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Mittwoch, 20. Juni 2007
Schäden
Mittwoch, 20. Juni 2007, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Nun habe ich es schriftlich und von Amts wegen bestätigt, ich habe einen gewaltigen Schaden. Keinen vollen zum Glück, aber ich bin zu 90% demoliert. Über diese Schwere war ich dann doch schockiert, denn ich hatte mit einem Behinderungsgrad von maximal 75% gerechnet. Zumindest ist mir klar, dass ich vorerst kaum wieder volle 8 Stunden werde arbeiten können. Auch wenn die Gutachterin vom Amt für Arbeit beliebte per Ferndiagnose etwas anderes zu entscheiden. Für meine Schwerbeschädigung berücksichtigte das Neubrandenburger Versorgungsamt die Lymphödeme in beiden Beinen, das fehlende Stück Dickdarm sowie die Dickdarmerkrankung.
Keine Rolle hingegen spielte mein Pavianhintern, und so erhielt ich kein Merkzeichen RF. Es ist offensichtlich zumutbar für mich mit vollen Windelhosen z.B. im Konzert zu sitzen. Die GEZ kann sich auch weiterhin an meinen Beiträgen erfreuen. Nach fünf Jahren wird von Amts wegen geprüft, ob ich meinen Schwerbeschädigtenausweis behalten darf. Das könnte sich die Behörde eigentlich sparen. Die Chance, dass mir ein neuer Dickdarm nachwächst oder Lymphknoten im Bauch, ist relativ gering. Unbeachtet ist noch meine Brustkrebserkrankung, der Grad der Behinderung wird sich dadurch kaum erhöhen.
Die Sozialarbeiterin in der Greifswalder Frauenklinik hatte mir versprochen die Unterlagen zum Versorgungsamt zu schicken. Sie war sehr empört, als sie hörte, im Demminer Kreiskrankenhaus sei mir nur das Formular in die Hand gedrückt worden. So was ginge aber nicht! Doch das ging damals, es gingen noch ganz andere Sachen. Ich musste gezielt nach der Reha fragen, erfuhr dann, dass mich die Sozialarbeiterin nicht in ihrem Karteikasten vermerkt hätte, und wurde von ihr zum Rententräger geschickt. Dort sollte ich mir das Antragsformular holen. Für mich war der Gang dahin wegen meiner Schwäche eine große Anstrengung. In Greifswald hatte die Sozialarbeiterin die entsprechenden Papiere parat, füllte sie mit mir aus und sandte sie weiter. Ich habe auch durch Zufall im Internet nach der Rückverlegung erfahren, dass sich hier im Speisesaal des Kreiskrankenhauses eine Stoma-Selbsthilfegruppe trifft. Seitdem habe ich vergessen, dass es im Roten Krankenhaus jemand gibt, der für Sozialarbeit zuständig ist. Wenn ich ein Problem habe, wo ich meine, die Sozialarbeiterin könne helfen, rufe ich immer in Greifswald an nie in Demmin.
Aber meinen Frauenarzt hatte ich wieder aufgesucht, um ihn zu fragen, ob die Delle auf der Brust so sein muss. Er meinte, das wäre in Ordnung und wahrscheinlich würde die Narbe noch weiter einfallen. Wenn man so wenig Vorbau hätte wie ich, würde sich eine Einbuchtung nicht vermeiden lassen. Vielleicht werde ich nach dem Ende der Strahlentherapie ausgestopft wie eine Weihnachtsgans. Mein Arzt erinnerte mich daran, dass ich während der Bestrahlung einmal die Woche zum Blutabnehmen in der Praxis erscheinen muss. Ich könne wieder hoffnungsfroh in die Zukunft schauen, stellte er fest. Dann wollte er wissen, wie ich seelisch drauf wäre.
Der erste Schrecken ist vorüber. Weil ich jetzt weiß, was mich erwartet und was nicht, geht es mir wieder besser. Nachdem ich alle Pflanzen weggegeben hatte, bin ich nun wieder dabei meinen Balkon zu begrünen. Ich habe es auch geschafft letzte Woche meine Arbeitskollegen zu besuchen. Ein fröhliches Treffen war es allerdings nicht. Doppelkrebs ist auch keine lustige Angelegenheit. Ich berichtete von meinen Anstrengungen, mit den Folgen der Erkrankung zu überleben.
