Alarm im Treppenhaus
Montag, 16. Juli 2007, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Bei meinem letzten Besuch beim Phlebologen hatte ich es günstig getroffen. Meine alte Nachbarin vom Erdgeschoss hatte nach mir einen Termin in der Praxis. So kutschierte uns ihr Schwiegersohn, während Tochter und Enkel ihre Wohnung hüteten. Mit dem Taxifahrer hatte ich am Tag zuvor ausgemacht, dass er mich von der Arztpraxis abholt. Er wäre auf dem Weg zu meiner Wohnung sowieso dort vorbeigekommen. Der vereinbarte Zeitpunkt verstrich, ohne dass das Taxi erschien. Nach einer Viertelstunde bat ich die Schwester beim Taxiunternehmen anzurufen. Es dauerte noch eine ganze Weile bis das Fahrzeug endlich vor der Tür stand. Am Steuer saß aber nicht der Chef, der mich sonst fuhr, sondern mein Lieblingsfahrer. Seine Frau hat denselben Arbeitgeber wie ich. Seine Kusine ist die alte Dame, die unter mir wohnt, und die durch Krebs sowohl Mann als auch Sohn verloren hat. Dieser Fahrer nimmt regen Anteil an meinem Schicksal. Er war sichtlich aufgewühlt, meinetwegen, aber ohne meine Schuld.
Der Chef des Taxiunternehmens hatte kurzfristig eine andere Tour übernommen. Mein Lieblingsfahrer erhielt den Auftrag mich zur Strahlentherapie zu verfrachten. Allerdings vergaß der Chef zu erwähnen, dass ich in der Arztpraxis wartete. Ich hatte mit den Fahrern einen Code vereinbart, eben weil ich ja allein lebe. Wenn sie klingeln, gehe ich zur Wechselsprechanlage und erkläre, dass ich gleich käme. So wissen sie, alles ist in Ordnung, und warten, bis ich komme. Mein Taxifahrer nun war in Sorge, weil ich auf sein Läuten nicht reagierte. Die Nachbarn oben ließen ihn ins Haus wussten aber nicht, wo ich war. Er klopfte an meine Wohnungstür, und ich antwortete immer noch nicht. Also rief er den Rettungsdienst. Die kamen, wie er mir berichtete, auch mit Blaulicht ruck zuck angebraust. Nun waren sie zwar mehr Leute, aber in meine Wohnung brachte sie das immer noch nicht. Deshalb entschlossen sie sich, die Polizei zu holen. Inzwischen hatte ich aber beim Taxichef anrufen lassen. Dem fielen daraufhin alle seine Sünden ein. Er informierte seinen Mitarbeiter, wo ich auf ihn wartete. So wurde das ganze Manöver dann abgeblasen, bevor die Polizei anrückte und meine Wohnungstür aufbrach. Der Chef hat sich am anderen Tag bei mir entschuldigt, ob auch bei seinem Mitarbeiter, weiß ich nicht. Ich habe mich bei dem Taxifahrer bedankt, auch wenn seine Aufregung zum Glück umsonst war.
Ich hatte diese Woche meine 17. Bestrahlung, Bergfest sozusagen. In der Umkleidekabine muss ich manchmal warten, wenn die Sanitäter stationäre Patienten bringen. "Frauen gegenüber bin ich immer ganz wehrlos." hörte ich eine Männerstimme schmachten. Was wäre denn das, wollte ich von der Assistentin wissen. Sollte das eine Aufforderung an die Anwesenden weiblichen Geschlechts sein über diesen Mann herzufallen? Die Assistentin ließ die Tür einen Spalt offen und wies kurz auf einen der beiden Sanitäter, die eine Trage schoben. Sie sagte mir, bei medizinisch Tätigen erwarte sie eigentlich immer, dass jedermann ohne Aufforderung zupacke, sozusagen von Berufs wegen. Dieser Herr da hätte nur daneben gestanden, als sie und ihre Kollegin den Patienten von der Liege auf den Tisch umbetteten. So einen möchte sie nicht zu Hause haben, stellte sie klar. Ich lehnte gleichfalls dankend ab. Aber nun wüsste ich ja, wie der Wehrlose aussähe, fügte ich hinzu. Die Assistentin musste lachen. Draußen, während ich zu meinem Taxi ging, musterte mich ein Mann interessiert. Der Blick tat mir gut, endlich mal als Frau und nicht nur als Kranke wahrgenommen zu werden.
