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Sonntag, 3. Dezember 2006
Ein Schritt vorwärts, zwei zurück
Sonntag, 3. Dezember 2006, Kategorie: 'Krankengeschichten'
Keine Angst, das wird hier kein Klassiker des Marxismus-Leninismus sondern eine weitere Schilderung meiner Gebrechen, auf die Ihr schon ungeduldig wartet, meine Lieben.
Wie Ihr wisst, hatte ich, weil ich mich nach der AHB richtig gut fühlte, um einen Test an meinem Arbeitsplatz gebeten. Leider gibt es kein Happy End, noch nicht. In der letzten Woche hatte ich einen schlimmen Albtraum. Wie sehr ich es auch versuchte, ich konnte weder Arme noch Beine bewegen. Als ich endlich erwachte, lag die Bettdecke schwer auf mir. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Freitag vor einer Woche war Freddie Mercurys 15. Todestag und der Schockwellenreiter hatte in seinem Artikel auf "Bohemian Rhapsody" bei YouTube verlinkt. Ihr wisst ja, ich bin ein Fan von Queen und Freddie Mercurys toller Stimme genauso wie von Tamara Danz und Silly. Ob man schließlich an den Folgen von Aids oder an Krebs stirbt, spielt am Ende keine große Rolle.
Bohemian Rhapsody vor mich hinsummend spazierte ich meinen mühsamen Weg zur Arbeit. Weil ich hier nicht in London bin sondern in der tiefsten vorpommerschen Provinz, stoppte ich an der Fußgängerampel und wartete auf Grün. Den ersten Schritt auf die Straße hatte ich bereits getan, hielt dann aber inne. Von links hörte ich den Motor eines Pkws. Ich hatte grün und der Fahrer tiefstes dunkelrot, aber er machte trotzdem keine Anstalten, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Wenn ich nicht stehen geblieben wäre, hätte er mich mit seinem Fahrzeug überrollt. Es hätte gepasst, der Friedhof ist gleich gegenüber. Ich sah dem Auto hinterher. Der Fahrer machte eine wegwerfende Handbewegung. Das sah aus wie, Abfall ist überall.
Bei meinen Kollegen ging es mir gut. Ich habe die Stunden, die ich bei ihnen war, überhaupt nicht an die Krankheit gedacht. Trotzdem musste ich meinem Chef Mittwochmorgen sagen, dass ich das ganze abbrechen muss. Meine dicken Beine sind Lymphödeme. Die Therapeutin, die mir am Freitag die Lymphdrainage am linken Huf verpasste, hat mir das verraten. Von den Ärzten weiß ich es nicht, obwohl ich in der Kurklinik gefragt hatte. Die Sache ist chronisch und hat damit zu tun, dass mir der Chirurg die Lymphknoten aus dem Bauch schneiden musste. Die fehlen jetzt, und der Lymphfluss ist gestört. Es ist also keine Folge der Chemotherapie. Die Sache ist nicht trivial und kann bei Nichtbehandlung zu bösen Nebenwirkungen führen. Ich müsste immer Lymphdrainage bekommen und lebenslang Kompressionsstrümpfe tragen, so die Physiotherapeutin.
Abends zu Hause habe ich erst einmal geheult. Am Wochenende ging es mir nicht besser. Unabhängig von den Lymphödemen bin ich im Laufe der Zeit wieder schwächer geworden, wer weiß warum. Nach der Kur war ich in besserer körperlicher Verfassung als jetzt. Zum Glück hatte ich Dienstag einen Nachsorgetermin in Greifswald bei der Strahlenmedizin. Die Ärztin sagte mir, meine Beschwerden, die Lymphödeme und die Stuhlinkontinenz, wären keine Dinge, die nicht in Griff zu bekommen wären. Es bräuchte nur Zeit. Beim Fingerkribbeln müsste man abwarten, ob es verschwindet oder bleibt. Mein Chef hat mich getröstet, bei allem, was ich schon hinter mir hätte, würde ich dies hier auch noch schaffen.