Das Dasein ist für mich sehr mühsam geworden seit der Diagnose Mastdarmkrebs vor zwei Jahren. Ich leide aber nicht mehr am Krebs sondern an den Folgen der Therapie, den vier Operationen, der Bestrahlung, den beiden Chemotherapien. Die zweite Bestrahlung habe ich noch vor mir. Die größten Probleme bereitet mir nach wie vor meine Rückseite mit den heimtückischen durch nichts zu stoppenden Durchfällen. Die Beine sind durch Lymphdrainage und Kompressionsstrümpfe abgeschwollen, aber die Füße schmerzen noch immer. Ich hatte dieses Druckgefühl ja schon mal mit einem Schraubstock umschrieben. Zusätzlich habe ich kein Gefühl in den Füßen, weiß also nie, ob sie gerade kalt oder warm sind.
Obwohl mir das Laufen immer noch schwerfällt, absolviere ich täglich meinen Spaziergang. Zweimal pro Woche sind dann etwas längere von ungefähr 1 ½ Stunden Dauer darunter. Meine Arbeitskollegen wunderten sich, wie man sich bei diesen Beschwerden, immer wieder zum Gehen motivieren könne. Meine Antwort, fürchte ich, fiel recht brutal aus. „Entweder ich will leben oder nicht.“
Einer meiner Kollegen wollte wissen, ob ich daran gedacht hätte aufzugeben. Nach der Stanzbiopsie in Greifswald so mindestens eintausendmal. Ich hatte mich gefragt, ob sich die ganze Marter gelohnt hätte, die Ängste, die Schmerzen, die Übelkeit, die Einschränkungen. Bis dahin hatte ich immer gehofft, bald in ein halbwegs normales Leben zurückkehren zu können. Mit Brustkrebs hatte ich überhaupt nicht gerechnet. In meiner Sippe gab es keinen einzigen Fall. Es riss mir einfach die Beine weg. Jeden Morgen, nachdem ich die Augen aufschlug, dachte ich für einen Moment daran, liegenzubleiben, mich dem Krebs zu ergeben. Dennoch habe ich mich jedes Mal wieder hochgequält und mir diese Folterstrümpfe über die Beine gestreift.
Aber es gibt auch kleine Fortschritte. An den Händen hat sich das Taubheitsgefühl von den Handflächen in die Fingerspitzen zurückgezogen. Es kribbelt auch nur noch dort. Gleichzietig hat sich meine Geschicklichkeit enorm verbessert. Ich kann mir wieder Stecker in die Ohren stöpseln. Vielleicht bin ich bald in der Lage all die Comics, die ich seit der ersten Operation im Kopf mit mir herumtrage, aufs Papier zu bannen.
Meine Physiotherapeutin hatte mir bei der letzten Sitzung verkündet, ich wäre wieder was zum Anfassen. Der Zeiger der Waage erreichte die 60-kg-Marke. Das ist mein altes Kampfgewicht, damit fühle ich mich am wohlsten. Ich habe wieder richtige Arme und, was ich hinten mit mir herumtrage, verdient die Bezeichnung Gesäß. Auf alle Fälle ist es gut für mich, kein Untergewicht zu haben, denn wie ich die 33 Bestrahlungen vertragen werde, weiß ich noch nicht. Vielleicht verhagelt es mir den Appetit. Die Assistentin hat mir die roten Zielkreuze für die Strahlenkanone schon auf den Oberkörper gezeichnet. Der Stift, den sie verwendete war aber nicht wasserfest. So war mein weißer Sport-BH dann auch gleich mitmarkiert.
Es blieb nicht der einzige Farbschaden der Woche. Extra für die Strahlentherapie hatte ich mir ein neues kunterbuntes Badetuch zugelegt. Vor zwei Jahren hatte ich eins in freundlichem anthrazit, das aber inzwischen in den Status eines normalen Duschhandtuchs aufgestiegen ist. Das neue wollte ich vor dem ersten Einsatz waschen. Weil ich nur weiße Wäsche hatte, warf ich das kunterbunte Badetuch kurzentschlossen hinzu. Jetzt weiß ich auch wieder, warum man weiße und farbige Wäsche hübsch separiert. Denn obwohl das Design Herbstlaub nicht danach aussah, verfärbte es meine restliche Wäsche. Ausgerechnet die lindgrünen Blätter erwiesen sich als nicht farbecht. Na gut, ich mag ja sowieso nichts Weißes, und der weiße Sport-BH sieht mit hellgrüner Umrandung gleich viel besser aus.
