Nordlichter
Kopf
Montag, 3. Dezember 2007
Ein Herz für Bedürftige
Eigentlich fällt mir das Bloggen wegen meines rückwertigen Problems und den Schmerzen in Schulter und rechtem Arm ziemlich schwer, aber ich komme nicht umhin, einen wahren Kämpfer für die Gerechtigkeit entsprechend zu würdigen. Ehre, wem Ehre gebührt:

Dr. Uzulis, seines Zeichens Chefredakteur der führenden, weil einzigen, Tageszeitung in dieser nordöstlichen Provinz, hatte mich schon mit seinem vorletzten Kommentar über alle Maßen entzückt. Er diagnostizierte bei den Grünen einen deutlichen Linksdrall. Die wollen doch tatsächlich mit ihrem Grundsicherungsmodell den Hartz-IV-Satz auf 420 Euro und für Kinder auf 350 Euro erhöhen. Igitt, die Sorge um die Zukurzgekommenen dieser Gesellschaft sollte man ausschließlich den Gutmenschen überlassen! Denn dies verträgt sich in keinster Weise mit den christlichen Werten, die der Herr Chefredakteur bei jeder passenden Gelegenheit einklagt. In seinem Kommentar machte Dr. Uzulis einmal mehr klar, dass er sich der Leistungsträger dieser Gesellschaft annehmen will. Die müssen vor den Begehrlichkeiten der Empfänger von Sozialleistungen und Renten geschützt werden.

Da fühle ich mich gleich ertappt, denn ich gehöre zur letzteren Klientel. Natürlich möchte ich mich hiermit bei den Leistungsträgern unserer Gesellschaft entschuldigen, dass ich ihnen mit meinen Ansprüchen zur Last falle. Meine Doppelkrebserkrankung hatte ich mir extra durch gesunde Lebensweise zugelegt. Hierfür bitte ich demütig um Verzeihung. Ich empfinde es deshalb als gerecht, wenn ich von meiner kleinen Erwerbsminderungsrente den vollen Krankenkassenbeitrag selbst bezahlen darf. Es geht auch in Ordnung, wenn die Krankenkasse nur noch Fahrten ins Krankenhaus sowie zu Chemo- bzw. Strahlentherapie bezahlt. Falls ich zu schwach sein sollte irgendwohin zur ambulanten Behandlung zu tippeln, ist das schließlich mein eigenes Verschulden. Ich freue mich natürlich, dass viele Medikamente und Hilfsmittel, die ich benötige, um mein Leben mit der Erkrankung zu ertragen, keine Kassenleistungen mehr sind. Das stärkt meine Eigenverantwortung z.B. auch bei der Auswahl der geeigneten Vorlagen für mein Grundproblem.

