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Donnerstag, 9. Februar 2006
Mein Darm, das unbekannte Wesen
Donnerstag, 9. Februar 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Besonders liebevoll nahmen sich die Ärzte im Anschluss an die OP meines Darmes an, nachdem bei der letzten Darmspiegelung in Demmin und auch bei der ersten in Greifswald eine böse Entzündung diagnostiziert wurde. Mein Darmausgang konnte aus diesem Grunde ja nicht zurückverlegt werden. Einer der Doktoren sagte mir, von alleine würde die Entzündung nicht ausheilen. Der Darm müsse in Bewegung gebracht werden. Dazu sollte mir ein Medikament per Einlauf über das Stoma eingetröpfelt werden. Die Schwester in der Wachstation ersparte es sich und mir, mich am letzten Tag dort damit zu quälen.
Die Schwester auf der Station übernahm diesen Job. Sie entfernte den Beutel, sobald sie den kleinen Finger vorsichtig in mein Stoma steckte, begann ich schon zu jaulen. Das Einspritzen des Medikaments war auch nicht angenehmer. Dann musste der Beutel wieder aufgesetzt werden. Im Gegensatz zu meinem üblichen Klebesystem, hatte ich im Krankenhaus ein Klicksystem. Der Beutel wurde durch Pressen auf die Platte eingerastet. Das bildete den krönenden schmerzhaften Abschluss der Prozedur. Dabei tat mein Bauch schon so weh, ohne dass jemand auf ihm rumdrückte. Schönen Dank auch! Da mir diese Art des Einlaufs offensichtlich übel bekam, bestanden die Ärzte auch nicht darauf, mich weiter zu martern. Sie legten fest, die Behandlung wird auf die herkömmliche Art fortgesetzt.
Wenn die Schwester den Kopf ins Zimmer steckte und sagte, "Tilli, wir treffen uns in fünf Minuten.", war es Zeit sich aus dem Bett zu quälen. Ich zog mir meinen Morgenmantel über und schlurfte zur Toilette. Dort wartete schon die Schwester mit der unvermeidlichen Apparatur. Ich legte meinen Morgenmantel aufs Fensterbrett, lüftete hinten mein rückenfreies Nachthemd und beobachtete schicksalsergeben die parkenden Autos unten auf dem Hof. Die Schwester sagte, ich sollte mich ganz entspannt verhalten. Das macht mal, wenn Ihr Euch vornübergebeugt, breitbeinig stehend am Fensterbrett abstützt, und die Schwester Euch einen Schlauch in den Hintern steckt! Zuerst musste ich die Pobacken lockerlassen und sie dann zusammenpressen. Letzteres erwies sich als recht schwierig. Ich hatte seit fast acht Monate vergessen, dass ich so etwas wie ein Gesäß überhaupt besitze. Der erste Versuch ging zwar nicht in die Hose sondern ergoss sich auf die Fliesen der Toilette. Dabei wurden meine feschen Cancanstrümpfe völlig durchnässt. Diese elegante Bekleidung trägt hier jeder Patient, egal ob Männlein oder Weiblein, zum rückenfreien Flatterhemd. Ich erwartete immer die Macher von "Vorsicht Kamera" hinter der nächsten Ecke, wenn ich so eingehüllt über den Flur schlich. In einem meiner Albträume geistert die erste Reihe des Friedrichstadtpalastballetts mit Aufsehen erregend hohen Beinwürfen in diesem Outfit über die Bühne. Obwohl das eher die passende Dienstbekleidung fürs Männerballett beim Fasching wäre. Die Schwester nahm mein Mißgeschick gelassen. Sie sagte, sie würden hier auf Station alles trainieren, auch meinen lahmen Schließmuskel. Wir trainierten zweimal am Tag, morgens und abends. Ab und zu hatten wir bei diesen Aufführungen auch Zuschauer, was meiner Konzentration aufs Hinternzusammenkneifen abträglich war.