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Samstag, 25. August 2007
Visualisieren - Imaginieren
Samstag, 25. August 2007, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Mein Gynäkologe war erschüttert, als er vernahm, ich hätte eine Lungenmetastase. Die Gespräche in dieser Praxis sind trotz des ernsten Hintergrundes angenehm. Ich fühle mich individuell behandelt und als Mensch wahrgenommen, nicht als Kunde.
Genau wie einige weitere Leute weiß mein Frauenarzt, dass ich Entspannungsübungen durchführe, und dass sie mir helfen. Aber meine konkreten Erfahrungen mit der Visualisierung und insbesondere, was ich dabei sehe, habe ich nur zwei Personen anvertraut, einer meiner Freundinnen und meinem Onkologen. Hier werde ich davon nur soviel offenbahren, wie zum Verständnis der Sache notwendig ist. Und das auch nur, weil ich gebeten worden bin, darüber zu berichten. Da es mir den Umgang mit meiner Krankheit erleichtert, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch einige von Euch davon profitieren könnten. Es ist nicht auf Krebs beschränkt. Selbstverständlich kann und will ich hier keine Anleitung geben. Falls Ihr mehr wissen wollt, besorgt Euch die Bücher, die ich nenne. Oder besser noch lasst Euch von einem auf diesem Gebiet geschulten Psychologen oder Therapeuten unterweisen.
Imagination oder Visualisierung sind weder eine Geheimwissenschaft noch Mystik. Ich zapfe einfach mein Unterbewusstsein an. Das Wort Visualisierung habe ich das erste Mal bei der Reha in Plau am See gehört. Der Psychologe drückte mir ein entsprechendes Buch in die Hand, weil er annahm, ich würde ihn nicht für verrückt erklären. Ohne etwas über Visualisierung zu wissen, hatte ich mir den Darmkrebs und die Lebermetastase bildlich vorgestellt. Den einen hatte ich geboxt, die andere mit den Fingern weggeschnipst. Es handle sich dabei um eine uralte Technik, die jedem Menschen gegeben sei, hatte der Psychologe mir erläutert. Aber ohne Anleitung wollte ich mich auf keine Traumreise begeben. Mein Stundenplan in der Rehaklinik ließ solche Experimente nicht zu. Es blieb nicht einmal Zeit für einfache Übungen. Beim Abschied gab mir der Psychologe den Rat, mich mit Entspannungstechniken zu beschäftigen. Er meinte, ich wär dafür sehr empfänglich.
In der vorpommerschen Provinz sind Psychoonkologen eine rare Spezies. Meine renitente Rückseite verbot mir zudem Übungsstunden außer Haus. Aber meine Arbeitskollegen hatten mir zum runden Geburtstag einen Bücherscheck geschenkt. Den löste ich in der örtlichen Buchhandlung ein und erwarb den Titel „Den Krebs abwehren - die Selbstheilung fördern“. Autorin ist die österreichische Psychoonkologin Dr. Christine Centurioni. Dem Buch sind zwei CDs beigefügt, die beide zwei jeweils ½ Stunde dauernde Übungen enthalten, auf der einen solche zur Unterstützungen während Chemo- und Strahlentherapie, auf der anderen solche zur Reinigung und Stärkung. Ich legte die zweite CD ein und absolvierte pro Tag eine der beiden Lektionen. Aber so richtig wollte sich der gewünschte Effekt nicht einstellen. Ich übte mit wenig Begeisterung weiter. Dann hatte ich Ärger mit der Agentur für Arbeit. Anschließend wurde Brustkrebs bei mir diagnostiziert. Ich gab das Üben auf und legte das Buch beiseite.
Das änderte sich erst, als ich durch die Strahlentherapie an übergroßer Müdigkeit litt. Ich schlief und schlief, trotzdem war ich nur erschöpft. Den meisten Krebskranken ist dieser Zustand unter der Bezeichnung Fatigue bekannt. In der zweiten Therapiewoche hatte ich die Nase voll. Obwohl ich gehofft hatte, es nie zu müssen, nahm ich die erste CD, packte mich aufs Bett und hörte nebenbei die Imaginationsübung, die die Strahlentherapie unterstützen sollte. Es gelang mir während dieser Zeit der Bestrahlungen gerade zweimal die Übung im Stück zu hören. Gewöhnlich tauchte ich während der Sitzung an verschiedenen Stellen tief ab. Es waren nie dieselben. Spätestens am Ende, wenn die Imagination zurückgenommen wurde, war auch ich wieder da. Ich hatte den Eindruck, dass ich immer gerade die Bereiche der Visualisierung vernahm, die für mich an dem jeweiligen Tag von Bedeutung waren. Die anderen blendete mein Unterbewusstsein einfach aus und versetzte mich stattdessen in einen tiefen Entspannungszustand. Dass ich die gewünschte Eigenschaft erreichte, konnte ich deutlich merken. Im Zustand der Entspannung sinkt der Blutdruck. Ich musste mir eine Jacke überziehen und eine Decke über die Füße legen, selbst wenn ich zu Übungsbeginn schwitzte. Das Klappern der eigenen Zähne während der Visualisierung ist der Entspannung ein wenig abträglich.
