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Sonntag, 30. Juli 2006
Jubel, Trubel
Sonntag, 30. Juli 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Könnte mal irgendjemand die Hitze abschalten, bitte! Die Wärme macht mir mehr zu schaffen als die Chemotherapie. Ich muss mich wieder ab und zu aufs Bett legen wie am Anfang meiner Erkrankung. Im Augenblick geht es mir nicht so toll, und ich habe einen kleinen Durchhänger.
Am Dienstag hatte ich den selbstverständlich nicht. Ein Online-Händler gratulierte mir per E-Mail zu meinem 31. Geburtstag. Charmant, charmant. Nun etwas viel älter bin ich an diesem Tag schon geworden. Immerhin habe ich am Dienstag eine Schallmauer durchbrochen. Im letzten Jahr wurde ich genau an meinem Geburtstag aus dem Krankenhaus entlassen. Meine Freundin und ihre kleine Tochter hatten mich abgeholt. Mäuschen schenkte mir einen Glücksstein, der mir helfen soll den Krebs zu überwinden. Der Kiesel liegt jetzt auf dem Fensterbrett neben einem Bernstein. Den hat mir der Sohn einer Arbeitskollegin vermacht, damit ich wieder gesund werde.
Als klar wurde, dass mein runder Geburtstag mitten in die Chemotherapie fällt, habe ich die geplante Feier abgesagt. Es wäre der zweite Nichtgeburtstag in Folge. Den harten Kern meiner Familie konnte ich freilich nicht abschrecken. Die Eltern haben ja noch gefragt, ob sie trotzdem kommen sollen. Mein Bruder und mein Neffe haben einfach festgelegt, wir sind da. Um mich nicht ganz zu stressen, wollen Onkel und Tante mich an einem anderen Tag besuchen. Um Viertel vor zwei war ich samt Flasche mit dem Zytostatikum um den Hals von der Chemotherapie zurück.
Die Ersten, die eintrafen, waren meine Arbeitskollegen, unsere große Chefin im Schlepptau. Ich bat einen meiner Kollegen, den Sekt aus dem Kühlschrank zu nehmen, zu öffnen und den Inhalt in die Gläser zu gießen. Bei mir hätte die Kälte bloß wieder schmerzhaftes Fingerkribbeln verursacht. Während meine Kollegen auf mein Wohl anstießen, hielt ich mich selbst an grünen Tee. Seit meiner ersten Operation vor über einem Jahr habe ich keinen Alkohol mehr getrunken. Ich kann nicht behaupten, dass mir das fehlen würde. Meine Chefin betrachtete die Bauarbeiter, die das Gerüst mit nacktem Oberkörper heraufkletterten, und stellte fest, ich hätte eine schöne Aussicht. Es klang ein wenig neidisch. Ich sagte ihr, dass ich die Herren schon beäugt hätte, als sie am Nachbareingang herumturnten. Mein Balkon nimmt so langsam Gestalt an. Ich verkündete meinen Arbeitskollegen, dass ich gedenke, mein neues Zimmer mit ihnen einzuweihen. Einer schaute schon gleich nach dem Stellplatz für den Grill.
Die Chefin dachte an die Zeit zurück, als wir beide noch zusammen im Elektromotorenwerk arbeiteten. Wie jung wir damals waren, sie sah an sich hinunter, und wie schlank. Von mir behauptete sie, ich wäre schon immer so ein spackes Gehopse gewesen. Das ist natürlich eine böswillige Unterstellung. Die Kollegen fragten mich, wie ich mich fühlen würde. Durch die Chemotherapie und die Hitze im Moment wie 87. Dann traf meine Familie ein, und die Arbeitskollegen verabschiedeten sich.
Meinen Bruder musste erstmal los und Kuchen beim Bäcker in der Innenstadt holen. Das konnte ich nicht selbst. Wegen der Hitze halte ich mich nur in meiner Wohnung auf. Die Spaziergänge habe ich vorerst eingestellt. Wenn ich abklappe, hilft es mir nicht. Meine Leute hatten gesagt, ich sollte mir keinen Kopf machen. Sie würden alles Notwendige schon besorgen. Die Letzte, die an diesem Tag eintraf, war meine Freundin.