Keine Rolle hingegen spielte mein Pavianhintern, und so erhielt ich kein Merkzeichen RF. Es ist offensichtlich zumutbar für mich mit vollen Windelhosen z.B. im Konzert zu sitzen. Die GEZ kann sich auch weiterhin an meinen Beiträgen erfreuen. Nach fünf Jahren wird von Amts wegen geprüft, ob ich meinen Schwerbeschädigtenausweis behalten darf. Das könnte sich die Behörde eigentlich sparen. Die Chance, dass mir ein neuer Dickdarm nachwächst oder Lymphknoten im Bauch, ist relativ gering. Unbeachtet ist noch meine Brustkrebserkrankung, der Grad der Behinderung wird sich dadurch kaum erhöhen.
Die Sozialarbeiterin in der Greifswalder Frauenklinik hatte mir versprochen die Unterlagen zum Versorgungsamt zu schicken. Sie war sehr empört, als sie hörte, im Demminer Kreiskrankenhaus sei mir nur das Formular in die Hand gedrückt worden. So was ginge aber nicht! Doch das ging damals, es gingen noch ganz andere Sachen. Ich musste gezielt nach der Reha fragen, erfuhr dann, dass mich die Sozialarbeiterin nicht in ihrem Karteikasten vermerkt hätte, und wurde von ihr zum Rententräger geschickt. Dort sollte ich mir das Antragsformular holen. Für mich war der Gang dahin wegen meiner Schwäche eine große Anstrengung. In Greifswald hatte die Sozialarbeiterin die entsprechenden Papiere parat, füllte sie mit mir aus und sandte sie weiter. Ich habe auch durch Zufall im Internet nach der Rückverlegung erfahren, dass sich hier im Speisesaal des Kreiskrankenhauses eine Stoma-Selbsthilfegruppe trifft. Seitdem habe ich vergessen, dass es im Roten Krankenhaus jemand gibt, der für Sozialarbeit zuständig ist. Wenn ich ein Problem habe, wo ich meine, die Sozialarbeiterin könne helfen, rufe ich immer in Greifswald an nie in Demmin.
Aber meinen Frauenarzt hatte ich wieder aufgesucht, um ihn zu fragen, ob die Delle auf der Brust so sein muss. Er meinte, das wäre in Ordnung und wahrscheinlich würde die Narbe noch weiter einfallen. Wenn man so wenig Vorbau hätte wie ich, würde sich eine Einbuchtung nicht vermeiden lassen. Vielleicht werde ich nach dem Ende der Strahlentherapie ausgestopft wie eine Weihnachtsgans. Mein Arzt erinnerte mich daran, dass ich während der Bestrahlung einmal die Woche zum Blutabnehmen in der Praxis erscheinen muss. Ich könne wieder hoffnungsfroh in die Zukunft schauen, stellte er fest. Dann wollte er wissen, wie ich seelisch drauf wäre.
Der erste Schrecken ist vorüber. Weil ich jetzt weiß, was mich erwartet und was nicht, geht es mir wieder besser. Nachdem ich alle Pflanzen weggegeben hatte, bin ich nun wieder dabei meinen Balkon zu begrünen. Ich habe es auch geschafft letzte Woche meine Arbeitskollegen zu besuchen. Ein fröhliches Treffen war es allerdings nicht. Doppelkrebs ist auch keine lustige Angelegenheit. Ich berichtete von meinen Anstrengungen, mit den Folgen der Erkrankung zu überleben.