Es funktionierte also plötzlich. Was war passiert? Eigentlich nichts besonderes, in der Zeit, während ich darauf wartete zur Bestrahlung gerufen zu werden, hatte ich zwei kleine Taschenbücher gelesen. Das erste hieß „Wieder gesund werden“ und verstand sich als „Eine Anleitung zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte für Krebspatienten und ihre Angehörigen“. Verfasst hatten es O. Carl Simonton, Stephanie Matthews Simonton und James Creighton. Das zweite Buch „Auf dem Wege der Besserung - Schritte zur körperlichen und spirituellen Heilung“ stammt von O. Carl Simonton allein. Dr. Simonton ist ein amerikanischer Radiologe und Onkologe. Seine Frau Stephanie arbeitete als Psychologin und beschäftigte sich mit Motivation. Dr. Simonton vertritt in einem Interview die Auffassung:
Seelische Belastung muss sich nicht immer so rigoros niederschlagen wie bei mir. Aber diejenigen meiner Freundinnen, die mir charakterlich gleichen, speziell mit diesem Hang zum Perfektionismus, leiden an chronischen Krankheiten. Dr. Simonton äußert sich in seinen Büchern ähnlich:
Ich hatte mir die Krebszellen als unordentlichen schmuddligen Haufen haariger Wesen vorgestellt. Jedes dieser kleinen Fellknäule hatte zwei Augen, einen winzigen Mund und zwei Füße, aber keine Hände. Die Strahlen brachen über sie herein wie ein Flächenbombardement. Die Krebszellen waren auch nur noch halb so groß wie bei der letzten Sichtung. Von da ab lag ich gelassen auf dem Behandlungstisch und beobachtete den von Mal zu Mal kleiner werdenden Krebshaufen. Während der Bestrahlungstherapie habe ich täglich einmal das Visualisieren vor der Behandlung geübt. Inzwischen trainiere ich gleich nach dem Aufwachen und nach dem Mittag, aber dazu später mehr.
Genau wie einige weitere Leute weiß mein Frauenarzt, dass ich Entspannungsübungen durchführe, und dass sie mir helfen. Aber meine konkreten Erfahrungen mit der Visualisierung und insbesondere, was ich dabei sehe, habe ich nur zwei Personen anvertraut, einer meiner Freundinnen und meinem Onkologen. Hier werde ich davon nur soviel offenbahren, wie zum Verständnis der Sache notwendig ist. Und das auch nur, weil ich gebeten worden bin, darüber zu berichten. Da es mir den Umgang mit meiner Krankheit erleichtert, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch einige von Euch davon profitieren könnten. Es ist nicht auf Krebs beschränkt. Selbstverständlich kann und will ich hier keine Anleitung geben. Falls Ihr mehr wissen wollt, besorgt Euch die Bücher, die ich nenne. Oder besser noch lasst Euch von einem auf diesem Gebiet geschulten Psychologen oder Therapeuten unterweisen.
Imagination oder Visualisierung sind weder eine Geheimwissenschaft noch Mystik. Ich zapfe einfach mein Unterbewusstsein an. Das Wort Visualisierung habe ich das erste Mal bei der Reha in Plau am See gehört. Der Psychologe drückte mir ein entsprechendes Buch in die Hand, weil er annahm, ich würde ihn nicht für verrückt erklären. Ohne etwas über Visualisierung zu wissen, hatte ich mir den Darmkrebs und die Lebermetastase bildlich vorgestellt. Den einen hatte ich geboxt, die andere mit den Fingern weggeschnipst. Es handle sich dabei um eine uralte Technik, die jedem Menschen gegeben sei, hatte der Psychologe mir erläutert. Aber ohne Anleitung wollte ich mich auf keine Traumreise begeben. Mein Stundenplan in der Rehaklinik ließ solche Experimente nicht zu. Es blieb nicht einmal Zeit für einfache Übungen. Beim Abschied gab mir der Psychologe den Rat, mich mit Entspannungstechniken zu beschäftigen. Er meinte, ich wär dafür sehr empfänglich.