Zum Abendbrot hatte ich einen Nudelauflauf geplant. Ich esse ja lieber Kartoffelauflauf, aber mein Neffe ist ein Nudelfan. Wenn er dabei ist, koche ich immer für eine Person mehr. Schließlich soll der Junge bei mir satt werden und nicht hungern. Ich hatte am Tag vorher Rinderhack gekauft, das die Verkäuferin frisch für mich zubereitete. Am Abend desselben Tages vermengte ich es mit Gewürzen und Pinienkernen und briet es an. Das Durcharbeiten des Gehacktem mit der Gabel erwies sich als Schwerstarbeit. Üblicherweise hätte ich die Hand zum Kneten benutzt, aber wegen der Nebenwirkung der Chemo, schmerzhaftes Fingerkribbeln bei Kälte, verbot sich das von selbst. Die Hauptarbeit am Auflauf übernahm Jutta. Sie schnippelte Zucchini, Tomaten und Mozzarella klein. Dann fettete sie die Form, schichtete erst die Nudeln, danach das Gemüse mit dem Rinderhack. Die oberste Schicht bildet der Mozzarella. Mir blieb nur das ganze zu würzen, Milch mit Schlagsahne und Eier zu verquirlen, es über den Auflauf zu gießen und alles in den Ofen zu schieben. Im Elektroherd bei Umluft und 160°C brauchte der Auflauf eine dreiviertel Stunde. Das Rezept gibt es bei Gelegenheit. Auflauf ist immer eine gute Idee, wenn man nur wenig Aufwand treiben kann.
Die Eltern hatten sich im Hotel nebenan einquartiert, mein Bruder und mein Neffe blieben bei mir. So hatte ich meine Familie auch am nächsten Morgen da. Jutta und mein Vati fuhren zurück nach Berlin. Mein Bruder und mein Neffe starteten zu einem Ausflug an die Ostsee. Sie hätten mich gerne mitgenommen, aber mir war es einfach zu anstrengend. Mein Bruder und mein Neffe kehrten erst am Donnerstag nach Berlin zurück. So hatte ich an zwei Tagen frische Brötchen und brauchte auch nicht allein frühstücken. Schön. Bevor die Zwei in Richtung Heimat zurückfuhren, kauften sie für mich ein und nahmen mir auch im Haushalt einige Arbeiten ab.
Für einen Nichtgeburtstag war es eine schöne Feier. Ich danke natürlich auch Euch, meine Lieben, für die guten Wünsche per Telefon, Brief, E-Mail und SMS. Wo wäre ich ohne Euch?
Am Dienstag hatte ich den selbstverständlich nicht. Ein Online-Händler gratulierte mir per E-Mail zu meinem 31. Geburtstag. Charmant, charmant. Nun etwas viel älter bin ich an diesem Tag schon geworden. Immerhin habe ich am Dienstag eine Schallmauer durchbrochen. Im letzten Jahr wurde ich genau an meinem Geburtstag aus dem Krankenhaus entlassen. Meine Freundin und ihre kleine Tochter hatten mich abgeholt. Mäuschen schenkte mir einen Glücksstein, der mir helfen soll den Krebs zu überwinden. Der Kiesel liegt jetzt auf dem Fensterbrett neben einem Bernstein. Den hat mir der Sohn einer Arbeitskollegin vermacht, damit ich wieder gesund werde.
Als klar wurde, dass mein runder Geburtstag mitten in die Chemotherapie fällt, habe ich die geplante Feier abgesagt. Es wäre der zweite Nichtgeburtstag in Folge. Den harten Kern meiner Familie konnte ich freilich nicht abschrecken. Die Eltern haben ja noch gefragt, ob sie trotzdem kommen sollen. Mein Bruder und mein Neffe haben einfach festgelegt, wir sind da. Um mich nicht ganz zu stressen, wollen Onkel und Tante mich an einem anderen Tag besuchen. Um Viertel vor zwei war ich samt Flasche mit dem Zytostatikum um den Hals von der Chemotherapie zurück.