Das Dasein ist für mich sehr mühsam geworden seit der Diagnose Mastdarmkrebs vor zwei Jahren. Ich leide aber nicht mehr am Krebs sondern an den Folgen der Therapie, den vier Operationen, der Bestrahlung, den beiden Chemotherapien. Die zweite Bestrahlung habe ich noch vor mir. Die größten Probleme bereitet mir nach wie vor meine Rückseite mit den heimtückischen durch nichts zu stoppenden Durchfällen. Die Beine sind durch Lymphdrainage und Kompressionsstrümpfe abgeschwollen, aber die Füße schmerzen noch immer. Ich hatte dieses Druckgefühl ja schon mal mit einem Schraubstock umschrieben. Zusätzlich habe ich kein Gefühl in den Füßen, weiß also nie, ob sie gerade kalt oder warm sind.
Obwohl mir das Laufen immer noch schwerfällt, absolviere ich täglich meinen Spaziergang. Zweimal pro Woche sind dann etwas längere von ungefähr 1 ½ Stunden Dauer darunter. Meine Arbeitskollegen wunderten sich, wie man sich bei diesen Beschwerden, immer wieder zum Gehen motivieren könne. Meine Antwort, fürchte ich, fiel recht brutal aus. „Entweder ich will leben oder nicht.“
Einer meiner Kollegen wollte wissen, ob ich daran gedacht hätte aufzugeben. Nach der Stanzbiopsie in Greifswald so mindestens eintausendmal. Ich hatte mich gefragt, ob sich die ganze Marter gelohnt hätte, die Ängste, die Schmerzen, die Übelkeit, die Einschränkungen. Bis dahin hatte ich immer gehofft, bald in ein halbwegs normales Leben zurückkehren zu können. Mit Brustkrebs hatte ich überhaupt nicht gerechnet. In meiner Sippe gab es keinen einzigen Fall. Es riss mir einfach die Beine weg. Jeden Morgen, nachdem ich die Augen aufschlug, dachte ich für einen Moment daran, liegenzubleiben, mich dem Krebs zu ergeben. Dennoch habe ich mich jedes Mal wieder hochgequält und mir diese Folterstrümpfe über die Beine gestreift.
Aber es gibt auch kleine Fortschritte. An den Händen hat sich das Taubheitsgefühl von den Handflächen in die Fingerspitzen zurückgezogen. Es kribbelt auch nur noch dort. Gleichzietig hat sich meine Geschicklichkeit enorm verbessert. Ich kann mir wieder Stecker in die Ohren stöpseln. Vielleicht bin ich bald in der Lage all die Comics, die ich seit der ersten Operation im Kopf mit mir herumtrage, aufs Papier zu bannen.
Meine Physiotherapeutin hatte mir bei der letzten Sitzung verkündet, ich wäre wieder was zum Anfassen. Der Zeiger der Waage erreichte die 60-kg-Marke. Das ist mein altes Kampfgewicht, damit fühle ich mich am wohlsten. Ich habe wieder richtige Arme und, was ich hinten mit mir herumtrage, verdient die Bezeichnung Gesäß. Auf alle Fälle ist es gut für mich, kein Untergewicht zu haben, denn wie ich die 33 Bestrahlungen vertragen werde, weiß ich noch nicht. Vielleicht verhagelt es mir den Appetit. Die Assistentin hat mir die roten Zielkreuze für die Strahlenkanone schon auf den Oberkörper gezeichnet. Der Stift, den sie verwendete war aber nicht wasserfest. So war mein weißer Sport-BH dann auch gleich mitmarkiert.
Es blieb nicht der einzige Farbschaden der Woche. Extra für die Strahlentherapie hatte ich mir ein neues kunterbuntes Badetuch zugelegt. Vor zwei Jahren hatte ich eins in freundlichem anthrazit, das aber inzwischen in den Status eines normalen Duschhandtuchs aufgestiegen ist. Das neue wollte ich vor dem ersten Einsatz waschen. Weil ich nur weiße Wäsche hatte, warf ich das kunterbunte Badetuch kurzentschlossen hinzu. Jetzt weiß ich auch wieder, warum man weiße und farbige Wäsche hübsch separiert. Denn obwohl das Design Herbstlaub nicht danach aussah, verfärbte es meine restliche Wäsche. Ausgerechnet die lindgrünen Blätter erwiesen sich als nicht farbecht. Na gut, ich mag ja sowieso nichts Weißes, und der weiße Sport-BH sieht mit hellgrüner Umrandung gleich viel besser aus.
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