In der vorpommerschen Provinz sind Psychoonkologen eine rare Spezies. Meine renitente Rückseite verbot mir zudem Übungsstunden außer Haus. Aber meine Arbeitskollegen hatten mir zum runden Geburtstag einen Bücherscheck geschenkt. Den löste ich in der örtlichen Buchhandlung ein und erwarb den Titel „Den Krebs abwehren - die Selbstheilung fördern“. Autorin ist die österreichische Psychoonkologin Dr. Christine Centurioni. Dem Buch sind zwei CDs beigefügt, die beide zwei jeweils ½ Stunde dauernde Übungen enthalten, auf der einen solche zur Unterstützungen während Chemo- und Strahlentherapie, auf der anderen solche zur Reinigung und Stärkung. Ich legte die zweite CD ein und absolvierte pro Tag eine der beiden Lektionen. Aber so richtig wollte sich der gewünschte Effekt nicht einstellen. Ich übte mit wenig Begeisterung weiter. Dann hatte ich Ärger mit der Agentur für Arbeit. Anschließend wurde Brustkrebs bei mir diagnostiziert. Ich gab das Üben auf und legte das Buch beiseite.
Das änderte sich erst, als ich durch die Strahlentherapie an übergroßer Müdigkeit litt. Ich schlief und schlief, trotzdem war ich nur erschöpft. Den meisten Krebskranken ist dieser Zustand unter der Bezeichnung Fatigue bekannt. In der zweiten Therapiewoche hatte ich die Nase voll. Obwohl ich gehofft hatte, es nie zu müssen, nahm ich die erste CD, packte mich aufs Bett und hörte nebenbei die Imaginationsübung, die die Strahlentherapie unterstützen sollte. Es gelang mir während dieser Zeit der Bestrahlungen gerade zweimal die Übung im Stück zu hören. Gewöhnlich tauchte ich während der Sitzung an verschiedenen Stellen tief ab. Es waren nie dieselben. Spätestens am Ende, wenn die Imagination zurückgenommen wurde, war auch ich wieder da. Ich hatte den Eindruck, dass ich immer gerade die Bereiche der Visualisierung vernahm, die für mich an dem jeweiligen Tag von Bedeutung waren. Die anderen blendete mein Unterbewusstsein einfach aus und versetzte mich stattdessen in einen tiefen Entspannungszustand. Dass ich die gewünschte Eigenschaft erreichte, konnte ich deutlich merken. Im Zustand der Entspannung sinkt der Blutdruck. Ich musste mir eine Jacke überziehen und eine Decke über die Füße legen, selbst wenn ich zu Übungsbeginn schwitzte. Das Klappern der eigenen Zähne während der Visualisierung ist der Entspannung ein wenig abträglich.
Es funktionierte also plötzlich. Was war passiert? Eigentlich nichts besonderes, in der Zeit, während ich darauf wartete zur Bestrahlung gerufen zu werden, hatte ich zwei kleine Taschenbücher gelesen. Das erste hieß „Wieder gesund werden“ und verstand sich als „Eine Anleitung zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte für Krebspatienten und ihre Angehörigen“. Verfasst hatten es O. Carl Simonton, Stephanie Matthews Simonton und James Creighton. Das zweite Buch „Auf dem Wege der Besserung - Schritte zur körperlichen und spirituellen Heilung“ stammt von O. Carl Simonton allein. Dr. Simonton ist ein amerikanischer Radiologe und Onkologe. Seine Frau Stephanie arbeitete als Psychologin und beschäftigte sich mit Motivation. Dr. Simonton vertritt in einem Interview die Auffassung:
Die hauptsächliche Botschaft der Krebserkrankung ist in meinen Augen die Notwendigkeit, das Leben neu zu fokussieren. Die Krebserkrankung ist ein Mittel, das der Körper anwendet, um den Menschen dermaßen zu schockieren, dass er die notwendigen Umstellungen vornimmt, diesen Gedanken zu akzeptieren. In unserer Kultur glauben die meisten Menschen, Krebs sei ein schreckliches Unglück, ein rein zufälliger Schicksalsschlag ohne besonderen Anlaß.Ein recht drastisches Mittel, zugegebener Maßen, das mein Körper da angewandt hat, aber ich war auch erst nach dem dritten Schuss vor den Bug bereit, Veränderungen vorzunehmen. Selbst nach der Lebermetastase und mit den Lymphödemen hätte ich so weitergemacht wie bisher. Ich habe in der letzten Zeit viel nachgedacht und einiges über mich und andere erfahren. Das war nicht immer angenehm. Wesentlich für den Ausbruch der Erkrankung halte ich meinen Umgang mit Stress. Nicht nur dass ich den im privaten und beruflichen Umfeld hatte, ich bereitete mir wegen meines Perfektionismuses noch zusätzlichen Druck. Einen adäquaten Ausgleich hatte ich nicht, meinen Sport hatte ich aufgegeben. Das war eine der dümmsten Entscheidungen meines Lebens.