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass mein Darm leer wäre. Dem war nicht so. In irgendeinem seiner geheimen Winkel hatte er noch ein paar braune Köttel und jede Menge grauen Schleims für schlechte Zeiten versteckt. Die Ärzte befürchteten indessen, dass beim Einlauf über den Hintern das Medikament nicht in jede Ecke meines Gedärms gelangen könnte. So fragten mich die Doktoren bei der Visite, ob ich Handstand könne. Ich sagte ihnen, dass sie das getrost vergessen könnten. Auch wenn ich körperlich fit wäre, zu solchen akrobatischen Übungen bin ich nicht in der Lage. Die Schwester hatte eine bessere Idee, sie verpasste mir einen der Einläufe im Liegen. Das entfernte auch die letzte Schleimsuppe und spülte meinen Darm frei. So konnte mir der Stationsarzt stolz verkünden, dass die letzte Darmspiegelung, von der ich wieder nichts mitbekommen hatte, gut verlaufen wäre. Die Entzündung war weitgehend zurückgegangen. Der Professor sagte, sie würden mich für 3-4 Wochen nach Hause schicken, dann sollte ich für die Rückverlegung meines Darmausganges wiederkommen. Wobei er mir die Wahl ließ, wo ich operiert werden wollte, in Greifswald oder in Demmin. „In Demmin ist das Essen aber besser.“, platzte ich heraus. „Ja,“ erwiderte der Professor grimmig, „jeder weiß es, und keiner macht etwas dagegen.“ Ich sollte meine Kritik auf einen Zettel schreiben und diesen in den Meckerkasten auf dem Flur einwerfen. Aber ich halte mein Weblog für den geeigneteren Platz. Die Patienten werden in diesem Krankenhaus gut betreut, aber das Essen ist ein mittlerer Katastrophenfall.
Dabei schickte das Cateringunternehmen jeden Tag Mitarbeiterinnen an die Patientenfront. Die halfen dann, übereinstimmend mit dem Kostplan, bei der Zusammenstellung des täglichen Menüs. Die größte Auswahl hatte ich noch, als die Ärzte mir eiweißreiche Speisen verordneten. Dann kam zur eiweißreichen leichte Vollkost hinzu. Damit erweiterte sich das Angebot nicht etwa, es reduzierte sich drastisch. Beim Mittagsmahl hatte ich nur noch die Auswahl zwischen Essen und Hungern. Meine geliebte Salami wurde mir gestrichen. Ich hatte so schon Mühe aus dem Wurstangebot unterschiedliche Sorten für morgens und abends zu finden, die auch noch schmeckten. Auf die Abendbeilage verzichtete ich dabei gerne, nachdem ich dreimal hintereinander Senfgurken bekommen hatte. Verwundert war ich jedesmal, wenn ich beim Abendbrot auf dem Teller andere Sachen vorfand, als ich geordert hatte. Die Mitarbeiterin erklärte das mit, beim Transport würden diese Dinge selbsttätig von einem Tablett zum anderen hopsen. Ich blieb skeptisch. Mir kam da eher der Werbespot von den Analphabeten in den Sinn. Besonders hinreißend fand ich die süßen Mehlpuddingsuppen für die Diätköstler. Der Brei unterschied sich nur durch die Farbe. Wenn man den auf seinem Menüplan hatte, war man bald gegen jegliches Essen allergisch. Viel besser war doch da die Notsuppe, die die Schwestern aus Zwieback und Milch zubereiteten.
Wie gesagt, das Essen ist in Demmin um Äonen besser als in Greifswald. Auch hier wird der Patient gut umsorgt. Das Krankenhaus hat durch seine Größe ehe einen familiären Charakter. Weil mein Arbeitsplatz gleich um die Ecke ist, bekam ich viel Besuch. In Greifswald war mein Kontakt mit der Außenwelt nur ein telefonischer. Dass ich mich trotzdem gegen das kleine Demminer Kreiskrankenhaus entschied, hat nur den einen Grund, ich bin nicht folterresistent. In Greifswald ist der Patientenquälfaktor einfach geringer. Ich denke da nur an Position eins und zwei auf meiner Folterhitliste. Koloskopie und Darmreinigung werden mir auch künftig nicht erspart bleiben. Aber vielleicht kann ich meinen Onkologen ja überreden, dass sie in Demmin fortan das gleiche Darmputzermedikament einsetzen wie in Greifswald.
