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Samstag, 10. März 2007
Désirée Nick - Was uns unsere Mütter verschwiegen haben
Die freie Enzyklopädie Wikipedia beglückt die Leserschaft am 8. März mit einem exzellenten Artikel über die Hetäre Neaira. Wie passend, wo doch an diesem Datum der Internationale Frauentag ist! Eine Hetäre kann ich natürlich nicht toppen, aber ich kann immerhin mit einer Frau von zweifelhaftem Ruhm kontern.

Désirée Nick ist sowohl für ihr loses Mundwerk als auch ihr markantes Profil berüchtigt. Auf dem Umschlag blickt sie den Betrachter auf zwei Fotos direkt in die Augen, sodass ihr Riechorgan dezent in den Hintergrund tritt. Bei mir würde dieser fotografische Trick nicht verfangen. Egal, von welcher Seite man mich auch immer knipsen würde und selbst aus der Vogelperspektive, meine Nase ist einfach nur groß.

Meine Unbedarftheit in Sachen Superstar-Werbeshows des Senders RTL2 ist schon kriminell zu nennen. Ich habe sowohl BigBrother als auch all die anderen hochwichtigen Sendungen verpasst. Menschenzoos sind einfach nicht mein Ding. Frau Nick hätte man mir aus diesem Grunde als seriöse Autorin eines Frauenratgebers unterjubeln können, wäre da nicht diese Buchhülle.
Das Leben ist ein Dschungel - darum rate ich zu passender Kleidung!
Was Frau Nick für die passende Bekleidung im Dschungel des Lebens hält, zeigt sie auch gleich auf dem Titelbild. Dort trägt sie außer einem wilden Gehänge in den Ohren und einem rosafarbenen Ring an der linken Hand nur eine weiße Fellstola um den Leib. Bei Männermagazinen ist so ein Foto ja durchaus verkaufsfördernd, aber das Buch soll laut Untertitel der Heimtrainer für Frauen in Nöten sein und kein Männerratgeber. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Frauen in Scharen zum Kauf animiert, wenn sie sehen, Frau Nick hat unter der Fellstola keinen BH an. Also ich hätte als Titelbild doch das Foto eines leichtbekleideten Mannes das der leichtbekleideten Frau Nick vorgezogen. Aber zum Glück muss sich die Leserin außer den beiden Fotos auf den Umschlagseiten keine weiteren von Frau Nick ansehen.

Frau Nick stellt ihrem Ratgeber das überaus kitschige "The man I love" von Gershwin aus dem Jahr 1924 voran. Vermutlich, weil immer noch viele Frauen mit dieser Erwartungshaltung durchs Leben schweben. Das kann nur schiefgehen. Frau Nick versucht ihr Möglichstes diesen Schwestern die Romantik auszutreiben. Ihr Buch hätte weder einen happy Anfang noch ein solches Ende, erklärt sie.
Rosamunde Pilcher und Danielle Steel liefern uns Heldinnen, deren Sehnsüchte prinzipiell jene Erfüllung finden, die in unserem eigenen Leben garantiert ausbleibt.
Nachdem wir mit den perfekten Romanfiguren geschmachtet haben, erwartet uns leider die eigene Realität, die sich von unseren Phantasien eklatant unterscheidet.
Wir müssen aus dem etwas machen, was wir im Alltag vorfinden, denn wir haben nur dieses eine, unperfekte Leben.
Dieses Buch ist aus Désirée Nicks Ratgeberkolumne aus der "Bild am Sonntag" hervorgegangen. Sie widmet es denjenigen, die ihr die eigenen Probleme gebeichtet haben, und außerdem noch einigen Männern.
... allen Männern, die mich enttäuscht, belogen, betrogen, verletzt, missbraucht und verlassen haben. Möge der Herrgott dafür Sorge tragen, dass sie sich auf der nächsten Rolltreppe das Genick brechen!
Gegen so einen frommen Wunsch ist erstmal nichts einzuwenden. Die einzelnen Kapitel des Buches beschließen Leserbriefe, von denen ich kaum glauben mag, dass die echt sind, und Frau Nicks Empfehlungen dazu. Es ist doch wirklich erstaunlich, was sich manche Frauen bieten lassen, nur um nicht allein leben zu müssen! Ich kenne solche Fälle, darauf kann es eigentlich nur eine Antwort geben, nämlich die Tür hinter sich zu schließen und möglichst diesem Mann an den Kopf. Wer die Konsequenz scheut, sollte seinen Mitmenschen dann nicht durch Gejammer nerven. Frau Nick sieht das ähnlich.

Für ihre Tips kann Désirée Nick aus dem Erfahrungsschatz ihres nun fast 47-jährigem Leben schöpfen. Mit dem Gardemaß von 1,83 m war Frau Nick nach Ausbildung im klassischen Ballett doch etwas zu groß geraten. Bevor sie Dschungelkönigin bei RTL2 wurde, hat sie, man glaubt es kaum, für das katholische Lehramt studiert. Die Theologie und Frau Nick haben sich dann getrennt, man passte doch nicht so gut zusammen. Désirée Nick besuchte in London eine Schauspielschule. Ihre Beziehung zu Heinrich Julius von Hannover, von dem sie ihren Sohn hat, wird die einschlägigen Klatschspalten beschäftigt haben.

Frau Nick will die Männer nicht abschaffen. Nach ihrem Rat kaufe sich Frau zu deren Domestizierung am besten ein Buch über Hundeerziehung. Das legt die Übersetzung des englischen Wortes Husband in Haushund nahe. Wenn ich manche Paare beim Einkauf im Supermarkt beobachte, könnte ich auf die Idee kommen, hier wird das Aportieren geübt. Da Désirée Nicks Ratgeber als Geburtshelfer die BamS hat, ist der Stil nicht nur frivol sondern auch ein wenig ordinär. Die Leser haben eine gewisse Erwartung, und die gilt es zu bedienen. Wer hätte bei einer Bildkolumne auch etwas anderes vermutet? Das Buch liest sich stellenweise wie die Aneinanderreihung von Aphorismen. Der beste aller Sinnsprüche ist noch immer:
Frauen täuschen einen Orgasmus vor, Männer simulieren ganze Beziehungen.
Um mein Dasein zu meistern, brauche ich Désirée Nicks Ratgeber nicht. Es war nur beruhigend zu lesen, wie es anderen Frauen ergeht, und wie sie trotzdem überleben. Ich werde dieses Buch an die nächste weiterreichen, die es auch nicht benötigt, weil sie bisher auch ohne Ratgeber zurechtkam, meine Freundin.

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