Nachdem Dr. Uzulis letzte Woche die Grünen also als verkappte Linke enttarnt hatte, widmete er sich in seinem neuen Kommentar mutig den wahren Bedürftigen hierzulande. Das sind notleidende Unternehmen, denen es so schlecht geht, dass sie ihren Angestellten Armutslöhne zahlen müssen, wollen sie denn noch genug Gewinn erwirtschaften. Den Verdacht, mit Dumpinglöhnen zu operieren, kann man sich in Deutschland leider schon einhandeln, wenn man seinem Personals weniger als 7,50 Euro pro Stunde bezahlt.
Nun wird es also dazu kommen, dass kleinere Potzustellbetriebe in dem nach unten zementierten Wettbewerb aufgeben müssen, weil ihr Vorteil eben nicht alleine darin lag, besser und schneller zuzustellen als die Deutsche Post, sondern vor allem, weil sie billiger waren. Dieser entscheidende Wettbewerbsvorteil fällt weg. Das bedeutet, dass vom kommenden Jahr an etliche Betriebe über den Jordan gehen. Und mit ihnen die Beschäftigten, die dann in die Arbeitslosigkeit rutschen und somit staatliche Unterstützung benötigen. ...
Ja das ist traurig. Allerdings vergisst Dr. Uzulis eins zu erwähnen, viele dieser Beschäftigten beziehen schon jetzt Hartz IV ergänzend zu ihrem Einkommen. Aber so wichtig ist diese Tatsache nun auch wieder nicht. Ein Kommentar in einer Regionalzeitung ist schließlich keine wissenschaftliche Abhandlung sondern eine Meinung. Die Konkurrenten der Post legen einen Ideenreichtum an den Tag, den ich bewundernswert finde. Welches andere Unternehmen fährt sein Personal in Bussen zur Demo, verteilt Plakate und Trillerpfeifen an die Belegschaft sowie kostenlos Filmmaterial an die Presse? Und welches andere Unternehmen bezahlt seinen Angestellten fürs Demonstrieren? Bei soviel Fürsorge bestätigen die Beschäftigten sicher gerne, dass sie mit einem Lohn von 6 Euro zufrieden sind. Ich stimme durchaus mit dem Herrn Chefredakteur überein, diese kleinen Postzustellunternehmen sind es wert, dass der Steuerzahler sie sponsert. Wie soll es sonst einen fairen Wettbewerb unter den Firmen im Postvertrieb geben?
Es ist ein Jammer, dass die Politik in diesem Land dem Markt mit zunehmender Tendenz misstraut. Dass sie sich anmaßt, überall dort regelnd einzugreifen, wo sich die freien Kräfte der Wirtschaft entfalten können. Die Politik glaubt es besser zu können als die Wirtschaft - und fällt doch mit ihren Konzepten immer wieder auf die Nase. In dem Wahn, es möglichst vielen Menschen gut gehen zu lassen, lässt sie es tatsächlich immer mehr Menschen schlechter gehen. Durch Umverteilungen, irrwitzige Restriktionen freien wirtschaftlichen Handelns, Abgaben und Steuern in oftmals unanständiger Höhe treibt sie die Menschen in Abhängigkeit und Unmündigkeit.
Es lebe der freie Markt, aber Dr. Uzulis Politikerschelte kann ich dennoch nicht nachvollziehen. Agenda 2010 und Hartz I-IV haben doch erst die Gründung dieser kleinen innovativen Firmen ermöglicht. Diese Maßnahmen wurden und werden von verantwortungsbewussten Politikern vorangetrieben, die wollen, dass es Deutschland wieder besser geht. Dafür sei ihnen ausdrücklich gedankt.
Frau Merkel und Herr Beck sollten im nächsten Jahr einmal diejenigen Briefzusteller befragen, die durch den nun festgeschriebenen überhöhten Mindestlohn ihren Job verlieren, was ihnen lieber ist: als freie, stolze Menschen für etwas weniger Geld zu arbeiten oder als Arbeitslosengeldempfänger wegen eines Mindestlohns, den ihr Arbeitgeber nicht mehr zahlen konnte, ins soziale Abseits zu geraten.
Hier zeigt der Chefredakteur, selbst wohl kein armer Mann, dass er sich in andere hineinversetzen kann. Auch Niedriglöhner können stolz sein. Das wird besonders deren Kinder aufbauen, wenn sie in der Schule mal wieder gemobbt wurden, weil sie keine Markenklamotten tragen. Unsere Eltern sind zwar arm aber stolz darauf, dass sie sich dank Agenda 2010 und Hartz IV frei dazu entscheiden durften für einen Niedriglohn zu arbeiten, der gerade mal zum Leben reicht oder auch eben nicht.

flierswelt.wordpress.com

Ich hoffe, Dr. Uzulis wird mich und die Leser des Nordkuriers auch weiterhin mit solchen Kommentaren wie den hier erwähnten begeistern. Ich mag seine mustergültige Art Probleme anzusprechen: sachlich, kritisch und so unabhängig. Mehr davon!

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