Für meinen Heilungsprozess im Greifswalder Krankenhaus wäre es erfolgversprechender gewesen, ich hätte still in meinem Bett gelegen und mich nicht gerührt. Leider war das unmöglich. Wegen der eigenwilligen Besatzung in meinem Zimmer musste ich mir meist vor Lachen den Bauch halten, und das tat ziemlich weh. Wie soll man da bloß wieder gesund werden
Die Schwester auf der Station übernahm diesen Job. Sie entfernte den Beutel, sobald sie den kleinen Finger vorsichtig in mein Stoma steckte, begann ich schon zu jaulen. Das Einspritzen des Medikaments war auch nicht angenehmer. Dann musste der Beutel wieder aufgesetzt werden. Im Gegensatz zu meinem üblichen Klebesystem, hatte ich im Krankenhaus ein Klicksystem. Der Beutel wurde durch Pressen auf die Platte eingerastet. Das bildete den krönenden schmerzhaften Abschluss der Prozedur. Dabei tat mein Bauch schon so weh, ohne dass jemand auf ihm rumdrückte. Schönen Dank auch! Da mir diese Art des Einlaufs offensichtlich übel bekam, bestanden die Ärzte auch nicht darauf, mich weiter zu martern. Sie legten fest, die Behandlung wird auf die herkömmliche Art fortgesetzt.
Wenn die Schwester den Kopf ins Zimmer steckte und sagte, "Tilli, wir treffen uns in fünf Minuten.", war es Zeit sich aus dem Bett zu quälen. Ich zog mir meinen Morgenmantel über und schlurfte zur Toilette. Dort wartete schon die Schwester mit der unvermeidlichen Apparatur. Ich legte meinen Morgenmantel aufs Fensterbrett, lüftete hinten mein rückenfreies Nachthemd und beobachtete schicksalsergeben die parkenden Autos unten auf dem Hof. Die Schwester sagte, ich sollte mich ganz entspannt verhalten. Das macht mal, wenn Ihr Euch vornübergebeugt, breitbeinig stehend am Fensterbrett abstützt, und die Schwester Euch einen Schlauch in den Hintern steckt! Zuerst musste ich die Pobacken lockerlassen und sie dann zusammenpressen. Letzteres erwies sich als recht schwierig. Ich hatte seit fast acht Monate vergessen, dass ich so etwas wie ein Gesäß überhaupt besitze. Der erste Versuch ging zwar nicht in die Hose sondern ergoss sich auf die Fliesen der Toilette. Dabei wurden meine feschen Cancanstrümpfe völlig durchnässt. Diese elegante Bekleidung trägt hier jeder Patient, egal ob Männlein oder Weiblein, zum rückenfreien Flatterhemd. Ich erwartete immer die Macher von "Vorsicht Kamera" hinter der nächsten Ecke, wenn ich so eingehüllt über den Flur schlich. In einem meiner Albträume geistert die erste Reihe des Friedrichstadtpalastballetts mit Aufsehen erregend hohen Beinwürfen in diesem Outfit über die Bühne. Obwohl das eher die passende Dienstbekleidung fürs Männerballett beim Fasching wäre. Die Schwester nahm mein Mißgeschick gelassen. Sie sagte, sie würden hier auf Station alles trainieren, auch meinen lahmen Schließmuskel. Wir trainierten zweimal am Tag, morgens und abends. Ab und zu hatten wir bei diesen Aufführungen auch Zuschauer, was meiner Konzentration aufs Hinternzusammenkneifen abträglich war.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass mein Darm leer wäre. Dem war nicht so. In irgendeinem seiner geheimen Winkel hatte er noch ein paar braune Köttel und jede Menge grauen Schleims für schlechte Zeiten versteckt. Die Ärzte befürchteten indessen, dass beim Einlauf über den Hintern das Medikament nicht in jede Ecke meines Gedärms gelangen könnte. So fragten mich die Doktoren bei der Visite, ob ich Handstand könne. Ich sagte ihnen, dass sie das getrost vergessen könnten. Auch wenn ich körperlich fit wäre, zu solchen akrobatischen Übungen bin ich nicht in der Lage. Die Schwester hatte eine bessere Idee, sie verpasste mir einen der Einläufe im Liegen. Das entfernte auch die letzte Schleimsuppe und spülte meinen Darm frei. So konnte mir der Stationsarzt stolz verkünden, dass die letzte Darmspiegelung, von der ich wieder nichts mitbekommen hatte, gut verlaufen wäre. Die Entzündung war weitgehend zurückgegangen. Der Professor sagte, sie würden mich für 3-4 Wochen nach Hause schicken, dann sollte ich für die Rückverlegung meines Darmausganges wiederkommen. Wobei er mir die Wahl ließ, wo ich operiert werden wollte, in Greifswald oder in Demmin. „In Demmin ist das Essen aber besser.“, platzte ich heraus. „Ja,“ erwiderte der Professor grimmig, „jeder weiß es, und keiner macht etwas dagegen.“ Ich sollte meine Kritik auf einen Zettel schreiben und diesen in den Meckerkasten auf dem Flur einwerfen. Aber ich halte mein Weblog für den geeigneteren Platz. Die Patienten werden in diesem Krankenhaus gut betreut, aber das Essen ist ein mittlerer Katastrophenfall.