Das Team in der physiotherapeutischen Praxis wird seit kurzem von einer Praktikantin verstärkt. Meine Therapeutin hatte in der Behandlungskabine für sie ein Schaubild über das Lymphsystem aufgehängt. So bekam ich kostenlos Informationen mitgeliefert. Eine Kollegin betrat die Kabine, während meine Therapeutin mein Lymphsystem in Schwung brachte. Die andere Therapeutin begann uns die männliche Figur auf dem Schaubild zu erläutern. Sie zeigte aufs rechte Ohr und wechselte dann aufs linke. Danach verdeckte sie mit ihrer Hand die Stelle zwischen den Beinen. Darüber wolle sie nicht sprechen. Wieso, wollte ich wissen, ab da wäre es doch erst interessant. Meine Therapeutin gab mir recht. Ihre Kollegin verdrehte die Augen und flüchtete aus der Kabine. Wir anderen beiden prusteten los. Für die nächste Zeit muss ich auf Weiterbildung in dieser Praxis verzichten. Meine Therapeutin hat jetzt drei Wochen Urlaub.
Am Montag hatte ich ein Date in der onkologischen Sprechstunde. Ich durfte mich gleich nach der Begrüßung auf die Pritsche legen. Die Sonographie ergab keine Metastasen in der Leber. Mein Onkologe streifte sich nach dem Ultraschall die Gummihandschuhe über und griff nach einer Dose. Ich wusste, was das hieß, Darmuntersuchung! Der Tag hatte für mich durch eine Erkältung schon unerfreulich mit Kopfschmerzen begonnen. Er sollte noch unerfreulicher enden. Diese Untersuchung war ungeeignet meine ohnehin schon miese Laune zu heben. Ich fragte meinen Doktor, ob er mir den Tag nun völlig verderben wolle. Er antwortete, ich solle ihn seine Arbeit tun und ansonsten alles schön locker lassen. Die Stellung unverkrampft zu halten fiel mir schwer. Von allen Ärzten, die mir in der letzten Zeit in den Hintern geguckt haben, war dieser der vorsichtigste. Angenehm war die Sache damit noch lange nicht. Es tat nur weniger weh.
Nach der Untersuchung erkundigte er sich nach meinem Darm. Es wäre doch alles in bester Ordnung oder? Was sollte ich darauf nun noch erwidern? Mein Hintern ist mein größtes Problem! Jedesmal, wenn ich in der onkologischen Sprechstunde war, hatte ich über meine Inkontinenz gejammert. Ich hatte erzählt, dass ich ohne Windeln nicht aus dem Haus gehe. Und nun solche Frage, die beste Grundlage für ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis ist noch immer gegenseitiges Missverstehen. Zu meinen rückseitigen Problemen will sich mein Doktor erst nach der Darmspiegelung äußern. Die von mir heißgeliebte Untersuchung werde ich dann nach der Strahlentherapie bekommen.
Der Ulltraschall des Bauchraums blieb zwar ohne Befund, der Tumormarkertest dafür nicht. Die Schwester sagte mir am Telefon, ich solle nicht erschrecken. Am Mittwoch muss ich in die Röhre. Das Ergebnis steht etwa zwei bis drei Tage später fest. Mein Onkologe hat dann Urlaub. Ich kann unmöglich drei Wochen warten! Die Schwester hat mir versprochen, sobald der Befund vorliegt, erhalte ich Bescheid. Das wird ausgerechnet in die Woche fallen, in der ich Geburtstag habe, tolles Geschenk.
Der Chef des Taxiunternehmens hatte kurzfristig eine andere Tour übernommen. Mein Lieblingsfahrer erhielt den Auftrag mich zur Strahlentherapie zu verfrachten. Allerdings vergaß der Chef zu erwähnen, dass ich in der Arztpraxis wartete. Ich hatte mit den Fahrern einen Code vereinbart, eben weil ich ja allein lebe. Wenn sie klingeln, gehe ich zur Wechselsprechanlage und erkläre, dass ich gleich käme. So wissen sie, alles ist in Ordnung, und warten, bis ich komme. Mein Taxifahrer nun war in Sorge, weil ich auf sein Läuten nicht reagierte. Die Nachbarn oben ließen ihn ins Haus wussten aber nicht, wo ich war. Er klopfte an meine Wohnungstür, und ich antwortete immer noch nicht. Also rief er den Rettungsdienst. Die kamen, wie er mir berichtete, auch mit Blaulicht ruck zuck angebraust. Nun waren sie zwar mehr Leute, aber in meine Wohnung brachte sie das immer noch nicht. Deshalb entschlossen sie sich, die Polizei zu holen. Inzwischen hatte ich aber beim Taxichef anrufen lassen. Dem fielen daraufhin alle seine Sünden ein. Er informierte seinen Mitarbeiter, wo ich auf ihn wartete. So wurde das ganze Manöver dann abgeblasen, bevor die Polizei anrückte und meine Wohnungstür aufbrach. Der Chef hat sich am anderen Tag bei mir entschuldigt, ob auch bei seinem Mitarbeiter, weiß ich nicht. Ich habe mich bei dem Taxifahrer bedankt, auch wenn seine Aufregung zum Glück umsonst war.