Inzwischen habe ich mich wieder beruhigt. Ich hatte mit Beate und Renate telefoniert. Aus meinem Familienclan kam nicht nur Trost sondern auch Vorwürfe: Ich würde mich nicht genug um meine Gesundung kümmern, nähme alles hin, was mir die Ärzte verordnen würden, und stellte keine eigenen Forderungen. Das ist natürlich Unsinn, deswegen bin ich auch so verletzt. Ohne mein Drängen hätte ich keine Lymphdrainage bekommen. Immer nur her mit weiteren Unterstellungen dieser Art, die kann ich im Moment besonders gut gebrauchen. Das baut mich ungemein auf! Und dann noch die Frage, woran es denn liegen würde, dass ich jetzt das Handtuch werfen musste. An drei Operationen, einer Bestrahlung und zwei Chemotherapien im laufe von nicht einmal 1 ½ Jahren schätze ich. Die letzte Chemo hatte ich in der ersten Septemberwoche. Mein Hausarzt hat die Angelegenheit nur mit, "Ich hab es Ihnen ja gesagt. Es ist einfach noch zu früh," kommentiert. Aber es ist trotzdem ein Schlag ins Kontor. Während meiner Krankheit gab es viele Aufs und Abs. Dies hier ist eines der schlimmeren Tiefs. Wenn es mir schlecht geht, wächst natürlich auch wieder die Angst im Hinterkopf, der Krebs könnte wiederkommen.
Als Rückfalltäterin muss ich also zurück in meine Zelle und erhalte regelmäßig Freigang. Ihr könnt wieder mit Blogbeiträgen und neuen Episoden zum Podcast rechnen. Meine Sittiche und die Zimmerpflanzen werden über Extrapflege entzückt sein. Und dann habe ich ja noch meine Krankheit. Auch wenn mich meine Gebrechen vollauf beschäftigen, absolviere ich nebenbei ein halbes Medizin- und Sozialrechtstudium. Ich habe nicht immer den Eindruck, dass die Ärzte nun mehr wissen als ich. Meine wichtigste aber beileibe nicht die einzige Quelle ist dabei das Internet. Zum Thema Lymphödem zum Beispiel habe ich inzwischen eine hübsche Linkliste beisammen.
Obwohl ich mein neues Zimmer entsprechend geschmückt, alle meine Fensterbilder aufgehängt und die Kerze angezündet habe, will sich bei mir kein Adventsgefühl einstellen. Es wurde mir bloß wieder schmerzlich bewusst, was ich nicht mehr kann. So habe ich die Girlanden nur einfach über die Schränke gelegt ohne die kleinen Weihnachtskugeln, Holzpferdchen, und was ich sonst noch an Schnickschnack habe, einzuflechten. Ich habe diese Sachen gleich im Keller gelassen. Vielleicht geht es ja nächstes Jahr.
Wie Ihr wisst, hatte ich, weil ich mich nach der AHB richtig gut fühlte, um einen Test an meinem Arbeitsplatz gebeten. Leider gibt es kein Happy End, noch nicht. In der letzten Woche hatte ich einen schlimmen Albtraum. Wie sehr ich es auch versuchte, ich konnte weder Arme noch Beine bewegen. Als ich endlich erwachte, lag die Bettdecke schwer auf mir. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Freitag vor einer Woche war Freddie Mercurys 15. Todestag und der Schockwellenreiter hatte in seinem Artikel auf "Bohemian Rhapsody" bei YouTube verlinkt. Ihr wisst ja, ich bin ein Fan von Queen und Freddie Mercurys toller Stimme genauso wie von Tamara Danz und Silly. Ob man schließlich an den Folgen von Aids oder an Krebs stirbt, spielt am Ende keine große Rolle.
Bohemian Rhapsody vor mich hinsummend spazierte ich meinen mühsamen Weg zur Arbeit. Weil ich hier nicht in London bin sondern in der tiefsten vorpommerschen Provinz, stoppte ich an der Fußgängerampel und wartete auf Grün. Den ersten Schritt auf die Straße hatte ich bereits getan, hielt dann aber inne. Von links hörte ich den Motor eines Pkws. Ich hatte grün und der Fahrer tiefstes dunkelrot, aber er machte trotzdem keine Anstalten, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Wenn ich nicht stehen geblieben wäre, hätte er mich mit seinem Fahrzeug überrollt. Es hätte gepasst, der Friedhof ist gleich gegenüber. Ich sah dem Auto hinterher. Der Fahrer machte eine wegwerfende Handbewegung. Das sah aus wie, Abfall ist überall.