Einige Menschen meinen sogar, sie würden für einen früheren Fehler oder eine Übertreibung bestraft. Für mich ist die Krebserkrankung eine Botschaft, die dem Betroffenen mitteilt, mit all dem aufzuhören, was ihm Leiden bringt und auffordert, vermehrt Dinge zu tun, die ihm Freude bereiten - Dinge, die im Einklang mit seiner Persönlichkeit sind und mit dem Leben, das er gerne führen möchte.
Seelische Belastung muss sich nicht immer so rigoros niederschlagen wie bei mir. Aber diejenigen meiner Freundinnen, die mir charakterlich gleichen, speziell mit diesem Hang zum Perfektionismus, leiden an chronischen Krankheiten. Dr. Simonton äußert sich in seinen Büchern ähnlich:
Denken sie daran, Ihre Gefühle sind ein Produkt Ihrer Überzeugungen und Gedanken. Wenn Sie sich besser fühlen wollen, müssen Sie gesünder denken!Wenn ich das weiß, kann ich auch etwas korrigieren. Auch Dr. Centurioni sprach in den Übungen von Veränderungen, und von dem Nutzen verstärkt das zu tun, was mir gut täte. Ich hatte es wohl gehört, aber ich hatte es nicht wirklich vernommen. Erst als ich die Bücher von Dr. Simonton gelesen hatte, in denen alles ausführlicher und mit Patientenbeispielen geschildert wurde, bekam ich die entscheidende Initialzündung. Plötzlich passte alles zusammen. Ich fühlte eine große Erleichterung. Die Imaginationsübung zur Strahlentherapie gelang. Meine Ängste schrumpften.
Im wesentlichen ist die Visualisierung ein Zustand vollkommener Entspannung, in dem sich der Patient das ersehnte Ziel oder Behandlungsergebnis bildlich vorstellt. Beim Krebspatienten bedeutet dies: Er soll versuchen, sich die Krebswucherung und ihre Zerstörung durch die Behandlung, vor allem aber die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers im Kampf gegen den Krebs bildlich vorzustellen.Vor meinen Visualisierungsübungen lag ich als verspanntes Etwas auf dem Behandlungstisch und starrte auf die drohend über mir schwebende Strahlenkanone. Die Bestrahlung selbst dauerte ja nur einige Minuten. Deshalb versuchte ich eine verkürzte Übung. Ich schloss die Augen und rief mir einige Wortformeln aus der Imaginationssitzung ins Gedächtnis wie: Entspannung kommt ganz von alleine, ich liege ganz ruhig, während die Strahlen ihre Arbeit tun. Die Muskelversteifungen lösten sich, ich konnte ganz unverkrampft auf dem Tisch liegen, und ich sah meinen Brustkrebs.
Ich hatte mir die Krebszellen als unordentlichen schmuddligen Haufen haariger Wesen vorgestellt. Jedes dieser kleinen Fellknäule hatte zwei Augen, einen winzigen Mund und zwei Füße, aber keine Hände. Die Strahlen brachen über sie herein wie ein Flächenbombardement. Die Krebszellen waren auch nur noch halb so groß wie bei der letzten Sichtung. Von da ab lag ich gelassen auf dem Behandlungstisch und beobachtete den von Mal zu Mal kleiner werdenden Krebshaufen. Während der Bestrahlungstherapie habe ich täglich einmal das Visualisieren vor der Behandlung geübt. Inzwischen trainiere ich gleich nach dem Aufwachen und nach dem Mittag, aber dazu später mehr.
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