mit Ausgang.
Die Karte hatte ich mit Bedacht schon vorher erworben. So blieb mir gar nichts weiter übrig als am Samstag loszumarschieren, auch wenn es nach Regen aussah. Unter der wasserdichten Windjacke trug ich vorsorglich ein Fleeceshirt, denn in Kirchen ist es ja bekanntlich immer etwas maifrisch. Meine Beine hingegen sind auch bei brütender Hitze gegen Kälte geschützt. Unter den Jeans hatte ich wie stets die kleidsamen Gummilangschäfter angelegt.
Wie berichtet, hatte ich das letzte Mal am 26. Juli 2004 auf einer Bank in St. Bartholomäus gesessen. Ich suchte mir einen Platz in der Nähe der Kanzel. Wie unbequem das Kirchengestühl doch ist, hatte ich inzwischen völlig vergessen. Das nächste Mal nehme ich aber ein Kissen mit! Mein Hintern musste im wahrsten Sinne des Wortes einen Härtetest bestehen. Aber nicht nur meine Rückseite wurde strapaziert. Ohne einen gewissen Teil der Zuhörerschaft wäre dieses Konzert wahrscheinlich viel angenehmer gewesen. Die guten Sitten haben doch sehr gelitten, seit ich erkrankt bin. Inzwischen scheint es vollständig aus der Mode gekommen zu sein, auf andere Rücksicht zu nehmen.
Ich hatte meine kleine Kamera dabei und habe vor und nach dem Konzert geknipst. Andere jedoch konnten es nicht lassen auch während der Aufführung zu fotografieren. So wurde das Oratorium von Blitzen begleitet. Ich habe dergleichen in italienischen Kirchen erlebt, wenn Touristen unbedingt fotografieren mussten, wo offensichtlich gebetet wurde. Ich bin Atheist, aber wenn ich sehe, dass jemand betet, verzichte ich auf ein Urlaubsfoto von dieser Stelle. Es ist keine Frage des Glaubens, sondern des Respekts vor anderen Menschen. Aber in diesen neoliberalen Zeiten, ist Empathie natürlich völlig out. Ich bin ein altmodischer Gutmensch und ein schwerkranker noch dazu. Für beides gibt es freilich keine Entschuldigung.
Ich hatte zwar die Kamera eingesteckt, aber die Brille zu Hause gelassen. Beates Mann konnte ich auch ohne Sehhilfe im Chor entdecken. Oratorien sind nach meiner Meinung mehr für die Ohren als für die Augen gedacht. Über den Inhalt wusste ich Bescheid. Ich setzte auf die Musik und darauf, dass die Sänger nicht nuschelten wie Herbert Grönemeyer. Deshalb verzichtete ich auf den Begleittext, den viele Zuhörer vor sich liegen hatten, und in dem sie während der Aufführung eifrig lasen. Das schönste Stück in diesem Chorwerk ist dasjenige im ersten Teil, wo Saulus seine Vision hat. Gerade an der Stelle, an der Jesus ihn fragt, " Saul! Was verfolgst du mich?" war offenbar der Text auf der Seite im Begleitheft zu Ende. Eifriges Geraschel links von mir, eifriges Geraschel rechts von mir. Sollte man da vorher irgendeine Vision gehabt haben, dann wurde sie sicherlich mit den Seiten im Begleitheft umgeschlagen.
Aber nicht nur das vielhändige Blättern passte nicht zum Gesang, hinter mir wurde auch ganz unmusikalisch getuschelt. Das änderte sich erst, als ich die beiden Teenager mit giftigen Blicken bedachte. Ich wollte wenigstens für fünf Minuten Ruhe haben. Der junge Mann neben den beiden Halbwüchsigen hatte nicht eingegriffen. Wahrscheinlich konnte er sich ganz auf die Musik konzentrieren und alles andere ausblenden. Beneidenswert. Vor mir erlitt einer Dame einen Hustenanfall, den sie nicht unterdrücken konnte. Sie verließ ihren Platz und hatte mein volles Mitgefühl.
Soweit nicht von den um mich Sitzenden gestört, war das Oratorium ein purer Genuß für meine Ohren. Das Werk hat Gesangpartien für Sopran, Alt, Tenor und Bariton zu bieten. Nach meinem Flyer waren die Solisten Dorothee Fries, Annerose Kleiminger, Johannes Klüser und Thomas Berau. Ich will nichts gegen die Herren gesagt haben, aber die Stimmen der beiden Damen klangen in der Kirche einfach besser. Dem Chor merkte ich nicht an, dass er aus Sänger zweier Gemeinschaften bestand. Die Kantorei Demmin war durch den Bachchor Stralsund verstärkt worden. Es spielte das Philharmonische Orchester Poznan. Kantor Thomas K. Beck dirigierte sichtlich mit viel Engagement. Kaum zu fassen, was einem in diesem kleinen vorpommerschen Provinznest geboten wird!
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