Bei meinen Kollegen ging es mir gut. Ich habe die Stunden, die ich bei ihnen war, überhaupt nicht an die Krankheit gedacht. Trotzdem musste ich meinem Chef Mittwochmorgen sagen, dass ich das ganze abbrechen muss. Meine dicken Beine sind Lymphödeme. Die Therapeutin, die mir am Freitag die Lymphdrainage am linken Huf verpasste, hat mir das verraten. Von den Ärzten weiß ich es nicht, obwohl ich in der Kurklinik gefragt hatte. Die Sache ist chronisch und hat damit zu tun, dass mir der Chirurg die Lymphknoten aus dem Bauch schneiden musste. Die fehlen jetzt, und der Lymphfluss ist gestört. Es ist also keine Folge der Chemotherapie. Die Sache ist nicht trivial und kann bei Nichtbehandlung zu bösen Nebenwirkungen führen. Ich müsste immer Lymphdrainage bekommen und lebenslang Kompressionsstrümpfe tragen, so die Physiotherapeutin.
Abends zu Hause habe ich erst einmal geheult. Am Wochenende ging es mir nicht besser. Unabhängig von den Lymphödemen bin ich im Laufe der Zeit wieder schwächer geworden, wer weiß warum. Nach der Kur war ich in besserer körperlicher Verfassung als jetzt. Zum Glück hatte ich Dienstag einen Nachsorgetermin in Greifswald bei der Strahlenmedizin. Die Ärztin sagte mir, meine Beschwerden, die Lymphödeme und die Stuhlinkontinenz, wären keine Dinge, die nicht in Griff zu bekommen wären. Es bräuchte nur Zeit. Beim Fingerkribbeln müsste man abwarten, ob es verschwindet oder bleibt. Mein Chef hat mich getröstet, bei allem, was ich schon hinter mir hätte, würde ich dies hier auch noch schaffen.
Inzwischen habe ich mich wieder beruhigt. Ich hatte mit Beate und Renate telefoniert. Aus meinem Familienclan kam nicht nur Trost sondern auch Vorwürfe: Ich würde mich nicht genug um meine Gesundung kümmern, nähme alles hin, was mir die Ärzte verordnen würden, und stellte keine eigenen Forderungen. Das ist natürlich Unsinn, deswegen bin ich auch so verletzt. Ohne mein Drängen hätte ich keine Lymphdrainage bekommen. Immer nur her mit weiteren Unterstellungen dieser Art, die kann ich im Moment besonders gut gebrauchen. Das baut mich ungemein auf! Und dann noch die Frage, woran es denn liegen würde, dass ich jetzt das Handtuch werfen musste. An drei Operationen, einer Bestrahlung und zwei Chemotherapien im laufe von nicht einmal 1 ½ Jahren schätze ich. Die letzte Chemo hatte ich in der ersten Septemberwoche. Mein Hausarzt hat die Angelegenheit nur mit, "Ich hab es Ihnen ja gesagt. Es ist einfach noch zu früh," kommentiert. Aber es ist trotzdem ein Schlag ins Kontor. Während meiner Krankheit gab es viele Aufs und Abs. Dies hier ist eines der schlimmeren Tiefs. Wenn es mir schlecht geht, wächst natürlich auch wieder die Angst im Hinterkopf, der Krebs könnte wiederkommen.
Als Rückfalltäterin muss ich also zurück in meine Zelle und erhalte regelmäßig Freigang. Ihr könnt wieder mit Blogbeiträgen und neuen Episoden zum Podcast rechnen. Meine Sittiche und die Zimmerpflanzen werden über Extrapflege entzückt sein. Und dann habe ich ja noch meine Krankheit. Auch wenn mich meine Gebrechen vollauf beschäftigen, absolviere ich nebenbei ein halbes Medizin- und Sozialrechtstudium. Ich habe nicht immer den Eindruck, dass die Ärzte nun mehr wissen als ich. Meine wichtigste aber beileibe nicht die einzige Quelle ist dabei das Internet. Zum Thema Lymphödem zum Beispiel habe ich inzwischen eine hübsche Linkliste beisammen.
Obwohl ich mein neues Zimmer entsprechend geschmückt, alle meine Fensterbilder aufgehängt und die Kerze angezündet habe, will sich bei mir kein Adventsgefühl einstellen. Es wurde mir bloß wieder schmerzlich bewusst, was ich nicht mehr kann. So habe ich die Girlanden nur einfach über die Schränke gelegt ohne die kleinen Weihnachtskugeln, Holzpferdchen, und was ich sonst noch an Schnickschnack habe, einzuflechten. Ich habe diese Sachen gleich im Keller gelassen. Vielleicht geht es ja nächstes Jahr.
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