Die Ersten, die eintrafen, waren meine Arbeitskollegen, unsere große Chefin im Schlepptau. Ich bat einen meiner Kollegen, den Sekt aus dem Kühlschrank zu nehmen, zu öffnen und den Inhalt in die Gläser zu gießen. Bei mir hätte die Kälte bloß wieder schmerzhaftes Fingerkribbeln verursacht. Während meine Kollegen auf mein Wohl anstießen, hielt ich mich selbst an grünen Tee. Seit meiner ersten Operation vor über einem Jahr habe ich keinen Alkohol mehr getrunken. Ich kann nicht behaupten, dass mir das fehlen würde. Meine Chefin betrachtete die Bauarbeiter, die das Gerüst mit nacktem Oberkörper heraufkletterten, und stellte fest, ich hätte eine schöne Aussicht. Es klang ein wenig neidisch. Ich sagte ihr, dass ich die Herren schon beäugt hätte, als sie am Nachbareingang herumturnten. Mein Balkon nimmt so langsam Gestalt an. Ich verkündete meinen Arbeitskollegen, dass ich gedenke, mein neues Zimmer mit ihnen einzuweihen. Einer schaute schon gleich nach dem Stellplatz für den Grill.
Die Chefin dachte an die Zeit zurück, als wir beide noch zusammen im Elektromotorenwerk arbeiteten. Wie jung wir damals waren, sie sah an sich hinunter, und wie schlank. Von mir behauptete sie, ich wäre schon immer so ein spackes Gehopse gewesen. Das ist natürlich eine böswillige Unterstellung. Die Kollegen fragten mich, wie ich mich fühlen würde. Durch die Chemotherapie und die Hitze im Moment wie 87. Dann traf meine Familie ein, und die Arbeitskollegen verabschiedeten sich.
Meinen Bruder musste erstmal los und Kuchen beim Bäcker in der Innenstadt holen. Das konnte ich nicht selbst. Wegen der Hitze halte ich mich nur in meiner Wohnung auf. Die Spaziergänge habe ich vorerst eingestellt. Wenn ich abklappe, hilft es mir nicht. Meine Leute hatten gesagt, ich sollte mir keinen Kopf machen. Sie würden alles Notwendige schon besorgen. Die Letzte, die an diesem Tag eintraf, war meine Freundin.
Zum Abendbrot hatte ich einen Nudelauflauf geplant. Ich esse ja lieber Kartoffelauflauf, aber mein Neffe ist ein Nudelfan. Wenn er dabei ist, koche ich immer für eine Person mehr. Schließlich soll der Junge bei mir satt werden und nicht hungern. Ich hatte am Tag vorher Rinderhack gekauft, das die Verkäuferin frisch für mich zubereitete. Am Abend desselben Tages vermengte ich es mit Gewürzen und Pinienkernen und briet es an. Das Durcharbeiten des Gehacktem mit der Gabel erwies sich als Schwerstarbeit. Üblicherweise hätte ich die Hand zum Kneten benutzt, aber wegen der Nebenwirkung der Chemo, schmerzhaftes Fingerkribbeln bei Kälte, verbot sich das von selbst. Die Hauptarbeit am Auflauf übernahm Jutta. Sie schnippelte Zucchini, Tomaten und Mozzarella klein. Dann fettete sie die Form, schichtete erst die Nudeln, danach das Gemüse mit dem Rinderhack. Die oberste Schicht bildet der Mozzarella. Mir blieb nur das ganze zu würzen, Milch mit Schlagsahne und Eier zu verquirlen, es über den Auflauf zu gießen und alles in den Ofen zu schieben. Im Elektroherd bei Umluft und 160°C brauchte der Auflauf eine dreiviertel Stunde. Das Rezept gibt es bei Gelegenheit. Auflauf ist immer eine gute Idee, wenn man nur wenig Aufwand treiben kann.
Die Eltern hatten sich im Hotel nebenan einquartiert, mein Bruder und mein Neffe blieben bei mir. So hatte ich meine Familie auch am nächsten Morgen da. Jutta und mein Vati fuhren zurück nach Berlin. Mein Bruder und mein Neffe starteten zu einem Ausflug an die Ostsee. Sie hätten mich gerne mitgenommen, aber mir war es einfach zu anstrengend. Mein Bruder und mein Neffe kehrten erst am Donnerstag nach Berlin zurück. So hatte ich an zwei Tagen frische Brötchen und brauchte auch nicht allein frühstücken. Schön. Bevor die Zwei in Richtung Heimat zurückfuhren, kauften sie für mich ein und nahmen mir auch im Haushalt einige Arbeiten ab.
Für einen Nichtgeburtstag war es eine schöne Feier. Ich danke natürlich auch Euch, meine Lieben, für die guten Wünsche per Telefon, Brief, E-Mail und SMS. Wo wäre ich ohne Euch?
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