Ich hatte diese Woche meine 17. Bestrahlung, Bergfest sozusagen. In der Umkleidekabine muss ich manchmal warten, wenn die Sanitäter stationäre Patienten bringen. "Frauen gegenüber bin ich immer ganz wehrlos." hörte ich eine Männerstimme schmachten. Was wäre denn das, wollte ich von der Assistentin wissen. Sollte das eine Aufforderung an die Anwesenden weiblichen Geschlechts sein über diesen Mann herzufallen? Die Assistentin ließ die Tür einen Spalt offen und wies kurz auf einen der beiden Sanitäter, die eine Trage schoben. Sie sagte mir, bei medizinisch Tätigen erwarte sie eigentlich immer, dass jedermann ohne Aufforderung zupacke, sozusagen von Berufs wegen. Dieser Herr da hätte nur daneben gestanden, als sie und ihre Kollegin den Patienten von der Liege auf den Tisch umbetteten. So einen möchte sie nicht zu Hause haben, stellte sie klar. Ich lehnte gleichfalls dankend ab. Aber nun wüsste ich ja, wie der Wehrlose aussähe, fügte ich hinzu. Die Assistentin musste lachen. Draußen, während ich zu meinem Taxi ging, musterte mich ein Mann interessiert. Der Blick tat mir gut, endlich mal als Frau und nicht nur als Kranke wahrgenommen zu werden.
Das Team in der physiotherapeutischen Praxis wird seit kurzem von einer Praktikantin verstärkt. Meine Therapeutin hatte in der Behandlungskabine für sie ein Schaubild über das Lymphsystem aufgehängt. So bekam ich kostenlos Informationen mitgeliefert. Eine Kollegin betrat die Kabine, während meine Therapeutin mein Lymphsystem in Schwung brachte. Die andere Therapeutin begann uns die männliche Figur auf dem Schaubild zu erläutern. Sie zeigte aufs rechte Ohr und wechselte dann aufs linke. Danach verdeckte sie mit ihrer Hand die Stelle zwischen den Beinen. Darüber wolle sie nicht sprechen. Wieso, wollte ich wissen, ab da wäre es doch erst interessant. Meine Therapeutin gab mir recht. Ihre Kollegin verdrehte die Augen und flüchtete aus der Kabine. Wir anderen beiden prusteten los. Für die nächste Zeit muss ich auf Weiterbildung in dieser Praxis verzichten. Meine Therapeutin hat jetzt drei Wochen Urlaub.
Am Montag hatte ich ein Date in der onkologischen Sprechstunde. Ich durfte mich gleich nach der Begrüßung auf die Pritsche legen. Die Sonographie ergab keine Metastasen in der Leber. Mein Onkologe streifte sich nach dem Ultraschall die Gummihandschuhe über und griff nach einer Dose. Ich wusste, was das hieß, Darmuntersuchung! Der Tag hatte für mich durch eine Erkältung schon unerfreulich mit Kopfschmerzen begonnen. Er sollte noch unerfreulicher enden. Diese Untersuchung war ungeeignet meine ohnehin schon miese Laune zu heben. Ich fragte meinen Doktor, ob er mir den Tag nun völlig verderben wolle. Er antwortete, ich solle ihn seine Arbeit tun und ansonsten alles schön locker lassen. Die Stellung unverkrampft zu halten fiel mir schwer. Von allen Ärzten, die mir in der letzten Zeit in den Hintern geguckt haben, war dieser der vorsichtigste. Angenehm war die Sache damit noch lange nicht. Es tat nur weniger weh.
Nach der Untersuchung erkundigte er sich nach meinem Darm. Es wäre doch alles in bester Ordnung oder? Was sollte ich darauf nun noch erwidern? Mein Hintern ist mein größtes Problem! Jedesmal, wenn ich in der onkologischen Sprechstunde war, hatte ich über meine Inkontinenz gejammert. Ich hatte erzählt, dass ich ohne Windeln nicht aus dem Haus gehe. Und nun solche Frage, die beste Grundlage für ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis ist noch immer gegenseitiges Missverstehen. Zu meinen rückseitigen Problemen will sich mein Doktor erst nach der Darmspiegelung äußern. Die von mir heißgeliebte Untersuchung werde ich dann nach der Strahlentherapie bekommen.
Der Ulltraschall des Bauchraums blieb zwar ohne Befund, der Tumormarkertest dafür nicht. Die Schwester sagte mir am Telefon, ich solle nicht erschrecken. Am Mittwoch muss ich in die Röhre. Das Ergebnis steht etwa zwei bis drei Tage später fest. Mein Onkologe hat dann Urlaub. Ich kann unmöglich drei Wochen warten! Die Schwester hat mir versprochen, sobald der Befund vorliegt, erhalte ich Bescheid. Das wird ausgerechnet in die Woche fallen, in der ich Geburtstag habe, tolles Geschenk.