Dabei schickte das Cateringunternehmen jeden Tag Mitarbeiterinnen an die Patientenfront. Die halfen dann, übereinstimmend mit dem Kostplan, bei der Zusammenstellung des täglichen Menüs. Die größte Auswahl hatte ich noch, als die Ärzte mir eiweißreiche Speisen verordneten. Dann kam zur eiweißreichen leichte Vollkost hinzu. Damit erweiterte sich das Angebot nicht etwa, es reduzierte sich drastisch. Beim Mittagsmahl hatte ich nur noch die Auswahl zwischen Essen und Hungern. Meine geliebte Salami wurde mir gestrichen. Ich hatte so schon Mühe aus dem Wurstangebot unterschiedliche Sorten für morgens und abends zu finden, die auch noch schmeckten. Auf die Abendbeilage verzichtete ich dabei gerne, nachdem ich dreimal hintereinander Senfgurken bekommen hatte. Verwundert war ich jedesmal, wenn ich beim Abendbrot auf dem Teller andere Sachen vorfand, als ich geordert hatte. Die Mitarbeiterin erklärte das mit, beim Transport würden diese Dinge selbsttätig von einem Tablett zum anderen hopsen. Ich blieb skeptisch. Mir kam da eher der Werbespot von den Analphabeten in den Sinn. Besonders hinreißend fand ich die süßen Mehlpuddingsuppen für die Diätköstler. Der Brei unterschied sich nur durch die Farbe. Wenn man den auf seinem Menüplan hatte, war man bald gegen jegliches Essen allergisch. Viel besser war doch da die Notsuppe, die die Schwestern aus Zwieback und Milch zubereiteten.
Wie gesagt, das Essen ist in Demmin um Äonen besser als in Greifswald. Auch hier wird der Patient gut umsorgt. Das Krankenhaus hat durch seine Größe ehe einen familiären Charakter. Weil mein Arbeitsplatz gleich um die Ecke ist, bekam ich viel Besuch. In Greifswald war mein Kontakt mit der Außenwelt nur ein telefonischer. Dass ich mich trotzdem gegen das kleine Demminer Kreiskrankenhaus entschied, hat nur den einen Grund, ich bin nicht folterresistent. In Greifswald ist der Patientenquälfaktor einfach geringer. Ich denke da nur an Position eins und zwei auf meiner Folterhitliste. Koloskopie und Darmreinigung werden mir auch künftig nicht erspart bleiben. Aber vielleicht kann ich meinen Onkologen ja überreden, dass sie in Demmin fortan das gleiche Darmputzermedikament einsetzen wie in Greifswald.
Für meinen Heilungsprozess im Greifswalder Krankenhaus wäre es erfolgversprechender gewesen, ich hätte still in meinem Bett gelegen und mich nicht gerührt. Leider war das unmöglich. Wegen der eigenwilligen Besatzung in meinem Zimmer musste ich mir meist vor Lachen den Bauch halten, und das tat ziemlich weh. Wie soll man da bloß wieder gesund werden
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